E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:RA190002
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid RA190002 vom 06.03.2019 (ZH)
Datum:06.03.2019
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 4A_179/2019
Leitsatz/Stichwort:Arbeitsrechtliche Forderung (Ausschluss Gerichtsberichterstattung)
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdeführerin; Erfahre; Vorinstanz; Vergleichsverhandlung; Gericht; Partei; Hauptverhandlung; Ausschluss; Vorinstanzliche; öffentlich; Verfahren; Verhandlung; Öffentlichkeit; Parteien; Verhandlungen; Vorinstanzlichen; Interesse; Recht; Beschluss; Entscheid; Beschwerdeverfahren; Teilnahme; Akten; Bundesgericht; Angefochten; Schloss; Einschätzung; Anschliessend
Rechtsnorm: Art. 193 ZPO ; Art. 226 ZPO ; Art. 235 ZPO ; Art. 30 BV ; Art. 320 ZPO ; Art. 321 ZPO ; Art. 322 ZPO ; Art. 54 ZPO ; Art. 57 ZPO ; Art. 93 BGG ; Art. 95 ZPO ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

I. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: RA190002-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin Dr. L. Hunziker Schnider, Vorsitzende, Oberrichterin Dr. D. Scherrer und Oberrichter Dr. M. Kriech sowie Gerichtsschreiber lic. iur. F. Rieke

Urteil vom 6. März 2019

in Sachen

  1. ,

    Beschwerdeführerin

    gegen

    Kanton Zürich,

    Beschwerdegegner

    vertreten durch Arbeitsgericht Zürich

    betreffend arbeitsrechtliche Forderung (Ausschluss Gerichtsberichterstattung)

    Beschwerde gegen einen Beschluss des Arbeitsgerichtes Zürich, 3. Abteilung, vom 15. November 2018 (AN180042-L)

    Erwägungen:

    1. a) Im vorinstanzlichen Hauptverfahren ist die Beklagte eine Tochtergesellschaft einer schweizerischen Grossbank und die Klägerin eine ehemalige Arbeitnehmerin derselben; die Beschwerdeführerin ist eine akkreditierte Gerichtsberichterstatterin. Im vorinstanzlichen Verfahren fand am 15. November 2018 die Hauptverhandlung mit anschliessender Vergleichsverhandlung statt. Die Beschwerdeführerin war an der Hauptverhandlung anwesend, wurde aber von der Teilnahme an der anschliessenden Vergleichsverhandlung ausgeschlossen. Am

  1. November 2018 verlangte die Beschwerdeführerin eine anfechtbare Verfü- gung zu ihrem Ausschluss aus der Hauptverhandlung und zu verweigerten Informationen bezüglich allfälliger Beendigung oder weiterer Schritte des Verfahrens (Urk. 2 S. 2). Mit Beschluss vom 15. November 2018 schloss die Vorinstanz die Beschwerdeführerin von der Teilnahme an der Vergleichsverhandlung in ihrem Verfahren aus; Kosten wurden keine erhoben (Urk. 2 S. 4).

    b) Hiergegen hat die Beschwerdeführerin am 13. Januar 2019 fristgerecht (Urk. 114/3) Beschwerde erhoben und stellt die Beschwerdeanträge (Urk. 1 S. 1):

    1. Es sei festzustellen, dass der Ausschluss der Beschwerdeführerin aus der Hauptverhandlung vom 15. November 2018 (AN180042) rechtswidrig war (Erwägung 1. des Beschlusses des Arbeitsgerichts Zürich vom

    15. November 2018).

    2. Es sei anzuordnen, dass die Beschwerdeführerin darüber informiert wird, ob das Verfahren AN180042 beendet worden ist und in welcher Form.

    c) Die vorinstanzlichen Akten wurden beigezogen. Da sich die Beschwerde sogleich als unbegründet erweist, kann auf weitere Prozesshandlungen verzichtet werden (vgl. Art. 322 Abs. 1 ZPO).

    1. Die Beschwerde einer als Gerichtsberichterstatterin vom Ausschluss betroffenen Drittperson ist zulässig (Blickenstorfer, DIKE-Komm-ZPO, vor Art. 308-334 N 60). Das von der Beschwerdeführerin geltend gemachte schutzwürdige Interesse - vergleichbare Situationen (Ausschluss von einer Vergleichsverhandlung) könnten sich jederzeit wiederholen (Urk. 1 S. 2) - ist zu bejahen.

    2. Mit der Beschwerde können unrichtige Rechtsanwendung und offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht werden (Art. 320 ZPO). Dabei bedeutet Geltendmachung, dass in der Beschwerdeschrift konkret und im Einzelnen dargelegt werden muss, was genau am angefochtenen Entscheid unrichtig sein soll; was nicht in dieser Weise beanstandet wird, braucht

      - von offensichtlichen Mängeln abgesehen - von der Beschwerdeinstanz nicht überprüft zu werden. Soweit eine Beanstandung vorgetragen wird, wendet die Beschwerdeinstanz das Recht von Amtes wegen an (Art. 57 ZPO); sie ist weder an die Argumente der Parteien noch an die Begründung des vorinstanzlichen Entscheids gebunden.

    3. a) Die Vorinstanz erwog zusammengefasst, für Zivilprozesse werde der in Art. 30 Abs. 3 BV statuierte Grundsatz der Öffentlichkeit von Verhandlungen in Art. 54 ZPO wiederholt und präzisiert. Zu den Verhandlungen im Sinne von Art. 30 Abs. 3 BV und Art. 54 ZPO würden nebst den mündlichen Vorträgen der Parteien die Einvernahme von Zeugen oder die Befragung von Gutachtern gehö- ren. Die Beschwerdeführerin sei während den Parteivorträgen anwesend gewesen. Mit den Parteivorträgen sei der formelle Teil abgeschlossen gewesen; anschliessend hätten - wie vorgeladen - Vergleichsgespräche stattgefunden. Wenn auch nur eine Partei mit der Anwesenheit von Dritten bei den Vergleichsgesprä- chen nicht einverstanden sei, müssten diese davon ausgeschlossen werden. Der Grund für einen solchen Ausschluss liege im Zweck der Vergleichsverhandlung, welche einzig dazu diene, eine gütliche Einigung zwischen den Parteien anzustreben. Ein entsprechender Ausschluss finde sich auch in § 16 Abs. 1 Ziff. 1 der Akteneinsichtsverordnung. Die bei einer Vergleichsverhandlung vom Gericht abgegebene Einschätzung der Sachund Rechtslage sei stets unpräjudiziell, unverbindlich und unverwertbar. Die Anwesenheit der Öffentlichkeit würde dem Sinn und Zweck einer Vergleichsverhandlung (und einer vorläufigen Einschätzung des Falles) widersprechen. Zusammenfassend werde der Grundsatz der Öffentlichkeit gemäss Art. 30 Abs. 3 BV und Art. 54 ZPO nicht verletzt, indem die Beschwerdeführerin von der Teilnahme an der Vergleichsverhandlung ausgeschlossen werde (Urk. 2 S. 2-4).

      1. Die Beschwerdeführerin macht in ihrer Beschwerde zusammengefasst geltend, sie sei zu Unrecht von der Hauptverhandlung ausgeschlossen worden. Im Gesetz gebe es bei einer Hauptverhandlung keine Zweiteilung in einen öffentlichen und einen nichtöffentlichen Teil. Bei Vergleichsgesprächen werde die vom Gericht geäusserte Einschätzung aufgrund der Gespräche oftmals wieder revidiert; der von der Vorinstanz behauptete informelle Teil sei damit Teil der öffentlichen Hauptverhandlung. Anders als im Schlichtungsverfahren fehle es bei gerichtlichen Vergleichsbemühungen für den Ausschluss der Öffentlichkeit an einer gesetzlichen Grundlage. Gemäss Art. 54 Abs. 3 ZPO sei der Ausschluss nur wegen eines öffentlichen Interesses oder wegen schutzwürdigen Interessen einer beteiligten Person möglich; keiner dieser Gründe werde von der Vorinstanz geltend gemacht und liege auch nicht vor. Das Thema der vorinstanzlichen Hauptverhandlung sei eine Lohndiskriminierungsfrage gestützt auf das Gleichstellungsgesetz gewesen und damit eine Frage, die in der Öffentlichkeit aktuell und kontrovers diskutiert werde; eine Interessenabwägung hätte damit zugunsten der Gerichtsöffentlichkeit erfolgen müssen. Der Öffentlichkeitsgrundsatz liege nicht in der Dispositionsbefugnis der Parteien. Vorliegend sei zu einer öffentlichen Hauptverhandlung vorgeladen worden und es gebe kein schutzwürdiges Interesse der Prozessparteien, dass die Öffentlichkeit nichts von den Vergleichsbemühungen des Gerichts erfahre (Urk. 1 S. 2-4).

      2. Dass Verhandlungen der Gerichte grundsätzlich öffentlich (im Sinne von: publikumsbzw. medienöffentlich) sind (Art. 30 Abs. 3 BV, Art. 54 Abs. 1 ZPO), ist im Beschwerdeverfahren nicht umstritten. Die Vorinstanz hält dafür, dass Vergleichsverhandlungen nicht öffentlich seien, die Beschwerdeführerin ist der gegenteiligen Auffassung. Unter öffentlichen Verhandlungen im Sinne von Art. 54 ZPO sind alle Verhandlungen zu verstehen, welche Grundlage für den gerichtlichen Sachentscheid bilden. Darunter fallen nebst der Hauptverhandlung und gewissen Verhandlungen des Beweisverfahrens (Zeugeneinvernahme, Augenschein, mündliche Gutachtenerstattung und Parteibefragung bzw. Beweisaussage; vgl. Art. 169 ff., Art. 181 f., Art. 187 und Art. 191 ff. ZPO) auch die Instruktionsverhandlung, soweit sie nicht bloss dem Versuch einer Einigung dient. Über

        alle diese Verhandlungen ist Protokoll zu führen (Art. 235 ZPO; vgl. Art. 176, Art. 182, Art. 187 Abs. 2 und Art. 193 ZPO) und sie sind öffentlich.

        Dagegen ist die Vergleichsverhandlung eine im Gesetz nicht ausdrücklich so benannte Unterform der Instruktionsverhandlung (vgl. Art. 226 Abs. 2 ZPO: Die Instruktionsverhandlung dient [...] dem Versuch einer Einigung [...]). In einer solchen legt regelmässig das Gericht seine (vorläufige) Einschätzung der Sachund Rechtslage dar und werden anschliessend Vergleichsgespräche geführt. Das dabei Gesagte ist für alle Seiten unpräjudizierlich und darf für die Entscheidfindung des Gerichts nicht verwendet werden. Entsprechend ist hierüber auch kein Protokoll zu führen (BK ZPO-Kilias, Art. 226 N 8; Leuenberger, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, ZPO-Komm., Art. 226 N 15; BSK ZPO-Willisegger, Art. 226 N 13) und sind Vergleichsverhandlungen nicht publikumsund medienöffentlich (BK ZPO-Hurni, Art. 54 N 10; Sutter-Somm/Seiler, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/ Leuenberger, ZPO-Komm., Art. 54 N 11; CR CPC-Haldy, Art. 54 CPC N 12). Diese Nicht-Öffentlichkeit gilt generell, ohne dass das Vorliegen der Ausnahmegrün- de (von der Publikumsöffentlichkeit) geprüft und/oder eine Interessenabwägung vorgenommen werden müsste.

      3. Damit bestand kein Anspruch der Beschwerdeführerin als Gerichtsberichterstatterin auf Teilnahme an der - wie dargelegt: nicht öffentlichen - Vergleichsverhandlung. Die Vorinstanz hat das Recht korrekt angewendet und die Beschwerde ist, insoweit sie dagegen gerichtet war, abzuweisen.

    4. a) Die Beschwerdeführerin macht in ihrer Beschwerde sodann geltend, die Vorinstanz sei auf ihr Ersuchen, sie über den Verlauf des Prozesses bzw. über dessen allfällige Beendigung zu informieren, mit keinem Wort eingegangen. Urteile seien aber auch dann öffentlich, wenn es die Verhandlung nicht gewesen sei. Es sei deshalb anzuordnen, dass sie (die Beschwerdeführerin) dar- über informiert werde, ob und in welcher Form das vorinstanzliche Verfahren beendet worden sei (Urk. 1 S. 5).

  1. Die Beschwerdeführerin hatte in ihrer Eingabe an die Vorinstanz vom

    29. November 2018 eine anfechtbare Verfügung (auch) zu angeblich verweigerten Informationen bezüglich allfälliger Beendigung oder weiterer Schritte des Verfahrens verlangt (Vi-Urk. 110). Hierzu hat sich die Vorinstanz im angefochtenen Beschluss nicht geäussert und nichts entschieden (was eventuell darauf zurückzuführen sein könnte, dass im Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses auch für die Vorinstanz noch nicht klar war, wie das Verfahren weiterzuführen war). Da hierzu noch kein Entscheid vorliegt, der angefochten werden könnte, könnte die Beschwerdeführerin höchstens Rechtsverzögerung geltend machen (Art. 321 Abs. 4 ZPO). Dies tut sie jedoch nicht. Insoweit ist daher auf ihre Beschwerde gegen den Beschluss vom 15. November 2018 nicht einzutreten.

  2. Nachdem das vorinstanzliche Verfahren nunmehr abgeschlossen ist, wird die Vorinstanz zeitnah darüber zu entscheiden haben, ob und in welcher Form der Beschwerdeführerin vom Endentscheid Kenntnis zu geben ist. Hierfür sind die Akten sogleich an die Vorinstanz zurückzusenden.

6. a) Das eine Streitigkeit nach Gleichstellungsgesetz beschlagende Beschwerdeverfahren ist kostenfrei (Art. 114 lit. a ZPO).

b) Für das Beschwerdeverfahren sind keine Parteientschädigungen zuzusprechen, der Beschwerdeführerin zufolge ihres Unterliegens, den übrigen Beteiligten mangels relevanter Umtriebe (Art. 106 Abs. 1, Art. 95 Abs. 3 ZPO).

Es wird erkannt:

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie eingetreten wird.

  2. Das Beschwerdeverfahren ist kostenlos.

  3. Für das Beschwerdeverfahren werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

  4. Schriftliche Mitteilung an die Beschwerdeführerin, an die Parteien des vorinstanzlichen Verfahrens und an die Vorinstanz, an letztere unter Beilage des Doppels von Urk. 1, je gegen Empfangsschein.

    Die vorinstanzlichen Akten gehen sogleich an die Vorinstanz zurück.

  5. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

    Dies ist ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG. Es handelt sich um eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit.

    Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung. Hinsichtlich des Fristenlaufs gelten die Art. 44 ff. BGG.

    Zürich, 6. März 2019

    Obergericht des Kantons Zürich

    1. Zivilkammer

Die Vorsitzende:

Dr. L. Hunziker Schnider

Der Gerichtsschreiber:

lic. iur. F. Rieke

versandt am: sf

Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.
www.swissactiv.ch
Menschen zusammenbringen, die gemeinsame Interessen teilen
Die Freude an Bewegung, Natur und gutem Essen fördern
Neue Leute treffen und Unternehmungen machen

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.

SWISSRIGHTS verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf der Website analysieren zu können. Weitere Informationen finden Sie hier: Datenschutz