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Bundesverwaltungsgericht Urteil E-1176/2019

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung V
Dossiernummer:E-1176/2019
Datum:27.03.2019
Leitsatz/Stichwort:Vollzug der Wegweisung (verkürzte Beschwerdefrist)
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdeführer; Wegweisung; Bundesverwaltungsgericht; Recht; Verfügung; Vorinstanz; Wegweisungsvollzug; Albanien; Wegweisungsvollzugs; Kindes; Schweiz; Mutter; Urteil; Vater; Schwester; Sachverhalt; Verfahren; Beschwerdeführers; Asylgesuch; Anhörung; Schutz; Entscheid; Bezug; Familiäre; Gesetzliche; Erwägungen; Vollzug
Rechtsnorm: Art. 13 ZGB ; Art. 19 ZGB ; Art. 49 BV ; Art. 49 VwVG ; Art. 52 VwVG ; Art. 61 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 69 AIG ; Art. 83 AIG ; Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung V E-1176/2019

U r t e i l  v o m  2 7.  M ä r z  2 0 1 9

Besetzung Einzelrichterin Esther Marti,

mit Zustimmung von Richter Gérard Scherrer; Gerichtsschreiber Peter Jaggi.

Parteien A. , geboren am ( ), Albanien,

( ),

Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Vollzug der Wegweisung (verkürzte Beschwerdefrist); Verfügung des SEM vom 27. Februar 2019 / N ( ).

Sachverhalt:

A.

Der Beschwerdeführer verliess Albanien eigenen Angaben zufolge am ( ) oder ( ) und gelangte am ( ) in die Schweiz, wo er am 24. Dezember 2018 um Asyl nachsuchte. Am 8. Januar 2019 wurde er summarisch zu seiner Person befragt (BzP; Protokoll in den SEM-Akten A8/19) und am

23. Januar 2019 im Beisein seiner Vertrauensperson zu seinen Asylgründen angehört.

Zur Begründung seines Asylgesuchs führte er aus, er sei albanischer Staatsangehöriger aus B. , wo er mit seinen Eltern und seiner älteren Schwester aufgewachsen sei. Sein Vater sei oft betrunken nach Hause gekommen und habe seine Mutter und seine Schwester jeweils angeschrien und manchmal auch geschlagen. Seine Eltern seien seit dem ( ) geschieden. Zwei Tage nach der Scheidung habe die Polizei seinen Vater aus der Wohnung entfernt. Seither habe ihn sein Vater wiederholt vor den Augen seiner Kollegen auf der Strasse beschimpft und beleidigt. Sein Vater habe wegen seiner Mittellosigkeit auch keine Alimente bezahlt. Sie hätten dreimal umziehen müssen, weil seine Mutter die Miete nicht habe bezahlen können. Um seine Mutter finanziell etwas zu entlasten, habe er seit dem ( ) Schuljahr als ( ) und als ( ) gearbeitet. Er habe deshalb oft in der Schule gefehlt und dies mit gesundheitlichen sowie familiären Problemen begründet. Im ( ) 2018 habe seine Schwester das Gymnasium abgeschlossen und sei nach C. gezogen, um dort Geld für das Studium zu verdienen. Er sei ausgereist, weil es in Albanien keine ordentlichen Lebensverhältnisse gebe und er für sich keine Zukunft gesehen habe.

Der Beschwerdeführer reichte ( ) zu den Akten.

B.

Mit am 7. März 2019 eröffneter Verfügung vom 27. Februar 2019 stellte das SEM fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, lehnte sein Asylgesuch ab und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz sowie den Vollzug an.

Zur Begründung führte es aus, den geltend gemachten Nachteilen läge offenkundig keine staatliche Verfolgung zugrunde. Die geschilderten Probleme mit dem Vater seien rein familiärer Art. Auch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten dürften auf die familiäre Situation und die allgemeinen schwierigen Lebensbedingungen in Albanien zurückzuführen sein. Dem

eingereichten Scheidungsurteil könnten keine Hinweise auf eine Verfolgung entnommen werden. Im Übrigen habe der Bundesrat Albanien mit Beschluss vom 5. Oktober 1993 als verfolgungssicheren Staat im Sinne von Art. 6a Abs. 2 Bst. a AsylG bezeichnet. Es bestehe deshalb die gesetzliche Regelvermutung, dass keine staatliche Verfolgung stattfinde und der Schutz vor nichtstaatlicher Verfolgung gewährleistet sei.

Das albanische Parlament habe im Dezember 2006 das am 1. Juni 2007 in Kraft getretene sogenannte Gewaltschutzgesetz verabschiedet. Es bestimme, dass die albanischen Behörden häusliche Gewalt verhindern und den Schutz sowie die Rehabilitation der Opfer sicherstellen müssten. Die Opfer häuslicher Gewalt und ihre Familien könnten bei einem Zivilgericht eine Schutzanordnung beantragen, die unter anderem die Entfernung des Straftäters aus dem Haus, in dem das Opfer lebe, vorsehe. Opfer häuslicher Gewalt würden in speziellen Schutzeinrichtungen untergebracht und Straftäter müssten an einem Rehabilitationsprogramm teilnehmen.

Der Beschwerdeführer sei zufolge Ablehnung seines Asylgesuchs zur Ausreise aus der Schweiz verpflichtet und der Wegweisungsvollzug vorliegend auch in Berücksichtigung des Übereinkommens über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 (KRK) zulässig, zumutbar und möglich.

C.

Mit Rechtsmitteleingabe vom 10. März 2019 (Datum Poststempel) gelangte der Beschwerdeführer an das Bundesverwaltungsgericht und beantragte sinngemäss seine vorläufige Aufnahme in der Schweiz zufolge Undurchführbarkeit des Wegweisungsvollzugs.

Auf die Begründung des Rechtsbegehrens wird, soweit für den Entscheid relevant, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

D.

Am 12. März 2019 bestätigte die Instruktionsrichterin dem Beschwerdeführer den Eingang seiner Beschwerde und verfügte, er könne den Ausgang des Verfahrens einstweilen in der Schweiz abwarten,

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG [SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.

    2. Für das vorliegende Verfahren gilt das bisherige Recht (vgl. Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des AsylG vom 25. September 2015).

    3. Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).

2.

    1. Vorab ist die Frage der Prozessfähigkeit als Sachurteilsvoraussetzung von Amtes wegen zu prüfen (FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege,

      2. Aufl. 1983, S. 73). Als verfahrensrechtliches Korrelat der Handlungsfähigkeit ist sie nach den einschlägigen zivilrechtlichen Vorschriften zu beurteilen (vgl. Urteil des BVGer D-6530/2015 vom 17. Oktober 2016 E. 3.1). Sie setzt demnach Urteilsfähigkeit, Mündigkeit und das Fehlen einer Entmündigung voraus (Art. 13 und 17 ZGB sowie Art. 35 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Bst. a des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht [IPRG, SR 291]).

    2. Der Beschwerdeführer stand bei der Einreichung der vorliegenden Beschwerde im ( ) Altersjahr und ist damit unmündig (vgl. Art. 14 ZGB). Zwar kann sich ein minderjähriger Beschwerdeführer grundsätzlich nur mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters durch seine Handlungen verpflichten (Art. 19 Abs. 1 ZGB). Soweit urteilsfähig, vermag er jedoch ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters selbständig Rechte auszuüben, die ihm um seiner Persönlichkeit willen zustehen (Art. 19 Abs. 2 ZGB). Das

Einreichen eines Asylgesuches wie auch die Ergreifung von damit zusammenhängenden Rechtsmitteln sind sogenannt "höchstpersönliche" Rechte, die ein nicht mündiger, aber urteilsfähiger Gesuchsteller ohne Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters ausüben kann (vgl. BVGE 2011/39 E. 4.3.2). Urteilsfähig ist jeder, dem es nicht wegen seines Kindesalters oder infolge anderer Umstände an der Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln (Art. 16 ZGB). Vorliegend bestehen aufgrund der Akten keinerlei Anhaltspunkte, die zu Zweifeln an der Urteilsfähigkeit des Beschwerdeführers in Bezug auf das Einreichen des Asylgesuches oder auf die Erhebung der vorliegenden Beschwerde Anlass geben würden. Infolgedessen ist von seiner Urteilswie auch Prozessfähigkeit auszugehen. Zudem wurde die Anhörung im Beisein der Vertrauensperson durchgeführt. Des Weiteren eröffnete sie ihm die angefochtene Verfügung und erläuterte den Inhalt sowie die Beschwerdefrist. Die Interessen des Beschwerdeführers sind somit hinreichend gewahrt worden.

3.

Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht worden. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und aArt. 108 Abs. 2 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

4.

Die Beschwerde richtet sich ausschliesslich gegen den von der Vorinstanz angeordneten Vollzug der Wegweisung. Die Dispositivziffern 1 (Verneinung der Flüchtlingseigenschaft), 2 (Ablehnung des Asylgesuchs) und 3 (Wegweisung aus der Schweiz) sind mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen und bilden nicht Gegenstand des Verfahrens.

5.

Über offensichtlich begründete Beschwerden wird in einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise einer zweiten Richterin entschieden (Art. 111 Bst. e AsylG). Wie nachstehend aufgezeigt, handelt es sich um eine solche, weshalb das Urteil nur summarisch zu begründen ist (Art. 111a Abs. 2 AsylG).

Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet.

6.

Vorab ist in formeller Hinsicht festzustellen, dass sich die Rüge des Beschwerdeführers, der ihm zugeteilte Dolmetscher habe seine Aussagen nicht korrekt übersetzt, weil er einen anderen Dialekt gesprochen habe, als unbegründet erweist. Eine Durchsicht der Befragungsprotokolle ergibt keine Hinweise darauf, es könnte bei der BzP oder der Anhörung zu Verständigungsproblemen oder Übersetzungsfehlern des Dolmetschers gekommen sein. Der Beschwerdeführer hat sowohl bei der BzP als auch der bei der Anhörung die Fragen, wie er den Dolmetscher verstehe, mit „gut“ (A8/2 und A8/10) respektive „sehr gut“ (A14/1 F1) beantwortet. Zudem bestätigte er am Ende der Befragung und der Anhörung jeweils unterschriftlich, dass das Protokoll vollständig sei, seinen Aussagen entspreche und in eine ihm verständliche Sprache rückübersetzt worden sei (A8/10 und A14/15). Auch die bei der Anhörung anwesende Vertrauensperson des Beschwerdeführers und die Hilfswerkvertretung hatten keine Einwände anzumelden.

7.

    1. Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das SEM das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AIG [SR 142.20]).

    2. Beim Geltendmachen von Wegweisungsvollzugshindernissen gilt gemäss Praxis des Bundesverwaltungsgerichts der gleiche Beweisstandard wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft; das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.2 m.w.H.).

8.

    1. Gemäss Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Vorinstanz im Zusammenhang mit der Anordnung des Wegweisungsvollzugs von unbegleiteten Minderjährigen von Amtes wegen verpflichtet, spezifische Abklärungen der persönlichen Situation unter dem Blickwinkel des Kindeswohls vorzunehmen. Ferner hat die zuständige Behörde gemäss Art. 69 Abs. 4 AIG vor einer Ausschaffung von unbegleiteten minderjährigen Personen sicherzustellen, dass diese im Rückkehrstaat einem Familienmitglied, einem Vormund oder einer Aufnahmeeinrichtung übergeben werden, welche den Schutz des Kindes gewährleisten (vgl. BVGE 2015/30 E. 7.3 m.w.H.).

    2. Diesbezüglich ist festzustellen, dass sich die Ausführungen in der angefochtenen Verfügung darauf beschränken, aufgrund der Aussagen des Beschwerdeführers nicht verifizierte Annahmen zum verwandtschaftlichen Beziehungsnetz zu treffen und in abstrakter Form auf verschiedene Akteure für die Inanspruchnahme von Hilfe zu verweisen. Der blosse Hinweis auf das verwandtschaftliche Beziehungsnetz in Albanien vermag der behördlichen Verpflichtung, von Amtes wegen spezifische Abklärungen zur persönlichen Situation des unbegleiteten minderjährigen Beschwerdeführers unter dem Blickwinkel des Kindeswohls vorzunehmen, aber nicht gerecht zu werden. Die Annahme des SEM, der Beschwerdeführer verfüge in Albanien über ein tragfähiges familiäres und soziales Beziehungsnetz, genügt den unter E. 8.1 dargelegten Anforderungen nicht. Insbesondere wurde nicht hinreichend abgeklärt, ob die Familienangehörigen (Mutter und Schwester sowie entferntere Verwandte) ihn bei einer Rückkehr tatsächlich unterstützen könnten. In der Rechtsmitteleingabe führt der Beschwerdeführer aus, er habe die Schule abbrechen müssen, um die Essensund Mietkosten zu decken. Seine Mutter könne nach zwei Operationen von Verletzungen, die sein Vater verursacht habe, nicht mehr arbeiten. Seine Schwester arbeite in C. , um sich ihr Studium zu finanzieren. Wenn er zurück müsste, gäbe es niemanden mehr, der für ihn sorgen könnte. Er habe zu seiner ( ) kranken Mutter und seinem Vater, der ihn misshandelt habe, keinen Kontakt mehr. Auch die Sozialhilfe habe nichts für ihn getan. Seine Schwester stehe bei weiteren Fragen gerne zur Verfügung und könne auch die Kontaktdaten seiner Mutter geben.

      Vor diesem Hintergrund hätte das SEM im vorliegenden Fall konkret und von Amtes wegen abklären müssen, ob der Beschwerdeführer an seinem Herkunftsort oder an einem anderen Ort im Heimatland in ein dem Kindeswohl entsprechendes familiäres Umfeld zurückgeführt respektive anderweitig untergebracht werden kann. Diese konkreten Abklärungen müssen vor Erlass der Verfügung vorgenommen werden, damit sie bei Bedarf gerichtlich überprüft werden können. Dies ergibt sich direkt aus Art. 31 VGG in Verbindung mit Art. 5 VwVG. Es handelt sich dabei nicht um blosse Vollzugsmodalitäten, die von der Rechtsmittelinstanz nicht mehr überprüft werden müssen (vgl. BVGE 2015/30 E. 7.3). Aus dem Gesagten ist zu schliessen, dass das SEM den rechtserheblichen Sachverhalt im Hinblick auf den Entscheid über die Durchführbarkeit des Wegweisungsvollzugs nicht korrekt und vollständig festgestellt hat. Damit einhergehend liegt auch eine als fehlerhaft zu erachtende Würdigung insbesondere des wesentlichen Kriteriums der Unterstützungsbereitschaft und -fähigkeit von allfälligen Bezugspersonen im Heimatland vor. Gemäss geltender Rechtsprechung sind bei

      der Auslegung von Art. 83 Abs. 4 AIG im Lichte von Art. 3 Abs. 1 KRK unter dem Aspekt des Kindeswohls namentlich folgende Kriterien im Rahmen einer gesamtheitlichen Beurteilung von Bedeutung: Alter, Reife, Abhängigkeiten, Art (Nähe, Intensität, Tragfähigkeit) seiner Beziehungen, Eigenschaften seiner Bezugspersonen (insbesondere Unterstützungsbereitschaft und -fähigkeit), Stand und Prognose bezüglich Entwicklung/Ausbildung sowie der Grad der erfolgten Integration bei einem längeren Aufenthalt in der Schweiz (vgl. BVGE 2015/30 E. 7.2; BVGE 2009/51 E. 5.6; BVGE 2009/28 E. 9.3.2, jeweils m.w.H.).

    3. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Vorinstanz den Sachverhalt in Bezug auf die Frage der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs unvollständig festgestellt und als Folge davon nicht haltbare Erwägungen namentlich zur Frage des Vorhandenseins von geeigneten Bezugspersonen im Heimatland sowie deren Unterstützungsbereitschaft und -fähigkeit gemacht hat. Damit hat sie Bundesrecht verletzt (vgl. Art. 49 Bst. a und b VwVG; Art. 106 Abs. 1 a und b AsylG). Um die Frage der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs zuverlässig beurteilen zu können, bedarf insbesondere die für den Beschwerdeführer konkret zu erwartende Unterbringung und Versorgung in Albanien einer vertieften Abklärung. Dabei ist zunächst in Erfahrung zu bringen, ob sich seine Kernfamilie tatsächlich weiterhin am Herkunftsort aufhält und wenn ja, ob diese bereit und in der Lage ist, den Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr eine dem Kindeswohl entsprechende Unterbringung und Betreuung zu bieten. Gegebenenfalls ist zu prüfen, ob die Aufnahmezusicherung einer geeigneten Drittperson oder Institution erhältlich gemacht werden kann. Kann dies aufgrund der aktenkundigen Informationen nicht zuverlässig eruiert werden, ist der Beschwerdeführer - beispielsweise im Rahmen einer erneuten Anhörung - aufzufordern, weitergehende sachdienliche Angaben zu machen. Allenfalls sind zur Feststellung der Situation, die er bei einer Rückkehr nach Albanien erwarten würde, in geeigneter Weise weitere Abklärungen zu treffen.

9.

Gemäss Art. 61 Abs. 1 VwVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in der Sache selbst oder weist diese ausnahmsweise mit verbindlichen Weisungen an die Vorinstanz zurück. Eine Kassation und Rückweisung an die Vorinstanz ist insbesondere angezeigt, wenn weitere Tatsachen festgestellt werden müssen und ein umfassendes Beweisverfahren durchzuführen ist. Die Entscheidungsreife kann zwar grundsätzlich auch durch die Beschwerdeinstanz hergestellt werden, wenn dies aus prozessökonomischen Gründen angebracht erscheint (vgl. BVGE 2012/21 S. 5). Sie kann und soll

aber die Grundlage des rechtserheblichen Sachverhalts nicht gleichsam an Stelle der verfügenden Verwaltungsbehörde erheben, zumal die Partei bei diesem Vorgehen eine Instanz verliert. Vorliegend ist aufgrund der vorstehenden Erwägungen nicht von einer leicht herstellbaren Entscheidreife im Wegweisungsvollzugspunkt auszugehen, weshalb ein diesbezüglicher reformatorischer Entscheid nicht sachdienlich erscheint.

10.

Nach dem Gesagten ist die Beschwerde im Sinne der Erwägungen gutzuheissen. Die Dispositivziffern 4 und 5 der Verfügung vom 27. Februar 2019 sind aufzuheben. Die Sache ist zur vollständigen und richtigen Feststellung des Sachverhalts sowie zur Neubeurteilung im Wegweisungsvollzugspunkt an die Vorinstanz zurückzuweisen.

11.

    1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 63 Abs. 1 VwVG).

    2. Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen, weil davon auszugehen ist, dem nicht vertretenen Beschwerdeführer seien keine notwendigen und verhältnismässig hohe Kosten erwachsen (Art. 64 VwVG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen.

2.

Die Dispositivziffern 4 und 5 der Verfügung vom 27. Februar 2019 werden aufgehoben. Die Sache wird zur vollständigen und richtigen Feststellung des Sachverhalts sowie zur Neubeurteilung im Wegweisungsvollzugspunkt an die Vorinstanz zurückgewiesen.

3.

Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

4.

Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

5.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.

Die Einzelrichterin: Der Gerichtsschreiber:

Esther Marti Peter Jaggi

Versand:

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