E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Verwaltungsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:B 2017/15
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid B 2017/15 vom 06.10.2018 (SG)
Datum:06.10.2018
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Verkehrsanordnungen, Tempo-30-Zone, Art. 32 Abs. 3 SVG, Art. 2a Abs. 5, Art. 108 Abs. 2, Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 lit. e in Verbindung mit Art. 22a SSV, Art. 3 der Verordnung über die Tempo-30-Zonen und die Begegnungszonen. Anforderungen an ein Gutachten im Sinne von Art. 32 Abs. 3 SVG und Art. 108 Abs. 4 Satz 1 SSV erfüllt (E. 3.5) Die vorliegend zu beurteilende Strasse gehört zwar zum übergeordneten Strassennetz, ist aber (noch) siedlungsorientiert. Für Fussgänger, namentlich für Kinder und betagte Personen, bestehen erhebliche Gefährdungen durch komplexe Verkehrssituationen. Der Herabsetzungsgrund von Art. 108 Abs. 2 lit. b SSV ist erfüllt. Die Massnahme ist, gerade auch angesichts der Befristung auf vorerst ein Jahr, verhältnismässig (Verwaltungsgericht, B 2017/15). Gegen dieses Urteil wurde Beschwerde beim Bundesgericht erhoben (Verfahren 1C_618/2018).
Schlagwörter: Strasse; Verkehr; Verkehrs; Beschwerde; Tempo; Fussgänger; Gutachten; -Strasse; -Zone; Verkehrsanordnung; Beschwerdeführer; Strassen;Sicherheit; Massnahme; Höchstgeschwindigkeit; Beschwerdegegnerin; Recht; Stehende; Geschwindigkeit; Massnahmen; -Zonen; Bestehende; Verhält; Fussgängerstreifen; Sicherheits; Stadtrat; Unfall
Rechtsnorm: Art. 108 VRV ; Art. 3 SVG ; Art. 32 SVG ; Art. 36 SVG ; Art. 9 BV ;
Referenz BGE:130 I 337; 136 II 439; 136 II 539;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Entscheid vom 6. Oktober 2018

Besetzung

Abteilungspräsident Eugster; Verwaltungsrichterin Bietenharder, Verwaltungsrichter Engeler; Gerichtsschreiber Wehrle

Verfahrensbeteiligte

A. sowie 62 Mitbeteiligte Beschwerdeführer,

alle vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Elmar M. Jud, Oberer Graben 14, Postfach 138, 9001 St. Gallen,

gegen

Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen, Oberer Graben 32, 9001 St. Gallen,

Vorinstanz,

und

Politische Gemeinde X. , Beschwerdegegnerin, Gegenstand

Verkehrsanordnung O. -Strasse (Zonensignalisation "Tempo 30") Das Verwaltungsgericht stellt fest:

  1. Die Politischen Gemeinde X. liess am 26. Mai 2014 verschiedene Verkehrsanordnungen publizieren. Für die O. -Strasse von der Einmündung der M. -Strasse bis zur Kirche O. verfügte er die Zonensignalisation "Höchstgeschwindigkeit 30 km/h". Verfügt wurde ebenfalls, dass diese Verkehrsanordnung vorerst für ein Jahr gelte und bestehen bleibe, falls sie sich bewähre. Im Beschluss (act. 11/26.1) führte der Stadtrat aus, die Tempo-30-Zone O. -Strasse diene der Erhöhung der Verkehrssicherheit. Sie werde mit den

    umliegenden, bereits bestehenden Tempo-30-Zonen P. (Nr. 19), O. (Nr. 22) und Q. (Nr. 44) zu einer Zone zusammengefasst.

    [zwei Planskizzen; nicht veröffentlicht]

  2. Gegen den Stadtratsbeschluss erhob unter anderem A. – auch im Namen von 70 namentlich genannten Mitbeteiligten – Rekurs beim Sicherheits- und

    Justizdepartement (act. 11/3). Sie ersuchten um Aufhebung der Verkehrsanordnung und machten im Wesentlichen geltend, der in Frage stehende Teilbereich der O. - Strasse dürfe als einzelner Strassenzug nicht als Tempo-30-Zone signalisiert werden.

    Der Schutz der Fussgänger sei bereits ausreichend gewährleistet, weil auf dem fraglichen Streckenabschnitt acht stark frequentierte Fussgängerstreifen bestünden. Die Auswertung der Unfallstatistik zeige, dass sich in den letzten sechs Jahren lediglich zwei Unfälle mit Fussgängern ereignet hätten, wobei die eine Person bei einer Kollision mit einem Fahrradfahrer und die andere auf dem Fussgängerstreifen von einem Personenwagen verletzt worden sei. Weil sich ausserhalb eines Fussgängerstreifens lediglich ein Unfall ereignet habe, könne ein tieferes Temporegime mit Blick auf die bereits ausreichende Verkehrssicherheit weder nötig noch verhältnismässig sein. Von den acht bestehenden Fussgängerstreifen sei die Aufhebung eines einzigen vorgesehen. Dies widerspreche dem Grundsatz, dass innerhalb der Tempo-30-Zonen auf Fussgängerstreifen generell zu verzichten sei. Schliesslich zeige auch die Zielsetzung, die Durchschnittsgeschwindigkeit der Motorfahrzeuge von 42 km/h auf 38 km/h zu reduzieren, wie unverhältnismässig die Verkehrsanordnung sei. Es sei gesetzwidrig, die bisher verschiedenen Tempo-30-Zonen erschliessende Durchfahrtsstrasse nachträglich diesen dazuzuschlagen und eine einzige derartige Zone zu schaffen. Denn bei der O. -Strasse handle es sich nicht um eine Wohnstrasse, sondern um eine verkehrsorientierte Haupterschliessungsstrasse.

    Das Sicherheits- und Justizdepartement wies den Rekurs mit Entscheid vom

    11. Januar 2017 ab (act. 2). Es hielt fest, die vom Stadtrat mit der streitigen Verkehrsanordnung verfolgten Ziele seien gesetzmässig. Die O. -Strasse sei als grundlegende Erschliessungsstrasse für den Ortskern dieses Stadtquartiers noch als "siedlungsorientiert" (und damit als der Schaffung einer Tempo-30-Zone grundsätzlich zugänglich) zu betrachten. Der Stadtrat berufe sich auf zulässige Interessen, wenn er die Verkehrsanordnung mit den Schutzbedürfnissen einzelner Verkehrsteilnehmer sowie mit der Gefährdung durch die bestehenden Strassenverhältnisse begründe. Insbesondere wegen des Busverkehrs zwischen den Haltestellen "R. " und "Kirche O. " sei die Strasse stark befahren. Die Strassenanlage sei zudem unübersichtlich und auf der ganzen Länge eng. Diverse Kreuzungen und Querungsstellen sorgten, zusammen mit den Haltestellen des öffentlichen Verkehrs, für komplexe Verkehrssituationen. Die Sicherheit sämtlicher Verkehrsteilnehmer (d.h. nicht nur der Fussgänger) ist nach den Ausführungen der Rekursinstanz im heutigen Zustand in mehrfacher Hinsicht nicht gewährleistet. Das öffentliche Interesse an der Verbesserung der Verkehrssicherheit überwiege daher die von den Rekurrenten nicht näher

    substantiierten Belastungen des motorisierten privaten und öffentlichen Verkehrs. Der Stadtrat habe zudem zu Recht am bestehenden Vortrittsregime und an den Fussgängerstreifen festgehalten. Die angefochtene Verfügung sei demnach gesetz- und verhältnismässig.

  3. Gegen den Rekursentscheid des Sicherheits- und Justizdepartements vom

11. Januar 2017 erhoben A. und weitere 62 unterlegene Rekurrenten (Beschwerdeführer) mit Eingabe vom 26. Januar 2017 und Ergänzung vom 2. März 2017 Beschwerde beim Verwaltungsgericht (act. 1 und 8). Sie beantragen, der angefochtene Rekursentscheid sei aufzuheben; eventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen; subeventuell sei festzustellen, dass es sich bei der angefochtenen Verkehrsanordnung um einen einjährigen Versuch handle; unter Kosten- und Entschädigungsfolge.

Das Sicherheits- und Justizdepartement (Vorinstanz) beantragte mit Vernehmlassung vom 20. März 2017 Abweisung der Beschwerde (act. 10). Den gleichlautenden Antrag – allerdings unter Kosten- und Entschädigungsfolge – stellte die die Politische Gemeinde X. (Beschwerdegegnerin) in ihrer ausführlichen Stellungnahme vom 3. Mai 2017

(act. 15).

Darüber zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

  1. Die sachliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts ist gegeben (Art. 59bis Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege, sGS 951.1, VRP). Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um Einwohner und/oder Grundeigentümer des von der streitigen Verkehrsanordnung hauptsächlich betroffenen Stadtquartiers; sie erscheinen – ohne nähere Prüfung im Einzelfall – zur Erhebung der Beschwerde legitimiert (Art. 64 in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 VRP). Die Beschwerde wurde rechtzeitig erhoben und entspricht (mit Berücksichtigung der Beschwerdeergänzung vom 2. März 2017) inhaltlich und formal den gesetzlichen Anforderungen (Art. 64 in Verbindung mit Art. 47 und Art. 48 Abs. 1 und 2 VRP). Auf die Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten.

    Mangels ausreichender Begründung ist auf die Beschwerde insoweit nicht einzutreten, als die Beschwerdeführer pauschal auf ihre Eingaben im vorinstanzlichen Verfahren verweisen (act. 8 S. 2). Es ist nicht Aufgabe einer Rechtsmittelinstanz, in den vorinstanzlichen Akten nach Gründen zu suchen, weshalb der angefochtene Entscheid unrichtig sein könnte. Eben dies haben die Beschwerdeführer in ihrer Begründung zumindest in groben Zügen zu bezeichnen (Cavelti/Vögeli, Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton St. Gallen, 2. Aufl. 2003, Rz. 921 mit Hinweisen).

  2. Umstritten ist die Zulässigkeit der Erweiterung bzw. Zusammenführung der bestehenden Tempo-30-Zonen im Stadtquartier O. durch den Einbezug der O. - Strasse von der Einmündung der M. -Strasse bis zur Kirche O. .

  3. Die allgemeine Höchstgeschwindigkeit für Fahrzeuge in Ortschaften beträgt 50 km/h (Art. 32 Abs. 2 SVG, SR 741.01, in Verbindung mit Art. 4a Abs. 1 lit. a der Verkehrsregelnverordnung, SR 741.11, VRV). Sie kann für bestimmte Strassenstrecken von der zuständigen Behörde aufgrund eines Gutachtens herab- oder heraufgesetzt werden (Art. 32 Abs. 3 SVG). Innerorts können tiefere Höchstgeschwindigkeiten für bestimmte Strassenstrecken (Art. 108 Abs. 5 lit. d der Signalisationsverordnung, SR 741.21, SSV: in Abstufungen von je 10 km/h) oder durch die Signalisation einer

    Tempo-30-Zone oder einer Begegnungszone angeordnet werden (Art. 108 Abs. 5 lit. e in Verbindung mit Art. 22a und 22b SSV).

    1. Die Herabsetzung der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit ist nach Art. 108 Abs. 2 SSV zulässig, wenn eine Gefahr nur schwer oder nicht rechtzeitig erkennbar und anders nicht zu beheben ist (lit. a), wenn bestimmte Strassenbenützer eines besonderen, nicht anders zu erreichenden Schutzes bedürfen (lit. b), wenn auf Strecken mit grosser Verkehrsbelastung der Verkehrsablauf verbessert werden kann (lit. c) oder wenn dadurch eine im Sinne der Umweltschutzgesetzgebung übermässige Umweltbelastung (Lärm, Schadstoffe) vermindert werden kann; es ist der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu wahren (lit. d). Die Anordnung von abweichenden Höchstgeschwindigkeiten ist nur gestützt auf ein vorgängig zu erstellendes Gutachten zulässig. Dieses hat aufzuzeigen, dass die Massnahme nötig, zweck- und verhältnismässig ist und keine anderen Massnahmen vorzuziehen sind (Art. 32 Abs. 3 SVG in Verbindung mit Art. 108 Abs. 4 Satz 1 SSV). Einzelheiten hat das

      Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr und Kommunikation (UVEK) in der Verordnung über die Tempo-30-Zonen und die Begegnungszonen geregelt (SR 741.213.3; vgl. BGE 136 II 539 E. 2.2).

    2. Das Signal "Tempo-30-Zone" ist nur auf Nebenstrassen mit möglichst gleichartigem Charakter zulässig (Art. 2a Abs. 5 SSV). Es kennzeichnet Strassen in Quartieren oder Siedlungsbereichen, auf denen besonders vorsichtig und rücksichtsvoll gefahren werden muss (Art. 22a Satz 1 SSV). Obwohl im Grundsatz nur auf Nebenstrassen mit möglichst gleichartigem Charakter zulässig, kann unter den in Art. 108 SSV genannten Voraussetzungen die Höchstgeschwindigkeit auch auf Hauptstrassen auf 30 km/h begrenzt und der entsprechende Abschnitt ausnahmsweise

– bei besonderen örtlichen Gegebenheiten (z. B. in einem Ortszentrum oder in einem Altstadtgebiet) – in eine Tempo-30-Zone einbezogen werden (vgl. Art. 2a Abs. 6 SSV; BGE 136 II 539 E. 2.2 ff.).

3.3. Nach Auffassung der Beschwerdeführer ist die O. -Strasse im von der streitigen Verkehrsanordnung betroffenen Bereich dem übergeordneten Strassennetz zugeordnet und deren Einbezug in eine Tempo-30-Zone von Vornherein unzulässig. Generell unzulässig sind verkehrsberuhigende Massnahmen in Form von Tempo-30-Zonen indes sogar auf Hauptstrassen nicht (Art. 2a Abs. 6 SSV; BGE 136 II 539 E. 2.3 mit Hinweisen). Die O. -Strasse ist demgegenüber lediglich eine Gemeindestrasse

1. Klasse (www.geoportal.ch) und dient als solche nach der Legaldefinition in Art. 8 Abs. 1 des Strassengesetzes (sGS 732.1, StrG) dem örtlichen und dem überörtlichen Verkehr. Sie ist – entgegen der Darstellung der Beschwerdeführer – im fraglichen Bereich nicht vollständig, aber immerhin bis zur Abzweigung N. -Strasse dem übergeordneten Strassennetz zugeordnet. Wie die Vorinstanz überzeugend ausgeführt hat, ist sie nicht rein verkehrs- sondern vor allem siedlungsorientiert: Sie erschliesst den Kern des Stadtquartiers O. sowie die (ebenfalls zu O. gehörenden) nördlich und südlich der Strasse gelegenen Wohnsiedlungen grundlegend. Ihr Einbezug in eine einzige grosse Tempo-30-Zone ist damit grundsätzlich zulässig, und es bedarf hierzu keines Ausnahmetatbestandes im Sinne von Art. 2a Abs. 6 SSV. Dieser wäre jedoch – soweit ersichtlich – auch erfüllt, nachdem die Strasse das Ortszentrum des Stadtteils O. durchquert. Es liesse sich jedenfalls ohne Weiteres begründen, dass "besondere örtliche Gegebenheiten" im Sinne von Art. 2a Abs. 6 SSV vorliegen, welche den

Einbezug selbst einer (klar verkehrsorientierten) Hauptstrasse in eine Tempo-30-Zone rechtfertigen würden.

3.4. Zulässig ist die Anordnung von abweichenden Höchstgeschwindigkeiten – wie bereits in E. 3.1 hiervor dargelegt – nur gestützt auf ein vorgängig zu erstellendes Gutachten, welches belegt, dass diese Massnahme nötig, zweck- und verhältnismässig ist und keine anderen Massnahmen vorzuziehen sind (Art. 32 Abs. 3 SVG in Verbindung mit Art. 108 Abs. 4 SSV). Art. 3 der Verordnung über die Tempo-30-Zonen und die Begegnungszonen umschreibt den Inhalt dieses Gutachtens näher. Es handelt sich um einen Kurzbericht, der namentlich folgende Punkte umfasst:

  1. die Umschreibung der Ziele, die mit der Anordnung der Zone erreicht werden sollen;

  2. einen Übersichtsplan mit der auf Grund des Raumplanungsrechts festgelegten Hierarchie der Strassen einer Ortschaft oder von Teilen einer Ortschaft;

  3. eine Beurteilung bestehender und absehbarer Sicherheitsdefizite sowie Vorschläge für Massnahmen zu deren Behebung;

  4. Angaben zum vorhandenen Geschwindigkeitsniveau (50-Prozent-Geschwindigkeit V50 und 85-Prozent-Geschwindigkeit V85);

  5. Angaben zur bestehenden und angestrebten Qualität als Wohn-, Lebens- und Wirtschaftsraum, einschliesslich der Nutzungsansprüche;

  6. Überlegungen zu möglichen Auswirkungen der geplanten Massnahme auf die ganze Ortschaft oder auf Teile der Ortschaft sowie Vorschläge zur Vermeidung allfälliger negativer Folgen;

  7. eine Aufzählung und Umschreibung der Massnahmen, die erforderlich sind, um die angestrebten Ziele zu erreichen.

Die Anforderungen, welche Art. 3 der Verordnung über die Tempo-30-Zonen und die Begegnungszonen an das Gutachten stellt, sind vor dem Hintergrund des Zwecks der Geschwindigkeitsbeschränkung zu sehen. So hat beispielsweise die Beurteilung

bestehender und absehbarer Sicherheitsdefizite (lit. c der genannten Bestimmung) eine andere Bedeutung, je nachdem, ob mit der Herabsetzung der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit einer Gefahr begegnet oder der Verkehrsablauf verbessert werden soll (Art. 108 Abs. 2 lit. a und c SSV). Sodann sind die örtlichen Gegebenheiten von Bedeutung. Umfangreiche Untersuchungen können beispielsweise bei verkehrsreichen Kantonsstrassen nötig sein. Dagegen genügt bei wenig befahrenen Quartierstrassen unter Umständen eine Beschreibung der Örtlichkeiten (BGer 1C_206/2008 vom 9. Oktober 2008 E. 2.2 mit Hinweis auf VPB 62/1998 Nr. 26 E. 9 mit Hinweisen). Das geforderte Gutachten ist zudem nicht isoliert zu betrachten. Zur Ergänzung und Konkretisierung der im Gutachten enthaltenen Informationen kann auch auf andere Erhebungen zurückgegriffen werden.

3.5. Die Beschwerdeführer kritisieren das Gutachten von Stadtpolizei und Tiefbauamt vom 25. April 2014 (act. 11/26.3, nachfolgend "Gutachten") bereits aus formalen Gründen. Es handle sich dabei um eine rein verwaltungsinterne Stellungnahme einer dem Stadtrat und damit seiner Weisungsgewalt unterstehenden Verwaltungsbehörde. Mangels Unabhängigkeit der Gutachterstelle könne es nicht zur Begründung der streitigen Verkehrsanordnung herangezogen werden. Zudem sei es nicht unterzeichnet und im Rekursverfahren nicht wie beantragt im Original ediert worden.

Die Anwendung von Art. 32 Abs. 3 SVG und Art. 108 Abs. 4 VRV setzt kein unabhängiges Sachverständigengutachten voraus. Die Gerichtspraxis lässt Untersuchungsberichte und Gutachten von internen Verwaltungsstellen ohne weiteres zu (vgl. z.B. BGE 136 II 439 E. 3.1 und 3.2; BGer 1C_370/2011 vom 9. Dezember 2011

E. 2.6, in: ZBl 114/2013 S. 574). Das Bundesgericht hat diese Praxis unlängst ausdrücklich bestätigt (BGer 1C_117 und 118/2017 vom 20. März 2018 E. 5.1). Die Vorbringen der Beschwerdeführer bieten keinen konkreten Anlass, von dieser gefestigten Rechtsprechung abzuweichen. Auf die Einholung eines Verkehrsgutachtens einer externen Begutachtungsstelle (vgl. act. 8 S. 11) kann verzichtet werden. Ebenfalls kann darauf verzichtet werden, das Gutachten von Stadtpolizei und Tiefbauamt "im Original" einreichen zu lassen. Die Beschwerdegegnerin hat bereits im Rekursverfahren (act. 11/37 Ziff. 3.1) einleuchtend erklärt, dass das im Stadtratsbeschluss vom 13. Mai 2014 bezeichnete Gutachten vom 7. Februar 2014 mit dem in den Akten befindlichen Gutachten identisch ist, obwohl dieses mit dem 25. April 2014 datiert ist. Die

Abweichung kam durch eine automatische Anpassung des Datums durch das Textverarbeitungsprogramm zustande. Hinweise auf weitere Unregelmässigkeiten liegen nicht vor (vgl. auch act. 10 S. 1).

4.

4.1. Ob die Anordnung einer Tempo-30-Zone rechtmässig ist, prüft das Verwaltungsgericht mit freier Kognition. Allerdings ist seine Überprüfungsbefugnis auf Rechtsverletzungen und die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts beschränkt (Art. 61 Abs. 1 und 2 VRP). Auch die Ermessensausübung kann rechtsfehlerhaft sein. Liegt ein Entscheid noch innerhalb des Ermessensspielraums bzw. wurden die Verfassungsprinzipien sowie der Sinn und Zweck der gesetzlichen Ordnung beachtet, ist jedoch selbst dann noch keine Rechtsverletzung gegeben, wenn das Ermessen unzweckmässig gehandhabt wurde. Anders verhält es sich bei einem qualifizierten Ermessensfehler, d.h. wenn die Verwaltungsbehörde das Ermessen missbraucht bzw. über- oder unterschritten hat, indem sie Ermessen ausgeübt hat, wo der Rechtssatz keines einräumt (Ermessensüberschreitung), auf eine Ermessensausübung verzichtet hat, obschon ihr eine solche Betätigung gestattet ist (Ermessensunterschreitung) oder sich zwar formell an den Entscheidungsspielraum, den ihr der Rechtssatz einräumt, gehalten hat, der Entscheid aber nicht bloss unzweckmässig oder unangemessen, sondern schlicht unhaltbar ist und im Widerspruch zu Verfassungsprinzipien oder zum Sinn und Zweck des Gesetzes steht (Ermessensmissbrauch). Solche Entscheide sind rechtsfehlerhaft und müssen vom Verwaltungsgericht aufgehoben werden (vgl. z.B. VerwGE

B 2013/166 vom 4. Dezember 2014 E. 2.2, www.gerichte.sg.ch; Cavelti/Vögeli, a.a.O., Rz. 740 mit Hinweisen).

Verkehrsbeschränkungen der in Frage stehenden Art sind regelmässig mit komplexeren Interessenabwägungen verbunden, wobei die zuständigen Behörden erhebliche Gestaltungsspielräume ausnützen dürfen. Hängt die Beurteilung von örtlichen, der lokalen Behörde besser bekannten Verhältnissen ab, haben sich die Gerichte bei der ihnen zugedachten (Rechts-)Kontrolle in Zurückhaltung zu üben (vgl.

z.B. Cavelti/Vögeli, a.a.O., Rz. 746).

4.2. Die Beweiswürdigung ist frei und folgt keinen starren Regeln. Die Gewichtung der einzelnen Beweismittel ergibt sich aus der inneren Qualität. Auch Gutachten unterliegen der freien Beweiswürdigung. In Fachfragen darf das Gericht indessen von der Auffassung eines Gutachters abweichen, wenn gewichtige, zuverlässig begründete Tatsachen oder Indizien die Überzeugungskraft des Gutachtens bzw. dessen Schlüssigkeit ernsthaft erschüttern. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Gutachten innere Widersprüche enthält oder offensichtlich lückenhaft ist (vgl. z.B. VerwGE B 2016/185 vom 28. Juni 2018 E. 4.2 mit Hinweis auf Cavelti/Vögeli, a.a.O., Rz. 616 mit Hinweisen; vgl. auch K. Plüss, in: A. Griffel [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 3. Aufl. 2014, N 146 zu § 7 VRG/ ZH). Erscheint dem Gericht die Schlüssigkeit eines Gutachtens in wesentlichen Punkten zweifelhaft, hat es nötigenfalls ergänzende Beweise zur Klärung dieser Zweifel zu erheben. Das Abstellen auf eine nicht schlüssige Expertise bzw. der Verzicht auf die gebotenen zusätzlichen Beweiserhebungen kann gegen das Verbot willkürlicher Beweiswürdigung (Art. 9 BV) verstossen (BGE 130 I 3378 E. 5.4.2; 128 I 81 E. 2).

    1. Gemäss Gutachten (act. 11/26.3) sollen mit der versuchsweisen Zonensignalisierung Erkenntnisse gewonnen werden, ob die Verkehrssicherheit durch diese Massnahme erhöht werden könne (Ziff. 41). Konkret wird beabsichtigt, die Sicherheit im Quartierzentrum von O. – insbesondere für Kinder und Betagte – zu erhöhen (a), die Sicherheit für Fussgängerinnen und Fussgänger zwischen der Verzweigung O. -Strasse/Q. -Strasse und R. zu erhöhen (b) und die Schulwegsicherheit auf der O. -Strasse auf dem Weg zum Schulhaus und den Kindergärten B. , C. und D. zu verbessern (c).

      1. Sicherheitsdefizite und Schutzbedürfnisse verortet das Gutachten zunächst mit Blick auf den Zweck (c): Die Kinder aus den westlich der Strasse gelegenen Wohngebieten müssten auf ihrem Weg zu den genannten Schulhäusern die Strasse zwischen R.: und der Kirche O. queren, wo teilweise komplexe Situationen mit einmündenden Seitenstrassen und öV-Haltestellen herrschten. Diese akzentuierten sich angesichts der bekanntlich noch nicht voll ausgebildeten Wahrnehmungsfähigkeit von Kindergartenkindern und Unterstufenschülerinnen und -schülern und führten zu einem erhöhten Schutzbedürfnis (Ziff. 42.1). Im beabsichtigten Zonengebiet hätten sich zwischen 1. Januar 2008 bis 31. Juli 2010 21 Verkehrsunfälle ereignet, die Hälfte davon

mit Verletzungsfolgen. Dies sei ein ungewöhnlich hoher Prozentsatz von Unfällen mit Personenschäden. Von diesen beträfen knapp die Hälfte Motorradfahrer, verletzt worden seien in diesem Zeitraum jedoch auch drei Radfahrer und zwei Fussgänger sowie ein Autofahrer. Die beiden Fussgänger seien beim Queren der Fahrbahn verletzt worden. Die hohe Zahl von Unfällen mit Verletzungsfolgen sei ein Hinweis dafür, dass die geltende Höchstgeschwindigkeit der komplexen Verkehrssituation im Zentrum von O. nicht gerecht werde. Bei tieferer Geschwindigkeit reduziere sich die Wahrscheinlichkeit von Unfällen bzw. von Verletzungen als Folge dieser Unfälle.

      1. Im Bereich Q. -Strasse – R. stehe für die Fussgänger lediglich ein markierter Gehweg (Längsstreifen) auf der O. -Strasse zur Verfügung. Gerade wer mit einem Kinderwagen unterwegs oder in seiner Mobilität eingeschränkt sei, müsse diesen Weg benützen, um zur nächsten öV-Haltestelle R. zu gelangen (die Alternativen führen über Treppen). Der betreffende Strassenabschnitt sei unübersichtlich und stellenweise weniger als fünf Meter breit. Die Kombination aus schmalem Strassenquerschnitt, unübersichtlicher Linienführung und der geltenden Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h stelle für Zufussgehende eine erhebliche Gefährdung dar.

      2. Als mögliche mildere Massnahmen wird die zeitliche Beschränkung der Signalisation im Gutachten als unpraktikabel verworfen. Das Quartierzentrum sei durchmischt genutzt (Ladengeschäfte, Gaststätten, Veranstaltungslokal, Postagentur, Wohnungen), weshalb zu den unterschiedlichsten Tageszeiten Fussgängeraufkommen herrsche. Die Strasse werde insbesondere von Schülern nicht nur vor und nach der Schule, sondern auch in der Freizeit gequert. Eine zeitlich beschränkbare Signalisierung sei zudem selbst mit hohem technischen und finanziellem Aufwand kaum machbar und würde den Schutz der Bevölkerung nicht im angestrebten Ausmass verbessern. So könne beispielsweise das Tempo nicht kostengünstig auf der Fahrbahn selbst markiert werden. Die beabsichtigte permanente Signalisation sei zudem eindeutiger.

Zu den alternativ möglichen baulichen Massnahmen hält das Gutachten fest, zwischen R. und der Kirche O. sei die Strasse beidseits mit einem Trottoir versehen. Unfallgefährlich seien indessen die Kreuzungen und Querungsstellen, wo sich aufgrund

der Platzverhältnisse keine baulichen Massnahmen zu deren Sanierung realisieren liessen. Zudem sei der Strassenkörper in diesem Bereich noch in einem guten Zustand und die (vorgezogene) Sanierung auch aus finanziellen Gründen nicht verhältnismässig. Zwischen R. und der Q. -Strasse verfüge die O. -Strasse über keinen Gehweg; dessen Erstellung wäre hier mit einem sehr grossen baulichen Aufwand und dem Erwerb von privatem Grund verbunden. Trotz dieser Schwierigkeiten plane die Beschwerdegegnerin kurz- bis mittelfristig die Anpassung der Strasse und den Bau eines Gehweges. Gegenüber baulichen Massnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit stelle die Einführung von Tempo 30 eine ebenso wirksame und zugleich kostengünstigere Massnahme dar, die darüber hinaus sofort realisiert werden könne. Bauliche Massnahmen allein trügen im Übrigen nichts zur Verkürzung des Bremsweges und damit zur Reduktion der Unfallgefahr bei.

Auf dem betreffenden Streckenabschnitt soll zudem die bestehende Vortrittsregelung beibehalten werden. Der Verzicht auf die Einführung des Rechtsvortritts wird im Gutachten mit den Anforderungen des öffentlichen Verkehrs (Buslinien 2 und 8) begründet. Der Durchgangsverkehr von und in Richtung Y. bzw. Z. werde zum Teil auf die Y. -Strasse und die Z. -Strasse umgelagert, was erwünscht sei. Als flankierende Massnahmen sind lediglich die Markierung beim Zoneneingang und die Installation von Geräten zur Geschwindigkeitsüberwachung vorgesehen, letzteres für den Fall, dass die Resultate der Nacherhebung ein zu hohes Geschwindigkeitsniveau zeigen würden.

    1. Die Vorinstanz ging in E. 3.b des angefochtenen Entscheids mit dem Gutachten davon aus, die Beschwerdegegnerin habe mit der streitigen Verkehrsanordnung im Wesentlichen drei Ziele verfolgt: Die Erhöhung der Sicherheit im Quartierzentrum von O. (vor allem für Kinder und Betagte), die Erhöhung der Sicherheit für Fussgänger zwischen der Verzweigung O. -Strasse / M. -Strasse und R. sowie die Erhöhung der Schulwegsicherheit auf der O. -Strasse zwischen R. und der Kirche O. auf dem Weg zum Schulhaus und zu den Kindergärten B. , C. und D. . Gleichzeitig trage die Beschwerdegegnerin den verbindlichen Vorgaben des kantonalen Massnahmenplans nach Luftreinhalte-Verordnung, Nachführung 1997, vom 25. August 1998 (ABl 1998, 2259) Rechnung. In diesem Zusammenhang verfolge sie zur Verbesserung der Verkehrssicherheit ein Tief-Tempo-Konzept mit tieferen

      Geschwindigkeitslimiten in den Wohnquartieren. Diese Zielsetzungen seien durch Art. 3 Abs. 4 SVG und Art. 108 Abs. 1 Satz 1 SSV grundsätzlich gedeckt. Die Beschwerdeführer stellen diese nachvollziehbare Schlussfolgerung grundsätzlich nicht in Frage (vgl. aber E. 4.6.2 hiernach).

    2. Die Vorinstanz hielt sodann fest, die streitige Verkehrsanordnung sei verhältnismässig. Vor allem im Abschnitt zwischen R. und der Kirche sei die Strasse stark befahren, unübersichtlich und eng. Hier bestünden mehrere Querungsstellen, die angesichts der Bushaltestellen für komplexe Situationen sorgten. Für betagte und gehbehinderte Menschen, aber besonders für die Schulkinder aus den westlich der Strasse gelegenen Quartierteilen sei diese Situation überfordernd. Dies gelte umso mehr, als bei diesen Einmündungen zusätzlich hoch frequentierte Parkplätze (Restaurant, Saal, Lebensmittelgeschäfte) vorhanden seien und die allgemein schwierige Verkehrssituation noch zusätzlich verkomplizierten. Dies zeige sich auch an der hohen Unfallwahrscheinlichkeit, die sich nicht nur auf Fussgänger, sondern auch auf Velo- und Motorradfahrer beziehe. Das Geschwindigkeitsniveau V85 liege bei 42 km/h und sei beträchtlich hoch. Auf dem Abschnitt von der R. hinunter zur Einmündung der M. -Strasse sei auf einer Länge von rund 100m lediglich eine gelb markierte Fussgängerfläche vorhanden. Das Kreuzen zwischen Personen- und/oder Lastwagen sei hier mit Gefahren für die Fussgänger verbunden (enge Strassenverhältnisse). Der Schluss der Beschwerdegegnerin, wonach insbesondere für Fussgängerinnen und Fussgänger ein erhöhtes Schutzbedürfnis bestehe und die gültige Höchstgeschwindigkeit den komplexen Verkehrssituationen nicht gerecht werde, sei nicht zu beanstanden. Das öffentliche Interesse an der Verbesserung der Sicherheit überwiege die Interessen des motorisierten Verkehrs. Das Stadtquartier bleibe nach wie vor gut erreichbar. Zur Behebung der Sicherheitsdefizite und zur Gewährleistung des Schutzes besonders gefährdeter Personengruppen wie Kinder und Betagte sei die Verkehrsanordnung ein verhältnismässiges Mittel.

    1. Gegen diese Beurteilung – die sich im Wesentlichen mit den Schlussfolgerungen des Gutachtens deckt – erheben die Beschwerdeführer verschiedene Einwände:

      1. Sie machen zunächst geltend, die Beschwerdegegnerin sei im Rahmen einer Petition eingeladen worden, die Einführung von Tempo 30 auf dem Abschnitt zwischen

R. und der Einfahrt in das ehemalige N. -Areal zu prüfen. Weshalb mit der streitigen Verkehrsanordnung weit über das von den Petenten Verlangte hinausgegangen worden sei, bleibe unerklärt.

Die Beschwerdegegnerin hat in ihrer Beschwerdevernehmlassung zutreffend darauf hingewiesen, dass eine derartige Eingabe für sich allein kein genügender Grund für oder gegen eine Verkehrsanordnung ist (vgl. act. 15 S. 2). Diese ist allein an den zitierten gesetzlichen Grundlagen bzw. am Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu messen.

4.6.2. Weiter bringen die Beschwerdeführer vor, die Begründung der streitigen Anordnung (Erhöhung der Sicherheit, insbesondere des Schulwegs zwischen R. und O. ) beziehe sich zwar auf ein an sich zulässiges Motiv, hinsichtlich des Streckenabschnittes zwischen der Einmündung Felsenstrasse und Mühlegg fehle jedoch ein Grund für die Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit.

Diese Auffassung trifft nicht zu. Im Stadtratsbeschluss vom 13. Mai 2014 wird die Erhöhung der Sicherheit für Fussgängerinnen und Fussgänger zwischen der Verzweigung O. -Strasse / M. -Strasse und R. explizit als Ziel genannt. Das Gutachten kommt zum Schluss, für Fussgänger stelle die Kombination aus dem sehr schmalem Strassenquerschnitt, der unübersichtlichen Linienführung und der momentan gültigen Höchstgeschwindigkeit in diesem Bereich eine erhebliche Gefährdung dar (act. 11/26.3 Ziff. 42.1). Mit Art. 108 Abs. 2 Ingress und lit. b SSV besteht demnach auch für diese für Fussgänger gefährliche Stelle ein zulässiger Grund für die Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit.

      1. Die Beschwerdeführer stellen sodann die Notwendigkeit der Verkehrsanordnung in Frage. Der Nachweis, dass der angestrebte Schutz von Fussgängern (insbesondere von Schülern und Betagten) nicht auf andere Art zu erreichen sei, werde im Gutachten nicht geführt. Bis heute sei beispielsweise zu Gunsten der Bewohner des Buchquartiers unterhalb der R. kein Trottoir erstellt worden. Stattdessen habe die Beschwerdegegnerin einfach auf der Strasse eine Markierung angebracht. Es gehe nicht an, dass sich die Beschwerdegegnerin um die Pflicht zur Erstellung von Trottoirs foutiere und dann dieses Versäumnis zur Begründung für eine Temporeduktion

        heranziehe. Allerdings habe sich in den Jahren 2008 bis 2013 hier auch kein einziger Unfall ereignet. In Bezug auf die zu prüfende zeitliche Beschränkung der Verkehrsanordnung werde im Gutachten lediglich festgehalten, dass dies mit einem erheblichen technischen und finanziellen Aufwand verbunden wäre. Es sei technisch möglich, die Signalisation ferngesteuert zu bestimmten Zeiten oder bei starkem Verkehr anzupassen.

        Die blosse Absicht des Stadtrates, ein Tieftempokonzept umzusetzen, genüge für den Nachweis der Notwendigkeit nicht. Fussgänger seien verpflichtet, Trottoirs zu benützen und die Strasse nach Möglichkeit auf einem Fussgängerstreifen überqueren. Es bestünden heute acht Fussgängerstreifen, die es den 4'000 Quartierbewohnerinnen und -bewohnern ermöglichten, die von Tempo-30-Zonen umgebene Strasse gefahrlos zu überqueren. Nach Art. 4 Abs. 2 der Verordnung über Tempo-30-Zonen und Begegnungszonen seien in Tempo-30-Zonen Fussgängerstreifen unzulässig. Mit Vollzug der Verkehrsanordnung werde die Sicherheit der Fussgängerinnen und Fussgänger deshalb massiv verschlechtert. Die Begründung, auf die sich die Anordnung stütze, treffe deshalb von Vornherein nicht zu; die Massnahme sei mithin unzweckmässig und aufzuheben.

        1. Unter dem Stichwort "Realisierbarkeit von baulichen Massnahmen" wird im Gutachten festgehalten, trotz schwieriger Verhältnisse sei beabsichtigt, auf dem erwähnten Abschnitt (Einmündung M. -Strasse – R. ) kurz- bis mittelfristig die Strasse anzupassen und ein Trottoir zu erstellen. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführer hat sich die Beschwerdegegnerin demnach durchaus mit Alternativen befasst, jedoch alle aus plausiblen Gründen verworfen (vgl. Ziff. 42.2 des Gutachtens): Fussgänger frequentieren das Quartierzentrum entlang der Strasse nicht nur vor und nach den Unterrichtszeiten, sondern – angesichts der durchmischten Nutzung entlang der Strasse – zu den unterschiedlichsten Tageszeiten. Eine zeitliche Beschränkung der Verkehrsanordnung ginge angesichts dessen kaum mit dem erwünschten Sicherheitsgewinn einher. Bauliche Massnahmen allein wären ebenfalls nicht ohne weiteres zielführend und mit erheblichem finanziellen Aufwand verbunden. Die Umsetzung nähme sodann mehrere Jahre in Anspruch; für sich allein stellen sie keine (auch in zeitlicher Hinsicht) adäquate Antwort auf die festgestellten Sicherheitsdefizite dar.

        2. Wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, werden die bestehenden Fussgängerstreifen mit einer einzigen Ausnahme beibehalten. Aufgehoben wird lediglich jener bei der Abzweigung in die L. -Strasse. In Tempo-30-Zonen dürfen Fussgängerstreifen angebracht werden, wenn besondere Vortrittsbedürfnisse für Fussgänger dies erfordern, namentlich bei Schulen und Heimen (Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung über die Tempo-30-Zonen und die Begegnungszonen). Konkret geht es insbesondere darum, den schulpflichtigen Kindern aus den angrenzenden Wohngebieten die Strassenüberquerung gefahrlos zu ermöglichen. Die Beibehaltung der Fussgängerstreifen lässt sich ferner damit begründen, dass die geschilderten komplexen Verkehrssituationen durch die Herabsetzung des Tempos entschärft werden sollen. Die zusätzlich gewonnene Sicherheit soll nicht durch unkoordinierte Strassenübertritte von Fussgängern wieder vermindert bzw. aufs Spiel gesetzt werden. Dass sowohl die Fussgängerstreifen als auch die bestehende Vortrittsregelung beibehalten werden, trägt zudem dem Umstand Rechnung, dass die Strasse nicht nur rein siedlungsorientiert ist, sondern sowohl den Sammelverkehr des gesamten Quartiers O. als auch (geringfügig) Durchgangsverkehr aufnimmt.

4.6.4. Dass mit Einführung der Tempo-30-Zone die Unfallgefahr vermindert wird, ist in den Augen der Beschwerdeführer ein allgemeingültiger Grundsatz, der nicht zur Begründung im Einzelfall herangezogen werden kann. Die dem Gutachten beigelegte Unfallstatistik beziehe sich auf die Jahre 2008 bis 2010 und sei damit nicht aktuell. Es werde im Gutachten aktenwidrig behauptet, bei 21 Unfällen seien je zur Hälfte Personen verletzt worden. Aktenkundig seien lediglich im Jahr 2009 zwei Unfälle mit Fussgängern. Die Tatsache, dass innert 6 Jahren bei 21 Unfällen lediglich 2 Fussgänger verletzt worden seien, führe die fehlende Notwendig- und Verhältnismässigkeit der Temporeduktion vor Augen. Auch die Tatsache, dass sich aufgrund der physikalischen Gesetze bei reduzierter Geschwindigkeit weniger Unfälle mit Personen ereignen würden, sei allgemein gültig und spreche im konkreten Fall nicht für die Verkehrsanordnung.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer verdeutlicht die Unfallstatistik, wie gefährlich die im Gutachten geschilderten Verkehrssituationen auf der O. -Strasse tatsächlich sind. In diesem Zeitraum ereigneten sich hier 21 Unfälle; bei rund der Hälfte

(11) wurden Personen verletzt. Dass sich unter den Verletzten nur zwei Fussgänger

befanden, schränkt die Aussagekraft der Statistik nicht massgeblich ein. Es handelt sich zweifellos um einen für alle Verkehrsteilnehmer gefährlichen Strassenabschnitt. Die Beschwerdegegnerin darf sich von der Temporeduktion ohne weiteres positive Auswirkungen auf die Wahrscheinlichkeit und Heftigkeit derartiger Unfallereignisse erhoffen. Die Verkehrsanordnung hilft, eine konkret ausgewiesene Gefahr zu verringern; sie ist hierfür ein taugliches Mittel und erscheint notwendig. Daran ändert der Einwand der Beschwerdeführer, dass die Strasse nun mit fahrzeugähnlichen Geräten wie Rollschuhen, Trottinetts oder Rollbrettern benützt werden dürfe, nichts. Die relativ stark befahrene, unter anderem alle 5 Minuten von einem Bus frequentierte Strasse lädt zu derartigen Aktivitäten nicht ein. Zudem führt das tiefere Tempo zu deutlich kürzeren Bremswegen, was das von derartigen Strassenbenützern hervorgerufene Gefährdungspotenzial wieder kompensiert.

      1. Die Beschwerdeführer halten die mit der Tempoherabsetzung verbundenen Auswirkungen auf den öffentlichen Verkehr entgegen den Ausführungen im Gutachten für erheblich. Die Fahrzeiten der Busse (Linien a und b) würden sich verlängern; zudem wirkten die sechs Haltestellen im streitigen Bereich bereits heute verkehrsberuhigend.

        Das Gutachten und die Vorinstanz machen diese Haltestellen – zusammen mit den Querungsstellen und Einmündungen – für die bestehenden komplexen Verkehrssituationen im betroffenen Strassenabschnitt mitverantwortlich. Im Gutachten wird ausgeführt, dass die Reisezeiten des öffentlichen Verkehrs auf dem Abschnitt

        R. bis Kirche O. leicht ansteigen werden, was durchaus plausibel erscheint. Letztlich haben sich jedoch die Interessen des öffentlichen Verkehrs dem mit der Temporeduktion verfolgten Zweck unterzuordnen – und nicht umgekehrt.

      2. Gleichzeitig wird im Gutachten mit den Anforderungen des öffentlichen Verkehrs begründet, weshalb das bestehende Vortrittsregime beibehalten wird. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer führt die Zuweisung des Strassenabschnitts zu einer Tempo-30-Zone nicht zwingend dazu, dass Rechtsvortritt zu gelten hat. Gemäss Art. 36 Abs. 2 SVG hat auf Strassenverzweigungen das von rechts kommende Fahrzeug den Vortritt, während Fahrzeuge auf gekennzeichneten Hauptstrassen den Vortritt haben, auch wenn sie von links kommen. Art. 4 Abs. 1 der Verordnung über die Tempo-30-Zonen und die Begegnungszonen sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, in

Tempo-30-Zonen eine vom Rechtsvortritt abweichende Regelung zu treffen, wenn die Verkehrssicherheit dies erfordert. Der Einbezug des Strassenabschnittes in eine Tempo-30-Zone unter Beibehaltung der geltenden Vortrittsregelung ist folglich aus Verkehrssicherheitsgründen durchaus zulässig (vgl. BGE 136 II 539 E. 2.4). Im Gutachten werden die negativen Auswirkungen des Rechtsvortritts auf die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs in nachvollziehbarer Weise vor Augen geführt. Unangepasstes Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer gegenüber dem öffentlichen Verkehr – namentlich das Erzwingen des Vortritts – kann zu unvorhersehbaren starken Bremsmanövern führen, was wiederum zu Verletzungen der Fahrgäste führen kann. Deshalb werde die Vortrittsberechtigung von Fahrzeuglenkern auf der O. -Strasse beibehalten. Aus den Ausführungen der Beschwerdeführer ergibt sich kein konkreter Anlass, diese Begründung in Zweifel zu ziehen.

4.6.7. Schliesslich machen die Beschwerdeführer geltend, die im Gutachten genannte Zielsetzung, die gemessene Durchschnittsgeschwindigkeit von 42 km/h auf 38 km/h zu verringerten, zeige die Unverhältnismässigkeit der Anordnung klar auf. Wenn das Ziel, die Geschwindigkeit auf 30 km/h zu verringern, von vornherein nicht erreicht werden könne, so sei das der "schlagende Beweis" für die fehlende Notwendigkeit einer Tempo-30-Zone.

Eine derartige Zielsetzung findet sich in den Akten nicht. Die Beschwerdegegnerin erwartet, dass 85 Prozent der Verkehrsteilnehmenden (V85) die geforderte Höchstgeschwindigkeit einhalten werden (act. 11/26.1 S. 4). Das Argument der Beschwerdeführer stellt im Übrigen nicht die Notwendigkeit, sondern die Eignung der Verkehrsanordnung in Frage. Das Gutachten sieht in Anbetracht des vorhandenen Geschwindigkeitsniveaus – die Messung im Jahr 2010 auf Höhe der Liegenschaft

O. -Strasse 58 hat Geschwindigkeiten von 35.7 (V50) bzw. 42.2 (V85) km/h ergeben –, der Menge und Art des Verkehrs, des Unfallgeschehens und der Gefahrensituation vor, die Zonensignalisation durch Markierungen beim Zoneneingang zu unterstützen. Falls die Nacherhebung ein zu hohes Geschwindigkeitsniveau zeige, würden Geräte zur Geschwindigkeitsüberwachung installiert. Bauliche Massnahmen könnten demgegenüber nicht ergriffen werden, weil sie sich auf den öffentlichen Verkehr mit massiven Fahrzeitverlusten und abrupten Fahrmanövern auswirken würden. Die Beschwerdegegnerin verfügt demnach über Möglichkeiten – u.a. durch automatisierte

Geschwindigkeitsmessungen –, um die reduzierte Höchstgeschwindigkeit durchzusetzen. Der Verkehrsanordnung kann die Eignung, die definierten Ziele zu erreichen, auch unter diesem Aspekt nicht abgesprochen werden.

4.7. Für die Verhältnismässigkeit der Massnahme spricht sodann deren zeitliche Befristung auf vorerst ein Jahr. Der einjährige Versuch soll Aufschluss darüber geben, ob die Verkehrssicherheit tatsächlich erhöht wird. Erst bei positiver Beurteilung soll eine dauerhafte Lösung verfügt werden. Dies ergibt sich aus dem streitgegenständlichen Stadtratsbeschluss, dem Gutachten und der Vernehmlassung der Beschwerdegegnerin ohne weiteres. Die definitive Umsetzung ist dem Stadtrat anheimgestellt. Natürlich werden Rechtsmittel gegen diesen Beschluss möglich sein.

Die anderweitige Auffassung der Vorinstanz, wonach die Anordnung nicht befristet, sondern resolutiv bedingt sei, vermag nicht zu überzeugen. Sie hat dies in den Erwägungen sinngemäss – jedoch ohne im Dispositiv zu erwähnen – festgestellt, was einer sog. "reformatio in peius" gleichkommt. Diese Feststellung begründet ein schutzwürdiges Interesse der Beschwerdeführer an einer gegenteiligen Feststellung des Verwaltungsgerichts. Der Subeventualantrag der Beschwerdeführer ist demnach zu schützen, und es ist festzustellen, dass die Verkehrsanordnung befristet ist und für die Dauer eines Jahres ab deren Umsetzung gilt.

  1. Zusammenfassend kann die Auffassung der Vorinstanz, wonach auf dem Strassenabschnitt ein erhöhtes Schutzbedürfnis besteht und die geltende Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h den komplexen Verhältnissen im Quartierzentrum von O. nicht gerecht wird, bestätigt werden. Vor diesem Hintergrund erweist sich die als Versuch ausgestaltete Einführung einer Tempo-30-Zone als notwendig und geeignet zur Behebung der bestehenden Sicherheitsdefizite und zur Gewährleistung des Schutzes besonders gefährdeter Personengruppen. Die insbesondere gegen das nachvollziehbar begründete und vollständige Gutachten der Beschwerdegegnerin gerichteten Einwände vermögen dieses nicht entscheidend in Frage zu stellen. Mit einem vom Verwaltungsgericht zu korrigierenden Rechtsfehler ist der angefochtene Entscheid der Vorinstanz nicht belastet. Die befristete Verkehrsanordnung ist gesetz- und verhältnismässig, und die Beschwerde ist im Hauptantrag abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Es ist jedoch festzustellen, dass die Verkehrsanordnung vorerst

    zeitlich auf ein Jahr ab deren Umsetzung bzw. tatsächlicher Signalisation beschränkt ist. Der Subeventualantrag der Beschwerdeführer ist demnach begründet.

  2. (Kosten)

Demnach erkennt das Verwaltungsgericht auf dem Zirkulationsweg zu Recht:

  1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Es wird festgestellt, dass die Verkehrsanordnung befristet ist und für die Dauer eines Jahres ab deren Umsetzung gilt. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

  2. Die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens von CHF 3'000 bezahlen die Beschwerdeführer zu drei Vierteln und der Staat zu einem Viertel. Der auf die Beschwerdeführer entfallende Anteil von CHF 2'250 wird mit dem geleisteten Kostenvorschuss von CHF 3'000 verrechnet. Der Restbetrag (CHF 750) wird ihnen zurückerstattet. Auf die Erhebung der Kosten von CHF 750 beim Staat wird verzichtet (Art. 95 Abs. 3 VRP).

3. Ausseramtliche Kosten werden nicht entschädigt.

Der Abteilungspräsident Der Gerichtsschreiber

Eugster Wehrle

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.

SWISSRIGHTS verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf der Website analysieren zu können. Weitere Informationen finden Sie hier: Datenschutz