Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB220215 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 19.10.2022 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz etc. |
Schlagwörter : | Schuldig; Beschuldigte; Dossier; Beschuldigten; Asservat; Betäubungsmittel; Vorinstanz; Staatsanwalt; Droge; Verteidigung; Drogen; Staatsanwaltschaft; Sinne; Urteil; Marke; BetmG; Asservat-Nr; Dispositiv; Prot; Berufung; Crystal; Geldstrafe; Busse; Beschlagnahmt; Freiheitsstrafe; Beschlagnahmte; Landes; Amtlich; Betäubungsmittelgesetz; Dossiers |
Rechtsnorm: | Art. 105 StGB ; Art. 106 StGB ; Art. 135 StPO ; Art. 2 VRV ; Art. 267 StPO ; Art. 268 StPO ; Art. 31 SVG ; Art. 40 StGB ; Art. 404 StPO ; Art. 426 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 49 StGB ; Art. 51 StGB ; Art. 56 StGB ; Art. 63 StGB ; Art. 82 StPO ; |
Referenz BGE: | 130 II 176; 135 IV 180; 145 IV 312; 145 IV 364; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
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Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB220215-O/U/mc-as
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Wenker, Präsident, Ersatzoberrichterin lic. iur.
Keller und Ersatzoberrichter Dr. iur. Bezgovsek sowie Gerichts- schreiber MLaw Huter
in Sachen
Anklägerin und Berufungsklägerin
gegen
Beschuldigte und Berufungsbeklagte
amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Dr. iur. X. ,
betreffend qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz etc.
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 21. Oktober 2021 (Urk. D1/17) ist diesem Urteil beigeheftet.
(Urk. 38 S. 42 ff.)
Das Verfahren bezüglich des Konsums von Betäubungsmitteln vor dem
7. Februar 2019 wird eingestellt.
Die Beschuldigte A. ist schuldig
Die Freiheitsstrafe wird vollzogen. Die Geldstrafe und die Busse sind zu be- zahlen.
Die folgenden, mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom
29. Oktober 2020 einzig als Beweismittel beschlagnahmten Gegenstände werden der Beschuldigten nach Eintritt der Rechtskraft auf erstes Verlangen hin herausgegeben. Verlangt die Beschuldigte die Gegenstände nicht innert 30 Tagen ab Rechtskraft des Urteils heraus, werden sie der zuständigen Lagerbehörde zur Vernichtung überlassen:
Die folgenden mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom
29. Oktober 2020 beschlagnahmten Bargeldbeträge werden eingezogen und zur Verfahrenskostendeckung verwendet:
- CHF 4'840.– (Asservat-Nr. A013'815'775, A013'816'267,
A013'834'054, A013'987'876, A014'304'279)
- EUR 225.– (Asservat-Nr. A013'834'065)
- USD 50.– (Asservat-Nr. A013'834'087)
Die folgenden mit Verfügungen der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom
20. Oktober 2020 und 29. Oktober 2020 beschlagnahmten Gegenstände werden eingezogen und der Lagerbehörde zur gutscheinenden Verwendung überlassen:
Die folgenden mit Verfügungen der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom
20. Oktober 2020 und 29. Oktober 2020 beschlagnahmten Gegenstände werden allfälligen Berechtigten herausgegeben. Sofern keine Berechtigten ermittelt werden können, werden diese Gegenstände der Beschuldigten herausgegeben:
wird für die amtliche Verteidigung der Beschuldigten mit Fr. 13'500.– (inkl. Mehrwertsteuer) aus der Gerichtskasse entschädigt.
Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:
Fr. 4'500.–; die weiteren Kosten betragen: Fr. 3'000.– Gebühr Strafuntersuchung
Fr. 13'379.80 BM-, TOX-, DNA- sowie psychiatrisches Gutachten
Fr. 1'940.– Spurenberichte FOR
Fr. 13'500.– Entschädigung amtliche Verteidigung Allfällige weitere Kosten bleiben vorbehalten.
Des Vertreters der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl: (Urk. 40 S. 2; Urk. 56 S. 1)
2 Jahren und Bezahlung der ausgefällten Busse (Abänderung der Dis- positiv-Ziffer 5 des vorinstanzlichen Urteils).
Unter Kostenfolgen für das Berufungsverfahren zulasten der Beschul- digten.
Der Verteidigung der Beschuldigten im Rahmen der Anschlussberufung: (Urk. 46 S. 2 ff.; Urk. 57 S. 2 ff.)
Die Staatsanwaltschaft beschränkte ihre Berufung auf die Dispositivziffern 5, 7 und 9 des erstinstanzlichen Urteils und beantragte, dass die Freiheits- sowie die Geldstrafe unter Verzicht auf die Anordnung einer ambulanten Massnahme im Sinne von Art. 63 StGB bedingt zu vollziehen seien. Zudem sei die Beschuldigte für fünf Jahre des Landes zu verweisen (Urk. 40 S. 2; Art. 399 Abs. 4 lit. b und c
StPO). Insoweit die Staatsanwaltschaft heute im Bewusstsein um das verspätete Vorbringen zusätzlich beantragte, die vorinstanzliche Dispositiv-Ziffer 13 zur bes- seren Vollstreckbarkeit abzuändern, ist davon auszugehen, dass die Lagerbehör- de in Anwendung von Art. 267 Abs. 6 StPO von Gesetzes wegen korrekt vollzie- hen wird, weshalb sich eine Korrektur unabhängig der Frage, ob eine solche pro- zessual im Lichte von Art. 404 StPO überhaupt noch möglich wäre, nicht auf- drängt.
Die Beschuldigte ihrerseits focht mit ihrer Anschlussberufung das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich der Schuldsprüche betreffend die Dossiers 6, 7 und 10 (Disposi- tivziffer 2, 2. und 3. Spiegelstrich), des Strafpunktes (Dispositivziffern 4, 5 und 6), der Anordnung einer ambulanten Massnahme (Dispositivziffer 7), der Verwen- dung der eingezogenen Bargeldbeträge (Dispositivziffer 11) sowie der Kostenre- gelung (Dispositivziffern 18 und 19) an (Urk. 46 S. 2 ff.; Art. 399 Abs. 4 lit. a, b, c und f StPO). Nachdem die Beschuldigte bezüglich der Dossiers 6 und 7 ebenfalls einen Schuldspruch im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 BetmG beantragt, ist das vo- rinstanzliche Urteil hinsichtlich Dispositivziffer 2, 5. Spiegelstrich ebenfalls als an- gefochten zu betrachten.
Entsprechend ist vorab festzuhalten, dass das Urteil des Bezirksgerichtes Zürich,
4. Abteilung, vom 7. Februar 2022 bezüglich Dispositivziffern 1 (Verfahrensein- stellung betreffend Betäubungsmittelkonsum vor dem 7. Februar 2019), 2 teilwei- se (1. und 4. Spiegelstrich; Schuldsprüche betreffend Verbrechen gegen das Be- täubungsmittelgesetz und Fahren in fahrunfähigem Zustand), 3 (Freispruch be- treffend Dossier 8), 9 (Herausgabe persönlicher Effekten an die Beschuldigte), 10 (Einziehung und Vernichtung von Betäubungsmitteln und Betäubungsmittelutensi- lien), 12 (Einziehung von beschlagnahmten Gegenständen zur gutscheinenden Verwendung), 13 (anderweitige Verfügung über beschlagnahmte Gegenstände), 14 (Vernichtung von Spurenträgern), 15 (Absehen von einer Ersatzforderung) so- wie 16 und 17 (Kostenfestsetzung) in Rechtskraft erwachsen ist (vgl. BSK StPO- EUGSTER, 2. Aufl. 2014, Art. 402 N 1 f.).
sowie ob der Beschuldigten nachgewiesen werden kann, dass sie B.
gemäss Dossier 10 mehrfach Metamphetamin verkauft hat (Urk. 30 S. 9 und Urk. 57
S. 8 ff.). Wie es sich damit verhält, ist entsprechend nachfolgend zu prüfen, wobei die bereits durch die Vorinstanz dargelegten Beweisregeln und Grundsätze zur Anwendung kommen, wozu – um Wiederholungen zu vermeiden – auf deren zu- treffende Ausführungen verwiesen werden kann (Urk. 38 S. 7 f.; Art. 82 Abs. 4 StPO).
Tatsächlich führte die Beschuldigte am 14. September 2021 bei der Staatsanwalt- schaft hinsichtlich der in Dossier 6 bei ihr zuhause sichergestellten Drogen
(8.9 Gramm Methamphetamin-Reinsubstanz) aus, diese gehörten ihr nicht. Sie
habe sie weggeben wollen, aber nicht können. Sie könne nicht sagen, wem das Crystal Meth gehöre, habe aber gewusst, dass es dort gewesen sei (Urk. D1/3/8
S. 7 f.). Gemäss Durchsuchungsprotokoll, Sicherstellungsliste und Fotodokumen- tation befanden sich die Drogen (in einem Minigripsäckchen) zusammen mit einer Feinwaage in einem Latex-Handschuh auf dem Kühlschrank (Urk. D6/3 S. ff, Urk. D6/4/2 und Urk. D6/4/5 S. 1). Vor Vorinstanz äusserte sie sich dazu nicht mehr (Prot. I S. 17). Heute sagte die Beschuldigte wie schon in der von der Vo- rinstanz unberücksichtigt gebliebenen tatnächsten, zu ihren Gunsten verwertba- ren polizeilichen Einvernahme aus, das gefundene Crystal Meth sei von ihr gewe- sen, und sie habe damals 1 Gramm pro 2 bis 3 Tage konsumiert (Urk. D1/3/6,
S. 1 f.; Prot. II S. 16 ff.). Bei einem somit durchschnittlichen Konsum von ca. 2 Gramm/Woche und bei einem Kauf pro Monat von 10 Gramm (Urk. D1/3/6,
S. 2) erweist es sich als durchaus plausibel, dass sie die sichergestellte Menge Crystal Meth für den Eigenkonsum aufbewahrte, weshalb zu ihren Gunsten von dieser Sachverhaltsvariante auszugehen ist.
Hinsichtlich der am 2. September 2020 aufgefundenen 5,4 Gramm Methamphe- tamin (Dossier 7) erklärte sie dem Staatsanwalt lediglich, sie sei damals gerade gekommen und habe den Schlüssel nicht gehabt. Sie sei ein paar Tage weg ge- wesen, einer ihrer Kollegen habe dort gewohnt. Sie möchte aber nicht sagen, ob das Crystal Meth ihm gehöre. Sie wollte sich auf Nachfrage auch nicht dazu äus- sern, dass die Drogen aus diversen Behältnissen ab ihrem Nachttisch sicherge- stellt worden waren (Urk. D1/3/8 S. 8). Gemäss der Sicherstellungsliste wurden die 5,4 Gramm lose und in Plastik ab dem Nachttisch Schlafzimmer sichergestellt (Urk. D7/3/3 S. 1; vgl. auch die Fotodokumentation Urk. D7/2 S. 5 f.). Gegenüber der Vorinstanz sowie auch heute bestätigte sie sodann, dass das sichergestellte Crystal Meth ihr gehöre (Prot. I S. 18; Prot. II S. 18).
– und bei der vorliegenden Beweislage unwiderlegbar – geltend machte, diese Drogen einzig für ihren Eigenkonsum aufbewahrt zu haben, kann ihr ein weitergehender Vorwurf, insbesondere die Absicht des Verkaufs oder der Aufbewah- rung für eine Drittperson, nicht rechtsgenügend nachgewiesen werden. Aufgrund der tatnächsten Aussagen der Beschuldigten zum Dossier 6 lässt sich zudem auch bezüglich des Dossiers 7 nicht rechtsgenügend ausschliessen, dass die am
2. September 2020 aufgefundenen Drogen ihren Monatsvorrat für den Eigenkon- sum darstellten.
Anders als in den übrigen Dossiers wird die Beschuldigte in Dossier 10 durch einen Abnehmer konkret belastet, regelmässig Kleinmengen von Crystal Meth verkauft zu haben (Urk. D10/2-3). Die entsprechenden Aussagen von B. sind nachvollziehbar, hinreichend detailliert und stimmen zudem mit den Örtlichkeiten (insb. Bezeichnung der Wohnung der Beschuldigten) überein. Kommt hinzu, dass er die Beschuldigte anlässlich seiner ersten Befragung korrekt beschreiben und auf einem Fotobogen zweifelsfrei identifizieren konnte. Was die Beschuldigte dagegen vorbringt (Urk. D1/3/8 S. 13; Prot. I S. 18 f.; Prot. II S. 19 f.) vermag nicht zu überzeugen. Einerseits erscheint schon fraglich, dass er die Beschuldigte aufgrund einer früheren, kurzen Auseinandersetzung auf einem Foto- bogen einwandfrei wiedererkannt und sie dann deswegen spontan fälschlich des Drogenhandels beschuldigt hätte. Anderseits beschuldigte er sie konkret des Dealens mit Crystal Meth, der (einzigen) Droge, welche wiederholt bei ihr vorge- funden wurde, und kannte er, auch wenn die Frage suggestiv gestellt wurde (so zutreffend die Verteidigung: Urk. 57 S. 9), immerhin ihren Übernamen (A'. , vgl. Urk. D1/3/8 S. 13). Beides spricht klar für die Glaubhaftigkeit seiner Belas- tung. Gewissen Unsicherheiten, die wohl mit der Staatsanwaltschaft (Prot. II
S. 28) dadurch zu erklären sind, dass es sich bei B. (ebenfalls) um einen langjährigen Crystal Meth-Konsumenten handelt, was offensichtlich das Erinne- rungsvermögen negativ beeinträchtigt, hat die Staatsanwaltschaft dadurch Rech- nung getragen, dass sie nur die Minimalbelastung zur Anklage gebracht hat. In diesem Umfang ist der Sachverhalt gemäss Dossier 10 jedenfalls rechtsgenügend
erstellt (vgl. ergänzend auch die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz, Urk. 38 S. 13 ff.; Art. 82 Abs. 4 StPO).
Die Vorinstanz ging zutreffenderweise davon aus, dass die Handlungen der Beschuldigten gemäss den Dossiers 6, 7 und 10 zufolge fehlender Tateinheit mit dem Aufbewahren einer grosser Menge von Crystal Meth gemäss Dossier 1 je ei- genständig zu beurteilen sind. Die Beschuldigte hat trotz laufendem Strafverfah- ren und nach durchgeführten Hausdurchsuchungen weiter delinquiert. Zudem handelt es sich beim Aufbewahren für Dritte im Vergleich zum Aufbewahren für den Eigenbedarf und Eigenkonsum auch um derart unterschiedliche Tathandlun- gen, dass eine Tateinheit im Ergebnis sowohl zeitlich als auch qualitativ nicht be- gründbar ist. Dabei ist entgegen den Vorbringen der Verteidigung (Urk. 57 S. 8) im Rahmen der rechtlichen Würdigung unerheblich, ob sich dies zugunsten oder zu ungunsten der Beschuldigten auswirkt.
Nachdem sich in Dossier 6 und Dossier 7 jeweils lediglich ein Besitz von Amphe- taminen zum Eigenkonsum erstellen liess, ist die Beschuldigte diesbezüglich – zusätzlich zum vorinstanzlichen Schuldspruch der mehrfachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 BetmG – zweier (weiterer) Übertretungshandlungen im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 BetmG schuldig zu spre- chen.
Hinsichtlich Dossier 10 kann uneingeschränkt auf die vorinstanzlichen Ausführun- gen verwiesen werden (Urk. 38 S. 20; Art. 82 Abs. 4 StPO). Entsprechend ist die Beschuldigte diesbezüglich des Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz gemäss dessen Art. 19 Abs. 1 lit. c BetmG schuldig zu sprechen.
S. 30), weshalb uneingeschränkt darauf verwiesen werden kann. Korrekterweise ging sie sodann davon aus, dass für die Betäubungsmitteldelikte (mit Ausnahme
der Übertretungen gemäss Art. 19a BetmG) je gesondert auf Freiheitsstrafe zu erkennen wäre, weshalb hierfür im Ergebnis eine Gesamtfreiheitsstrafe festzule- gen sein wird. Für das Verbrechen nach Dossier 1 gilt dies bereits von Gesetzes wegen (vgl. Art. 19 Abs. 2 BetmG, welcher den Strafrahmen auf Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr definiert). Jedoch kann auch für das einschlägige Ver- gehen gemäss Dossier 10 nichts anderes gelten, wurde dieses doch während be- reits laufender Untersuchung begangen, was bereits aus spezialpräventiven Gründen eine Geldstrafe als unzureichend erscheinen lässt. Demgegenüber scheint es mit der Vorinstanz gerechtfertigt und genügend, für die singuläre Ver- kehrsregelverletzung eine Geldstrafe auszusprechen. Die Übertretungen sind zu- dem schon von Gesetzes wegen mit einer zusätzlichen Busse zu ahnden.
Vorab ist auf die Vorbringen der Verteidigung zum Dossier 1 einzugehen (Urk. 57 S. 6), wonach die Beschuldigte gewusst und zugelassen habe, dass C. im Koffer im Keller Crystal Meth lagere (betrifft Fund bei der Hausdurch- suchung vom 29. Mai 2020), nicht aber, dass er solches auch in ihrer Wohnung liegen lasse (betrifft Fund bei der Hausdurchsuchung vom 25. Mai 2020). Die Ver- teidigung macht geltend, die Beschuldigte sei hinsichtlich des am 25. Mai 2020 in der Wohnung gefundenen Crystal Meth keiner Garantenpflicht unterlegen, da sie ihre Wohnung C. nicht für die Aufbewahrung dieser Menge zur Verfügung gestellt habe. Allerdings kann dies nicht bezüglich jeder separat gefundenen Menge desselben Betäubungsmittels in der Unterkunft der Beschuldigten diffe- renziert werden. Wenn die Beschuldigte mit C. in der Wohnung regelmässig
Crystal Meth konsumierte und sich, wie die Verteidigung selber darlegt (Urk. 57
S. 5), von C. diesbezüglich beliefern liess, bzw. sie zusätzlich wusste und es auch zuliess, dass C. eine grosse Menge Crystal Meth in ihrem Keller lagerte, dann nahm sie zumindest auch in Kauf, dass dieser im betreffenden Zeit- raum in ihrer Wohnung ebenfalls Crystal Meth aufbewahrte. Hierfür ist sie verant- wortlich. Insofern lässt sich bezüglich der in der Wohnung gefundenen Menge Crystal Meth – entgegen der Verteidigung – nichts zugunsten der Beschuldigten ableiten.
Das von der Beschuldigten aufbewahrte Methaphetamin ist sodann eine Droge mit erheblichem Gefährdungspotential, was sich bereits daran zeigt, dass der Grenzwert zum qualifizierten Delikt gemäss Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG bei le- diglich 12 Gramm liegt (BGE 145 IV 312). Diesen Grenzwert überschritt die Beschuldigte durch die Aufbewahrung von 60.44 Gramm um das rund fünffache. Trotzdem fällt sie damit nicht in die Kategorie der Grossdealer, zumal sie die Dro- gen lediglich für einen Dritten aufbewahrt hat. Hierarchisch ist sie damit höchstens an der Peripherie des organisierten Drogenhandels anzusiedeln. Objektiv ist da- mit von einer eher geringen Tatschwere auszugehen. Die Einsatzstrafe wäre vor Berücksichtigung der subjektiven Komponenten bei 18 bis 20 Monaten anzuset- zen (vgl. insb. FINGERHUTH/SCHLEGEL/JUCKER, OFK-BetmG. 3. Auflage, StGB 47 N 45 ff., wobei aufgrund des durch das Bundesgericht festgelegten Grenzwerts die Tabelle zu Heroin analog anzuwenden ist). Nun wird die objektive Tatschwere jedoch in subjektiver Hinsicht zusätzlich relativiert durch die, die Schuldfähigkeit mittelgradig vermindernde, Drogensucht der Beschuldigten (Urk. D1/5/3 S. 13 f. und S. 17), zumal ihr hinsichtlich des Weiterverkaufs an Endkonsumenten auch lediglich Eventualvorsatz angelastet wird. Damit ist das Verschulden insgesamt und mit Blick auf den weiten Rahmen des qualifizierten Delikts als leicht zu quali- fizieren. Angesichts dieser Ausführungen resultiert basierend auf den Tatkompo- nenten eine Einsatzstrafe von 13 bis 14 Monaten.
ihren bisherigen Angaben abwich (vgl. Prot. II S. 9 ff.), von folgenden Umständen auszugehen (vgl. Urk. D1/3/2 S. 16, Urk. D1/3/8 S. 16 ff., Urk. D1/5/3 S. 5 ff., Urk. 51 und Prot. I S. 8 ff.):
Gemäss eigenen Angaben vor rund 61 Jahren in D.
als jüngstes von 14
Kindern geboren und dort aufgewachsen, übersiedelte sie zusammen mit ihrer dreieinhalbjährigen Tochter ihm Jahr 1987 nach Deutschland. Ein Sohn sei da- mals bereits im Kleinkindalter verstorben gewesen. In Deutschland heiratete sie und hatte zusammen mit ihrem deutschen Ehemann zwei weitere Kinder. Auch liess sie sich dort später einbürgern. Im Jahr 2000 soll die Scheidung erfolgt sein. Gemäss den Migrationsakten heiratete sie allerdings im Jahr 2003 erneut (vgl. Urk. 51 S. 99 f.). Gemäss ihren bisherigen Angaben sei sie im Jahr 2007 zu ihrer ältesten Tochter nach Zürich gezogen, wo sie auf die beiden in den Jahren 2007 und 2009 geborenen Enkel schaute. In den beigezogenen Akten des Migrations- amtes ist allerdings erst per März 2016 ein Zuzug samt Gesuch um Erteilung ei- ner Aufenthaltsbewilligung vermerkt (Urk. 51 S. 1), welches sodann im November 2016 infolge fehlenden Wohnsitzes in der Schweiz zurückgezogen (Urk. 51 S. 38) und per April 2017 mit neuer Wohnsitznahme in der Schweiz erneut gestellt wur- de (Urk. 51 S. 40, vgl. auch S. 97). Heute behauptete die Beschuldigte nach Kenntnis der Migrationsakten nun auch, erst im Jahr 2017 Wohnsitz in der Schweiz genommen zu haben (Prot. II S. 9). Seit Januar 2018 verfügt sie jeden- falls über eine B-Aufenthaltsbewilligung samt Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wobei als Einreisedatum der 5. April 2017 registriert ist (Urk. 51 S. 94). Ein Er- neuerungsgesuch wurde durch das Zürcher Migrationsamt infolge Wegzugs in den Kanton Aargau per Mai 2022 als gegenstandslos abgeschrieben (Urk. 51
S. 119 f.). Heute behauptete die Beschuldigte, im Kanton Aargau im Juni 2022 ei- ne Niederlassungsbewilligung C erhalten zu haben, konnte allerdings keinen Ausweis vorlegen (Prot. II S. 11 und 15). Einen wesentlichen Einfluss hat der Auf- enthaltsstatus vorliegend aber nicht, weshalb diese Frage letztlich offengelassen werden kann. Die Beschuldigte arbeitete jedenfalls seit 2017 in Zürich – wie of- fenbar schon zuvor in Deutschland – im Erotikbereich als selbstständige Masseu- rin (Urk. 51 S. 8, S. 45 f., S. 65, S. 72 ff.), wobei sie in den letzten Jahren auf- grund der Corona-Pandemie bzw. der zeitweise geltenden Schutzmassnamen
auch staatliche Unterstützungsgelder erhalten habe. Im Zeitpunkt der erstinstanz- lichen Verhandlung war sie obdachlos bzw. übernachtete bei einer Kollegin. Sie arbeitete als Aushilfe mit einem 50 % Pensum als Erotikmasseurin bzw. als Aus- bilderin und erzielte damit ein Einkommen von ungefähr Fr. 3'000.– bis Fr. 4'000.– brutto pro Monat. Sodann hatte sie Steuerschulden, welche sie vor Vorinstanz auf circa Fr. 2'000.– bezifferte. Heute erklärte sie, inzwischen nicht mehr arbeitstätig zu sein und seit einem Monat Sozialhilfe zu beziehen. Sie habe weder Vermögen noch Schulden (Prot. II S. 8, 14 und 23). Diese Umstände erweisen sich als straf- zumessungsneutral.
Kaum strafmindernd kann sodann ihr Zugeständnis, die Drogen wissentlich für ei- nen Dritten aufbewahrt zu haben, angerechnet werden. Wie bereits die Vorinstanz hierzu zutreffend anmerkte, war die Beweislage erdrückend, denn die Drogen wurden in ihrer Wohnung und im Kellerabteil in ihrem Koffer zusammen mit ihrem Pass und mit ihrer DNA sichergestellt. Mithin ist die Einsatzstrafe nach Berück- sichtigung der Täterkomponenten insgesamt leicht zu mindern, womit im Ergebnis eine Freiheitsstrafe von rund 12 Monaten resultiert.
Sodann hat die Beschuldigte gemäss Dossier 10 insgesamt 2 Gramm (net- to) Methamphetamin in 10 Transaktionen an B. verkauft. Dies liegt deutlich unter dem Grenzwert zum qualifizierten Delikt. Ihre Dealertätigkeit erstreckte sich aber über mehrere Monate, wobei angesichts der geringen Grösse der verkauften Einzelportionen davon auszugehen ist, dass die Beschuldigte am untersten Hie- rarchieende des organisierten Drogenhandels anzusiedeln ist. Die Tatschwere erscheint leicht und wird subjektiv durch die eingeschränkte Schuldfähigkeit weiter relativiert. Zwar handelte sie vorsätzlich, jedoch ist zu vermuten, dass sie damit ihre eigene Drogensucht mitfinanzierte. Insgesamt ist das Verschulden somit als sehr leicht zu qualifizieren, womit bei isolierter Betrachtung eine Einsatzstrafe von ein bis zwei Monaten resultieren würde.
Mit Blick auf die Täterkomponenten fällt spürbar straferhöhend ins Gewicht, dass sie während laufender Strafuntersuchung einschlägig delinquierte, weshalb die Strafe auf zwei Monate festzusetzen wäre. Da vorliegend jedoch nur im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB eine angemessene Straferhöhung vorzunehmen ist, ist die auf Dossier 1 basierende Einsatzstrafe im Ergebnis um circa einen Monat auf 13 Monate Freiheitsstrafe zu erhöhen. Daran anzurechnen sind zwei Tage erstande- ne Untersuchungshaft (Art. 51 StGB).
Was die für das Fahren in fahrunfähigem Zustand gemäss Dossier 2 aus- zusprechende Geldstrafe angeht, hat die Vorinstanz zusammenfassend ausge- führt, dass das Führen eines Fahrzeugs unter dem Einfluss von Methamphetamin gefährlich und rücksichtslos sei. Allerdings habe die Beschuldigte das Auto ledig- lich von der E. -strasse zum Bahnhof F. umparkieren wollen und sei sie nur eine kurze Strecke und überdies langsam gefahren. Angesichts ihrer mit- telgradig verminderten Schuldfähigkeit sei das Gesamtverschulden als sehr leicht einzustufen, eine Strafe von 30 Tagessätzen erscheine angemessen. Da die Beschuldigte ein vollumfängliches Geständnis abgelegt habe, sei die Strafe auf 20 Tagessätze zu reduzieren (Urk. 38 S. 29 f.). Diese Ausführungen erweisen sich auch heute als zutreffend und werden überdies sowohl von der Staatsanwalt- schaft als auch von der Verteidigung anerkannt (Urk. 40 S. 2 und Urk. 46 S. 2). Sie sind insoweit zu bestätigen. Angesichts der inzwischen noch prekäreren fi- nanziellen Verhältnisse – die Beschuldigte ist inzwischen sozialhilfeabhängig und nicht mehr arbeitstätig – ist der Tagessatz in Abweichung von der Vorinstanz aber auf das Minimum von Fr. 10.– herabzusetzen.
Angesichts der aktuellen finanziellen Verhältnisse der Beschuldigten und des ins- gesamt doch recht langanhaltenden, beträchtlichen Konsums von Crystal Meth, von welchem sich die Beschuldigte selbst durch die laufende Strafuntersuchung mit mehrfachen Personenkontrollen und Verhaftungen sowie sogar zweitägiger Untersuchungshaft nicht abbringen liess, kann – zumindest hinsichtlich des ange- klagten Konsums – entgegen der Vorinstanz nicht mehr von leichtem Verschulden gesprochen werden. Vielmehr wiegt dieses selbst mit Blick auf die, die Steue- rungsfähigkeit im mittleren Ausmass beeinträchtigende Drogensucht (vgl. Urk. D1/5/3 S. 17) noch immer erheblich, was eine spürbare Busse verlangt, gerade auch unter Mitberücksichtigung der bereits aufgezählten, straferhöhenden Täter- komponenten. Daneben fallen die einzelnen Besitzhandlungen gemäss den Dos- siers 1 (1.06 Gramm netto), 5 (3.57 Gramm netto), 6 (ca. 10 Gramm netto) und 7 (5,4 Gramm brutto) nur noch nachrangig ins Gewicht. Insgesamt ist eine Busse von Fr. 900.– gerechtfertigt.
Mit der Vorinstanz, auf deren einlässliche und zutreffende Ausführungen vollumfänglich verwiesen werden kann (Urk. 38 S. 31), ist vorliegend festzuhalten, dass ein bedingter Vollzug bereits an der gutachterlich festgestellten Rückfallge- fahr scheitert (vgl. nachfolgende Ziff. 6.1, vgl. auch BGE 135 IV 180 E. 2.3; BGer 6B_963/2020 vom 24. Juni 2021 E. 1.3.2 m. w. H.), welche sich überdies auch darin exemplarisch zeigte, wie die Beschuldigte trotz laufendem Untersuchungs- verfahren quasi ununterbrochen neu mit Crystal Meth angetroffen wurde. Aus die- sem Grund könnte vorliegend auch die ursprünglich von der Verteidigung bean- tragte blosse Anordnung einer Weisung, sich während der Probezeit einer ambu- lanten Suchtbehandlung zu unterziehen, nicht genügen, da die Beschuldigte ge- mäss gutachterlicher Feststellung alle Voraussetzungen zur Anordnung einer Massnahme erfüllt und mithin nur so ihrer sozialen Gefährlichkeit angemessen Rechnung getragen werden kann (BSK StGB-SCHNEIDER/GARRÉ, 2019, Art. 44 N 44; PK StGB-TRECHSEL/AEBERSOLD, 4. Auflage, Art. 94 N 6). Entgegen den Vor- bringen der Verteidigung (Urk. 57 S. 16) ist aufgrund der Drogensucht zudem von einer Rückfallgefahr bezüglich weiterer Strassenverkehrsdelikte auszugehen. Mit- hin sind die Freiheits- wie auch die Geldstrafe grundsätzlich zu vollziehen.
Die Busse ist bereits von Gesetzes wegen zu vollziehen, wobei die Ersatzfrei- heitsstrafe für den Fall der schuldhaften Nichtbezahlung praxisgemäss auf neun Tage festzusetzen ist (Art. 105 Abs. 1 StGB und Art. 106 Abs. 2 StGB).
Über die Beschuldigte wurde mit ihrer Mitwirkung ein psychiatrisches Gut- achten erstellt (Urk. D1/5/3). Der Gutachter Dr. med. G. stellte die Diagnose einer Methamphetamin-Abhängigkeit nach ICD F15.2 mittleren Ausmasses. Die Taten der Beschuldigten stünden damit im Zusammenhang, die Abhängigkeit be- stehe weiter und es sei deshalb ein Rückfallrisiko vorhanden. Die Abhängigkeit sei behandelbar, wobei eine intensive Behandlung im ambulanten Rahmen mit regelmässigen Urin- und Haarproben durchgeführt werden sollte. Der nötigen Art der Behandlung könne sowohl aus personeller wie aus fachlicher Hinsicht im Rahmen des Strafvollzugs nicht hinreichend Rechnung getragen werden (a.a.O., S. 16 ff.).
24) hat die Beschuldigte, auch wenn sie bisher nicht auf freiwilliger Basis eine Suchttherapie in Angriff genommen hat, immerhin verbal ihre Massnahmewillig- keit bekräftigt, weshalb die Anordnung einer engmaschigen und strukturgebenden ambulanten Massnahme vorliegend auch ohne Weiteres verhältnismässig er- scheint.
Die ursprünglich aus H. [Staat in Asien] stammende Beschuldigte ist heute (auch) deutscher Staatsangehörigkeit und derzeit zumindest Inhaberin ei- ner B-Aufenthaltsbewilligung für die Schweiz (vgl. Ziff. 5.2.3 vorstehend). Die Staatsanwaltschaft bringt vor, betreffend Dossier 1 sei abweichend von der vo- rinstanzlichen Beurteilung davon auszugehen, dass die Beschuldigte die qualifi- zierte Menge doch habe selber verkaufen wollen (Urk. 56 S. 2). Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass die vorinstanzliche Beweiswürdigung und Subsumtion aufgrund der Rechtskraft der entsprechenden vorinstanzlichen Dispositivziffer nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens ist und deshalb insgesamt, auch in Bezug auf die Landesverweisung, nicht mehr abweichend zu beurteilen ist. Beim von der Beschuldigten begangenen qualifizierten Verstoss gegen das Betäubungsmittelgesetz (Dossier 1) durch Aufbewahren handelt es sich allerdings so oder anders um eine Katalogtat gemäss Art. 66a Abs. 1 lit. o StGB, weshalb obligatorisch zu prüfen ist, ob sie zusätzlich zur Strafe für eine gewisse Zeit des Landes zu verweisen ist. Dies ist zwingend, wenn eine Landesverweisung für die Beschuldigte keinen persönlichen Härtefall bedeutet bzw. ein solcher durch ge- wichtige öffentliche Interessen verdrängt wird und sofern – als kumulative Vo- raussetzung, da die Beschuldigte (auch) Angehörige eines EU-Staates ist – eine Landesverweisung mit Blick auf das Freizügigkeitsabkommen der Schweiz mit der Europäischen Union (FZA) als zulässig erscheint (vgl. hierzu auch die zutreffen- den theoretischen Ausführungen im angefochtenen Urteil, Urk. 38 S. 34 f.).
sonstige vertiefte Bindungen gesellschaftlicher Art verfügt sie nicht (vgl. insbe- sondere Urk. 3/8 S. 17; Prot. II S. 8 und 22). Ebenso wenig hat sie Kontakt zu ih- ren Kindern in Deutschland. Zumindest telefonischen Kontakt unterhält sie dem- gegenüber offenbar zu ihren Geschwistern in den USA und in H. . Inzwi- schen ist sie zudem nicht mehr arbeitstätig, sondern benötigt Sozialhilfe (Prot. II
S. 8 und 22; vgl. auch die Ausführungen der Vorinstanz in Urk. 38 S. 36 f.). Insge- samt kann nicht gesagt werden, dass ihre Verwurzelung sowie Resozialisierungs- chancen in der Schweiz markant besser wären als in Deutschland oder allenfalls auch H. . Auch in gesundheitlicher Hinsicht ist kein Härtefall auszumachen, kann die Sucht zumindest in Deutschland, wenn nicht auch in H. , doch gleich wie hier therapeutisch behandelt werden. Angesichts dieser Umstände kann – in Übereinstimmung mit der Vorinstanz – auf die Prüfung überwiegender öffentlicher Interessen verzichtet werden.
S. 38). Die Staatsanwaltschaft rügt, dass die Vorinstanz die Verkaufshandlungen gemäss Dossier 10 unberücksichtigt gelassen und die Gefährdung der Öffentlich- keit zu niedrig eingeschätzt habe sowie dass die Rückfallgefahr zum heutigen und nicht zum zukünftigen Zeitpunkt nach durchgeführter ambulanter Massnahme zu beurteilen sei (Urk. 56 S. 3 f.).
fährdung der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA dar- stellt und die Schweiz grundsätzlich zur Anordnung von Entfernungsmassnahmen berechtigt (BGE 130 II 176, E. 3.4.1; BGE 145 IV 364 E. 3.5.2 ff.). Allerdings kann ihr diesbezüglich kein Handel mit den Drogen, sondern lediglich deren Aufbewah- rung für einen Dritten nachgewiesen werden. Gehandelt hat sie aber mit einer die Qualifizierung gemäss Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG nicht erreichenden Menge zu einem Zeitpunkt, als das Untersuchungsverfahren wegen Betäubungsmitteldelik- ten bereits am Laufen war, was in die Beurteilung mit einzubeziehen ist und stark zu Ungunsten der Beschuldigten ins Gewicht fällt. Denn dadurch zeigt sich ein deutlicher Unwille der Beschuldigten, sich an die hiesigen Gesetze zu halten, und verbietet sich auch die Annahme, die Beschuldigte gefährde durch ihre Drogen- sucht im Rahmen ihres Eigenkonsums nur sich selbst. Kommt hinzu, dass ihre Legalprognose derzeit gutachterlich als düster eingeschätzt wird (Urk. D1/5/3 S. 15 f.). Der Einbezug von zukünftigen Entwicklungen, insbesondere einer allfälli- gen Massnahme, ist bei der Legalprognose betreffend die Gefährdung der öffent- lichen Sicherheit gemäss Art. 5 Anhang I FZA zwar durchaus denkbar (vgl. AJP 2017 S. 895 und Urteil 2C_406/2014 vom 2. Juli 2015, E. 4.3), führt vorliegend aber entgegen den Erwägungen der Vorinstanz nicht zu einer anderen Einschät- zung. Zwar lässt sich durch eine (erfolgreiche) Drogentherapie die Rückfallgefahr vermindern, es kann aber bei einer derart langjährigen Drogensucht nicht ohne Weiteres von einem langfristigen Therapieerfolg ausgegangen (Stichwort: Sucht- gedächtnis) und eine zukünftige erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicher- heit ausgeschlossen werden. Bisher hat die Beschuldigte – auf freiwilliger Basis – zudem keine entsprechenden Anstrengungen unternommen, aus welchen zu ih- ren Gunsten eine zusätzliche Motivation, inskünftig deliktsfrei zu leben, abgeleitet werden könnte. Damit ist nicht nur im heutigen Zeitpunkt sondern auch in Zukunft von einer schweren Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA auszugehen, weshalb das FZA einer Landesverweisung vorliegend nicht entgegensteht. Bei diesem Ergebnis kann im Übrigen offengelas- sen werden, ob eine nicht arbeitstätige, sozialhilfeabhängige Person überhaupt unter den Schutzbereich des FZA fällt.
Verwendung beschlagnahmter Vermögenswerte
Was die Verwendung der bei der Beschuldigten beschlagnahmten Bargeldbeträ- ge (Fr. 4'840.–, EUR 225.– und USD 50.–; vgl. Urk. D1/7/16) angeht, so hat die Vorinstanz zunächst zutreffend ausgeführt, gemäss Art. 268 Abs. 1 StPO könne vom Vermögen einer beschuldigten Person so viel beschlagnahmt werden, wie voraussichtlich zur Deckung der Verfahrenskosten, Entschädigungen, Geldstrafen und Bussen nötig sei. Hernach bestimmte sie die einzuziehenden Beträge jedoch lediglich zur Deckung der Verfahrenskosten (Urk. 38 S. 40). Dies wird von der Verteidigung zu Recht moniert (Urk. 46 S. 3 und Urk. 57 S. 19 f.). Praxisgemäss ist die Anordnung dahingehend zu modifizieren, dass die beschlagnahmten Gel- der zur Vollstreckung des Urteils, primär zur Deckung von Geldstrafe und Busse hernach zur Kostendeckung, verwendet werden (vgl. auch Art. 263 Abs. 1 lit. b StPO).
Kosten- und Entschädigungsregelung
4) und erfolgten auch keine gesonderten Befragungen – erweist sich dies entge- gen den Vorbringen der Verteidigung (Urk. 57 S. 20) als zutreffend, weshalb die vorinstanzliche Kostenregelung (Dispositivziffern 18 und 19) zu bestätigen ist.
Die Staatsanwaltschaft obsiegt mit ihrer Berufung einzig hinsichtlich der beantrag- ten Landesverweisung, wobei es sich allerdings um einen gewichtigen Punkt handelt, während bezüglich der Anschlussberufung der Beschuldigte hinsichtlich der Dossiers 6 und 7 sowie betreffend die Verwendung der beschlagnahmten Bargeldbeträge in ihrem Sinn zu entscheiden ist. Im Ergebnis rechtfertigt dies, die Kosten der Beschuldigten zu drei Vierteln aufzuerlegen und im Übrigen auf die Gerichtskasse zu nehmen.
Die Kosten der amtlichen Verteidigung, welche ausgehend von der eingereichten Honorarnote auf Fr. 5'200.– festzusetzen sind (Urk. 58; § 23 in Verbindung mit
§ 17 f. AnwGebV), sind einstweilen auf die Gerichtskasse zu nehmen, unter Vor- behalt der Rückzahlung von drei Vierteln dieser Kosten durch die Beschuldigte, sollten dies ihre finanziellen Verhältnisse dereinst erlauben (vgl. Art. 135 Abs. 4 StPO).
Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichtes Zürich,
4. Abteilung, vom 7. Februar 2022 bezüglich Dispositivziffern 1 (Verfahrenseinstellung betreffend Betäubungsmittelkonsum vor dem 7. Februar 2019), 2 teilweise (1. und 4. Spiegelstrich; Schuldsprüche betreffend Verbrechen ge- gen das Betäubungsmittelgesetz und Fahrens in fahrunfähigem Zustand),
3 (Freispruch betreffend Dossier 8), 9 (Herausgabe persönlicher Effekten an die Beschuldigte), 10 (Einziehung und Vernichtung von Betäubungsmitteln und Betäubungsmittelutensilien), 12 (Einziehung von beschlagnahmten Ge- genständen zur gutscheinenden Verwendung), 13 (anderweitige Verfügung über beschlagnahmte Gegenstände), 14 (Vernichtung von Spurenträgern), 15 (Absehen von einer Ersatzforderung) sowie 16 - 17 (Kostenfestsetzung), in Rechtskraft erwachsen ist.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
Die Beschuldigte A. ist ferner schuldig
20 Tagessätzen zu Fr. 10.– und einer Busse von Fr. 900.–.
Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird zu diesem Zweck aufgeschoben.
Die Beschuldigte wird im Sinne von Art. 66a Abs. 1 lit. o StGB für 5 Jahre des Landes verwiesen.
Die folgenden, mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom
29. Oktober 2020 beschlagnahmten Bargeldbeträge
- Fr. 4'840.– (Asservat-Nrn. A013'815'775, A013'816'267,
A013'834'054, A013'987'876, A014'304'279) | ||
- EUR | 225.– | (Asservat-Nr. A013'834'065) |
- USD | 50.– | (Asservat-Nr. A013'834'087) |
werden zur Vollstreckung des Urteils, primär zur Bezahlung der Geldstrafe und der Busse, hernach zur Kostendeckung, verwendet.
Die erstinstanzliche Kostenregelung (Dispositivziffern 18 und 19) wird bestä- tigt.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 3'000.– ; die weiteren Kosten betragen:
Fr. 5'200.– amtliche Verteidigung.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden der Beschuldigten (übergeben)
das Migrationsamt des Kantons Zürich sowie in vollständiger Ausfertigung an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden der Beschuldigten
das Bundesamt für Polizei, fedpol
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälli- ger Rechtsmittel an
den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungs- und Vollzugsdienste
das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich, Abteilung Administrativmassnahmen, Richterliche Fahrverbote, 8090 Zürich
die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit dem Formular Löschung des DNA-Profils und Vernichtung des ED-Materials zwecks Bestimmung der Vernichtungs- und Löschungsdaten
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsa- chen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang der vollständigen, be- gründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichts- gesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichts- gesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Zürich, 19. Oktober 2022
Der Präsident:
Oberrichter lic. iur. Wenker
Der Gerichtsschreiber:
MLaw Huter
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