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Bundesverwaltungsgericht Urteil D-5553/2021

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung IV
Dossiernummer:D-5553/2021
Datum:05.01.2022
Leitsatz/Stichwort:Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren)
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdeführer; Bulgarien; Mitgliedstaat; Dublin-III-VO; Behörde; Asylgesuch; Bulgarischen; Behörden; Medizinische; Zuständig; Verfahren; Verfügung; Wegweisung; Akten; Antrag; Recht; Hinweis; Urteil; Beschwerdeführers; Überstellung; Behandlung; Prüfung; Asylverfahren; Prüfen; Bundesverwaltungsgericht; Zuständigkeit; Vorinstanz; Antrags; Hinweise
Rechtsnorm: Art. 49 BV ; Art. 52 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:143 III 65; 144 I 11; ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung IV D-5553/2021

U r t e i l v o m 5 . J a n u a r 2 0 2 2

Besetzung Einzelrichterin Daniela Brüschweiler,

mit Zustimmung von Richterin Susanne Genner; Gerichtsschreiberin Kathrin Mangold Horni.

Parteien A. , geboren am (…), Afghanistan,

vertreten durch MLaw Sabine Eichenberger, (…),

Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren);

Verfügung des SEM vom 13. Dezember 2021 / N (…).

Sachverhalt:

A.

    1. Der Beschwerdeführer suchte am 19. November 2021 in der Schweiz um Asyl nach.

    2. Ein Abgleich seiner Fingerabdrücke mit der Eurodac-Datenbank ergab, dass er am 14. Oktober 2021 in Bulgarien um Asyl ersucht hatte.

    3. Das SEM ersuchte die bulgarischen Behörden am 23. November 2021 um Übernahme des Beschwerdeführers gestützt auf Art. 18 Abs. 1 Bst. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (nachfolgend: Dublin-III-VO).

    4. Am 24. November 2021 wurden im Bundesasylzentrum (BAZ) B. die Personalien des Beschwerdeführers aufgenommen (Personalienaufnahme [PA]).

      Anlässlich des am 2. Dezember 2021 im Beisein seiner Rechtsvertreterin durchgeführten persönlichen Gesprächs gemäss Art. 5 Dublin-III-VO gab der Beschwerdeführer an, sein Heimatland am 15. August 2021 verlassen zu haben. In Bulgarien habe er kein Asylgesuch eingereicht. Er habe aber eine Wegweisung erhalten, und auf dem Blatt, das man ihm gegeben habe, habe gestanden, dass er das Land innerhalb von drei Tagen verlassen müsse, ansonsten er eingesperrt würde. Man habe ihm auch gesagt, er könne in ein beliebiges Land gehen. Sodann wurde dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör zur mutmasslichen Zuständigkeit Bulgariens zur Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens gemäss Dublin-IIIVO, zu einem Nichteintretensentscheid (NEE) gemäss Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsyIG (SR 142.31) sowie zur Wegweisung nach Bulgarien gewährt und es wurde der medizinische Sachverhalt erhoben.

    5. Die bulgarischen Behörden nahmen innert Frist zum Übernahmeersuchen vom 23. November 2021 keine Stellung.

    6. Am 10. Dezember 2021 liess der Beschwerdeführer dem SEM durch seine Rechtsvertreterin verschiedene medizinische Unterlagen zu den Akten geben. Gleichzeitig ersuchte er darum, aufgrund seines Gesundheitszustandes bei den bulgarischen Behörden Garantien einzuholen.

B.

Mit Verfügung vom 13. Dezember 2021 – eröffnet am 14. Dezember 2021

– trat das SEM in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers nicht ein, ordnete die Wegweisung in den für ihn zuständigen Dublin-Mitgliedstaat (Bulgarien) an und forderte ihn auf, die Schweiz spätestens am Tag nach Eintritt der Rechtskraft der Verfügung zu verlassen, ansonsten er in Haft genommen und unter Zwang zurückgeführt werden könnte. Gleichzeitig stellte es fest, einer allfälligen Beschwerde gegen den Entscheid komme keine aufschiebende Wirkung zu. Ferner beauftragte das SEM den zuständigen Kanton (C. ) mit dem Vollzug der Wegweisung und ordnete die Aushändigung der editionspflichtigen Akten gemäss Aktenverzeichnis an den Beschwerdeführer an.

C.

Der Beschwerdeführer erhob durch die rubrizierte Rechtsvertreterin mit Eingabe vom 21. Dezember 2021 beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde. Er beantragte, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und das SEM sei anzuweisen, auf sein Asylgesuch einzutreten und das Asylverfahren in der Schweiz durchzuführen. Eventualiter sei die angefochtene Verfügung aufzuheben und die Sache zur vollständigen Feststellung des Sachverhaltes sowie zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen, subeventualiter sei die Vorinstanz anzuweisen, von den bulgarischen Behörden individuelle Zusicherungen bezüglich des Zugangs zum Asylverfahren sowie bezüglich adäquater medizinischer Versorgung und Unterbringung einzuholen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wurde darum ersucht, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen und das SEM sowie die Vollzugsbehörden seien im Rahmen von vorsorglichen Massnahmen unverzüglich anzuweisen, bis zum Entscheid über das vorliegende Rechtsmittel von jeglichen Vollzugshandlungen abzusehen. Schliesslich sei die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren und auf die Erhebung eines Kostenvorschusses zu verzichten.

Zur Stützung der in der Beschwerdeschrift enthaltenen Ausführungen reichte der Beschwerdeführer Fotografien eines Arbeitszeugnisses der (…) und eines Ausweises der (…) zu den Akten.

D.

Die vorinstanzlichen Akten lagen dem Bundesverwaltungsgericht am

22. Dezember 2021 (Art. 109 Abs. 3 AsylG). Gleichentags setzte die Instruktionsrichterin den Vollzug der Überstellung gestützt auf Art. 56 VwVG per sofort einstweilen aus.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG ist das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG zuständig und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel – und auch vorliegend – endgültig (Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG; Art. 105 AsylG).

    2. Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).

    3. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert. Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten (Art. 105 und Art. 108 Abs. 3 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG).

2.

    1. Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).

    2. Bei Beschwerden gegen Nichteintretensentscheide, mit denen es die Vorinstanz ablehnt, das Asylgesuch auf seine Begründetheit hin zu überprüfen (Art. 31a Abs.1–3 AsylG), ist die Beurteilungskompetenz der Beschwerdeinstanz grundsätzlich auf die Frage beschränkt, ob die Vorinstanz zu Recht auf das Asylgesuch nicht eingetreten ist (BVGE 2012/4 E. 2.2 m.w.H.).

3.

Die Beschwerde erweist sich – wie nachfolgend aufgezeigt – als offensichtlich unbegründet, weshalb sie im Verfahren einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise einer zweiten Richterin (Art. 111 Bst. e AsylG), ohne Durchführung eines Schriftenwechsels und mit summarischer Begründung, zu behandeln ist (Art. 111a Abs. 1 und 2 AsylG).

4.

    1. Auf Asylgesuche wird in der Regel nicht eingetreten, wenn Asylsuchende in einen Drittstaat ausreisen können, der für die Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens staatsvertraglich zuständig ist (Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG). Zur Bestimmung des staatsvertraglich zuständigen Staates prüft das SEM die Zuständigkeitskriterien gemäss der Dublin-IIIVO. Führt diese Prüfung zur Feststellung, dass ein anderer Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylgesuchs zuständig ist, tritt das SEM, nachdem der betreffende Mitgliedstaat einer Übernahme zugestimmt hat oder von dessen Zustimmung infolge unterlassener Antwort innerhalb der genannten Frist auszugehen ist, auf das Asylgesuch nicht ein (vgl. BVGE 2017 VI/5 E. 6.2).

    2. Gemäss Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO wird jeder Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates wird eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Asylantrag gestellt wird (Art. 20 Abs. 1 Dublin-III-VO).

      Im Fall eines sogenannten Aufnahmeverfahrens (engl.: take charge) sind die in Kapitel III (Art. 8–15 Dublin-III-VO) genannten Kriterien in der dort aufgeführten Rangfolge (Prinzip der Hierarchie der Zuständigkeitskriterien; vgl. Art. 7 Abs. 1 Dublin-III-VO) anzuwenden, und es ist von der Situation im Zeitpunkt, in dem der Antragsteller erstmals einen Antrag in einem Mitgliedstaat gestellt hat, auszugehen (Art. 7 Abs. 2 Dublin-III-VO). Im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens (engl.: take back) findet demgegenüber grundsätzlich keine (erneute) Zuständigkeitsprüfung nach Kapitel III statt (vgl. zum Ganzen BVGE 2017 VI/5 E. 6.2 und 8.2.1 m.w.H.).

    3. Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in jenem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-Grundrechtecharta; ABl. C 364/1 vom 18. Dezember 2000) mit sich bringen, ist zu prüfen, ob aufgrund dieser Kriterien ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Kann kein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden, wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat zum zuständigen Mitgliedstaat (Art. 3 Abs. 2 Sätze 2 und 3 Dublin-III-VO).

    4. Der nach der Dublin-III-VO zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet, einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Massgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 Dublin-III-VO wieder aufzunehmen (Art. 18 Abs. 1 Bst. b Dublin-III-VO).

    5. Jeder Mitgliedstaat kann abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO beschliessen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist (sog. Selbsteintrittsrecht; Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin-IIIVO).

5.

Der Abgleich der Fingerabdrücke des Beschwerdeführers ergab, dass er am 14. Oktober 2021 in D. (Bulgarien) ein Asylgesuch eingereicht hatte. Anlässlich des Dublin-Gesprächs erklärte er zwar, in Bulgarien kein Asylgesuch gestellt zu haben, aber (dennoch) eine Wegweisung erhalten zu haben. Wie in der angefochtenen Verfügung zutreffend festgehalten wurde, steht indes durch den Abgleich der Fingerabdrücke mit der Zentraleinheit Eurodac zweifelsfrei fest, dass der Beschwerdeführer in Bulgarien als asylsuchende Person registriert worden ist. Im späteren Verlauf des vorinstanzlichen Verfahrens – und auch in der Beschwerdeschrift (vgl. S. 5 unten) – wird die Einreichung eines Asylgesuchs in Bulgarien denn auch nicht mehr bestritten.

Die bulgarischen Behörden liessen das Übernahmeersuchen vom 23. November 2021 innert der in Art. 25 Abs. 1 Dublin-III-VO vorgesehenen Frist unbeantwortet, womit sie die Zuständigkeit Bulgariens implizit anerkannten (Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO). Die grundsätzliche Zuständigkeit Bulgariens ist somit gegeben.

6.

In der Beschwerdeschrift (vgl. S. 3 und 6) wird darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan als (…) gearbeitet habe und seine Heimat am Tag der Machtübernahme durch die Taliban, am 15. August 2021, habe verlassen müssen. Sodann werden die vom Beschwerdeführer anlässlich des Dublin-Gesprächs geltend gemachten Probleme wiederholt

und es wird auf die am 10. Dezember 2021 eingereichten medizinischen Unterlagen verwiesen. Im Weiteren wird geltend gemacht, es müsse angesichts der bekannt tiefen Schutzquote Bulgariens davon ausgegangen werden, das die bulgarischen Behörden das Asylgesuch abgelehnt hätten, ohne eine Prüfung der Fluchtgründe vorzunehmen. Damit bestehe ein reales Risiko, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückweisung nach Bulgarien ohne Prüfung seiner Fluchtgründe nach Afghanistan überstellt werde. Bulgarien sei auch nicht in der Lage, in Asylverfahren für eine ausreichende sprachliche Verständigung gegenüber Asylsuchenden zu sorgen. Da die bulgarischen Behörden zur Überstellungsanfrage des SEM keine Stellung genommen hätten und der Beschwerdeführer eine Wegweisung erhalten habe, bestehe ein reales Risiko, dass er ohne Prüfung seiner Fluchtgründe unter Verletzung des Non-Refoulement-Gebots nach Afghanistan erstellt würde, wo er aufgrund seiner Tätigkeit als (…) eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätte (vgl. Beschwerde S. 5 f.).

Sodann wird unter Hinweis auf die Ermessensklausel gemäss Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO und auf den von der Vorinstanz zu beachtenden Untersuchungsgrundsatz gerügt, zum Entscheidzeitpunkt sei nicht hinreichend abgeklärt gewesen, welche spezifischen psychischen Beschwerden der Beschwerdeführer habe und welche medizinische Behandlung er folglich benötigen würde. Als abgelehnter Asylsuchender hätte er indes in Bulgarien keinen Anspruch auf psychologische oder psychiatrische Behandlung, weshalb im Fall einer Überstellung nach Bulgarien die Gefahr einer massiven Verschlechterung seines Gesundheitszustandes bestehen würde. Dieser Umstand sei jedoch im angefochtenen Entscheid gänzlich unberücksichtigt geblieben. Des Weiteren seien der Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör und die Begründungspflicht als Teilgehalt des rechtlichen Gehörs verletzt worden, indem keine Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung sämtlicher individueller Umstände und in Bezug auf Hinweise auf eine unzulässige Abschiebung von Bulgarien nach Afghanistan vorgenommen worden sei (vgl. Beschwerde S. 6–9).

7.

    1. Die formellen Rügen sind vorab zu prüfen, da sie allenfalls geeignet wären, eine Kassation der vorinstanzlichen Verfügung herbeizuführen.

    2. Das Verwaltungsrespektive Asylverfahren wird vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht (Art. 12 VwVG i.V.m. Art. 6 AsylG). Demnach hat die

      Behörde von Amtes wegen für die richtige und vollständige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhaltes zu sorgen, die für das Verfahren notwendigen Unterlagen zu beschaffen, die rechtlich relevanten Umstände abzuklären und ordnungsgemäss darüber Beweis zu führen (vgl. BVGE 2012/21 E. 5.1. m.w.H.).

      Gemäss Art. 29 VwVG haben die Parteien Anspruch auf rechtliches Gehör, welches als Mitwirkungsrecht alle Befugnisse umfasst, die einer Partei einzuräumen sind, damit sie in einem Verfahren ihren Standpunkt wirksam zur Geltung bringen kann (vgl. BGE 144 I 11 E. 5.3; BVGE 2009/35 E. 6.4.1). Mit dem Gehörsanspruch korreliert die Pflicht der Behörden, die Vorbringen tatsächlich zu hören, ernsthaft zu prüfen und in ihrer Entscheidfindung angemessen zu berücksichtigen. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sie eine sachgerechte Anfechtung ermöglicht. Nicht erforderlich ist, dass sich die Begründung mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt (vgl. BGE 143 III 65 E. 5.2).

    3. Aus den Akten ergeben sich keine Hinweise, dass das SEM seine Pflicht zur richtigen und vollständigen Abklärung des rechtserheblichen Sachverhalts nicht ausreichend wahrgenommen hätte. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten gesundheitlichen Probleme (insbesondere […] sowie […]) wurden gemäss den sich bei den Akten befindenden Unterlagen im BAZ B. abklärt, und der Beschwerdeführer erhielt – wie den medizinischen Akten entnommen werden kann – umgehend eine Behandlung, insbesondere auch Medikamente zur Behandlung der diagnostizierten (…). Das SEM hat in seiner angefochtenen Verfügung (vgl. S. 3–5) nicht nur alle medizinischen Unterlagen, sondern auch die vom Beschwerdeführer anlässlich des Dublin-Gesprächs vorgebrachten Argumente, welche gegen seine Überstellung nach Bulgarien sprechen könnten, sowie das Begehren, bei den bulgarischen Behörden Garantien einzuholen, berücksichtigt und hinreichend differenziert aufgezeigt, von welchen Überlegungen es sich bei der Beurteilung hat leiten lassen. Gestützt darauf konnte der Beschwerdeführer denn auch die Verfügung rechtsgenüglich anfechten.

      Der blosse Umstand, dass der Beschwerdeführer die Beurteilung durch das SEM nicht teilt, stellt weder eine Verletzung der Begründungspflicht, des Anspruchs auf rechtliches Gehör noch der Pflicht zur vollständigen und richtigen Abklärung des rechtserheblichen Sachverhalts dar. Ob die materielle Beurteilung des SEM zutrifft, ist nachfolgend zu prüfen.

    4. Die formellen Rügen erweisen sich angesichts dieser Sachlage als unbegründet, weshalb keine Veranlassung besteht, die Verfügung vom

13. Dezember 2021 aus formellen Gründen aufzuheben und die Sache zur vollständigen Sachverhaltsabklärung beziehungsweise zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der entsprechende Eventualantrag ist somit abzuweisen.

8.

8.1 In seinem Referenzurteil F-7195/2018 vom 11. Februar 2020 hat sich das Bundesverwaltungsgericht ausführlich und eingehend mit dem bulgarischen Asylsystem und der Situation asylsuchender Personen in Bulgarien auseinandergesetzt. Auf die dortigen Erwägungen kann nach wie vor verwiesen werden (E. 6.6.1 und E. 6.6.7; vgl. auch Urteile des BVGer F-4574/2021 vom 26. Oktober 2021 E. 8.2 oder D-1/2019 vom 31. März

2021 E. 7.1.1 m.w.H.).

Mit seinen allgemein gehaltenen Einwänden (schlechte Wirtschaftslage, unbefriedigende Situation in der Unterkunft) ist es dem Beschwerdeführer vorliegend nicht gelungen, die Vermutung der Einhaltung der völkerrechtlichen Pflichten durch Bulgarien umzustossen. Ernsthafte Hinweise für systemische Schwachstellen betreffend Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Bulgarien hat der Beschwerdeführer nicht dargetan (vgl. BVGE 2012/27 E. 6.4; Urteil des BVGer D-1/2019 vom 31. März 2021 E. 7.1.2 m.w.H).

Unter diesen Umständen ist die Anwendung von Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO nicht gerechtfertigt.

8.2

      1. Der Beschwerdeführer fordert den Selbsteintritt der Schweiz (vgl. Rechtsbegehren 2 sowie Ausführungen auf S. 4 und 9 der Beschwerdeschrift) und sinngemäss die Anwendung der Ermessensklauseln von Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO und von Art. 29a Abs. 3 AsylV 1 (vgl. Beschwerde S. 6). Es ist zu prüfen, ob im Falle des Beschwerdeführers aufgrund seiner persönlichen Situation von seiner Überstellung nach Bulgarien abzusehen ist, weil sie für ihn das reelle und naheliegende Risiko einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EUGrundrechtecharta und Art. 3 EMRK mit sich bringen würde (BVGE 2012/27 E. 6.4; 2010/45 E. 7.4; Urteile des BVGer F-7195/2018 E. 6.6.9;

        E-3356/2018 vom 27. Juni 2018 E. 4.2; Urteil des EGMR Tarakhel gegen

        Schweiz vom 4. November 2014, Grosse Kammer 29217/12, § 104; Urteil des EuGH vom 19. März 2019 C-163/17 Jawo Rn. 76 ff.).

      2. Die bulgarischen Behörden liessen das Übernahmeersuchen des SEM unbeantwortet und erklärten sich damit implizit als zur Prüfung des Asylund Wegweisungsverfahrens zuständig. Der Beschwerdeführer hatte am 14. Oktober 2021 in Bulgarien um Asyl ersucht und wurde nur einen Monat später, am 15. November 2021, vom Grenzwachkorps E. beim Versuch der illegalen Einreise in die Schweiz angehalten. Es erscheint daher unwahrscheinlich, dass das Asylverfahren in Bulgarien bereits inhaltlich geprüft und abgeschlossen worden ist. Insbesondere hat der Beschwerdeführer aber keinerlei Unterlagen zu den Akten gegeben, welche seine Behauptung, die bulgarischen Behörden hätten ihn weggewiesen, untermauern würde. Im Übrigen könnte er im Fall eines bereits abgeschlossenen bulgarischen Asylverfahrens gegen einen negativen Asylund Wegweisungsentscheid den Rechtsweg beschreiten.

        Aus der tiefen Gutheissungsquote für Asylgesuchstellende aus Afghanistan lässt sich – entgegen der in der Beschwerde (vgl. S. 5 f.) vertretenen Auffassung – nicht ableiten, die Überstellung des Beschwerdeführers nach Bulgarien würde zu einer Kettenabschiebung führen beziehungsweise das Asylverfahren würde nicht korrekt durchgeführt werden oder die bulgarischen Behörden würden den Grundsatz des Non-Refoulement missachten und ihn zur Ausreise in ein Land zwingen, in dem sein Leib, sein Leben oder seine Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem er Gefahr laufen würde, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden (Urteil des BVGer F-7195/2018 E. 6.6.7 und E. 7.2.2). Im Übrigen stellen auch ein definitiver Entscheid über ein Asylgesuch und die Wegweisung in das Heimatland für sich genommen noch keine Verletzung des Non-Refoulement-Prinzips dar (BVGE 2017 VI/5 E. 8.5.3.3).

        Zudem ist davon auszugehen, dass sein Zugang zu einer Asylunterkunft, zu Nahrungsmitteln, medizinischer Grundversorgung und psychologischer Betreuung gewährleistet ist. Es sind auch keine konkreten Hinweise für die Annahme gegeben, Bulgarien würde dem Beschwerdeführer dauerhaft die ihm gemäss Aufnahmerichtlinie zustehenden minimalen Lebensbedingungen vorenthalten, wobei sein durchaus nachvollziehbarer Wunsch, seine in Afghanistan verbliebene Familie mit Geldzahlungen unterstützen zu können (vgl. A15 Mitte) nicht Gegenstand dieses auf ihn selber beschränkten Anspruchs auf minimale Lebensbedingungen sein kann. Bei einer allfälligen vorübergehenden Einschränkung könnte er sich nötigenfalls an die

        bulgarischen Behörden wenden und die ihm zustehenden Aufnahmebedingungen auf dem Rechtsweg einfordern (vgl. Art. 26 Aufnahmerichtlinien).

      3. Der Beschwerdeführer machte bereits im vorinstanzlichen Verfahren gesundheitlichen Beschwerden (insbesondere […] sowie […]) geltend. Aus den sich bei den Akten befindenden medizinischen Unterlagen ist zudem ersichtlich, dass beim Beschwerdeführer ein (…) vorlag, jedoch klinisch und anamnestisch keine Hinweise auf eine (…) bestanden und auch ein Röntgen des (…) keinen Hinweis auf postspezifische Veränderungen ergab. Ausserdem wurde anamnestisch ein (…) mit (…) sowie eine (…) nach einer (…) diagnostiziert und in der Folge eine (erneute) Behandlung mit "(…)" und "(…)" für (…) Tage vorgenommen; eine Überweisung an einen Spezialisten erschien nicht angezeigt.

        Weder aus der Beschwerdeschrift noch aus den übrigen Akten ergeben sich Hinweise auf weitere behandlungsbedürftige gesundheitliche Probleme des Beschwerdeführers. Es ist deshalb davon auszugehen, dass eine Überstellung nach Bulgarien keine tatsächliche Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art. 3 EMRK mit sich bringen würde (vgl. BVGE 2011/9 E. 7 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EGMR sowie Urteil des EGMR

        P. gegen Belgien vom 13. Dezember 2016 [Nr. 41738/10]). Damit handelt es sich beim Beschwerdeführer nicht um eine besonders verletzliche Person (vgl. Beschwerde S. 9) und es sind keine individuellen Garantien bei den bulgarischen Behörden einzuholen; der entsprechende Subeventualantrag ist abzuweisen. Die Reisefähigkeit des Beschwerdeführers wird im Zeitpunkt der Überstellung zu prüfen sein.

        Im Übrigen verfügt Bulgarien über eine ausreichende medizinische Infrastruktur. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, den Antragstellern die erforderliche medizinische Versorgung, die zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten und schweren psychischen Störungen umfasst, zugänglich zu machen (Art. 19 Abs. 1 Aufnahmerichtlinie); Antragstellern mit besonderen Bedürfnissen ist die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe (einschliesslich nötigenfalls einer geeigneten psychologischen Betreuung) zu gewähren (Art. 19 Abs. 2 Aufnahmerichtlinie). Es liegen keine Hinweise vor, wonach Bulgarien dem Beschwerdeführer eine adäquate medizinische Behandlung verweigern würde.

      4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass kein Grund für die Anwendung der Ermessensklausen von Art. 17 Dublin-III-VO oder von Art. 29a

Abs. 3 AsylV 1 vorliegt. Bulgarien bleibt somit zuständiger Mitgliedstaat gemäss Dublin-III-VO und ist verpflichtet, den Beschwerdeführer wiederaufzunehmen.

9.

Das SEM ist demnach zu Recht in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG auf das Asylgesuch nicht eingetreten und hat in Anwendung von Art. 44 AsylG die Überstellung des Beschwerdeführers nach Bulgarien angeordnet. Die Beschwerde ist demzufolge abzuweisen.

10.

Mit dem vorliegenden Urteil sind die verfahrensrechtlichen Anträge auf Gewährung der aufschiebenden Wirkung sowie um Befreiung von der Kostenvorschusspflicht gegenstandslos geworden. Der vorsorglich angeordnete Vollzugsstopp fällt dahin.

11.

Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung ist – ungeachtet der nicht nachgewiesenen Bedürftigkeit – abzuweisen, da die Begehren als aussichtslos zu bezeichnen sind. Die Verfahrenskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG) und auf insgesamt Fr. 750.– festzusetzen (Art. 1–3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320]).

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung wird abgewiesen.

3.

Die Verfahrenskosten von Fr. 750.– werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen nach Versand des vorliegenden Urteils zu Gunsten der Gerichtskasse zu überweisen.

4.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.

Die Einzelrichterin: Die Gerichtsschreiberin:

Daniela Brüschweiler Kathrin Mangold Horni

Versand:

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