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Urteil Handelsgericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:HG150136
Instanz:Handelsgericht des Kantons Zürich
Abteilung:-
Handelsgericht des Kantons Zürich Entscheid HG150136 vom 16.12.2016 (ZH)
Datum:16.12.2016
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Forderung
Schlagwörter : Markt; Preis; Beklagten; Partei; Vertrag; Transaktion; Parteien; AGB-Ziffer; Recht; Recht; Vertrags; Legung; Transaktionen; Kunde; Preise; Gelte; Auslegung; Usanz; Falsch; Marktlage; Preisanpassung; Kunden; Bestritten; Bestätigte; Schloss; Position; Wille; Elektronische
Rechtsnorm: Art. 1 OR ; Art. 102 OR ; Art. 105 ZPO ; Art. 111 ZPO ; Art. 153 ZPO ; Art. 17 ZPO ; Art. 18 OR ; Art. 236 ZPO ; Art. 31 OR ; Art. 31 ZPO ; Art. 5 OR ; Art. 6 ZPO ; Art. 8 ZGB ; Art. 96 ZPO ;
Referenz BGE:114 II 250; 115 II 474; 129 III 320; 133 III 607; 133 III 675; 135 III 1;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

Handelsgericht des Kantons Zürich

Geschäfts-Nr.: HG150136-O U/ei

Mitwirkend: Oberrichter Roland Schmid, Vizepräsident, und Ersatzoberrichterin Nicole Klausner, die Handelsrichter Dr. Felix Graber, Ursula Suter und Ursula Mengelt sowie der Gerichtsschreiber Dr. Moritz Vischer

Urteil vom 16. Dezember 2016

in Sachen

  1. AG,

    Klägerin

    vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X. ,

    gegen

  2. (SCHWEIZ) AG,

Beklagte

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y1. , vertreten durch Rechtsanwalt MLaw Y2. ,

betreffend Forderung

Rechtsbegehren:

(act. 1 S. 2)

Die Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin CHF 283'058.60 nebst Zins zu 5% seit dem 3. Juli 2015 zu bezahlen;

unter Kostenund Entschädigungsfolgen, zuzüglich gesetzlichem Mehrwertsteuerzuschlag, zu Lasten der Beklagten.

Sachverhalt und Verfahren
  1. Sachverhaltsübersicht

    1. Parteien und ihre Stellung

      Bei der Klägerin handelt es sich um eine im Jahr 2012 gegründete Aktiengesellschaft, die zum streitgegenständlichen Zeitpunkt die Vermögensverwaltung und die Erbringung von Dienstleistungen aller Art im Finanzbereich bezweckte.

      Die Beklagte ist eine Bank, die für ihre Dienstleistungen eine elektronische Handelsplattform betreibt.

    2. Prozessgegenstand

      Die Schweizerische Nationalbank gab am Morgen des 15. Januar 2015 die Stüt- zung des EUR/CHF-Mindestkurses auf. In der Folge schloss die elektronische Handelsplattform der Beklagten mehrere offene Devisengeschäfte der Klägerin. Die Schliessung der einzelnen Positionen erfolgte zu Preisen zwischen CHF 1.18 und CHF 1.20 pro Euro. Dies führte zu einem Guthaben der Klägerin von insgesamt CHF 283'058.60, welches klageweise eingefordert wird. Immer noch am

      15. Januar 2015, aber einige Stunden später, passte die Beklagte die der Klägerin

      zuvor bestätigen Preise auf CHF 0.9625 pro Euro an. Daraus resultierte auf den Konten der Klägerin ein Minussaldo von CHF 1'114'183.40. Die Zulässigkeit dieser nachträglichen Preisanpassung ist zwischen den Parteien umstritten und bildet den Kern des vorliegenden Rechtsstreites.

  2. Prozessverlauf

Am 3. Juli 2015 (Datum Poststempel) reichte die Klägerin die Klage samt Beilagen mit obigen Rechtsbegehren hierorts ein (act. 1; act. 2; act. 3/1-55). Den ihr mit Verfügung vom 6. Juli 2015 (act. 5) auferlegten Gerichtskostenvorschuss leistete sie fristgerecht (act. 7). Mit Verfügung vom 4. August 2015 (act. 8) wurde der Beklagten Frist zur Einreichung der Klageantwort angesetzt. Deren Erstattung samt Beilagen erfolgte am 20. Oktober 2015 (act. 10; act. 11; act. 12/2-24). Am

9. November 2015 erfolgte eine Noveneingabe der Klägerin (act. 16; act. 17/5658), welche der Beklagten zugestellt wurde (act. 18). Die am 17. März 2016 angesetzte Vergleichsverhandlung scheiterte (Prot. 8 f.). Mit Verfügung vom

23. März 2016 wurde ein zweiter Schriftenwechsel angeordnet (act. 23). Die Replik datiert vom 3. Mai 2016 (act. 25; act. 26/56-64) und die Duplik vom 12. Juli 2016 (act. 29; act. 30/1). Die Klägerin nahm mit Eingabe vom 22. Juli 2016 zur Duplik unaufgefordert Stellung (act. 33). Die Parteien verzichteten im Anschluss auf die Durchführung einer Hauptverhandlung (act. 37; act. 38). Das Verfahren erweist sich als spruchreif, weshalb ein Urteil zu ergehen hat (Art. 236 Abs. 1 ZPO). Auf die Parteivorbringen ist im Folgenden nur soweit für die Entscheidfindung notwendig einzugehen.

Erwägungen
  1. Zuständigkeit

    Die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts blieben vorliegend zu Recht unbestritten (act. 1 N 7; act. 11 N 10; Art. 6 Abs. 2 ZPO, Art. 17 ZPO und Art. 31 ZPO i.V.m. § 44 lit. b GOG).

  2. Zustandekommen eines Vertrags am 15. Januar 2015

    1. Unbestrittener Sachverhalt

      Der Sachverhalt ist zum grössten Teil unbestritten. Demnach unterhält die Klägerin seit November 2012 eine Kontobeziehung mit vier Unterkonten zur Beklagten. Im Jahr 2013 wurde ein neues Unterkonto eröffnet. Am 15. Januar 2015, um

      10.30 Uhr (MEZ), hob die Schweizerische Nationalbank den Mindestkurs von CHF 1.20 pro Euro mit sofortiger Wirkung auf. Nach Versand eines margin call schloss die elektronische Handelsplattform der Beklagten in unmittelbarer Folge, nämlich zwischen 10.30.46 Uhr und 10.30.53 Uhr (MEZ), sämtliche Kundenpositionen der Klägerin. Die Beklagte bestätigte der Klägerin die Ausführung dieser Schliessungen zu einem Preis von CHF 1.18 bis CHF 1.20 pro Euro, was letztere mittels Anklickens des entsprechenden Dialogfensters auf der elektronischen Handelsplattform der Beklagten zur Kenntnis nahm. Der durch die Beklagte so bestätigte Saldo der klägerischen Konten belief sich auf CHF 283'058.60 (act. 1 N 56; act. 11 N 360). Gleichentags, um 11.54 Uhr, informierte die Beklagte die Klägerin per E-Mail, dass aufgrund der ausserordentlichen Marktsituation sämtliche ausgeführten Transaktionen noch einmal geprüft und angepasst würden. Die Preisanpassungen erfolgten am selben Abend und wurden der Klägerin - wiederum per E-Mail - um 23.40 Uhr mitgeteilt.

    2. Streitpunkte

      Die Klägerin macht geltend, am 15. Januar 2015 seien ihre einzelnen Kundenpositionen glattgestellt worden. Mittels Anklickens des entsprechenden Dialogfensters auf der elektronischen Handelsplattform der Beklagten sei es zum Vertragsschluss gekommen (act. 1 N 78 ff; act. 33 N 14 ff.). Dies gelte auch beim Stopout-Geschäft (act. 33 N 7).

      Während die Beklagte in der Klageantwort die Auffassung der Klägerin noch teilte (act. 11 N 383), bestreitet sie in der Duplik den Abschluss eines Vertrags zum ursprünglich fehlerhaft bestätigten Preis (act. 29 N 54). Vielmehr sei am 15. Januar 2015 ein Vertrag über die Schliessung der klägerischen Positionen zum effektiven Marktpreis abgeschlossen worden (act. 29 N 64). Die Glattstellung der einzelnen Positionen sei erst dann erfolgt, als die Beklagte auf dem Markt habe handeln können (act. 29 N 127). Bei einem Stop-out-Geschäft würden die Positionen ihrer Kunden im Übrigen immer zum effektiven Marktpreis geschlossen. Die Beklagte dürfe nämlich erwarten, dass sie bei einem Stop-out-Geschäft immer denjenigen Preis verrechnen könne, den sie selbst auf dem Markt generiere (act. 29 N 33).

    3. Rechtliches

      Ein Vertrag entsteht durch Angebot und Annahme gegenseitig übereinstimmender Willensäusserungen, welche die wesentlichen Vertragspunkte enthalten (Art. 1 Abs. 1 OR). Im elektronischen Geschäftsverkehr können Willenserklärungen individuell per Mail oder ähnlichem rechtswirksam übermittelt werden. Es genügt bereits ein Mausklick (WEBER, E-Commerce und Recht, 2. Aufl., Zürich 2010,

      S. 339 f.). Nebst individuell übermittelten Willenserklärungen sind auch solche verbindlich, welche von einem vorprogrammierten Computer automatisch abgegeben werden (sog. elektronischer Softwareagent; PERRIG, Die AGBZugänglichkeitsregel, Diss., Basel 2011, S. 326). In beiden Fällen kommen die Regeln über den Vertragsschluss unter Abwesenden zur Anwendung (Art. 5 OR; PERRIG, a.a.O., S. 328).

    4. Würdigung

      Einleitend ist festzuhalten, dass der durch die Beklagte bestätigte Saldo in der Höhe von CHF 283'058.60 zwischen den Parteien unstrittig ist (act. 1 N 56; act. 11 N 360). Wenn aber der Saldo der einzelnen, zwischen den Parteien getä- tigten Transaktionen unstrittig ist, kann es auf deren genauen Ablauf nicht mehr ankommen. Es erübrigt sich daher, auf die ausführlichen, diesbezüglichen Erläu- terungen der Klägerin einzugehen (vgl. act. 1 N 40 ff.). Der unbestrittene Saldo führt weiter dazu, dass die Rechtsnatur der zwischen den Parteien getroffenen vertraglichen Vereinbarungen offen bleiben kann.

      Die Ausführungen der Beklagten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses verfangen im Übrigen nicht. Zum einen betont sie selbst, dass der Vertragsschluss im Zeitpunkt der Schliessung der klägerischen Positionen zum Marktpreis erfolgt sei (act. 29 N 64), zum anderen soll der der Klägerin bestätigte Marktpreis irrtümlich gewesen sein (act. 29 N 66).

      Ohne Vertragsschluss kann es aber kein Zurückkommen auf den Vertrag wegen Irrtums mehr geben (BGE 129 III 320 E. 6.2; BK-S CHMIDLIN, Vorb. zu Art. 23-27 OR N 160). Ein - was noch zu prüfen sein wird - irrtumsbehafteter Vertrag kommt

      somit dogmatisch immer auf der Basis von vertrauenstheoretischen Überlegungen zustande (z.B. BK-SCHMIDLIN, Vorb. zu Art. 23-27 OR N 143 ff.). Auf subjektive Erwartungen einer einzelnen Vertragspartei, sei dies der Klägerin oder der Beklagten, kommt es deshalb - entgegen der Ansicht der Beklagten - gerade nicht an. Damit ist die Situation bei einem Stop-out-Geschäft auch nicht besonders. Vielmehr muss sich die Beklagte, wie vorne stehend ausgeführt, die Wechselkursbestätigungen ihrer elektronischen Handelsplattform als eigene Willenserklä- rung zurechnen lassen. Dieses rechtlich verbindliche Angebot wurde durch die Klägerin mittels Anklickens des entsprechenden Dialogfensters auf der Plattform angenommen. Es liegen damit gegenseitig übereinstimmende Willenserklärungen vor, weshalb Verträge zu den bestätigten Preisen von CHF 1.18 bis CHF 1.20 pro Euro abgeschlossen wurden (in diesem Sinne auch die Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Problematik des kaufmännischen Bestätigungsschreibens: BGE 114 II 250 E. 2. a m.w.H.; Urteil BGer 4A_507/2015 vom 19. Februar 2016

      E. 4.5).

      Das gefundene Resultat deckt sich mit den weiteren Vorbringen der Beklagten zu ihrem Geschäftsmodell. Sie tritt nämlich im Devisenhandel als Gegenpartei ihrer Kunden auf (act. 11 N 18; act. 29 N 16, 54), wodurch sie zugestandenermassen das abwicklungsbedingte Marktrisiko trägt (act. 11 N 18). Nur dieses Vorgehen gewährleistet die dem Devisenhandel immanente Geschwindigkeit (act. 29 N 17). Wenn die Beklagte aber jeweils als Gegenpartei ihrer Kunden auftrat, so heisst das nichts anderes, als dass am 15. Januar 2015 Verträge via ihrer elektronischen Handelsplattform mit der Klägerin als ihrer Kundin zu den bestätigten Preisen zustande kamen. Mit anderen Worten ist es für die Vertragsabschlüsse nicht von Bedeutung, ob und wie die einzelnen Positionen im Markt schlussendlich durch die Beklagte glattgestellt wurden. Denn - wie ausgeführt - ist es ja die Beklagte selbst, die das abwicklungsbedingte Risiko trug (act. 11 N 18).

    5. Fazit

      Zusammenfassend wurden am 15. Januar 2015 Verträge zwischen der Beklagten und der Klägerin zu Preisen von CHF 1.18 bis CHF 1.20 pro Euro abgeschlossen.

      Daraus resultierte ein Saldo, mithin eine Forderung der Klägerin, von CHF 283'058.60.

  3. Einbeziehung der AGB

    1. Streitpunkte

      Gemäss den Ausführungen der Klägerin seien ihr die AGB nicht ausgehändigt worden (act. 1 N 25; act. 25 N 72).

      Die Beklagte führt aus, die Klägerin habe anlässlich der Kontoeröffnung schriftlich bestätigt, die AGB der Beklagten erhalten, gelesen, verstanden und akzeptiert zu haben (act. 11 N 22). Bei den Vorbringen der Klägerin handle es sich um eine reine Schutzbehauptung (act. 29 N 68).

    2. Rechtliches

      Wie alle Vertragsklauseln gelten AGB, wenn sie von den Parteien durch entsprechende Abrede - ausdrücklich oder konkludent - in den konkreten Vertrag einbezogen wurden (H UGUENIN, Obligationenrecht - Allgemeiner und Besonderer Teil,

      2. Aufl., Zürich 2014, N 614). Mit anderen Worten muss Konsens hinsichtlich der Übernahme von AGB vorliegen. Die Übernahme erfolgt häufig durch Verweisung, wobei den Kunden im business-to-business-Verkehr eine Erkundigungsund Verschaffungslast trifft (PERRIG, a.a.O., S. 296 f.).

    3. Würdigung

      Auch wenn der Konsumentenbegriff in der schweizerischen Lehre umstritten ist, kann bei der Klägerin als juristischer Person und angesichts ihres Geschäftszwecks sowie der investierten Geldbeträge nicht mehr ernsthaft von einer schutzwürdigen Konsumentin gesprochen werden. Damit trifft sie hinsichtlich der AGB eine Erkundigungsund Verschaffungslast. Die Klägerin unterliess es aber, hierzu Ausführungen zu machen. Damit hat sie die Folgen der Beweislosigkeit zu gewärtigen. Es ist demnach davon auszugehen, dass die AGB der Beklagten in der Version von Juli 2014 (act. 3/16) zum Vertragsbestandteil zwischen den Parteien geworden sind. Dies gilt vorliegend umso mehr, als dass die Klägerin jeweils

      ausdrücklich auf den Kontoeröffnungsunterlagen erklärte, ihr seien die AGB ausgehändigt worden (act. 3/15 S. 3; act. 12/4-7 S. 3).

    4. Fazit

      Die AGB der Beklagten wurden in der Version von Juli 2014 (act. 3/16) zum Vertragsbestandteil der zwischen den Parteien bestehenden Bankkundenbeziehung.

  4. Rechtliche Vorbemerkungen zur Auslegungskontrolle

    AGB-Klauseln sind, wenn sie in Verträge übernommen werden, grundsätzlich nach denselben Prinzipien auszulegen wie andere vertragliche Bestimmungen (BGE 133 III 607 E. 2.2; BGE 133 III 675 E. 3.3; BGE 135 III 1 E. 2.). Entsteht ei-

    ne Streitigkeit über den Sinngehalt einer Klausel, so ist für deren Auslegung nach Art. 18 Abs. 1 OR zunächst der tatsächliche, übereinstimmende Wille der Parteien hinsichtlich des Vertrags massgebend (subjektive Auslegung). Der wirkliche Wille der Parteien wird anhand der gängigen Auslegungsmittel (Wortlaut, Systematik, Vorverhandlungen, nachvertragliches Verhalten, wirtschaftlicher Sinn des Vertrags etc.) ermittelt (KRAMER/PROBST/PERRIG, Schweizerisches Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Bern 2016, N 237). Lässt sich der wirkliche Wille so nicht mehr rechtsgenüglich ermitteln, ist der mutmassliche Wille der Vertragsparteien im Sinne einer objektivierten bzw. normativen, d.h. nach objektiven Gesichtspunkten, zu ermitteln (objektive Auslegung; KRAMER/PROBST/PERRIG, a.a.O., N 238). Die AGB-Auslegung wird so wie jede Vertragsauslegung subjektivobjektiv. Sofern AGB vom dispositiven Gesetzesrecht abweichen, haben sie dies im Übrigen mit hinreichender Deutlichkeit zu tun (Restriktionsprinzip; BGE 115 II 474 E. 2. d). Führt die Auslegung einer bestimmten AGB-Klausel schliesslich nicht zu einem eindeutigen Ergebnis, greift die Unklarheitenregel (in dubio contra stipulatorem; HUGUENIN, a.a.O., N 629 m.w.H.). Danach muss sich der Verfasser einer unklaren Vertragsbestimmung im Zweifelsfall die für ihn ungünstigere Auslegungsvariante entgegenhalten lassen.

  5. Aus legung von AGB-Ziffer 4.2

    1. Unbestrittener Sachverhalt

      Die AGB-Klausel hat unbestrittermassen den folgenden Wortlaut (act. 1 N 95; act. 3/16 S. 2; act. 11 N 342):

      4. Transaktionen am Markt

      Der Kunde erklärt sich damit einverstanden, nimmt zur Kenntnis und versteht; 4.1. ...

      4.2. Dass aufgrund der im Markt geltenden Vorschriften und Usanzen unter Umständen eine nachträgliche Änderung oder Stornierung der abgeschlossenen Transaktionen möglich ist; dies gilt insbesondere bei Fehlern, bei rechtsoder regelwidrigen Abschlüssen oder bei Vorliegen einer besonderen Marktlage, wobei der Kunde ausdrücklich jegliche Verluste oder anderen Konsequenzen, die daraus resultieren könnten, akzeptiert.

    2. Streitpunkte

      Die Klägerin bringt vor, dass eine Preisanpassung gestützt auf AGB-Ziffer 4.2 nur dann möglich sei, wenn eine im Markt geltende Vorschrift oder Usanz bestehe (act. 1 N 104). Eine solche bestünde vorliegend aber gerade nicht (act. 1 N 105). Ebenso habe am 15. Januar 2015 keine besondere Marktlage bestanden, da es im Devisenhandel immer zu starken Kursschwankungen kommen könne (act. 1 N 102; act. 25 N 75 f.). Am besagten Tag habe sich der Markt vielmehr vorsichtig, aber ununterbrochen, zur neuen Preisfindung herangetastet (act. 1 N 101). Im Übrigen rechtfertige der ACI Model Code das Verhalten der Beklagten in keiner Weise. Gerade Art. 69.12 und Art. 78.19 würden deutlich machen, dass eine nachträgliche Änderung immer auf einer konsensualen Vereinbarung zwischen den Parteien basieren müsse (act. 33 N 18).

      Die Beklagte bringt vor, dass es sich beim Einschub aufgrund der im Markt geltenden Vorschriften und Usanzen um keine zusätzliche Voraussetzung für eine nachträgliche Änderung einer Transaktion handle; sie gebe dem Kunden lediglich eine Erklärung, weshalb sie sich ein solches Vorgehen vorbehalte (act. 29 N 72). Sofern die Parteien eine zusätzliche Voraussetzung hätten vereinbaren wollen, wäre es ihnen freigestanden, die Formulierung falls statt aufgrund zu verwenden (act. 29 N 72). Es sei deshalb entgegen den klägerischen Vorbringen unbeachtlich, ob tatsächlich Marktvorschriften respektive Usanzen bestünden oder

      nicht (act. 29 N 73). Würden solche tatsächlich nicht bestehen, wäre lediglich die Erklärung für das der Beklagten eingeräumte Recht falsch. Dies ändere jedoch nichts am grundsätzlichen Anpassungsrecht (act. 29 N 73). Überhaupt bestehe aufgrund des ACI Model Code, nämlich Art. 69.12 und Art. 78.19, eine entsprechende Usanz. Es sei ferner offensichtlich und könne nicht ernsthaft bestritten werden, dass am 15. Januar 2015 eine besondere Marktlage bestanden habe (act. 29 N 74). Eine entsprechende Preisbewegung habe es in der modernen Finanzgeschichte nämlich noch nie gegeben (act. 11 N 37; act. 29 N 74). Irrelevant sei deshalb, ob die Marktlage voraussehbar gewesen sei oder nicht (act. 29 N 75).

    3. Würdigung

      1. Aufgrund der im Markt geltenden Vorschriften und Usanzen

        Die erwähnte AGB-Bestimmung wird durch den Zusatz aufgrund der im Markt geltenden Vorschriften und Usanzen eingeleitet. Ausgehend vom Wortlaut ist zu bemerken, dass aufgrund gemäss Duden mit infolge, dank oder angesichts gleichgesetzt werden kann (http://www.duden.de/suchen/dudenonline/aufgrund , besucht am 16. Dezember 2016). Die Präposition aufgrund fügt somit immer zwei Tatbestandsmerkmale im Sinne einer Kausalitätskette zusammen (aufgrund von A ergibt sich B). Mit anderen Worten vermag das Ergebnis nicht selbststän- dig ohne das einleitende Ereignis zu bestehen. Wenn die AGB der Beklagten also auf die im Markt geltenden Vorschriften und Usanzen Bezug nehmen, so können Preisanpassungen im Sinne einer zusätzlichen Voraussetzung dann - und nur dann - erfolgen, wenn erstgenannte tatsächlich bestehen.

        Dieses Resultat wird auch bei systematischer Betrachtung bestätigt. Denn AGBZiffer 4.1 statuiert den Grundsatz, dass sämtliche ausgeführten Transaktionen unter Vorbehalt und unter Einhaltung der im Markt geltenden Vorschriften und Usanzen erfolgen. Erfolgen sämtliche Ausführungen der Transaktionen unter Vorbehalt und unter Einhaltung der Marktvorschriften, so muss dies erst recht für die Änderung und Stornierung der Transaktionen gemäss AGB-Ziffer 4.2 gelten. Mit

        anderen Worten können Preisanpassungen nur dann erfolgen, wenn entsprechende Marktvorschriften und Usanzen bestehen.

        Die Beklagte ist hierfür nach der allgemeinen Regel von Art. 8 ZGB beweispflichtig. Die von ihr angerufenen Bestimmungen des ACI Model Code (Version Februar 2015) vermögen diesen Beweis allerdings nicht zu erbringen. Denn in Art. 69.12 und Art. 78.19 wird das konsensuale Element einer Anpassung stets hervorgehoben (by agreement between the two counterparties, by one or both parties, matched by both parties). Somit ergibt sich aus dem ACI Model Code in der Version von Februar 2015 keine entsprechende Marktvorschrift oder Usanz, welche das einseitige Vorgehen der Beklagten zu rechtfertigen vermöchte. Ob dieses, von beiden Parteien angerufene Beweismittel (act. 1 N 88 f.; act. 29 N 78) aber überhaupt tauglich ist oder vielmehr ein Anwendungsfall von Art. 153 Abs. 2 ZPO vorliegt, womit bei seitens des Gerichts erkannter Unrichtigkeit eines Beweismittels die Beweiserhebung von Amtes wegen zu erfolgen hat, kann bei diesem Ergebnis offen bleiben. Immerhin dürfte zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Transaktionen im Januar 2015 noch der ACI Model Code in der Version von Juli 2013 in Kraft gewesen sein.

        Im Sinne eines Zwischenfazits kann festgehalten werden, dass die Beklagte nur dann zu einer Preisanpassung berechtigt gewesen wäre, wenn im damaligen Zeitpunkt Marktvorschriften und Usanzen bestanden hätten. Solche konnten seitens der Beklagten nicht bewiesen werden, weshalb die Preisanpassungen gestützt auf AGB-Ziffer 4.2 unzulässig waren.

      2. Besondere Marktlage

        Unabhängig vom Umstand, dass die Preisanpassungen gestützt auf AGBZiffer 4.2 nach dem Ausgeführten bereits an sich unzulässig waren, ist der Vollständigkeit halber noch auf den Begriff der besonderen Marktlage einzugehen.

        Bei der Auslegung der obgenannten Bestimmung gilt es zu berücksichtigen, dass der Devisenhandel gerade auf Schwankungen der Wechselkurse von mehr oder weniger erheblichem Ausmass beruht. Wer im richtigen Moment auf die richtige

        Position setzt, gewinnt. Wer sich irrt, verliert hingegen. Die Chancen und Risiken steigen mit der Komplexität der gehandelten Produkte zusätzlich. Diese Überlegungen zeigen klar, dass an das Vorliegen einer besonderen Marktlage sehr hohe Anforderungen gestellt werden müssen. Es erscheint nur schon aus diesem Grund höchst fraglich, ob die Voraussetzung am 15. Januar 2015 erfüllt war oder nicht. Wie es sich damit verhält, braucht aber nicht entschieden zu werden.

        Denn AGB-Ziffer 4.2. bezweckt die vertragliche Fixierung nachträglicher Änderungen oder Stornierungen von abgeschlossenen Transaktionen. Gerade die enumerative Aufzählung (Fehler, besondere Marktlage, regelwidrige Abschlüsse) lässt gewahr werden, dass von der Klausel insbesondere vertragliche Äquivalenzstörungen umfasst werden sollen. Bei AGB-Ziffer 4.2 handelt es sich demnach um nichts anderes als eine vertragliche Ausgestaltung der clausula rebus sic stantibus. Vor diesem Hintergrund, muss besonders - entgegen der Ansicht der Beklagten (act. 29 N 75) - sehr wohl mit nicht voraussehbar gleichgesetzt werden (zu den Voraussetzungen der clausula rebus sic stantibus im Einzelnen: HUGUENIN, a.a.O., N 327). Dies gerade vor dem Hintergrund, dass tatsächlich beabsichtigte Abweichungen vom dispositiven Gesetzesrecht mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck hätten gebracht werden müssen (Restriktionsprinzip), was vorliegend allerdings nicht geschehen ist. Eine besondere Marktlage im Sinne von AGB-Ziffer 4.2 lag damit bei der Aufhebung des EuroMindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank nicht vor. So war sämtlichen involvierten Marktteilnehmern von Beginn an klar, dass die Intervention der Nationalbank auf den Devisenmärkten nur eine vorübergehende Massnahme dargestellt hatte (vgl. KUSTER, Rechtliche Implikationen der Aufhebung des Franken-Mindestkurses auf das Vermögensverwaltungsgeschäft, Jusletter 15. Juni 2015, Rz. 4 ff.). Dies hat als gerichtsnotorisch zu gelten. Mangels besonderer Marktlage war das Verhalten der Beklagten vertraglich nicht gerechtfertigt und damit unzulässig (in diesem Sinne auch: KUSTER, a.a.O., Rz. 29 ff.).

        Im Sinne eines Zwischenfazits kann festgehalten werden, dass am 15. Januar 2015 keine besondere Marktlage gemäss AGB-Ziffer 4.2 vorgelegen hatte. Das

        Vorgehen der Beklagten war demnach auch unter Berücksichtigung dieses Aspektes unzulässig.

        5.4. Fazit

        Die nachträglichen Preisanpassungen der Beklagten finden in AGB-Ziffer 4.2 keine Stütze und waren demnach unzulässig.

  6. Aus legung von AGB-Ziffer 15

    1. Unbestrittener Sachverhalt

      Die AGB-Klausel hat unbestrittermassen den folgenden Wortlaut (act. 1 N 111; act. 3/16 S. 7; act. 11 N 366):

      15. Fehler

      Im Falle eines offensichtlichen Fehlers im Preis, den die Bank auf der KHP veröffentlicht, sind jegliche zu diesem offensichtlich falschen Preis getätigten Transaktionen, für welche die Bank dem Kunden nachweisen kann, dass sie zu einem Preis abgeschlossen wurde, der zum Zeitpunkt der Transaktion offenkundig falsch war oder den der Kunde zum Zeitpunkt der Transaktion als falsch erkannt hat oder vernünftigerweise als falsch hätte erkennen müssen, für die Bank unabhängig von einer allfällig durch sie ausgestellten Transaktionsbestä- tigung nicht verbindlich. In solchen Situationen darf die Bank nach eigenem Ermessen die Transaktion entweder gar nicht oder sie alternativ zum veröffentlichten oder zum korrekten Preis ausführen. Führt die Bank die Transaktion durch, kann sie die ausgeführte Transaktion liquidieren (sowie den Preis, zu welchem die Bank die Transaktion gesichert hatte, oder des historischen Marktpreis korrigieren). In solchen Fällen haftet die Bank weder für Verluste, Schäden, Kosten, Verbindlichkeiten noch Forderungen, sofern sie nicht auf grobe Fahrlässigkeit, vorsätzliche Unterlassung oder arglistige Täuschung seitens der Bank zurückzuführen sind.

    2. Streitpunkte

      Die Klägerin macht geltend, die von der Beklagten verrechneten Preise seien keineswegs offensichtlich falsch gewesen (act. 25 N 78). Es habe sich dabei um realistische Marktpreise gehandelt. Offensichtliche Fehler würden allenfalls bei einem fat finger trade vorkommen, wo einem Händler im temporeichen Computerhandel ein Eingabefehler unterlaufe (act. 1 N 112). Dies sei vorliegend aber nicht geschehen. Auch der Umstand, dass die Muttergesellschaft der Beklagten in der Zeit zwischen 10.33.39 und 10.52.56 (MEZ) Verkäufe zu tieferen Kursen getätigt habe, lasse die Preise der früher abgeschlossenen Geschäfte noch keineswegs

      als offensichtlich falsch erscheinen (act. 1 N 121 f.; act. 25 N 81). Denn gerade im Devisenhandel sei das Timing einer Transaktion von erheblicher Bedeutung. Ausserdem habe die Beklagte nicht alle möglichen Transaktionen über die Plattform EBS (Electronic Broking System) darlegen können (act. 25 N 97).

      Die Beklagte wendet ein, die der Klägerin am 15. Januar 2015 bestätigten Preise seien massiv von den tatsächlich auf dem Markt gehandelten Preisen abgewichen (act. 11 N 41 ff.; act. 29 N 81). Die Situation sei gesamthaft mit einem fat finger trade vergleichbar, würde es sich doch in beiden Fällen um einen Erklärungsirrtum handeln (act. 29 N 82).

    3. Würdigung

      Wie zu zeigen sein wird, misslingt der Beklagten der Beweis eines offensichtlich falschen Preises. Vertiefte Auseinandersetzungen zu zwei weiteren Themenkomplexen erübrigen sich damit.

      Zu einem kann das dogmatische Verhältnis von AGB-Ziffer 4.2 zu AGB-Ziffer 15 offen bleiben, wobei es immerhin Folgendes anzumerken gilt: AGB-Ziffer 4.2 stellt nach hier vorgenommener Auslegung einen Anwendungsfall der clausula rebus sic stantibus dar. Wer sich aber sowohl auf die clausula gemäss AGB-Ziffer 4.2 als auch auf einen Irrtum gemäss AGB-Ziffer 15 beruft, genehmigt automatisch den irrtumsbehafteten Vertrag und verwirkt so seine Anfechtungsansprüche (BKSCHMIDLIN, Art. 23/24 OR N 318).

      Zum anderen braucht die Frage nach dem wahren Marktpreis nicht entschieden zu werden (vgl. auch hierzu die beklagtischen Ausführungen: act. 11 N 347 ff.). Wie die Klägerin zutreffend festhält, gibt es im streitgegenständlichen Over-theCounter-Handel (OTC-Handel) im Grundsatz ohnehin keinen eigentlichen Marktpreis (vgl. BGer 4A_547/2012 vom 5. Februar 2013 E. 1.3.2).

      Die Beklagte vermag, wie zu Beginn bereits erwähnt, den Nachweis eines offensichtlich falschen Preises nicht zu erbringen. Entsprechend der allgemeinen Beweislastregel von Art. 8 ZGB hält AGB-Ziffer 15 fest, dass dieser Nachweis durch die Beklagte im Zeitpunkt der fraglichen Transaktion zu erfolgen hat. Die zur Beurteilung stehenden Transaktionen erfolgten gemäss unbestrittenem Sachverhalt allesamt im Zeitraum zwischen 10.30.46 Uhr und 10.30.53 Uhr (MEZ). Die Beklagte substantiiert die getätigten Transaktionen aber erst ab dem Zeitraum von

      10.33.39 (MEZ) hinreichend (act. 11 N 43). Will man darüber hinaus auf den von

      der Beklagten ins Recht gelegten Rapport der EBS vom 24. September 2015 (act. 12/14) abstellen, so fällt auf, dass dieser die Zeit zwischen den streitgegenständlichen Transaktionen ausspart. Noch um 10.30.45 Uhr (MEZ) konnten Verkäufe zu einem Preis von CHF 1.2006 pro Euro getätigt werden. Übergangslos - und damit in einer für den Devisenhandel beachtlichen Zeitspanne von rund drei Minuten - fiel der Preis um 10.33.39 Uhr (MEZ) auf einen Wechselkurs von CHF 1.07 pro Euro. Diese Zahlen lassen somit weder den Schluss zu, dass die in den sieben Sekunden von 10.30.46 bis 10.30.53 Uhr (MEZ) von der Handelsplattform der Beklagten bestätigten Preise offensichtlich falsch waren, noch dass sie nicht der in diesen Sekunden geltenden wahren Situation entsprachen. Vielmehr scheinen diese Zahlen zu belegen, dass die wahre Marktsituation zumindest um

      10.30 Uhr noch Abschlüsse zu einem Preis von rund CHF 1.2 pro Euro zugelassen hatte. Es liegt damit kein offensichtlich falscher Preis vor.

      Völlig unklar bleibt ferner der Zusammenhang der im Rapport aufgeführten Transaktionen zu den streitgegenständlichen, zumal erstgenannte - was die Klä- gerin zu Recht ausführte (act. 25 N 83) und auch anerkannt ist (act. 11 N 349) - teilweise von der Muttergesellschaft der Beklagten abgewickelt wurden. Mit der Muttergesellschaft der Beklagten unterhält die Klägerin aber keine Bankbeziehung.

      Die Berufung auf AGB-Ziffer 15 bzw. einen allfälligen Irrtum, wobei es sich entgegen der Beklagten um einen Grundlagenirrtum (act. 29 N 82) handeln würde, scheitert damit bereits am fehlenden Nachweis eines offensichtlich falschen Preises.

    4. Fazit

      Die nachträglichen Preisanpassungen der Beklagten finden in AGB-Ziffer 15 keine Stütze und waren demnach auch in diesem Licht unzulässig.

  7. Verrechnungsforderung der Beklagten und Aus legung von AGB-Ziffer 22

    1. Unbestrittener Sachverhalt

      Die AGB-Klausel hat unbestrittermassen den folgenden Wortlaut (act. 33 N 20 ff.; act. 3/16 S. 9; act. 29 N 90):

      22. Fehler

      Der Kunde entschädigt die Bank ausserdem für sämtliche (aktuellen, künftigen, unvorhergesehenen und sonstigen) Verluste, Steuern, Auslagen, Kosten und sonstigen Verbindlichkeiten (einschliesslich aller Rechtskosten in vertretbarer Höhe), die der Bank durch oder im Zusammenhang mit folgenden Vorgängen entstehen:

      1. Pflichtverletzung durch den Kunden;

      2. Massnahmen, die von der Bank zur Wahrung ihrer eigenen Interessen ergriffen werden.

    2. Streitpunkte

      Die Klägerin bestreitet die Anwendbarkeit der genannten AGB-Bestimmung unter Hinweis darauf, dass Streitgegenstand nicht die Liquidation von Produkten sei (act. 33 N 21). Überhaupt nicht ersichtlich sei eine durch sie begangene Pflichtverletzung. Sie habe nämlich nach dem margin call der Beklagten keine Möglichkeit mehr erhalten, die Margin-Anforderungen zu erfüllen (act. 33 N 21). Eine Pflichtverletzung wäre ohnehin nicht kausal für einen allfälligen Schaden (act. 33 N 21). Sicherlich handle es sich bei Massnahmen, die von der Bank zur Wahrung ihrer Interessen ergriffen werden, nicht um den Abschluss von Devisengeschäf- ten (act. 33 N 21).

      Die Beklagte hält dagegen, dass die Klägerin ihre Margin-Pflichten verletzt habe (act. 29 N 92). Durch die automatische Schliessung von Kundenpositionen habe die Bank verlustbegrenzende Massnahmen im eigenen Interesse ergriffen. Für den verbleibenden Schaden müsse sie die Klägerin schadlos halten (act. 29 N 92). Sie erkläre in entsprechendem Umfang die Verrechnungseinrede (act. 29 N 93).

    3. Würdigung

      Die Beklagte verkennt mit ihren Ausführungen zu einem allfälligen Schadenersatzanspruch Grundsätzliches. Wie zuvor ausgeführt, muss sie die - ihrer Auffassung nach - irrtümlich bestätigten Preise (act. 29 N 82) gegen sich gelten lassen. Bereits das Gesetz hält in Art. 31 Abs. 3 OR fest, dass nur die Genehmigung eines wegen Täuschung oder Furcht unverbindlichen Vertrags den Schadenersatzanspruch nicht ohne weiteres ausschliesse. E contrario kann bei einem vermeintlich irrtumsbehafteten Vertrag kein Schadenersatzanspruch mehr bestehen.

      Ohnehin hätte die Beklagte diesen nicht hinreichend substaniiert. Zum einen operierte die Beklagte bei der Berechnung des Schadens mit Durchschnittswerten (vgl. act. 11 347 ff.), zum anderen stützt sich die Beklagte nur pauschal auf eine allfällige Pflichtverletzung der Klägerin im Zusammenhang mit den MarginAnforderungen, was die Klägerin zu Recht monierte (act. 33 N 21).

      Eine solche ist denn auch überhaupt nicht gegeben, was sich auch aus einer systematischen Auslegung der genannten AGB-Klausel herleiten lässt. AGB-Ziffer

      7.2 hält nämlich fest, dass in gewissen Fällen von starken Kursschwankungen die

      Positionen des Kunden ohne einen vorherigen Margin Call und ohne die Mög- lichkeit der Wiederherstellung der Marge geschlossen werden. Mit anderen Worten muss die Beklagte gemäss ihren eigenen AGB bei Absendung eines Margin Calls der Klägerin die Möglichkeit der Wiederherstellung der Marge einräumen. Dies hat sie vorliegend, was unbestritten geblieben ist, nicht getan, weshalb im Ergebnis auch keine Pflichtverletzung der Klägerin mehr vorliegen kann. AGBZiffer 7.2 verdeutlicht auch, dass bei Margin-Calls und Schliessungen von Positionen sicher nicht von Massnahmen, die von der Bank zur Wahrung ihrer eigenen Interessen ergriffen werden, gesprochen werden kann, zumal der Abschnitt Margin Calls eigene Sanktionsmechanismen für Verluste und dergleichen enthält.

    4. Fazit

      Aus AGB-Ziffer 22 kann die Beklagte nichts zu ihren Gunsten ableiten. Die Beklagte besitzt deshalb keine Verrechnungsforderung gegen die Klägerin.

  8. Unklarheitenund Ung ewöhnlichk eitsregel

    Das gefundene, eindeutige Auslegungsergebnis macht einen Rückgriff auf die Unklarheitenregel entbehrlich (siehe vorne 4).

    Gleiches gilt hinsichtlich der Ungewöhnlichkeitsregel. Damit braucht auch nicht entschieden zu werden, ob AGB-Klauseln im vorliegenden business-to-business- Verkehr weiterhin einer verdeckten Inhaltskontrolle unterzogen werden können. Diese wurde nämlich bis anhin unter dem Deckmantel der Ungewöhnlichkeitsregel praktiziert. Zumindest der revidierte Art. 8 UWG, der eine offene Inhaltskontrolle vorsieht, beschränkt sich nämlich ausdrücklich auf den business-toconsumer-Verkehr (vgl. KRAMER/PROBST/PERRIG, a.a.O., N 500 ff. m.w.H.). Wie es sich damit nach dieser Gesetzesänderung im business-to-business-Verkehr verhält, ist offen und höchstrichterlich noch nicht entschieden. Ferner nicht geprüft werden muss die Frage, ob im business-to-business-Verkehr eine Vermutung zugunsten einer Vollübernahme besteht oder nicht. Diese Vermutung würde im vorliegenden Fall überhaupt gegen die Anwendung der Ungewöhnlichkeitsregel sprechen (in diesem Sinne für den Finanzierungsleasingvertrag: FATZER, Sachgewährleistung beim Finanzierungsleasing von mobilen Investitionsgütern, Diss., Zürich 1999, S. 129; GIGER, Der Leasingvertrag, Bern 1977, S. 63 f.).

  9. Zins en

    Der Lauf des Zinssatzes sowie dessen Höhe wurden durch die Beklagte nicht ernsthaft bestritten. Demnach befand sich die Beklagte seit Klageeinreichung ohne Weiteres in Verzug (Art. 102 Abs. 1 OR), weshalb seit 3. Juli 2015 Verzugszins in der Höhe von 5 Prozent durch die Beklagte geschuldet ist.

  10. Zusammenfassung der Tatund Rechtsfragen

    Die Beklagte vermag ihre nachträglichen Preisanpassungen nicht mit Hinweis auf ihre AGB, d.h. Ziffern 4.2 und 15, zu rechtfertigen. Ebenso ist die zur Verrechnung gebrachte Schadenersatzforderung gestützt auf AGB-Ziffer 22 nicht dargetan. Die Forderung der Klägerin samt Zins ist demgegenüber ausgewiesen und fällig, weshalb die Klage vollumfänglich gutzuheissen ist.

  11. Kostenund Entschädigungsfolgen

    1. Gerichtskosten

      Die Höhe der Gerichtsgebühr bestimmt sich nach der Gebührenverordnung des Obergerichts vom 8. September 2010 (GebV OG; Art. 96 ZPO i.V.m. § 199 Abs. 1 GOG) und richtet sich in erster Linie nach dem Streitwert bzw. nach dem tatsächlichen Streitinteresse (§ 2 Abs. 1 lit. a GebV OG). Der Streitwert beträgt vorliegend CHF 283'058.60. Unter Berücksichtigung von § 4 Abs. 1 und 2 GebV OG ist die Gerichtsgebühr auf CHF 16'000.- festzusetzen. Sie ist ausgangsgemäss der Beklagten aufzuerlegen und vorab aus dem von der Klägerin geleisteten Kostenvorschuss zu beziehen (Art. 111 Abs. 1 ZPO).

    2. Parteientschädigung

Die Höhe der Parteientschädigung ist nach der Verordnung über die Anwaltsgebühren vom 8. September 2010 zu bemessen (AnwGebV; Art. 105 Abs. 2 ZPO). Grundlage ist auch hier der Streitwert (§ 2 Abs. 1 lit. a AnwGebV). Bei einem Streitwert von CHF 283'058.60 beträgt die Grundgebühr rund CHF 18'800.-. Sie ist mit der Begründung bzw. Beantwortung der Klage verdient und deckt auch den Aufwand für die Teilnahme an einer allfälligen Hauptverhandlung ab. Für die Teilnahme an zusätzlichen Verhandlungen und für weitere notwendige Rechtsschriften wird ein Zuschlag von je höchstens der Hälfte der Grundgebühr berechnet (§ 11 Abs. 1 und 2 AnwGebV i.V.m. § 4 Abs. 1 AnwGebV). Bei der Festsetzung der Parteientschädigung ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Klägerin eine zweite Rechtsschrift (Replik), eine Noveneingabe sowie eine Stellungnahme zu den Dupliknoven verfasste. Dies rechtfertigt in Anwendung von §§ 4 und 11 An-

wGebV eine Parteientschädigung in der Höhe von CHF 28'200.-, welche ausgangsgemäss der Klägerin zuzusprechen ist.

Ist einer mehrwertsteuerpflichtigen Partei wie der Klägerin eine Parteientschädigung zuzusprechen, hat dies zufolge Möglichkeit des Vorsteuerabzugs ohne Berücksichtigung der Mehrwertsteuer zu erfolgen. Ist die anspruchsberechtigte Partei nicht im vollen Umfange zum Abzug der Vorsteuer berechtigt, ist die Parteientschädigung um den entsprechenden Faktor anteilsmässig anzupassen. Solche aussergewöhnlichen Umstände hat eine Partei zu behaupten und zu belegen (ZR 104 [2005] Nr. 76; SJZ 101 [2005] S. 531 ff.). Die Klägerin verlangt zwar die Zusprechung einer Parteientschädigung zuzüglich Mehrwertsteuer (act. 1 S. 2). Sie behauptet aber keine für die Zusprechung der Mehrwertsteuer erforderlichen, aussergewöhnlichen Umstände. Daher ist ihr die Parteientschädigung ohne Mehrwertsteuer zuzusprechen.

Das Handelsgericht erkennt:
  1. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin CHF 283'058.60 nebst Zins zu 5 % seit 3. Juli 2015 zu bezahlen.

  2. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf CHF 16'000.-.

  3. Die Kosten werden der Beklagten auferlegt und aus dem von der Klägerin geleisteten Kostenvorschuss gedeckt. Für die der Beklagten auferlegten Kosten wird der Klägerin das Rückgriffsrecht auf die Beklagte eingeräumt.

  4. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin eine Parteientschädigung in der Höhe von CHF 28'200.- zu bezahlen.

  5. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Klägerin unter Beilage eines Doppel von act. 38, an die Beklagte unter Beilage eines Doppels von

    act. 37.

  6. Eine bundesrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innerhalb von 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht,

1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG). Der Streitwert beträgt CHF 283'058.60.

Zürich, 16. Dezember 2016

Handelsgericht des Kantons Zürich

Vizepräsident:

Roland Schmid

Gerichtsschreiber:

Dr. Moritz Vischer

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