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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:UB130169
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:III. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid UB130169 vom 09.01.2014 (ZH)
Datum:09.01.2014
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entlassung aus dem vorzeitigen Strafvollzug
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdeführer; Verteidiger; Zwangsmassnahmengericht; Staatsanwaltschaft; Gutachter; Beschwerdeführers; Gutachten; Störung; Verteidigers; Fängnis; Bipolar; Gefängnis; Verfahren; Urteil; Schuld; Bipolare; Recht; Verfügung; Begutachtung; Drogen; Akten; Arztbericht; Spital; Fest; Verfahren; …-Spital; Lasse
Rechtsnorm: Art. 134 StPO ; Art. 184 StPO ; Art. 221 StPO ; Art. 236 StPO ; Art. 45 StPO ; Art. 5 StPO ; Art. 56a StGB ; Art. 6 StPO ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2. Aufl., Zürich, Art. 56 StGB, 2013
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: UB130169-O/U/BUT

Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. Th. Meyer, Präsident, lic. iur. W. Meyer und der Ersatzoberrichter lic. iur. A. Schärer sowie der Gerichtsschreiber Dr. iur. J. Hürlimann

Beschluss vom 9. Januar 2014

in Sachen

  1. ,

    Beschwerdeführer

    amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Dr. iur. X.

    gegen

    Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland,

    Beschwerdegegnerin

    betreffend Entlassung aus dem vorzeitigen Strafvollzug

    Beschwerde gegen die Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts des Bezirks Bülach vom 13. Dezember 2013, GH130208-C

    Erwägungen:

    1. a) Der Beschwerdeführer ist britischer Staatsangehöriger. Er reiste am 29. November 2012 von Sao Paulo kommend am Flughafen Zürich-Flughafen ein, wobei er beabsichtigte, nach Brüssel weiterzufliegen (Transit). Im seinem Körper führte er 99 Fingerlinge mit Kokaingemisch mit. Das Zwangsmassnahmengericht Bülach versetzte ihn mit Verfügung vom 30. November 2012 in Untersuchungshaft

      (Urk. 13/17/9). Mit Verfügung vom 16. Januar 2013 bewilligte die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland dem Beschwerdeführer den vorzeitigen Strafvollzug. Dies wurde damit begründet, die Untersuchung stehe kurz vor Abschluss, der Beschwerdeführer sei geständig, es bestehe keine Kollusionsgefahr mehr und es sei mit der Ausfällung einer teilbedingten Freiheitsstrafe zu rechnen, wobei eine Bestrafung mit total 28 Monaten, davon 10 Monate unbedingt und der Rest bedingt, im Rahmen des abgekürzten Verfahrens vorgeschlagen werde (Urk. 13/17/10).

      Am 12. Februar 2013 erhob die Staatsanwaltschaft beim Bezirksgericht Bülach Anklage im abgekürzten Verfahren mit dem Urteilsvorschlag, der Beschwerdefüh- rer sei des vorsätzlichen Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig zu sprechen und im bereits genannten Umfang (mit einer Probezeit von zwei Jahren für den bedingt aufgeschobenen Teil der Freiheitsstrafe) zu bestrafen (Urk. 13/21). Am 5. April 2013, noch vor der auf den 8. Mai 2013 angesetzten Hauptverhandlung, wurde der Beschwerdeführer infolge kritischer psychischer Verfassung in die Bewachungsstation des -Spitals B. verlegt (Urk. 26). Der amtliche Verteidiger machte in der Folge mit Eingabe vom 19. April 2013 geltend, der Beschwerdeführer, der sich inzwischen wieder im Gefängnis C. aufhalte, sei auch nach Einschätzung des Gefängnisdirektors eine Person mit schweren psychischen Störungen, weshalb sich die Frage einer generellen Schuldunfähigkeit stelle. Der Verteidiger beantragte, den Beschwerdeführer psychiatrisch abklären zu lassen, und behielt sich vor, die Zustimmung zum Urteilsvorschlag zurückzuziehen und einen Freispruch zu verlangen (Urk. 13/28).

      Mit Beschluss vom 8. Mai 2013, nach durchgeführter Hauptverhandlung, wies das Bezirksgericht die Akten zur Durchführung eines ordentlichen Vorverfahrens an

      die Staatsanwaltschaft zurück, da die Voraussetzungen des abgekürzten Verfahrens dahingefallen seien (Urk. 13/38/2).

      Der Verteidiger stellte am 12. Juli 2013 ein Haftentlassungsgesuch (Urk. 13/40/1), welches vom Zwangsmassnahmengericht Bülach mit Verfügung vom 26. Juli 2013 abgewiesen wurde (Urk. 13/40/6 = Urk. 13/40/7/13). Die III. Strafkammer des Obergerichts wies mit Beschluss vom 14. August 2013 eine gegen die genannte Verfügung erhobene Beschwerde ab, soweit sie auf diese eintrat

      (Urk. 13/40/7/20). Das Bundesgericht wies mit Urteil vom 27. September 2013 eine gegen den obergerichtlichen Beschluss erhobene Beschwerde ab, soweit es auf diese eintrat (Urk. 13/40/7/21).

      Mit Schreiben vom 8. Oktober 2013 erteilte die Staatsanwaltschaft Dr. D. den Auftrag zur psychiatrischen Begutachtung des Beschwerdeführers

      (Urk. 13/41/5), nachdem sie bereits zuvor einen Arztbericht des PsychiatrischPsychologischen Dienstes des Amtes für Justizvollzug (erstattet am 11. September 2013, Urk. 13/41/2) eingeholt hatte. Das psychiatrische Gutachten ist noch ausstehend.

      1. Mit Eingabe vom 3. Dezember 2013 stellte der Verteidiger ein weiteres Haftentlassungsgesuch (Urk. 12/1). Die Staatsanwaltschaft beantragte am 4. Dezember 2013 dessen Abweisung (Urk. 12/2). Mit Verfügung vom 13. Dezember 2013 wies das Zwangsmassnahmengericht Bülach das Gesuch ab (Urk. 12/12 = Urk. 4). Der Beschwerdeführer lies durch seinen Verteidiger Beschwerde gegen die genannte Verfügung erheben und beantragen, er sei unverzüglich aus der Haft zu entlassen (Urk. 2). Die Staatsanwaltschaft und das Zwangsmassnahmengericht verzichteten auf eine Vernehmlassung (Urk. 98 und. 11). Am 7. Januar 2014 erfolgte eine weitere, unverlangte Eingabe des Verteidigers, in welcher er über einen am gleichen Tag erfolgten Besuch beim Beschwerdeführer berichtete (Urk. 15).

    2. Soweit es um den Schutz des Beschuldigten vor ungerechtfertigter Freiheitsentziehung geht, finden auch während des vorzeitigen Strafvollzugs die Regeln über die Untersuchungshaft Anwendung (Matthias Härri, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Basel 2011, N 20 zu Art. 236 StPO).

      Allgemeine Voraussetzung der Zulässigkeit der Untersuchungshaft ist, dass der Beschuldigte eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt ist

      (Art. 221 Abs. 1 StPO). Der Beschwerdeführer ist geständig, Kokain in grösserer Menge in die Schweiz eingeführt bzw. versucht zu haben, dieses über den Flughafen Zürich-Kloten zu transportieren. Damit liegt unbestrittenermassen der dringende Tatverdacht der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz vor (siehe auch angefochtener Entscheid, Urk. 4 S. 6 Erw. 5.1).

      Der Beschwerdeführer gab in der Anhörung durch das Zwangsmassnahmengericht an, er werde im Fall seiner Entlassung nach England zurückkehren und habe keinen Bezug zur Schweiz (Urk.12 Pro. S. 9 f.). Das Zwangsmassnahmengericht nimmt deshalb zu Recht Fluchtgefahr an (Urk. 4 S. 6 Erw. 5.2). Der Verteidiger anerkannte diese in der Anhörung durch das Zwangsmassnahmengericht ausdrücklich (Urk. 12 Prot. S. 13). Auch in der Beschwerdeschrift (Urk. 2) lässt der Beschwerdeführer an keiner Stelle den besonderen Haftgrund der Fluchtgefahr (Art. 221 Abs. 1 lit. a StPO) bestreiten.

      Somit sind die Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft bzw. vorliegend des vorzeitigen Strafvollzugs, der allgemeine und ein besonderer Haftgrund, grundsätzlich gegeben. Zu prüfen ist weiter, ob diese Aufrechterhaltung noch verhältnismässig sei.

      Die Beschwerdeschrift des Verteidigers ist recht umfangreich. Die darin enthaltenen Ausführungen wurden vom Gericht zur Kenntnis genommen. Es wird in der Folge auf diese eingegangen, soweit sie für den Entscheid von Belang sind.

    3. a/aa) Das Zwangsmassnahmengericht hält mit Bezug auf die geltend gemachte Verletzung des Beschleunigungsgebots fest, die Verteidigung bringe teilweise dasselbe vor, was bereits im letzten Haftentlassungsgesuch vorgebracht worden sei, namentlich dass die Staatsanwaltschaft mit der Abklärung des psychischen Zustands des Beschwerdeführers und mit der Beschaffung von aus dem Ausland beizuziehenden Urteilen zu lange zugewartet habe bzw. nicht schnell genug arbeite. Es verweist auf seine Verfügung vom 26. Juli 2013, worin es festgehalten hatte, der Beizug von Urteilen auf dem Rechtshilfeweg sei kompliziert und dauere

      eine gewisse Zeit. Das damalige Versäumnis, sofort einen Bericht über den Vorfall im Gefängnis einzuholen, sei bei weitem nicht gravierend genug gewesen, um eine Haftentlassung zu rechtfertigen. Zudem sei diese Verzögerung bereits mittels Weisung an die Staatsanwaltschaft in der Verfügung vom 26. Juli 2013 korrigiert worden. Dieser Weisung sei die Staatsanwaltschaft am 29. Juli 2013, also unverzüglich, nachgekommen. Der Arztbericht sei am 11. September 2013 eingegangen (Urk. 13/41/2). Wünschenswert wäre gewesen, in dieser Zeit den zuständigen Gefängnisarzt erneut zur zügigen Erledigung der Anfrage zu ermahnen. Allerdings sei auch diese Verspätung nicht gravierend genug, um im Nachhinein eine Entlassung des Beschwerdeführers zu rechtfertigen. Entgegen der Darstellung der Verteidigung stelle der Arztbericht kein Gutachten, sondern lediglich einen Bericht über den Vorfall im Gefängnis sowie eine erste Einschätzung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers dar. Der Bericht halte lediglich fest, dass beim Beschwerdeführer in der Folge eine bipolare Störung diagnostiziert worden sei. Insbesondere die Frage der Schuldfähigkeit sei weder abgeklärt noch beantwortet worden. Auch vom Umfang her könne der Arztbericht bloss als erste Einschätzung verstanden werden. Da sich andererseits aus dem Bericht Hinweise auf eine psychische Krankheit des Beschwerdeführers ergäben, sei die Staatsanwaltschaft gehalten gewesen, diesbezüglich eine vollständige Begutachtung in die Wege zu leiten, was sie nach dem Entscheid des Bundesgerichts am 8. Oktober 2013 auch tat. Weder dieses Vorgehen noch die aufgewendete Zeit stellten eine Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes dar, zumal zunächst die Rücksendung der Verfahrensakten habe abgewartet werden müssen, um den Gutachterauftrag erteilen zu können. Eine vorgesehene Begutachtungsdauer bis und mit Januar 2014 sei angemessen (Urk. 4 S. 7 f. Erw. 6.1.2 - 6.1.4).

      Der Verteidiger hält die Ansicht des Zwangsmassnahmengerichts, es handle sich beim Arztbericht vom 11. September 2013 nicht um ein Gutachten, sondern nur um eine erste Einschätzung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers, für sachlich falsch und aktenwidrig. Der Arztbericht beziehe sich auf die Diagnose des -Spitals B. , welche die Diagnose der Gefängnisärzte bestätige. Beim Beschwerdeführer habe beim Vorfall, der zur Verlegung nach B. geführt habe, eine rezidivierende Episode vorgelegen. Er habe manische und depressive

      Episoden. Das I -Spital habe bestätigt, dass der Beschwerdeführer damals eine manische Episode mit psychotischen Symptomen bei einer bekannten bipolar affektiven Störung gehabt habe. Entgegen dem Zwangsmassnahmengericht beziehe sich somit der Bericht der Gefängnisärzte vom 11. September 2013 auf eine umfassende Diagnose des -Spitals B. . Frau Dr. med E. (die Ehefrau des Verteidigers) beschreibe mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 (an den Verteidiger, Urk. 3/5) die Krankheit und die Schübe, die sie kennzeichnen. Dem Arztbericht vom 11. September 2013 lasse sich nichts entnehmen, was auf eine erstmalige Episode schliessen lasse. Der Beschwerdeführer habe seine bisherige Therapie mit Lithium angegeben. Es handle sich dabei um das Medikament der ersten Wahl, jedenfalls vor zehn Jahren. Somit sei erstellt, dass er zum Tatzeitpunkt bereits eine bipolare Störung aufgewiesen habe. Alle seine Taten, sein Alkoholund Drogenmissbrauch seien immer nur kurzfristig aufgetreten, somit wäh- rend Episoden. Nach der Behandlung in B. habe er sich im Gefängnis

      1. mustergültig verhalten. All dies belege, dass der intelligente Beschwerdeführer alle vorgeworfenen Taten während einer manischen bzw. depressiven Episode begangen habe (Urk. 2 S. 24 f. Ziff. 31).

        bb) Die Vorbringen des Verteidigers widerlegen die Feststellung des Zwangsmassnahmengerichts nicht, wonach die Frage der Schuldfähigkeit im Arztbericht vom 11. September 2013 weder abgeklärt noch beantwortet worden sei. Gegenstand des knapp drei Seiten umfassenden Arztberichtes waren der körperliche und geistige Zustand bei Eintritt ins Gefängnis und im Zeitpunkt der Berichterstattung sowie die Frage, ob der Beschwerdeführer heute in der Lage sei, einer Verhandlung vor der Staatsanwaltschaft und dem Gericht zu folgen (Urk. 13/41/2). Die Frage nach der Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers wurde weder aufgeworfen noch beantwortet.

        Die Diagnose einer bipolaren Störung des Beschwerdeführers durch die Gefängnisärzte und die Ärzte des -Spitals vermag auch in Verbindung mit allgemeinen Ausführungen der medizinisch gebildeten Ehefrau des Verteidigers zu solchen Störungen nicht eine Begutachtung ersetzen. Nachdem die Gefängnisärzte und die Ärzte des -Spitals eine psychische Erkrankung des Beschwerdeführers

        feststellten und überdies die Verteidigung eben wegen dieser Störungen auf fehlende Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers schliesst, kam die Staatsanwaltschaft nicht umhin, diesbezüglich ein Gutachten in Auftrag zu geben. Soweit ist die Rüge der Verletzung des Beschleunigungsgebots unberechtigt.

        b/aa) Was den Beizug des Urteils aus Frankreich angeht, hält das Zwangsmassnahmengericht fest, auch diesbezüglich könnten der Staatsanwaltschaft keine Vorwürfe gemacht werden. Nach einem ersten Rechtshilfegesuch am 1. Juli 2013 sei am 26. November 2013 ein neues Gesuch gestellt worden. Die Zeit, welche auf eine Beantwortung des ersten Gesuchs gewartet worden sei, sei angemessen. Dass keine Beantwortung erfolgt sei, könne der Staatsanwaltschaft nicht angelastet werden. Schliesslich erwähne die Staatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme, dass dem Urteil aus Frankreich vorliegend keine entscheidende Bedeutung beikomme, weshalb das Verfahren gegebenenfalls ohne dieses fortgesetzt werde. Da aber ohnehin zunächst das Ergebnis der Begutachtung des Beschwerdeführers abgewartet werden müsse, komme dieser Frage vorerst kaum eine Bedeutung zu (Urk. 4 S. 8 Erw. 6.1.5).

        Der Verteidiger bringt vor, das Zwangsmassnahmengericht erkläre in der genannten Erwägung 6.1.5 seiner Verfügung nicht, warum zuerst die Urteile aus Frankreich und Deutschland abzuwarten gewesen seien, bis eine medizinische Begutachtung überhaupt in Erwägung zu ziehen wäre, dann doch eine medizinische Begutachtung in die Wege geleitet werden soll und schliesslich die Strategie erneut geändert worden sei, indem die Relevanz des französischen Urteils verneint worden sei. Zwar seien diese Strategiewechsel auf die Eingaben der Verteidigung in beiden Haftentlassungsverfahren zurückzuführen, indes liege ein schweres Verschulden der Staatsanwaltschaft und eine Vernachlässigung ihrer Pflicht gemäss Art. 6 StPO (Untersuchungsgrundsatz) vor, weil sie die psychiatrische Hospitalisierung nicht zum sofortigen Anlass für eine Begutachtung genommen habe. Eine weitere schwere Verletzung des Beschleunigungsgebots liege vor, weil acht Monate nach der Hospitalisierung in B. noch immer nicht die Krankengeschichte von B. vorliege. Diese sei gewiss einfacher und rascher zu beschaffen als ein Urteil in Französisch-Guyana. Indem das Zwangsmassnahmengericht darauf mit keinem Wort eingehe, übersehe es, dass das Beschleunigungsgebot gemäss Art. 45 Abs. 2 StPO in schwerer Weise verletzt worden sei (Urk. 2 S. 25 f. Ziff. 31).

        bb) Der Verteidiger zeigt nicht auf, dass die Annahmen des Zwangsmassnahmengerichts in zeitlicher Hinsicht, was den gescheiterten ersten Versuch, auf dem Rechtshilfeweg ein gegen den Beschwerdeführer in Französisch-Guyana (franzö- sische Überseeprovinz in Südamerika) ergangenes Urteil zu beschaffen, und die Wiederholung des Rechtshilfegesuchs betrifft, fehlerhaft bzw. nicht angemessen seien. Vielmehr räumt er sinngemäss ein, ein Urteil in Französisch-Guyana lasse sich nicht so rasch und einfach (wie eine Krankengeschichte in B. ) beschaffen.

        Dass die Staatsanwaltschaft zunächst einen Bericht der Gefängnisärzte über den Vorfall vom 5. April 2013 einholte, bevor sie ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag gab, ist nicht zu beanstanden. Die Erstellung eines Gutachtens stellt eine Belastung des Exploranden dar, ist kostspielig und zeitaufwändig. Das Gebot der Verhältnismässigkeit gebietet eine vorgängige Prüfung, ob ein solches Gutachten nötig sei. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer hospitalisiert werden musste, lässt für sich allein nicht darauf schliessen, dass das zur Hospitalisierung führende Leiden dauernder Natur sei und insbesondere geeignet sei, für die Frage der Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Gegenstand des Strafverfahrens bildende Tat von Belang zu sein.

        Die Einholung einer vollständigen Krankengeschichte stellt einen starken Eingriff in die persönliche Sphäre des Patienten und ins Arztgeheimnis dar. Wenn die Staatsanwaltschaft einen Bericht der Gefängnisärzte und hernach ein Gutachten einholt und es damit den Ärzten überlässt, ob und wie weit sie auf die Krankengeschichte des -Spitals B. zurückgreifen und diese im dazu notwendigen Umfang auszugsweise wiedergeben wollen, handelt sie verhältnismässig. Die Nichtanforderung der Krankengeschichte stellt in diesem Sinne weder einen Verstoss gegen das Beschleunigungsgebot (Art. 5 StPO) noch gegen den Untersuchungsgrundsatz (Art. 6 StPO) dar.

        1. Zusammenfassend ist mit dem Zwangsmassnahmengericht festzuhalten, dass seit Erlass der Verfügung vom 26. Juli 2013 im vorangegangenen Haftprüfungsverfahren keine ungebührliche Verzögerung des Verfahrens und jedenfalls nicht eine so schwerwiegende, dass eine Haftentlassung angemessen wäre, vorliegt (Urk. 4 S. 8 f. Erw. 6.1.6). Die Rüge der Verletzung des Beschleunigungsgebots ist damit unbegründet.

    4. a) Aus einer Aktennotiz vom 8. Oktober 2013 ergibt sich, dass die Staatsanwaltschaft sieben mögliche Gutachter anfragte, wovon zwei zur Zeit keine Aufträ- ge annehmen und fünf sich in der Lage sehen, ein Gutachten bis Ende Dezember 2013 bzw. bis Ende Februar 2014 zu erstellen (Urk. 13/41/4). Gleichentags erteilte die Staatsanwaltschaft Dr. med. D. , Zürich, den Gutachtensauftrag

      (Urk. 13/41/5). Gemäss der genannten Aktennotiz sollte Dr. med. D. in der Lage sein, das Gutachten bis Ende Januar 2014 zu erstellen. Ein Doppel des Gutachtensauftrags ging unter anderem an den Verteidiger mit dem Hinweis, er (bzw. der Beschwerdeführer) sei berechtigt, sich gegenüber der Staatsanwaltschaft innert 10 Tagen zur sachverständigen Person und zu den Fragen zu äussern und dazu eigene Anträge zu stellen (siehe Verteiler S. 5 unten. Am 10. Oktober 2013 reichte der Verteidiger eine Stellungnahme zur in Auftrag gegebenen Begutachtung des Beschwerdeführers samt zahlreichen Beilagen ein, worin er gegen verschiedene der in der genannten Aktennotiz angeführten Gutachter Einwände erhebt. Mit Bezug auf Dr. med. D. und zwei weitere mögliche Gutachter hält der Verteidiger fest, über diese habe er sich noch nicht sachkundig machen können. Sollte einer dieser in die engere Wahl kommen, so sei der Verteidiger vorgängig zu orientieren und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Verteidiger wünschte Auskünfte über Lebenslauf, Anstellungen, Beziehungen zum Zürcher Amt für Justizvollzug und Häufigkeit der Beauftragung durch die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland (Urk. 13/41/8 S. 6). Die Staatsanwaltschaft hielt mit Schreiben vom 28. Oktober 2013 an den Verteidiger und damit nach Ablauf der diesem im Verteiler des Gutachtenauftrags angesetzten zehntä- gigen Frist fest, in der Stellungnahme des Verteidigers vom 10. Oktober 2013 fänden sich keine Ablehnungsgründe gegen den Gutachter Dr. med. D. , so

      dass davon auszugehen sei, dass gegen diesen Gutachter nichts einzuwenden sei und er seinem Auftrag weiter nachgehen könne (Urk. 13/41/9 S. 2).

      Das Zwangsmassnahmengericht hält fest, der Verteidiger mache Mängel bei der Bestellung des Gutachtens bzw. bei der Ernennung des Gutachters geltend, ohne jedoch substantiiert auszuführen, was er daraus für das vorliegende Haftverfahren ableiten wolle (Urk. 4 S. 9 Erw. 6.2.1). In der Folge befasst sich das Zwangsmassnahmengericht mit einzelnen Aspekten des Ablaufs der Ernennung des Gutachters (S. 9 f. Erw. 6.2.2 - 6.2.5). Es hält unter anderem fest, gemäss Art. 184 Abs. 3 StPO hätte die Staatsanwaltschaft dem Beschwerdeführer vor der Ernennung des Gutachters Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen. Entgegen der Ansicht des Verteidigers genüge dafür aber die Bekanntgabe des Namens des vorgesehenen Gutachters sowie der vorgesehenen Fragen. Ein Anspruch des Beschuldigten, einen Lebenslauf und umfangreiche Informationen zu früheren Tätigkeiten des Gutachters geliefert zu erhalten, bestehe aber, entgegen der Ansicht des Verteidigers, nicht. Vielmehr obliege es diesem, sich soweit nötig über den vorgesehenen Gutachter zu informieren (z.B. im Internet oder durch eine direkte Anfrage beim Gutachter). In materieller Hinsicht habe der Verteidiger die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit gehabt, sich zum Gutachter zu äussern und etwaige Ablehnungsgründe geltend zu machen. Dies habe er bis heute nicht getan. Es sei auch kein Wiedererwägungsgesuch und keine Beschwerde gegen die Ernennung des Gutachters erhoben worden. Dass das Vorgehen der Staatsanwaltschaft in formeller Hinsicht nicht ganz korrekt gewesen sei (keine Staffelung zwischen Stellungnahme und Erteilung des Auftrags), sei deshalb im heutigen Zeitpunkt kaum mehr von Bedeutung und jedenfalls für die Beurteilung des Haftentlassungsgesuchs irrelevant. Das Zwangsmassnahmengericht schliesst, es sei nicht ersichtlich, welche heute noch relevanten Mängel bei der Erteilung des Gutachterauftrags bestehen sollen. Für das Haftverfahren ergäbe sich jedenfalls nichts zu Gunsten des Beschwerdeführers.

      1. Der Verteidiger hält dafür, das Zwangsmassnahmengericht übersehe, dass das Ausstandsund Befangenheitsrecht unverzügliches Handeln erfordere. Die Verweigerung der erbetenen Auskünfte über Dr. med. D. werde vom Zwangsmassnahmengericht gar als Anlass genommen, eine Genehmigungsfiktion zu fingieren. Dies sei im Lichte des Befangenheitsrechts falsch. Dass mit einer Aktennotiz alternative Gutachter benannt und gleichzeitig Dr. D. beauftragt werde, sollte offensichtlich der Irreleitung der Verteidigung dienen. Dass der Verteidiger zu einzelnen noch nicht beauftragten und von der Staatsanwaltschaft vorgeschlagenen Gutachtern Stellung genommen habe, gebiete das Befangenheitsrecht mit der Forderung, unverzüglich zu handeln. Das Vorgehen des Verteidigers, Ausstandsgründe rasch vorzutragen und mit umfangreichen Belegen einzureichen, sei geboten gewesen, da unklar gewesen sei, ob Dr. med. D. den Auftrag mittels Rechtsmittel anfechte (Urk. 2 S. 26 Ziff. 32).

        Aus dem Gutachtenauftrag vom 8. Oktober 2013 geht klar hervor, dass dieser an Dr. med. D. erteilt wurde. Von einer beabsichtigten Irreleitung des Verteidigers kann keine Rede sein. Allenfalls hätten substantiierte Einwände des Beschwerdeführers bzw. des Verteidigers gegen den Gutachter innert der angesetzten zehntägigen Frist zu einem Widerruf des Auftrags geführt. Es wäre also Sache des Verteidigers gewesen, in erster Linie allfällige Einwände gegen Dr. med. D. vorzutragen. Die angebrachten Einwände gegen andere in der Aktennotiz vom 8. Oktober 2013 angeführte mögliche Gutachter wären erst zum Tragen gekommen, wenn der Gutachtensauftrag Dr. med. D. wieder entzogen worden wäre. Es wäre wohl wünschenswert gewesen, wenn die Staatsanwaltschaft nach Eingang der Eingabe des Verteidigers vom 10. Oktober 2013 und dessen Mitteilung, dass es ihm noch nicht gelungen sei, Erkundigungen über Dr. med.

        1. einzuholen, nicht bis zum 28. Oktober 2013 mit einer Antwort zugewartet hätte, sondern rasch und kurz dem Verteidiger mitgeteilt hätte, was sie bewogen habe, Dr. med. D. als Gutachter in Betracht zu ziehen und ihn letztlich zu beauftragen. Dies ändert aber nichts daran, dass es Sache des Verteidigers gewesen wäre, die verbleibende Zeit der angesetzten zehntägigen Frist zu nutzen, um sich soweit nötig über den eingesetzten Gutachter zu orientieren. Es bleibt somit bei der Richtigkeit der Feststellung des Zwangsmassnahmengerichts, dass der Verteidiger keine Ablehnungsgründe geltend gemacht, kein Wiedererwä- gungsgesuch gestellt und keine Beschwerde gegen die Ernennung des Gutachters erhoben hat. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Umstände der Beauftra-

        gung von Dr. med. D. als Gutachter für die Frage einer allfälligen Entlassung des Beschwerdeführers aus dem vorzeitigen Strafvollzug von Bedeutung sein soll.

      2. Der Verteidiger bringt in diesem Zusammenhang weiter vor, der Beschwerdeführer habe in der Anhörung durch das Zwangsmassnahmengericht erklärt, Dr. med. D. zweifle an seinen Aussagen gegenüber den Strafuntersuchungsbehörden und Gerichten und überprüfe sie durch immer wieder neues Nachfragen. Dieses Vorgehen scheine zu belegen, dass Dr. med. D. nicht von den Akten, insbesondere der vom Gefängnisarzt und vom -Spital B. bereits erstellten bipolar affektiven Störung ausgehe und diese bereits von mehreren Medizinern erstellte Diagnose in Zweifel ziehe. Dies dürfte zu weiteren unnötigen Verzögerungen führen. Würde Dr. med. D. sich mit der bereits erstellten Diagnose der bipolar affektiven Störung und der Anlasstat auseinandersetzen, dass der schwere Alkoholund Drogenmissbrauch zeitlich mit dem wirtschaftlichen Niedergang des Beschwerdeführers in Übereinstimmung stehe, wie die abstrakten Antworten von Dr. med. E. , die mit Psychiatrielehrbüchern belegbar seien, aufzeigten. Er müsste auch erkennen, dass das Verschlucken von 100 Fingerlingen mit der bipolaren Störung in Zusammenhang stehe. Somit sei bereits jetzt absehbar, dass das Gutachten von Dr. med. D. zumindest unnötige Überprüfungen enthalte und zu sinnlosen Verzögerungen führe (Urk.2 S. 27

      Ziff. 33).

      Der Gutachter hat nicht unbesehen die Fachmeinung der Ärzte des Gefängnisses und des -Spitals und auch nicht diejenige der medizinisch gebildeten Ehefrau des Verteidigers zu übernehmen, sondern sein Gutachten auf eigene Überzeugung und eigene Erkenntnisse zu gründen. Hierzu stehen ihm die Verfahrensakten samt früheren Arztberichten zur Verfügung, jedoch auch das Gespräch mit dem Beschuldigten. Es lässt sich kaum vermeiden, dass der Sachverständige Fragen stellt, welche bereits Gegenstand früherer ärztlicher Abklärungen oder von Untersuchungshandlungen im Strafverfahren bildeten. Dass der Gutachter dem Beschwerdeführer Fragen stellt, deren Sinn diesem und seinem Verteidiger nicht klar sind bzw. die diese als unnötige Wiederholung empfinden, bedeutet noch

      nicht, dass das Strafverfahren sinnlos verzögert wird. Im Haftprüfungsverfahren ist im Übrigen auch nicht das Ergebnis der Begutachtung vorwegzunehmen. Anhaltspunkte für eine unnötige und derart gravierende Verzögerung des Strafverfahrens durch die Begutachtung, dass sich eine Entlassung aus der Haft aufdrän- gen würde, sind nicht ersichtlich.

    5. a) Zur Frage der Überhaft hält das Zwangsmassnahmengericht unter Hinweis auf die Erwägungen in seiner Verfügung vom 26. Juli 2013 fest, dass die Verhältnismässigkeit der Haftdauer anhand der Gesamtdauer des zu erwartenden Freiheitsentzugs zu prüfen sei, worunter auch allfällige freiheitsentziehende Massnahmen fielen. Die Möglichkeit einer teilbedingten Strafe sei nur in Ausnahmefäl- len zu berücksichtigen, wenn sich diese bereits konkret abzeichne. Ein solcher Ausnahmefall liege nicht vor, da der Urteilsvorschlag durch die Rückweisung des Verfahrens hinfällig geworden sei und das zuständige Sachgericht zudem Zweifel an der Angemessenheit der vorgeschlagenen Strafe geäussert habe. Aufgrund der eingeführten Drogenmenge und der einschlägigen Vorstrafen drohe dem Beschwerdeführer eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren, wenn er schuldfä- hig sei. Wenn er hingegen vollständig schuldunfähig sein sollte, müsste davon ausgegangen werden, dass allein seine psychische Erkrankung ihn dazu gebracht habe, in sorgfältig geplanter Weise einen Drogentransport durchzuführen. Die Erkrankung wäre in diesem Fall aller Voraussicht nach gravierender Natur, so dass eine stationäre Massnahme geprüft werden müsste, deren Dauer die Dauer einer gegebenenfalls zu erwartenden Haftstrafe wohl mindestens aufwiegen wür- de. Auch in diesem Fall wäre die Verhältnismässigkeit zwischen Haftdauer und zu erwartendem Freiheitsentzug gegeben.

Das Zwangsmassnahmengericht hält weiter dafür, dass eine Schuldunfähigkeit des Beschwerdeführers im heutigen Zeitpunkt als eher unwahrscheinlich erscheine. Der vorliegende Arztbericht äussere sich nicht dazu, sondern halte lediglich fest, der Beschwerdeführer leide an einer bipolaren Störung. Eine solche sei eine Krankheit, bei der die betroffene Person extreme Stimmungsschwankungen erleide. Wie sich diese im Fall des Beschuldigten ausgewirkt hätten, werde erst die fachmännische Einschätzung durch den Gutachter ergeben. Bis dahin sei aufgrund dessen, was allgemein über bipolare Störungen bekannt sei, zwar durchaus denkbar, dass eine solche einen Einfluss auf das Verhalten der betroffenen Person habe. Fälle, in denen die Erkrankung dermassen schwer sei, dass dem Patienten die Schuldfähigkeit abgesprochen werden müsse, seien jedoch eher schwer vorstellbar und dürften die Ausnahme sein. Auch im vorliegenden Fall dränge sich dieser Schluss, entgegen der Darstellung des Verteidigers, nicht auf. Der Beschwerdeführer habe den Drogentransport fachmännisch, nach einiger Vorbereitungszeit und aufgrund eines nachvollziehbaren Motivs (Geld bzw. Angst vor Gläubigern) durchgeführt. Der Verteidiger erwähne jeweils bloss, dass eine ungeübte Person nicht 99 Fingerlinge schlucken könne, eine Person mit bipolarer Störung aber schon. Unter der Annahme, der Beschwerdeführer habe keine Erfahrung mit dem Schlucken von Fingerlingen (was mit Blick auf die Vorstrafen und seine Reisetätigkeit angezweifelt werden könne), wäre aufgrund dieser Darstellung lediglich anzunehmen, die Krankheit des Beschwerdeführers haben diesem bei der Ausführung der Tat geholfen. Weshalb der Entschluss zur Tat nicht aufgrund rationaler Motive gefallen sein sollte, erschliesse sich daraus nicht. Auch der Vorfall im Gefängnis lasse nicht auf eine so schwere Erkrankung schliessen, dass eine Schuldunfähigkeit wahrscheinlich erscheine. Der Beschwerdeführer habe nachvollziehbar geschildert, dass er sich über das Verhalten seines Zellengenossen aufgeregt habe und nach einer längeren Zeit der Toleranz ausgeflippt sei. Grund dieses Ausflippens scheine somit nach heutigem Wissensstand eher ein normaler Konflikt zwischen Zellengenossen verschiedener Kulturen als die bipolare Störung des Beschwerdeführers gewesen zu sein. Solange das Gutachten nicht zu einem anderen Schluss komme, sei somit eine Schuldunfähigkeit oder eingeschränkte Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers nicht naheliegend. Es liege somit keine Überhaft vor (Urk. 4 S. 10 - 12 Erw. 6.3.1 - 6.3.4).

  1. Der Verteidiger bringt vor, die Staatsanwaltschaft als Spezialistin im Strafrecht habe ausdrücklich einer teilbedingten Strafe zugestimmt. Anhaltspunkte, dass die Ausfällung einer teilbedingten Strafe nicht zulässig oder angebracht sei, habe das Bezirksgericht Bülach im abgekürzten Verfahren weder behauptet noch dargetan. Richtig sei lediglich, dass die Angemessenheit der vorgeschlagenen Strafe in Abrede gestellt worden sei. Damit sei aber das Mass und nicht die Frage, ob ein Teil

    der Strafe teilbedingt auszufällen sei, kritisiert worden. Der Beschwerdeführer habe eine gute Prognose, da er seine gesundheitlichen Probleme ohne Anregung der Verteidigung benannt habe und therapiewillig sei, was für ihn ein grosses Opfer bedeute. Gemäss Schreiben von Dr. med. E. (an den Verteidiger, ihren Ehemann) vom 17. Dezember 2013 schämten sich die bipolar Kranken für ihre Taten. Die Voraussetzungen für eine teilbedingte Strafe seien erfüllt (Urk. 2 S. 28 Ziff. 35).

    Das Zwangsmassnahmengericht stellt im angefochtenen Entscheid in keiner Weise fest, die Voraussetzungen für eine teilbedingte Strafe seien nicht erfüllt. Dar- über wird der Sachrichter zu befinden haben. Den Akten kann entnommen werden, dass das Bezirksgericht die Staatsanwältin zur Hauptverhandlung vom

    8. Mai 2013 im abgekürzten Verfahren obligatorisch vorlud, weil aufgrund einer ersten Durchsicht der Akten zweifelhaft sei, ob der gemeinsame Urteilsvorschlag genehmigt werden könne (Schreiben des Vizepräsidenten an den Verteidiger, Urk. 13/25/3). Ob sich diese Zweifel gegen das vorgeschlagene Strafmass oder gegen die Ausfällung einer teilbedingten Strafe richteten, ist nicht bekannt und kann offen bleiben, nachdem das Bezirksgericht die Sache zur Durchführung eines ordentlichen Vorverfahrens an die Staatsanwaltschaft zurückgewiesen hatte. Nach dieser Rückweisung ist die Frage der Sanktion und damit auch der allfälligen Ausfällung einer teilbedingten Freiheitsstrafe wieder offen. Es ist demnach nicht zu beanstanden, dass das Zwangsmassnahmengericht diese Möglichkeit bei der Prüfung, ob Überhaft vorliege, nicht berücksichtigte.

  2. Der Verteidiger rügt weiter, das Zwangsmassnahmengericht gehe im angefochtenen Entscheid von einem Alles oder nichts-Prinzip aus und stelle Überlegungen nur für die Fälle an, dass der Beschwerdeführer voll schuldfähig oder voll schuldunfähig sei. Dies sei rechtlich falsch und widerspreche der gängigen Praxis, wonach die Schuldunfähigkeit regelmässig gewichtet werde, in leichten, mittleren oder schweren Grad. Gemäss Art. 56a StGB sei zwingend das Erfordernis der Verhältnismässigkeit und der Subsidiarität bei Massnahmen zu beachten. Gemäss Schreiben von Dr. med. E. vom 17. Dezember 2013 lasse sich eine Therapie (Einstellung) mit einem heilenden Medikament möglicherweise im Ge-

fängnis bewerkstelligen, aber gewiss auch ausserhalb. Gemäss Trechsel/Pieth (Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2013, N 1 zu Art. 56a StGB) erfordere die Verhältnismässigkeit und der Grundsatz der Subsidiarität, dass den bessernden, das heisst resozialisierenden, vor den sichernden, das heisst nur isolierenden Massnahmen der Vorzug zu geben sei. Somit sei erstellt, dass dem Beschwerdeführer keine Massnahme drohe. Schliesslich gebe der Beschwerdeführer mehrfach und überzeugend an, bereits erfolgreich mit Lithium behandelt worden zu sein, dem Medikament erster Wahl zumindest vor zehn Jahren bei bipolarer Störung. Es bleibe unerfindlich, wie Überhaft auf derartige Art und Weise überhaupt in Abrede gestellt werden könne (Urk. 2 S. 28 f. Ziff. 36).

Der Verteidiger fährt fort, das Zwangsmassnahmengericht überantworte die Frage, wie die extreme Stimmungsschwankung, welche die bipolare Störung beim Beschwerdeführer auslöse, zu werten sei, der Einschätzung des Gutachters. Es kenne offensichtlich diese Krankheit nicht. Frau Dr. med. E. erkläre in ihrem Brief vom 17. Dezember 20132, dass diese zum Suizid führen könne, Gewaltausbrüche erkläre und irrationales Handeln wie groteske Selbstüberschätzung und völliges Übersteuern des Intellektes bewirken könne. Schliesslich übersehe das Zwangsmassnahmengericht, dass sämtliche Schilderungen, Vorstrafen, der kurzzeitige exzessive Alkoholund Drogenmissbrauch sich klar auf die bipolare Stö- rung zurückführen lassen. Das Zwangsmassnahmengericht überantworte einerseits dem Gutachter Fragen zur Schuldfähigkeit, schätze aber andererseits generell Schuldunfähigkeit als unwahrscheinlich ein. Dies sei ein Widerspruch (Urk. 2. S. 29 f. Ziff. 37).

Sodann bringt der Verteidiger vor, das Zwangsmassnahmengericht schliesse aus dem fachmännisch vorbereiteten Drogentransport, dass der Beschwerdeführer schuldfähig gewesen sei, da das Motiv (Geld, Angst vor Gläubiger) nachvollziehbar sei. Dabei übersehe es, dass die Vorbereitung des Drogentransports im Bauch des Beschwerdeführers von F. und dessen Gehilfen vorgenommen worden sei. Es übersehe weiter, dass die Krankheit bipolare Störung nicht zu einer Herabsetzung der intellektuellen Fähigkeiten führe. Vielmehr würden die intellektuellen Fähigkeiten übersteuert durch die diagnostizierte affektive Störung als Ausfluss der bipolaren Störung. Weiter übersehe das Zwangsmassnahmengericht, dass der Beschwerdeführer glaubhaft angegeben habe, in Guyana in Statuen (Souvenirgegenständen) Kokain transportiert zu haben. Dem deutschen Urteil, in dem es ebenfalls um Drogenkurierdienste gegangen sei, könne nichts über das Verschlucken von Drogen entnommen werden. Indem das Zwangsmassnahmengericht das Ausflippen des Beschwerdeführers, das zur Verbringung ins - Spital geführt habe, für ein Ende der Toleranz gegenüber einem Zellengenossen halte, setze es sich in Widerspruch zur übereinstimmenden Diagnose der Gefängnisärzte und des -Spitals, die den damaligen Zustand des Beschwerdefüh- rers als manische Episode mit psychotischen Symptomen diagnostiziert hätten. Die Krisenintervention sei erfolgreich durch eine neue Medikamentation gemeistert worden, so dass der Beschwerdeführer habe ins Gleichgewicht gebracht werden können. Diese neue Medikation sei erfolgreich gewesen, da es nicht mehr zu rezidiven Krankheitsschüben gekommen sei (Urk. 2 S. 30 f. Ziff. 38).

Im Haftprüfungsverfahren sind die Ergebnisse der Begutachtung und die tatsächlichen und rechtlichen Schlüsse, die sich daraus ergeben, nicht vorweg zu nehmen. Zwar meldet das Zwangsmassnahmengericht Zweifel an der These des Verteidigers an, der Beschwerdeführer sei (ganz oder teilweise) schuldunfähig , hält jedoch ausdrücklich fest, eine solche Schuldunfähigkeit sei nicht naheliegend, solange das Gutachten nicht zu einem anderen Schluss gelange. Es dürfte zutreffen, dass das Zwangsmassnahmengericht die volle Tragweite einer bipolaren Stö- rung nicht kennt. Dasselbe gilt für die Staatsanwaltschaft und die weiteren mit dem Fall befassten Gerichte, insbesondere für den Sachrichter, der letztlich über Schuld und Unschuld des Beschwerdeführers und über die diesen treffende Sanktion befinden wird. Deshalb holt die Staatsanwaltschaft ein Gutachten ein. Die Möglichkeit, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Tat voll oder mindestens in hohem Masse schuldfähig war und es somit zur Ausfällung einer der Schwere der Tat (grosse Menge der transportierten Drogen) und dem Vorleben (unter anderem einschlägige Vorstrafen wegen Drogendelikten, vgl. den deutschen Strafregisterauszug, Urk. 18/3) entsprechenden längeren Freiheitsstrafe kommen wird, ist nicht auszuschliessen. Der Beschwerdeführer ist seit seiner

Festnahme am 29. November 2012 und damit jetzt im vierzehnten Monat in Haft. Die Gefahr von Überhaft liegt damit noch nicht vor.

  1. Das Zwangsmassnahmengericht äusserte Zweifel an der Mandatsausübung des Verteidigers und stellte deshalb die angefochtene Verfügung zwecks Überprüfung im Sinne Art. 134 Abs. 2 StPO der Oberstaatsanwaltschaft zu (Urk. 4

    S. 13 f. Erw. 8.1 - 8.3). Im vorliegenden Beschwerdeverfahren ist nicht von einer ungenügenden Verteidigung auszugehen und es kann offen gelassen werden, ob der getätigte Aufwand verhältnismässig und die Verteidigungsstrategie zweckmässig sei. Deshalb ist auf die entsprechenden Vorbringen des Verteidigers (Urk. 2 S. 32 - 34 Ziff. 41 - 44) nicht weiter einzugehen.

  2. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen.

Die Regelung der Kostenund Entschädigungsfolgen hat im Endentscheid zu erfolgen. Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren ist zuhanden der das Strafverfahren abschliessenden Behörde in Beachtung der Bemessungskriterien von § 2 Abs. 1 lit. b-d GebV OG und gestützt auf § 17 Abs. 1 GebV OG auf

Fr. 1'500.-- festzusetzen.

Es wird beschlossen:

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

  2. Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf Fr. 1'500.-- festgesetzt.

  3. Die Regelung der Kostenauflage und allfälliger Entschädigungen wird dem Endentscheid vorbehalten.

  4. Schriftliche Mitteilung an:

    • den amtlichen Verteidiger, im Doppel für sich und zuhanden des Beschwerdeführers (per Gerichtsurkunde)

    • die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland, ad D-2/2012/8853, unter gleichzeitiger Rücksendung der beigezogenen Akten [Urk. 13] (gegen Empfangsbestätigung)

    • das Zwangsmassnahmengericht des Bezirks Bülach, ad GH130208, unter gleichzeitiger Rücksendung der beigezogenen Akten [Urk. 12] (gegen Empfangsbestätigung)

  5. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der Ersten öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne

14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Zürich, 9. Januar 2014

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Präsident:

lic. iur. Th. Meyer

Gerichtsschreiber:

Dr. iur. J. Hürlimann

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