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Urteil Obergericht (BE)

Kopfdaten
Kanton:BE
Fallnummer:BK 2017 479
Instanz:Obergericht
Abteilung:Beschwerdekammer in Strafsachen
Obergericht Entscheid BK 2017 479 vom 26.04.2018 (BE)
Datum:26.04.2018
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Verwertbarkeit von Beweismitteln, Rechtsverzögerung, Rechtsverweigerung
Schlagwörter : Beschwerde; Verfahren; Beschwerdeführerin; Recht; Statistik; Akten; Staatsanwaltschaft; Eingabe; Verfahrens; Beschwerdekammer; Verfahren; Privatklägerschaft; Rechtsverzögerung; Rechtsverweigerung; Santésuisse; Anzeige; Daten; Rechtlich; Beschwerdeverfahren; Antrag; Einvernahme; Obergericht; Person; Obergerichts; Verfügung; Kantons; Begründet; Sachen; Gericht
Rechtsnorm: Art. 11 StPO ; Art. 194 StPO ; Art. 309 StPO ; Art. 382 StPO ; Art. 396 StPO ; Art. 42 BGG ; Art. 428 StPO ; Art. 5 StPO ; Art. 56 KVG ; Art. 58 KVG ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
BK 2017 479 - Verwertbarkeit von Beweismitteln, Rechtsverzögerung, Rechtsverweigerung
Obergericht
des Kantons Bern

Beschwerdekammer in Strafsachen
Cour suprême
du canton de Berne

Chambre de recours pénale

Hochschulstrasse 17
Postfach
3001 Bern
Telefon +41 31 635 48 09
Fax +41 31 634 50 54
obergericht-straf.bern@justice.be.ch
www.justice.be.ch/obergericht
Beschluss
BK 17 479
Bern, 21. März 2018



Besetzung Oberrichter Stucki (Präsident i.V.), Oberrichterin Hubschmid, Oberrichterin Bratschi
Gerichtsschreiberin Beldi



Verfahrensbeteiligte A.________
Beschuldigte 1/Beschwerdeführerin


B.________
Beschuldigter 2


Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, Postfach 6250, 3001 Bern
v.d. Staatsanwältin E.________, Kantonale Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte, Speichergasse 12, 3011 Bern


C.________ AG
v.d. Rechtsanwalt D.________
Straf- und Zivilklägerin


Gegenstand Verwertbarkeit von Beweismitteln / Rechtsverzögerung, Rechtsverweigerung
Strafverfahren wegen Urkundenfälschung, Betrugs, evtl. arglistige Vermögensschädigung

Beschwerde gegen die Verfügung der Kantonalen Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte, vom 25. Oktober 2017 (W 15 109)

Erwägungen:
1. Die Kantonale Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte (nachfolgend: Staatsanwaltschaft) führt gegen A.________ und B.________ ein Strafverfahren wegen Urkundenfälschung, Betrugs, evtl. arglistiger Vermögensschädigung. Anlässlich einer Einvernahme vom 12. Oktober 2017 wurde der Zeugin F.________, ehemalige Mitarbeiterin von A.________, vom Rechtsvertreter der Privatklägerschaft eine Rechnungssteller-Statistik der santésuisse (Branchenorganisation der Schweizer Krankenversicherer) vom 20. Juli 2009 (nachfolgend: Statistik) vorgehalten. Die Statistik wurde anschliessend kopiert und zu den Akten genommen. Mit Verfügung vom 25. Oktober 2017 lehnte die Staatsanwaltschaft das Gesuch von A.________ um Entfernung der vorgenannten Statistik aus den Akten ab (Dispositiv-Ziffer 2). Die hiergegen gerichtete Eingabe von A.________ vom 6. November 2017 leitete die Staatsanwaltschaft an die Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kantons Bern (nachfolgend: Beschwerdekammer) zur Prüfung und allfälligen Entgegennahme als Beschwerde weiter. Auf Aufforderung der Verfahrensleitung der Beschwerdekammer hin bestätigte A.________ (nachfolgend: Beschwerdeführerin) am 22. November 2017, dass ihre Eingabe vom 6. November 2017 als Beschwerde entgegen zu nehmen sei. Die mit der Wahrnehmung der staatsanwaltlichen Aufgaben betraute Staatsanwältin E.________ beantragte am 15. Dezember 2017 die kostenfällige Abweisung der Beschwerde, soweit auf diese einzutreten sei. Die Privatklägerschaft, vertreten durch Rechtsanwalt D.________, schloss in ihrer Eingabe vom 18. Dezember 2017 auf Abweisung der Beschwerde, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beschwerdeführerin. Innert gewährter Fristerstreckung replizierte die Beschwerdeführerin am 5. Februar 2018.
2.
2.1 Die Beschwerde ist zulässig gegen Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Strafverfolgungsbehörden, aber auch gegen Unterlassungen, unter Einschluss der Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung (Art. 393 Abs. 1 Bst. a und Abs. 2 Bst. a der Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO; SR 312.0]). Abgesehen von Rechtsverweigerungs- und Rechtsverzögerungsbeschwerden, die an keine Frist gebunden sind, sind Beschwerden gegen Verfügungen der Staatsanwaltschaft innert 10 Tagen schriftlich und begründet bei der Beschwerdekammer einzureichen (Art. 396 Abs. 1 und 2 StPO, Art. 13 Bst. c StPO i.V.m. Art. 35 des Gesetzes über die Organisation der Gerichtsbehörden und der Staatsanwaltschaft [GSOG; BSG 161.1] und Art. 29 Abs. 2 des Organisationsreglements des Obergerichts [OrR OG; BSG 162.11]). Die Beschwerdeführerin ist durch die verweigerte Entfernung der Statistik aus den Akten und durch die gerügte Rechtsverweigerung / Rechtsverzögerung unmittelbar in ihren rechtlich geschützten Interessen betroffen und somit zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 382 Abs. 1 StPO). Die Beschwerde genügt mit Blick auf die bei Laieneingaben herabgesetzten Voraussetzungen den Begründungsanforderungen. Auf sie ist - unter Vorbehalt des Nachstehenden - einzutreten.
2.2 Der Streitgegenstand eines Beschwerdeverfahrens ist durch das Anfechtungsobjekt definiert. Angefochten ist vorliegend - neben der Rüge der Rechtsverweigerung/Rechtsverzögerung (sinngemäss Antrag 2 der Eingabe vom 6. November 2017 sowie S. 4 f. der Eingabe vom 22. November 2017) - Ziff. 2 der staatsanwaltlichen Verfügung vom 25. Oktober 2017, somit die Abweisung des Antrags auf Entfernung der Statistik aus den Akten. Soweit die Beschwerdeführerin die Einholung einer «neutralen Expertise» beantragt (Antrag 4 der Eingabe vom 6. November 2017), kann auf die Beschwerde mangels Zuständigkeit nicht eingetreten werden. Dieser Antrag ist, wie der Beschwerdeführerin bereits aus einem früheren Beschwerdeverfahren bekannt ist, zunächst bei der Staatsanwaltschaft zu stellen (Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern BK 17 55 vom 18. Mai 2017 E. 3.2). Erst ein darauf folgender Entscheid der Staatsanwaltschaft könnte - sofern der Antrag nicht ohne Rechtsnachteil vor dem erstinstanzlichen Gericht wiederholt werden könnte (Art. 394 Bst. b StPO) - bei der Beschwerdekammer angefochten werden.
Auch der Antrag der Beschwerdeführerin um Einstellung des Strafverfahrens (Antrag 3 der Eingabe vom 6. November 2017) ist bei der Staatsanwaltschaft vorzubringen. Die Beschwerdeführerin wird bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass ein diesbezüglich abschlägiger Entscheid der Staatsanwaltschaft nicht mit Beschwerde anfechtbar wäre, andernfalls sie die Möglichkeit erhielte, sich gegen die Weiterführung des Vorverfahrens zur Wehr zu setzen, was vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt war (vgl. dazu bereits den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern BK 15 330 vom 29. Oktober 2015 E. 2.1).
Unklar ist, ob die Beschwerdeführerin mit ihrer Forderung, wonach die zuständige Staatsanwältin anzuweisen sei, eine neutrale Haltung einzunehmen (Eingabe vom 22. November 2017 S. 5), eine aufsichtsrechtliche Anzeige einreichen möchte. Wäre dies der Fall, könnte darauf mangels Zuständigkeit der Beschwerdekammer ebenfalls nicht eingetreten werden.
3.
3.1 Die Beschwerdeführerin beruft sich auf Unverwertbarkeit der zu den Akten genommenen Statistik der santésuisse und begründet dies damit, dass diese vertrauliche Daten beinhalte. Die Statistik sei ohne ihr Wissen zusammengestellt und im Verfahren P02 10 1203/1204 zu den Akten genommen worden. Im hier betreffenden Verfahren W 15 109 habe sie nichts zu suchen. Das Vorhalten der Statistik anlässlich der Einvernahme vom 12. Oktober 2017 stelle eine illegale Veröffentlichung dar. Sowohl die Privatklägerschaft, als auch die Staatsanwaltschaft hätten sich in verschiedener Hinsicht strafrechtlich verantwortlich gemacht. Gleiches gelte für die Personen, welche die Daten im Verfahren P02 10 1203/1204 öffentlich gemacht hätten.
Dem halten die Staatsanwaltschaft und die Privatklägerschaft zusammengefasst entgegen, dass der Verwertung der fraglichen Statistik als Beweismittel im Verfahren W 15 109 nichts entgegenstehe, sei sie doch im Verfahren P02 1203/1204 nach Entbindung vom Amtsgeheimnis rechtmässig zu den Akten gegeben und genommen worden.
3.2 Streitgegenstand bildet die Frage, ob Gründe gegen die Verwertung der Statistik im Verfahren W 15 109 bestehen (E. 3.4). Dabei ist zunächst zu prüfen, ob die Statistik im Verfahren P02 10 1203/1204 rechtmässig zu den Akten erkannt worden ist (E. 3.3).
3.3 Das Verfahren P02 10 1203/1204 basiert auf einer Anzeige der C.________ AG vom 10. Mai 2010. In dieser wirft die C.________ AG der Beschwerdeführerin und B.________ vor, dass sie sich von ihrem Arztkollegen B.________ habe vertreten lassen und dieser trotz Kassenausschluss (Zeitraum 2006 und 2007) ärztliche Leistungen erbracht habe, welche anschliessend im Namen der Beschwerdeführerin fakturiert worden seien, mit dem Ziel, den verfügten Ausschluss zu umgehen. Die Anzeige wurde gestützt auf das damals geltende Recht ohne Untersuchung direkt an das urteilende Gericht überwiesen und ist bei der ersten Instanz hängig, jedoch derzeit sistiert. Im Frühling 2015 lud die zuständige Gerichtspräsidentin zur Hauptverhandlung vor. Den Parteien wurde mitgeteilt, dass einzig der Sachverhalt gemäss Anzeige vom 10. Mai 2010 Gegenstand des Verfahrens bilde. Daraufhin reichte die C.________ AG am 28. Mai 2015 eine ergänzende Strafanzeige ein, in welcher weitere Patienten aufgeführt wurden, die durch B.________ trotz Kassenausschluss behandelt worden sein sollen. Diese Anzeige bildet Gegenstand des bei der Staatsanwaltschaft hängigen Verfahrens W 15 109. Anlässlich der noch vor Sistierung des Verfahrens P02 10 1203/1204 erfolgten vorgängigen Beweiserhebung wurde die in Bezug auf die obligatorische Krankenkasse erstellte (Rechnungssteller-)Statistik im Zusammenhang mit Zeugeneinvernahmen von Mitarbeitern der santésuisse (E.________ und G.________) zu den Akten genommen. Der Statistik kann entnommen werden, dass die Bruttoleistung der Beschwerdeführerin im Jahr 2005 CHF 157'644.00 betragen hat. In den Jahren 2006 bis 2007 (somit während des Kassenausschlusses von B.________) erhöhte sich ihre Bruttoleistung markant, nämlich auf CHF 247'355.00 bzw. CHF 327'067.00. Eine Zunahme wurde auch bei den Konsultationen festgestellt. So fanden im Jahr 2005 670 Konsultationen statt. In den Jahren 2006 und 2007 hingegen 1'954 bzw. 2'578. Daraus schliesst die Privatklägerschaft, dass die Beschwerdeführerin Konsultationen in Rechnung gestellt hat, die sie selber alleine nicht habe durchführen können.
Dass die Statistik anlässlich der Einvernahme vom 24. Juni 2015 im Verfahren P02 10 1203/1204 diskutiert und zu den Akten genommen worden ist, ist nicht zu beanstanden. Die darin erhobenen Daten bzw. die Datenbearbeitung der Krankenversicherer bzw. der Branchenverbände ist gesetzlich vorgesehen und verstösst damit nicht gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen. Eine ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Person ist nicht erforderlich. Mit Blick auf das Nachfolgende kann nicht ernsthaft in Abrede gestellt werden, dass der Beschwerdeführerin der Zweck der von der santésuisse im Zusammenhang mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung vorgenommenen Datenbearbeitung unbekannt gewesen wäre (zum Ganzen: Art. 84 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung [KVG; SR 832.10], Art. 4 und 11a Abs. 5 Bst. a des Bundesgesetzes über den Datenschutz [DSG; SR 235.1]). Gemäss Artikel 43 Abs. 6 KVG gilt es, eine qualitativ hoch stehende und zweckmässige gesundheitliche Versorgung zu möglichst günstigen Kosten zu erreichen. Mittels Verordnung hat der Bundesrat die Umsetzung der Qualitätssicherung an die Leistungserbringer (Ärzte etc.), bzw. deren Verbände delegiert (Art. 58 KVG i.V.m. 77 der Verordnung über die Krankenversicherung [KVV; SR 831.102]). In diesem Zusammenhang sieht Art. 56 Abs. 1 KVG, vor, dass sich die Leistungserbringer in ihren zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erbrachten Leistungen auf das Mass beschränken, das im Interesse des Versicherten liegt und das für den Behandlungszweck erforderlich ist. Die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung durch die Krankenversicherer ist in Art. 76 f. KVV geregelt. Sowohl Ärzte als auch Krankenversicherer haben somit Rechenschaft über die Wirtschaftlichkeit der Leistungen abzulegen. Art. 56 Abs. 6 KVG, wonach Leistungserbringer und Versicherer vertraglich eine Methode zur Kontrolle der Wirtschaftlichkeit festlegen (vgl. ferner Art. 58 und 84 KVG), trat zwar erst per 1. Januar 2013 in Kraft, jedoch galt schon vor diesem Zeitpunkt und somit auch während der Zeit des Kassenausschlusses von B.________, dass eine Wirtschaftlichkeitsprüfung vorzunehmen ist (vgl. etwa BBl 2011 2519). Vor diesem Hintergrund ist die vom Branchenverband der Krankversicherungen (santésuisse) vorgenommene Datenerhebung rechtlich zulässig, d.h. sie verletzt weder datenschutz- noch strafrechtliche Bestimmungen.
Aktenkundig legten die beiden Mitarbeiter der santésuisse vor ihrer Einvernahme eine Entbindungserklärung betreffend ihre Schweigepflicht vor (Art. 33 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG; SR 830.1] i.V.m. Art. 84a Abs. 1 Bst. h KVG; pag. 04 002 042 [Z. 13 f.] und 04 002 045 [Z. 38 f.]). Auch wenn die Entbindungserklärung den der Beschwerdekammer zur Verfügung gestellten Akten W 15 109 nicht beiliegt, kann die Beschwerdeführerin daraus nichts zu ihren Gunsten ableiten. Die Akten des Verfahrens P02 10 1203/1204 wurden beigezogen, kopiert und in drei separaten Ordnern abgelegt (pag. 07 001 003). Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die Entbindungserklärung in einem dieser Ordner befindet, bestehen doch keine Anhaltspunkte, dass der Protokolleintrag vom 24. Juni 2015 im Verfahren P02 10 1203/1204 nicht korrekt sein sollte. Auf die von der santésuisse erteilte Entbindung kann abgestellt werden; einer zusätzlichen Einwilligung der Beschwerdeführerin bedurfte es nicht. Angesichts dessen begingen die beiden Mitarbeiter der santésuisse mit ihrer Datenbekanntgabe keine Amtsgeheimnisverletzung. Die fragliche Statistik wurde daher rechtmässig im Verfahren P02 10 1203/1204 zu den Akten erkannt bzw. den Verfahrensbeteiligten zugänglich gemacht. Die Beschwerdeführerin, wie auch ihre Rechtsvertreterin, haben an der Einvernahme vom 24. Juni 2015 teilgenommen, der Umstand, dass die Statistik diskutiert und zu den Akten erkannt wurde, war ihnen somit bekannt. Abgesehen davon würde das Gegenteil nichts an der Zulässigkeit der Verwertbarkeit ändern.
3.4 Dass die Statistik an der Einvernahme vom 12. Oktober 2017 von der Privatklägerschaft ins Verfahren W 15 109 eingebracht worden ist, kann - ungeachtet der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin für den Termin entschuldigt war - ebenfalls nicht beanstandet werden. Aufgrund ihrer Beteiligung im Verfahren P02 10 1203/1204 gelangte die Privatklägerin in den Besitz der Statistik. Der von ihr gegenüber der Beschwerdeführerin erhobene Vorwurf im Verfahren W 15 109 ist derselbe wie im Verfahren P02 10 1203/1204. Die Verfahren bzw. die zugrundeliegenden Anzeigen unterscheiden sich lediglich bezüglich der betroffenen Patienten. Dass die Statistik von Relevanz ist, kann nicht ernsthaft in Abrede gestellt werden. Ferner schadet der Umstand, dass die Privatklägerschaft im heutigen Zeitpunkt nicht mehr Mitglied des Branchenverbands santésuisse ist, nicht. Hinzu kommt, dass die Statistik ohnehin bereits durch den staatsanwaltlichen Beizug der Verfahrensakten P02 10 1203/1204 Eingang ins Verfahren W 15 109 gefunden hat. Der Aktenbeizug war begründet und ist demzufolge ebenfalls nicht zu beanstanden (Art. 194 Abs. 1 StPO). Ein in straf- oder datenschutzrechtlicher Hinsicht verpöntes Verhalten kann weder bei der zuständigen Staatsanwältin noch bei der Privatklägerschaft ausgemacht werden.
Zusammengefasst ist festzuhalten, dass die Rechnungssteller-Statistik - ungeachtet des Vermerks «vertraulich» - im Verfahren W 15 109 verwertbar ist. Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als unbegründet.
4.
4.1 Die Beschwerdeführerin rügte in ihrer Eingabe vom 6. November 2017 sinngemäss eine Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung.
Eine Rechtsverweigerung liegt vor, wenn eine Strafbehörde sich weigert, eine ihr obliegende Verfahrenshandlung vorzunehmen, mithin untätig bleibt, obschon eine Pflicht zum Tätigwerden bestünde (Guidon, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 18 zu Art. 396 StPO). Von Rechtsverzögerung wird gesprochen, wenn die Behörde nicht innerhalb angemessener Zeit tätig wird. Eine Rechtsverzögerung stellt in der Regel einen Verstoss gegen das Beschleunigungsgebot dar. Zur Garantie eines gerechten Verfahrens nach Art. 29 Abs. 1 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV; SR 101) gehört der Anspruch auf Beurteilung innert angemessener Frist. Vor diesem Hintergrund verpflichtet Art. 5 Abs. 1 StPO die Strafbehörden denn auch, dass sie Strafverfahren unverzüglich an die Hand nehmen und diese ohne unbegründete Verzögerung zum Abschluss bringen. Die Beurteilung der angemessenen Verfahrensdauer entzieht sich starren Regeln. Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob sich die Dauer unter den konkreten Umständen als angemessen erweist.
4.2 Die Beschwerdeführerin wirft der Staatsanwaltschaft zusammengefasst vor, dass sie es einerseits unterlasse, die Begründetheit der Anzeige abzuklären, andererseits einseitig auf die Argumente der Privatklägerschaft abstelle und die Argumente der beschuldigten Personen nicht hören wolle.
Den Akten lassen sich keine Hinweise für eine Rechtsverweigerung und/oder Rechtsverzögerung entnehmen. Allein die Eröffnung einer Strafuntersuchung bedeutet nicht, dass sich die Staatsanwaltschaft nur auf die Argumente der Anzeigerin/Privatklägerin stützen würde. Wird eine Anzeige eingereicht und ergibt sich daraus ein hinreichender Tatverdacht (was nicht mit einer Vorverurteilung gleichzusetzen ist), hat sie eine Untersuchung zu eröffnen (Art. 309 StPO). In diesem Zusammenhang wird die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass die Bezeichnung als «beschuldigte Person» lediglich die Parteistellung im Verfahren W 15 109 nennt. Als beschuldigte Person gilt diejenige Person, welche in einer Strafanzeige einer Straftat beschuldigt wird (Art. 11 Abs. 1 StPO), was vorliegend gegeben ist. Der Grundsatz der Unschuldsvermutung bleibt davon unberührt.
Aktenkundig hat die Staatsanwaltschaft die Eingaben der Beschwerdeführerin im Verfahren W 15 109 jeweils beantwortet. Dass sie möglicherweise nicht auf sämtliche Einwände der Beschwerdeführerin eingegangen ist, kann ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden. Hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin konkret angerufenen Eingaben, welche das einseitige Handeln und die ihr gegenüber ausgeübten verweigernden Haltung aufzeigen würden (Replik S. 14), ist Folgendes festzuhalten: Die Eingabe der Beschwerdeführerin vom 1. Februar 2017 wurde dem damaligen Rechtsvertreter weitergeleitet, mit der Bitte um Mitteilung, welche Anträge aufrechterhalten würden (pag. 14 002 009). Die Eingaben vom 9. und 10. März 2017 betrafen ein anderes Verfahren und sind hier nicht relevant. Auch aus der Eingabe vom 8. April 2017 kann die Beschwerdeführerin nichts zu ihren Gunsten ableiten. Sie wurde im Zusammenhang mit einem Beschwerdeverfahren zu Handen des Obergerichts eingereicht. Die Beschwerdekammer verneinte im damaligen Verfahren eine von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Verletzung des Akteneinsichtsrechts und konnte auch keine (anderen) angeblichen Rechtsverweigerungen feststellen (Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern BK 17 55 vom 18. Mai 2017 E. 3.3).
Eine Verletzung des Beschleunigungsgebots kann ebenfalls nicht ausgemacht werden. Die bisherige Verfahrensdauer beträgt rund drei Jahre, was mit Blick auf die von den beschuldigten Personen initiierten Rechtsmittelverfahren nicht weiter erstaunt.
Dass im Verfahren W 15 109 - soweit ersichtlich - noch keine förmliche Einvernahme der Beschwerdeführerin stattgefunden hat, ist angesichts der Tatsache, dass sie im Verfahren P02 10 1203/1204 einvernommen worden und ihre Haltung bekannt ist, auch nicht zu beanstanden.
Soweit die Beschwerdeführerin beantragt, es sei eine Untersuchung gegen die Privatklägerschaft zu führen, kann auf das Verfahren W15 207/208 sowie die diesbezüglich ergangenen Beschlüsse der Beschwerdekammer verwiesen werden.
4.3 Die Beschwerde erweist sich auch in diesem Punkt als unbegründet. Sie ist demzufolge abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
5. Bei diesem Verfahrensausgang trägt die unterliegende Beschwerdeführerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens (Art. 428 Abs. 1 StPO).
Der Privatklägerschaft ist für ihre Aufwendungen im Beschwerdeverfahren eine Entschädigung zuzusprechen. Die eingereichte Kostennote von Rechtsanwalt D.________ gibt zu keinen Bemerkungen Anlass. Die Beschwerdeführerin wird verpflichtet, der Privatklägerschaft eine Entschädigung von CHF 1‘659.85 (inkl. Auslagen und MWST) zu bezahlen (Art. 436 Abs. 1 i.V.m. Art. 433 Abs. 1 Bst. a StPO).
Die Beschwerdekammer in Strafsachen beschliesst:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens, bestimmt auf CHF 1‘000.00, werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3. Die Beschwerdeführerin wird verpflichtet, der Privatklägerschaft eine Entschädigung von CHF 1‘659.85 (inkl. Auslagen und MWST) zu entrichten.
4. Zu eröffnen:
• der Beschuldigten 1/Beschwerdeführerin
• der Straf- und Zivilklägerin, v.d. Rechtsanwalt D.________
• Staatsanwältin E.________, Kantonale Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte
(mit den Akten)
Mitzuteilen:
• der Generalstaatsanwaltschaft



Bern, 21. März 2018
Im Namen der Beschwerdekammer
in Strafsachen
Der Präsident i.V.:
Oberrichter Stucki

Die Gerichtsschreiberin:
Beldi


Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden durch die Beschwerdekammer in Strafsachen in Rechnung gestellt.


Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Zustellung beim Bundesgericht, Av. du Tribunal fédéral 29, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 39 ff., 78 ff. und 90 ff. des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) geführt werden. Die Beschwerde muss den Anforderungen von Art. 42 BGG entsprechen.
Quelle: https://www.zsg-entscheide.apps.be.ch/tribunapublikation/
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