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Urteil Verwaltungsgericht (SO)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2007.117
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2007.117 vom 11.05.2007 (SO)
Datum:11.05.2007
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Führerausweisentzug
Schlagwörter: Schwere; Widerhandlung; Gefährdung; Recht; Verschulden; Entzug; Beschwerde; Mittelschwere; Schweren; Beschwerdeführerin; Qualifizierten; Fahrzeuglenker; Verschuldens; Fahrt; Recht; Subjektiv; Annahme; Handle; Botschaft; Bundesrätliche; Fahrzeuglenkers; Subjektiven; Urteil; Recht; Sinne; Würdigung; Objektive; Mindestentzugsdauer; Mittelschweren; Befriedigend
Rechtsnorm: Art. 16 SVG ; Art. 16b SVG ; Art. 16c SVG ; Art. 55 SVG ; Art. 90 SVG ;
Referenz BGE:102 Ib 193;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Urteil bezieht sich indes ausschliesslich auf den Aspekt der auf ihren Führerausweis extrem angewiesenen Berufschauffeure. Indem die Beschwerdeführerin in angetrunkenem Zustand mit einer qualifizierten Blutalkoholkonzentration ein Motorfahrzeug geführt hat, erfüllt sie grundsätzlich den Entzugstatbestand von Art. 16c Abs. 1 lit. b SVG.

b) Es steht fest und ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin vor ihrer Fahrt vom Lebenspartner massiv bedroht und geschlagen worden ist und sie sich nur ans Steuer ihres Autos setzte, nachdem der Lebenspartner sie daran gehindert hatte, sich wegen der häuslichen Gewalt direkt an die Polizei zu wenden. Angesichts dieses grundsätzlich nachvollziehbaren Verhaltens und der vom Strafrichter anerkannten verminderten Zurechnungsfähigkeit drängt sich noch die Prüfung der Frage auf, ob die Vorinstanz zu Recht eine schwere Widerhandlung nach Art. 16c SVG angenommen hat. In der bundesrätlichen Botschaft vom 31. März 1999 zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes (BBl 1999 4462) wird zu Art. 16c ausgeführt, für die Annahme einer schweren Widerhandlung bedürfe es nach wie vor sowohl einer qualifizierten objektiven Gefährdung als auch eines qualifizierten Verschuldens (a.a.O., S. 4489). Wenn beispielsweise das Verschulden gering und die Gefährdung gross sei, so handle es sich um eine mittelschwere Widerhandlung. In den parlamentarischen Beratungen, insbesondere im Nationalrat, kam dann klar eine harte Haltung zum Ausdruck. Der bundesrätliche Sprecher entgegnete auf einen Antrag, der eine flexiblere Lösung anstrebte, es dürften auf der Seite des Fahrzeuglenkers keine subjektiven Elemente ins Spiel gebracht werden (AmtlBull NR 2000, S. 215). Es handle sich nicht um Strafrecht, es gehe nicht um Schuld und Sühne der Fahrzeuglenker. Mit der Revision sollen alle Fahrzeuglenker gleich behandelt werden, "auch wenn sie subjektiv aus völlig verschiedenen Ursachen dazukommen, eine Regel zu verletzen".

c) Dieses Votum, abgegeben im Zusammenhang mit der beruflichen Entzugsempfindlichkeit, überzeugt nicht und steht im Widerspruch zu den eben zitierten Ausführungen zur Qualifizierung als schwere Widerhandlung im Sinne von Art. 16c SVG. Wohl verhält es sich so, dass die strassenverkehrsrechtlichen Strafnormen, insbesondere Art. 90 SVG, das Schwergewicht auf das Verschulden des Fahrzeuglenkers und auf eine Würdigung des Sachverhalts unter einem subjektiven Gesichtspunkt legen, während demgegenüber die verwaltungsrechtlichen Bestimmungen von Art. 16 ff. SVG mehr auf die objektive Gefährdung des Verkehrs abstellen (so schon nach altem Recht: BGE 102 Ib 193; 6A.64/2006 vom 20. März 2007). Der Entscheid über die Schwere einer Verkehrsgefährdung ist eine Frage der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts.

Aus den Materialien geht klar hervor, dass die Mindestentzugsdauer strikte schematisch insbesondere ohne jegliche Berücksichtigung der berufsbedingten Entzugs­empfindlichkeit einzuhalten ist. Mit der Frage der Zuordnung zu den leichten, den mittelschweren und den schweren Widerhandlungen hat dies nichts zu tun. Schematismus bringt zwar ausgeprägte Rechtssicherheit, ist aber verfassungsrechtlich nur dann befriedigend, wenn auch besondere Umstände berücksichtigt werden dürfen. Die relative Identität der SVG-Konzeptionen des Verschuldens und der Gefährdung im Administrativmassnahmenrecht und im Strafrecht zeigt Cédric Mizel: Die Grundtatbestände der neuen Warnungsentzüge des SVG und ihre Beziehung zum Strafrecht, in: ZStrR 2006, S. 31 ff. auf. Unter Berufung auf die Botschaft (BBl 1999 4489) schliesst er folgerichtig, dass nur bei schwerer Gefährdung und schwerem Verschulden eine Widerhandlung nach Art. 16c SVG vorliegt. Liegt eine schwere Gefährdung in Kombination mit einem mittelschweren oder mit einem leichten Verschulden vor, ist der Fall als mittelschwere Widerhandlung im Sinne von Art. 16b SVG zu qualifizieren (Mizel, a.a.O., S. 66).

d) Bei dieser Betrachtungsweise, der sich das Verwaltungsgericht anschliesst, hat die Beschwerdeführerin eine mittelschwere Widerhandlung begangen. Wohl liegt mit dem Fahren in fahrunfähigem Zustand mit einer qualifizierten Blutalkoholkonzentration nach Art. 55 Abs. 6 SVG eine schwere Gefährdung vor. Die besonderen Umstände, die sie zur Fahrt veranlassten, schliessen aber die Annahme eines schweren Verschuldens aus. Es liesse sich einwenden, die Beschwerdeführerin hätte die Gefahr anders abwenden können; es ist aber nachvollziehbar, dass sie zu dieser Nachtzeit nicht zu Nachbarn im Dorf flüchten wollte, sondern sich eben für die Fahrt auf einer kaum befahrenen Strasse zu ihren Verwandten entschied, um dort Hilfe zu suchen bzw. die Polizei zu alarmieren.

Damit beträgt die anwendbare Mindestentzugsdauer nach Art. 16b Abs. 2 lit. a SVG einen Monat. Diese Dauer erscheint vorliegend angemessen, weshalb die Beschwerde gutzuheissen ist. Dass eine völlig verschuldensunabhängige Anwendung des Katalogs der Entzugstatbestände in Art. 16c Abs. 1 SVG zu noch unbefriedigenderen Ergebnissen führen kann, mag folgender Vergleich illustrieren: Art. 16c Abs. 1 lit. f SVG listet das Führen eines Motorfahrzeugs trotz Ausweisentzugs als schwere Widerhandlung auf. Abgesehen davon, dass hier das Kriterium der Gefährdung bei der Einordnung keine Rolle gespielt haben kann, erschiene es völlig unbefriedigend, eine (nüchterne) Fahrzeugführerin, die in der gleichen Situation wie die Beschwerdeführerin trotz einer noch laufenden Entzugsdauer mit dem Auto gewissermassen vor dem massive Gewalt anwendenden Ehemann flüchtet, mit einem zusätzlichen dreimonatigen Entzug zu belegen.

Verwaltungsgericht, Urteil vom 11. Mai 2007 (VWBES.2007.117)



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