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Urteil Sozialversicherungsgericht (BS)

Kopfdaten
Kanton:BS
Fallnummer:AH.2017.6 (SVG.2018.46)
Instanz:Sozialversicherungsgericht
Abteilung:
Sozialversicherungsgericht Entscheid AH.2017.6 (SVG.2018.46) vom 11.10.2017 (BS)
Datum:11.10.2017
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Verjährung einer Schadenersatzforderung gemäss Art. 52 AHVG verneint, Verrechnung mit AHV-Rente gemäss Art. 20 Abs. 2 AHVG ist zulässig.(BGer 9C_235/2018 Urteil vom 2.7.18)
Schlagwörter: Beschwerde; Schaden; Schadenersatz; Beschwerdeführer; Schadenersatzforderung; Beschwerdegegnerin; Bundes; Verjährung; Verrechnung; Verfügung; Rente; Sozialversicherung; Beschwerdeführers; Einsprache; Verjährungsfrist; Ausgleichskasse; AHV-Rente; Höhe; Basel; Einspracheentscheid; Bundesgericht; Unterbrechung; Hinweis; Recht; Sozialversicherungsgericht; Basel-Stadt; Hinweisen; Schadenersatzverfügung; Tilgungsplan; Vollstreckungsfrist
Rechtsnorm: Art. 120 OR ; Art. 135 OR ; Art. 137 OR ; Art. 16 AHVG ; Art. 20 AHVG ; Art. 42 BGG ; Art. 47 BGG ; Art. 52 AHVG ; Art. 60 OR ; Art. 84 AHVG ; Art. 95 BGG ;
Referenz BGE:115 V 342; 125 V 321; 131 V 4; 134 III 591; 135 V 74; 136 III 96; 136 V 286; 140 V 314;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Sozialversicherungsgericht

des Kantons Basel-Stadt



URTEIL


vom 11. Oktober 2017



Mitwirkende


Dr. G. Thomi (Vorsitz), lic. iur. M. Prack Hoenen, lic. iur. R. Schnyder

und Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Gmür

Parteien

A____


vertreten durch B____

Beschwerdeführer


Ausgleichskasse Basel-Stadt Arbeitgeberkontrolle

Wettsteinplatz1, Postfach, 4001Basel

Beschwerdegegnerin


Gegenstand


AH.2017.6

Einspracheentscheid vom 20. April 2017

Verjährung einer Schadenersatzforderung gemäss Art. 52 AHVG verneint, Verrechnung mit AHV-Rente gemäss Art. 20 Abs. 2 AHVG ist zulässig.



Tatsachen

I.

Nachdem über die C____ mit Sitz in D____ am 6. Juni 2006 der Konkurs eröffnet und am 5. Juli 2006 mangels Aktiven wieder eingestellt wurde (vgl. Online-Handelsregisterauszug des Kantons Basel-Stadt), machte die Beschwerdegegnerin mit Verfügung vom 10. November 2006 eine Schadenersatzforderung in Höhe von Fr. 67008.85 gegenüber dem Beschwerdeführer geltend. Zur Begründung führte sie an, aufgrund der Organhaftung gemäss Art. 52 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG; SR 831.10) hafte der Beschwerdeführer als verantwortliches Organ der C____ gegenüber der Ausgleichskasse Basel-Stadt für den entstandenen Schaden (vgl. Beschwerdeantwortbeilage 3 [AB 3]). In der Folge wurde mit dem Beschwerdeführer und dessen Ehefrau ein Tilgungsplan zur Begleichung der Schadenersatzforderung vereinbart (vgl. Tilgungsplan vom 11. Januar 2007, Kontoauszug der C____ in Liquidation sowie Dossier-Auszüge C____ in Liq. betreffend Tilgungspläne und Ratenaufschübe sowie Mahnungen, AB 9-11). Mit Verfügung vom 4. Juli 2016 teilte die Beschwerdegegnerin mit, sie werde die ausstehende Schadenersatzforderung in Höhe von Fr. 23958.85 gemäss den Schadenersatzverfügungen Nr. 06/39 und 06/40 mit einem Teil der AHV-Rente des Beschwerdeführers in Höhe von Fr. 500.-- verrechnen (AB 1). Dagegen wehrte sich der Beschwerdeführer mit Einsprache vom 5. September 2016 (AB 4) und ergänzender Begründung vom 9.Dezember 2016 (AB 5). Mit Einspracheentscheid vom 20. April 2017 wies die Beschwerdegegnerin die Einsprache ab und hielt an der Verrechnungsverfügung vom 4. Juli 2016 fest (Beschwerdebeilage [BB] 2).

II.

Dagegen hat der Beschwerdeführer am 18. Mai 2017 beim Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt Beschwerde erhoben. Darin beantragt er, es sei der Einspracheentscheid vom 20. April 2017 und die diesem zugrunde liegende Verfügung vom 4. Juli 2016 aufzuheben und es sei festzustellen, dass die vorgenommene Verrechnung mit der AHV-Rente des Beschwerdeführers unrechtmässig sei. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird beantragt, es sei der Beschwerde wieder die aufschiebende Wirkung zu erteilen.

Mit Beschwerdeantwort vom 21. Juni 2017 schliesst die Beschwerdegegnerin auf Abweisung der Beschwerde.

Mit Replik vom 21. August 2017 hält der Beschwerdeführer an den in der Beschwerde gestellten Rechtsbegehren fest.

III.

Nachdem die Parteien auf eine mündliche Parteiverhandlung verzichtet hatten, fand am 11. Oktober 2017 die Urteilsberatung durch die Kammer des Sozialversicherungsgerichts statt.

Entscheidungsgründe

1.

1.1. Art. 84 AHVG sieht in Abweichung von Art. 58 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) eine besondere Zuständigkeit bei Beschwerden gegen Verfügungen und Einspracheentscheide kantonaler Ausgleichskassen vor. Vorliegend ist der Einspracheentscheid vom 20. April 2017 der Ausgleichskasse Basel-Stadt angefochten. Folglich ist das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt örtlich zuständig.

1.2. Die sonstigen formellen Voraussetzungen der Beschwerde sind erfüllt. Auf die Beschwerde ist folglich einzutreten.

2.

2.1. Strittig und zu prüfen ist, ob die in der Verfügung vom 4. Juli 2016 vorgenommene Verrechnung der ausstehenden Schadenersatzforderung in Höhe von Fr.23958.85 mit einem Teil der AHV-Rente des Beschwerdeführers in Höhe von Fr.500.-- monatlich rechtmässig ist. 2.2. Gemäss Art. 20 Abs. 2 AHVG können fällige Leistungen namentlich mit Forderungen aufgrund des AHVG und des IVG (Bst. a) verrechnet werden. Nach der Rechtsprechung wird durch Art. 20 Abs. 2 AHVG eine eigene Ordnung geschaffen, welche auf die Besonderheiten der Sozialgesetzgebung im AHV-Bereich zugeschnitten ist (BGE 125 V 321 E. 5a mit Hinweisen), und über die obligationenrechtlichen Regeln (Art. 120 Abs. 1 OR), wie sie auch im Verwaltungsrecht zur Anwendung gelangen, hinausgeht (BGE 115 V 342 E. 2b und 110 V 185 E. 2). 2.3. Nach Art. 52 AHVG hat ein Arbeitgeber, welcher der Alters- und Hinterlassenenversicherung durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften einen Schaden zufügt, diesen zu ersetzen (Abs. 1). Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, so haften subsidiär die Mitglieder der Verwaltung und alle mit der Geschäftsführung oder Liquidation befassten Personen solidarisch (Abs. 2). Der Schadenersatzanspruch verjährt zwei Jahre, nachdem die zuständige Ausgleichskasse vom Schaden Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre nach Eintritt des Schadens, wobei die Fristen unterbrochen werden können (Abs. 3). Die zuständige Ausgleichskasse macht den Schadenersatz durch Erlass einer Verfügung geltend (Abs. 4). 2.4. Gemäss Rz. 10910 und 10917 der Wegleitung über die Renten in der Eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung des Bundesamtes für Sozialversicherung (RWL) sind Schadenersatzansprüche der Ausgleichskassen mit Leistungen verrechenbar. Die Forderung muss fällig und unverjährt sein (Rz. 10909). Die Verrechnung einer Rente ist indes nur zulässig, sofern und soweit bei der rückerstattungspflichtigen Person das betreibungsrechtliche Existenzminimum nicht unterschritten wird, was entsprechende Abklärungen erfordert (vgl. BGE 136 V 286 E. 6.1). 2.5. Nach Rz. 8077 und Rz. 8078 der Wegleitung über den Bezug der Beiträge in der AHV, IV und EO (WBB) ist der rechtskräftig festgesetzte Schadenersatz sinngemäss nach den gleichen Vorschriften zu vollstrecken wie die Beiträge. Die Schadenersatzforderung erlischt jedoch erst zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem sie rechtskräftig wurde (vgl. auch BGE 131 V 4). 2.6. Verwaltungsweisungen richten sich an die Durchführungsstellen und sind für das Sozialversicherungsgericht nicht verbindlich. Dieses soll sie bei seiner Entscheidung aber berücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Das Gericht weicht also nicht ohne triftigen Grund von Verwaltungsweisungen ab, wenn diese eine überzeugende Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben darstellen. Insofern wird dem Bestreben der Verwaltung, durch interne Weisungen eine rechtsgleiche Gesetzesanwendung zu gewährleisten, Rechnung getragen (vgl. BGE 140 V 314, E. 3.3 mit Hinweisen).

3.

3.1. Vorliegend ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer im massgebenden Verrechnungszeitpunkt Bezüger einer Altersrente war. Nicht bestritten wird ebenfalls, dass durch die Verrechnung der AHV-Rente in Höhe von Fr. 500.-- das beitreibungsrechtliche Existenzminimum des Beschwerdeführers nicht berührt wird. Strittig ist jedoch insbesondere, ob die Schadenersatzforderung gemäss Art. 52 AHVG verjährt bzw. erloschen und die Verrechnung gemäss Art. 20 Abs. 2 AHVG folglich unzulässig ist. 3.2. Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, dass vorliegend jeglicher Nachweis fehle, dass dem Beschwerdeführer die Schadenersatzverfügung vom 10. November 2006 je zugestellt worden sei. Damit sei die Verjährungsfrist gemäss Art. 52 Abs. 3 AHVG nicht eingehalten worden. 3.3. Mit Blick auf die Aktenlage ist erstellt, dass dem Beschwerdeführer die Verfügung vom 10. November 2006 zugegangen ist. Zwar fehlt es - wie die Beschwerdegegnerin selbst festhält - an einem Zustellnachweis der Verfügung (vgl. E-Mail der Post AG vom 19. Januar 2017, AB 6). Indes ist aus den Akten ersichtlich, dass der Beschwerdeführer die Verfügung vom 10. November 2006 erhielt. So wird in der Betreffzeile des Schreibens des Beschwerdeführers vom 9. Januar 2007 explizit auf die Schadenersatzverfügung (vom 10. November 2006) hingewiesen (vgl. AB 7). Im Schreiben vom 9. April 2007 nennt der Beschwerdeführer sodann die Referenznummer der Verfügung vom 10. November 2006 (vgl. AB 2 und 8). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer Kenntnis von der Schadenersatzverfügung hatte und ihm diese somit zugestellt wurde. Dafür spricht im Übrigen auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer mit der Beschwerdebeklagten einen Tilgungsplan für die Schadenersatzverfügungen Nr. 06/39 und 06/40 vereinbarte (vgl. Tilgungsplan vom 11. Januar 2007, AB 9) und die entsprechenden Beträge abbezahlt hat. In Erwägung der Akten wurde der Schadenersatzanspruch der Beschwerdegegnerin mit Verfügung vom 10. November 2006 somit rechtzeitig geltend gemacht und eine Verjährung derselben kann im Sinne von Art. 52 Abs. 3 AHVG - wie unter Erwägung 3.6. noch aufgezeigt wird - verneint werden. 3.4. Weiter bringt der Beschwerdeführer vor, dass die Vollstreckungsverjährung eingetreten sei. Gemäss BGE 131 V 4 betrage diese zehn Jahre. Somit sei die Schadenersatzforderung spätestens Ende des Jahres 2016 erloschen. Eine Verrechnung der zur Diskussion stehenden Schadenersatzforderung mit der AHV-Rente des Beschwerdeführers sei über diesen Zeitpunkt hinaus unzulässig. 3.5. Es ist mit der Beschwerdegegnerin einig zu gehen, dass vorliegend Art. 52 Abs. 3 AHVG lediglich eine Verjährungsfrist behandelt, von einer Vollstreckungsfrist der Schadenersatzforderung ist im Gesetz nicht die Rede. Davon geht auch das Bundesgericht aus und kommt im Sinne einer Lückenfüllung zum Schluss, es bestehe in analoger Anwendung von Art. 16 Abs. 2 AHVG (ZAK 1991 S. 129 E. 2c) bzw. Art. 137 Abs. 2 OR (BGE 131 V 4) eine Vollstreckungsfrist von 10 Jahren für Schadenersatzforderungen nach Art. 52 AHVG. Mit Blick auf die Materialien fragt sich indes, ob vorliegend eine (echte) Gesetzeslücke besteht, welche der Schliessung bedurfte (BGE 136 III 96, E. 3.3 mit Hinweisen). Die aktuelle Regelung des Art. 52 AHVG stützt sich auf den Vorschlag des Bundesrates bzw. dessen vertiefte Stellungnahme zur parlamentarischen Initiative Sozialversicherungsrecht vom 17. August 1994. In der diesbezüglichen Botschaft wird ausgeführt, dass sich im Zuge der Gesamtrevision des Haftpflichtrechtes eine Wiederangleichung von Art. 52 AHVG an sein Vorbild Art. 60 des Bundesgesetzes vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht [OR]; SR 220) sowie an Art. 23 des Bundesgesetzes vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz [VG]; SR 170.32) geradezu aufdränge (BBl 1994 V 983). Wie die Beschwerdegegnerin zutreffend erkannt hat, wurden deshalb abweichend von den allgemeinen Grundsätzen im Sozialversicherungsrecht in Art. 52 AHVG nur Verjährungsfristen vorgesehen. Um einer Umdeutung vorzubeugen, hat der Gesetzgeber im Gesetz explizit den terminus technicus verjährt verwendet und die Möglichkeit der Unterbrechung der Verjährungsfristen und des Einredeverzichts vorgesehen (BBl 1994 V 984). Aufgrund dieser Entstehungsgeschichte zu Art. 52 AHVG steht somit fest, dass der Gesetzgeber auf eine Unterscheidung zwischen Festsetzungs- und Vollstreckungsfrist verzichten wollte. Wird Art. 52 AHVG dem Vorerwähnten entsprechend ausgelegt, liegt somit keine Gesetzeslücke vor, sondern Art. 52 AHVG regelt analog des zum Vorbild genommenen Art. 60 OR einzig die Verjährungsfrist. Folglich kommen vorliegend die (privatrechtlichen) Bestimmungen zur Unterbrechung der Verjährungsfrist zur Anwendung, von einer (absoluten) Vollstreckungsverwirkung ist abzusehen. 3.6. Nach dem klaren Wortlaut von Art. 52 Abs. 3 AHVG können die relative zweijährige und die absolute fünfjährige Verjährungsfrist unterbrochen werden. Dabei ist für die Beantwortung der damit zusammenhängenden Fragen, insbesondere welchen Handlungen der Ausgleichskasse und der Beschwerdeinstanzen verjährungsunterbrechende Wirkung zukommt, sinngemäss die Regelung für Forderungen aus unerlaubter Handlung (Art. 60 und Art. 135 ff. OR) anwendbar, was auch dem Willen des Gesetzgebers entspricht (BGE 135 V 74, E. 4.2.2 mit Hinweisen). Mit der Unterbrechung der Verjährung beginnt die Verjährungsfrist gemäss Art. 137 Abs. 1 OR von neuem zu laufen. Das Gesetz sieht in Art. 135 OR zwei Möglichkeiten der Unterbrechung der Verjährung vor.

Gemäss Art. 135 Ziff. 1 OR kann die Verjährung durch Anerkennung der Forderung von Seiten des Schuldners eintreten. Eine Anerkennungshandlung nach Art. 135 Ziff. 1 OR setzt keinen auf Unterbrechung der Verjährung gerichteten Willen voraus. Als Anerkennung mit Unterbrechungswirkung gilt jedes Verhalten des Schuldners, das der Gläubiger nach Treu und Glauben im Verkehr als Bestätigung auffassen darf, dass die rechtliche Verpflichtung des Schuldners grundsätzlich bestehe. Die Anerkennung der grundsätzlichen Schuldpflicht genügt. Sie braucht sich nicht auf einen bestimmten Betrag zu beziehen (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 29. Januar 2014 [4A_404/2013], E. 4.1 mit Hinweis auf BGE 134 III 591 E. 5.2.1; 119 II 368 E. 7b S. 378 f.; 110 II 176 E. 3 S. 180 f.). Gemäss Art. 135 Ziff. 2 OR kann die Verjährung durch Unterbrechungshandlungen des Gläubigers unterbrochen werden. Namentlich durch Schuldbetreibung, durch Schlichtungsgesuch, durch Klage oder Einrede vor einem staatlichen Gericht oder einem Schiedsgericht sowie durch Eingabe im Konkurs. Bei der Anwendung dieser Regelungen im Rahmen von Art. 52 AHVG ist zu beachten, dass im Unterschied zum Privatrecht, wo die Verjährung nur durch die in Art. 135 Ziff. 1 und 2 OR genannten Handlungen unterbrochen werden kann, alle Akte, mit denen die Schadenersatzforderung gegenüber dem Schuldner in geeigneter Weise geltend gemacht wird, verjährungsunterbrechende Wirkung haben (vgl. 135 V 74, E. 4.2.1 mit Hinweisen).

Aus den Akten ist ersichtlich, dass die Beschwerdegegnerin am 19. Juli 2006 aus dem Kantonsblatt Nr. 55 erfahren hatte, dass der Konkurs über die C____ am 5. Juli 2006 mangels Aktiven wieder eingestellt werden musste (AB 3). Dementsprechend hatte sie ab diesem Zeitpunkt Kenntnis vom Schaden. In der Folge erliess die Beschwerdegegnerin am 10. November 2006 eine Schadenersatzverfügung gemäss Art. 52 AHVG (AB 2). Am 11. Januar 2007 vereinbarte die Beschwerdegegnerin einen Tilgungsplan mit dem Beschwerdeführer (AB 9). Am 29. März 2007 erfolgte erstmals eine Zahlung des Beschwerdeführers an die Schadenersatzforderung. In der Folge leistete der Beschwerdeführer mehrere Ratenzahlungen. Gemäss dem Kontoauszug der C____ bezahlte der Beschwerdeführer letztmals am 8. April 2015 eine Rate in Höhe von Fr. 500.-- (AB 10). Weiter ist dem Dossier-Auszug der C____ betreffend Tilgungsplan zu entnehmen, dass die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer am 24. Februar 2016 bezüglich der Bezahlung der Rate letztmals mahnte (AB 11). Am 4. Juli 2016 verfügte die Beschwerdegegnerin die Verrechnung der Schadenersatzforderung mit der AHV-Rente des Beschwerdeführers (AB 1). Am 15. Dezember 2016 leitete die Beschwerdegegnerin die Betreibung für die ausstehende Schadenersatzforderung in Höhe von Fr. 23958.85 ein (AB 12). Schliesslich erging am 20. April 2017 der angefochtene Einspracheentscheid (BB 2). Gesamthaft betrachtet haben sowohl der Beschwerdeführer als auch die Beschwerdegegnerin mehrere verjährungsunterbrechende Handlungen unternommen. Damit wurde die ab 19. Juli 2006 laufende zweijährige Verjährungsfrist mehrmals unterbrochen bzw. verlängert, so dass die Schadenersatzforderung im Zeitpunkt des Erlasses der Verrechnungsverfügung am 4. Juli 2016 im Sinne von Art. 52 Abs. 3 AHVG nicht verjährt war. Dies gilt auch für das vorliegende Beschwerdeverfahren (BGE 135 V 74, E. 4.2.2). Dem Dargelegten zufolge ist die Verrechnung der Schadenersatzforderung mit der AHV-Rente des Beschwerdeführers somit rechtmässig. Die Verfügung vom 4. Juli 2016 als auch der Einspracheentscheid vom 20. April 2016 sind zu schützen.

3.7. Selbst wenn gestützt auf BGE 131 V 4 davon ausgegangen wird, es bestehe für Schadenersatzforderungen gemäss Art. 52 AHVG eine 10-jährige Vollstreckungsverwirkung, ändert dies nichts an der Beurteilung der Sachlage. Die Rechtsprechung zur Vollstreckungswirkung im Zusammenhang mit Art. 52 AHVG hat sich in Anlehnung an Art. 16 Abs. 2 AHVG entwickelt (ZAK 1991, S. 129, E. 2c). In BGE 131 V 4 hat das Bundesgericht zwar von der analogen Anwendung von Art. 16 Abs. 2 AHVG Abstand genommen. Es ist indes davon auszugehen, dass sich diese Rechtsprechung lediglich auf die Fristdauer bezieht. Nunmehr beträgt die hierbei zu beachtende Frist nicht mehr in Analogie zu Art. 16 Abs. 2 Satz 1 AHVG fünf Jahre, sondern in Analogie zu Art. 137 Abs. 2 OR zehn Jahre. Dies begründet das Bundesgericht im Wesentlichen damit, dass Schadenersatzforderungen oft fünf- oder sechsstellige Summen ausmachen und deshalb häufig nicht innert einer fünfjährigen Frist abbezahlt werden können, so dass die Ausgleichskasse wiederum eines Teils ihrer Ansprüche verlustig gehen und der Zweck der Schadloshaltung demnach nur teilweise erreicht würde (BGE 131 V 4, E. 3.4). In Berücksichtigung dieser Rechtsprechung sowie der Tatsache, dass die Regelung der Verwirkungsfrist im Zusammenhang mit der Schadenersatzforderung auf Art. 16 Abs. 2 AHVG gründet (ZAK 1991, S. 129, E. 2c mit Hinweisen), sind deshalb für die Vollstreckungsverwirkung einer rechtskräftigen Schadenersatzforderung die Sätze 2-5 von Art. 16 Abs. 2 AHVG weiterhin analog anwendbar. Diese Auslegung entspricht auch der Lehrmeinung sowie den Weisungen des Bundesamtes für Sozialversicherungen (vgl. Marco Reichmuth, Die Haftung des Arbeitgebers und seiner Organe nach Art. 52 AHVG, § 15 N 1270 sowie Rz 8077 WBB). Gemäss Art. 16 Abs. 2 Satz 3 AHVG endet die Vollstreckungsfrist mit Abschluss des Schuldbetreibungs- oder Konkursverfahren, sofern dieses bei Ablauf der Vollstreckungsfrist hängig war. Vorliegend würde die 10-jährige Vollstreckungsfrist, da die Verfügung im November 2006 ergangen ist, im Dezember 2016 enden. Die Beschwerdegegnerin leitete am 15. Dezember 2016 die Betreibung für die ausstehende Schadenersatzforderung ein (AB 12). Damit wäre die Schadenersatzforderung aufgrund des hängigen Schuldbetreibungsverfahrens noch nicht erloschen. Gleiches ergibt sich aus Art. 16 Abs. 2 Satz 5 AHVG. Danach können bei Entstehung des Rentenanspruchs nicht erloschene Beitragsforderungen in jedem Fall noch verrechnet werden. Die Schadenersatzforderung vom 10. November 2006 war zum Zeitpunkt der Verrechnungsverfügung vom 4. Juli 2016 bzw. der Entstehung des Rentenanspruchs des Beschwerdeführers jedenfalls noch nicht erloschen, so dass eine Verrechnung zulässig war. Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass die Verrechnung der Schadenersatzforderung mit der AHV-Rente des Beschwerdeführers auch unter Berücksichtigung einer allfälligen 10-jährigen Verwirkungsfrist rechtmässig wäre.

4.

4.1. Aus diesen Erwägungen folgt, dass der Einspracheentscheid vom 20. April 2017 korrekt und die Beschwerde abzuweisen ist. 4.2. Das Verfahren ist gemäss Art. 61 lit. a ATSG kostenlos. 4.3. Die ausserordentlichen Kosten sind wettzuschlagen.

Demgemäss erkennt das Sozialversicherungsgericht:

://: Die Beschwerde wird abgewiesen.

Das Verfahren ist kostenlos.

Die ausserordentlichen Kosten werden wettgeschlagen.


Sozialversicherungsgericht BASEL-STADT


Der Präsident Die Gerichtsschreiberin


Dr. G. Thomi lic. iur. A. Gmür





Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 100 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht [Bundesgerichtsgesetz, BGG]). Die Beschwerdefrist kann nicht erstreckt werden (Art. 47 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdegründe sind in Art. 95 ff. BGG geregelt.

Die Beschwerdeschrift ist dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, in dreifacher Ausfertigung zuzustellen. Die Beschwerdeschrift hat den Anforderungen gemäss Art. 42 BGG zu genügen; zu beachten ist dabei insbesondere:

a) Die Beschwerdeschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten;

b) in der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt;

c) die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat, ebenso der angefochtene Entscheid.







Geht an:

- Beschwerdeführer
-
Beschwerdegegnerin
- Bundesamt für Sozialversicherungen


Versandt am:



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