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Urteil Kantonsgericht (GR)

Kopfdaten
Kanton:GR
Fallnummer:ZK1 2022 194
Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:
Kantonsgericht Entscheid ZK1 2022 194 vom 22.03.2023 (GR)
Datum:22.03.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:fürsorgerische Unterbringung
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdeführer; Unterbringung; Behandlung; Fürsorgerisch; Fürsorgerische; Psychotisch; Psychotische; Person; Störung; Verfahren; Beschwerdeführers; Betreuung; Kanton; Klinik; Massnahme; Kantons; Essen; Fürsorgerischen; Gericht; Kantonsgericht; Psychotischen; Verfahrens; Gezeigt; Verhalten; Medikation; Entscheid; Etzensberger; Psychische
Rechtsnorm: Art. 106 ZPO ; Art. 426 ZGB ; Art. 428 ZGB ; Art. 429 ZGB ; Art. 430 ZGB ; Art. 439 ZGB ; Art. 446 ZGB ; Art. 450 ZGB ; Art. 450a ZGB ; Art. 450b ZGB ; Art. 450e ZGB ; Art. 63 ZGB ; Art. 72 BGG ;
Referenz BGE:114 II 213; 140 III 101; 145 III 441; 148 III 1;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid
Entscheid vom 14. Dezember 2022
(Mit Urteil 5A_74/2023 vom 31. Januar 2023 ist das Bundesgericht auf eine gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde nicht eingetreten.)
Referenz ZK1 22 194
Instanz I. Zivilkammer
Besetzung Cavegn, Vorsitzender
Michael Dürst und Nydegger
Gabriel, Aktuarin ad hoc
Parteien A._____
Beschwerdeführer
Gegenstand fürsorgerische Unterbringung
Anfechtungsobj. ärztliche Einweisung vom 03.12.2022
Mitteilung 20. Dezember 2022


Sachverhalt
A. A._____, geboren am _____ 1987, wurde von Dr. med. B._____ mit Verfügung vom 3. Dezember 2022 für eine Dauer von sechs Wochen in die Klinik D._____ zur Behandlung fürsorgerisch untergebracht. Begründet wurde die ärztliche Einweisung mit dem Vorliegen eines psychotischen Erregungszustandes.
B. Gegen die fürsorgerische Unterbringung vom 3. Dezember 2022 erhob A._____ (nachfolgend: Beschwerdeführer) mit Eingabe vom 5. Dezember 2022 Beschwerde beim Kantonsgericht von Graubünden.
C. Am 6. Dezember 2022 ersuchte der Vorsitzende der I. Zivilkammer des Kantonsgerichts die Klinik D._____ unter Fristansetzung bis am Folgetag um einen kurzen Bericht zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers, zur Art der Behandlung und insbesondere darüber, inwiefern die Voraussetzungen für eine fürsorgerische Unterbringung aus ärztlicher Sicht gegeben seien. Ferner wurden die wesentlichen Klinikakten über den Beschwerdeführer angefordert. Mit gleichentags ergangenem Schreiben wurde der Beschwerdeführer zudem über die Kosten des Beschwerdeverfahrens belehrt.
D. Den angeforderten Bericht mitsamt den einschlägigen Akten reichte die Klinik D._____ am 7. Dezember 2022 dem Kantonsgericht ein. Mit der gleichentags ergangenen Verfügung wurde Dr. med. C._____, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, entsprechend Art. 450e Abs. 3 ZGB mit der Begutachtung des Beschwerdeführers beauftragt.
E. Das vom 11. Dezember 2022 datierende psychiatrische Kurgutachten wurde dem Kantonsgericht am 12. Dezember 2022 überbracht. Der Beschwerdeführer wurde mit gleichentags ergangener Verfügung zu der für den 14. Dezember 2022 anberaumten Hauptverhandlung vorgeladen.
F. Die mündliche Hauptverhandlung fand am 14. Dezember 2022 vor der I. Zivilkammer des Kantonsgerichts statt. Der Beschwerdeführer nahm an der Hauptverhandlung persönlich teil und wurde befragt.
G. Nach durchgeführter Urteilsberatung wurde das vorzeitige Entscheiddispositiv dem Beschwerdeführer sowie der Psychiatrischen Klinik D._____ noch am 14. Dezember 2022 zugestellt.


Erwägungen
1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist eine fürsorgerische Unterbringung (Art. 426 ff. ZGB). Das Kantonsgericht von Graubünden ist hierfür einzige kantonale Beschwerdeinstanz (Art. 439 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB i.V.m. Art. 60 Abs. 1 EGzZGB [BR 210.100]), womit es auch zur Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig ist. Die Frist zur Anrufung des Gerichts beträgt zehn Tage seit Mitteilung des Entscheids (Art. 439 Abs. 1 und 2 ZGB sowie Art. 450b Abs. 2 ZGB). Mit der unterzeichneten Eingabe vom 5. Dezember 2022 wurde besagte Frist gewahrt (act. 01). Auf die frist- und formgerecht anhängig gemachte Beschwerde ist demnach einzutreten.
2.1. Für das Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz finden bei einer fürsorgerischen Unterbringung gemäss Art. 439 Abs. 3 ZGB die Art. 450 ff. ZGB sinngemäss Anwendung. Ebenfalls zu beachten sind die in den Art. 443 ff. ZGB statuierten allgemeinen Verfahrensgrundsätze des erstinstanzlichen Verfahrens, die auch im Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz anwendbar sind, soweit das Gesetz in den Art. 450 ff. ZGB keine abweichenden Vorschriften aufstellt (Lorenz Droese, in: Geiser/Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 7. Aufl., Basel 2022, N 13 zu Art. 450 ZGB m.w.H.). Dies gilt namentlich für die in Art. 446 ZGB verankerte uneingeschränkte Untersuchungs- und Offizialmaxime (Abs. 1 und 3) und das an gleicher Stelle festgeschriebene Prinzip der Rechtsanwendung von Amtes wegen (Abs. 4). Diese Verfahrensgrundsätze sind auch auf die Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz anwendbar, wobei es im kantonalen Rechtsmittelverfahren zu punktuellen Einschränkungen kommt. So kommt etwa die Offizialmaxime nur im Rahmen des Anfechtungsobjektes zum Tragen (BGer 5A_532/2020 v. 22.7.2020 E. 2; Luca Maranta, in: Geiser/Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 7. Aufl., Basel 2022, N 1 f. sowie N 40 ff. zu Art. 446 ZGB). Aus Art. 450a ZGB ergibt sich schliesslich, dass das Gericht Tat- und Rechtsfragen wie auch die Angemessenheit frei überprüft.
2.2. Das Gesetz schreibt ausdrücklich vor, dass das Gericht aufgrund eines Gutachtens entscheiden muss, wenn die betroffene Person an einer psychischen Störung leidet (Art. 439 Abs. 3 ZGB i.V.m. Art. 450e Abs. 3 ZGB). Das Gutachten muss von einer unabhängigen, im laufenden Verfahren noch nicht involvierten sachverständigen Person erstellt werden. Es muss in dem Sinne aktuell sein, dass es sich zu den sich im gerichtlichen Verfahren stellenden Fragen äussert (BGE 148 III 1 E. 2.3.1; 143 III 189 E. 3.2 f.; Thomas Geiser/Mario Etzensberger, in: Geiser/Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 7. Aufl., Basel 2022, N 48 ff. zu Art. 439 ZGB; Thomas Geiser, in: Geiser/Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 7. Aufl., Basel 2022, N 19 zu Art. 450e ZGB).
Vorliegend wurde ein psychiatrisches Gutachten angeordnet. Das Kurzgutachten wurde von Dr. med. C._____, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, am 12. Dezember 2022 erstattet. Dr. med. C._____ hat den Beschwerdeführer am 8. Dezember 2022 persönlich untersucht (act. 06). Dem Erfordernis eines Sachverständigengutachtens ist hiermit Genüge getan.
2.3. Gemäss Art. 450e Abs. 4 Satz 1 ZGB muss die gerichtliche Beschwerdeinstanz die betroffene Person in der Regel als Kollegium anhören, was faktisch zwingend zur Durchführung einer mündlichen Hauptverhandlung führt (Christoph Bernhart, Handbuch der fürsorgerischen Unterbringung, Basel 2011, N 848 f.). Das Gericht hat sich durch eigene Wahrnehmung davon zu überzeugen, dass die Voraussetzungen für eine fürsorgerische Unterbringung gegeben sind (Geiser, a.a.O., N 22 zu Art. 450e ZGB). Mit der Durchführung der mündlichen Hauptverhandlung am 14. Dezember 2022 wurde diese Vorgabe umgesetzt.
3.1. Neben der gemäss Art. 428 Abs. 1 ZGB für die Anordnung der Unterbringung grundsätzlich zuständigen Erwachsenenschutzbehörde können die Kantone gemäss Art. 429 Abs. 1 ZGB Ärztinnen und Ärzte bezeichnen, welche eine fürsorgerische Unterbringung anordnen dürfen. Die Höchstdauer von sechs Wochen darf dabei nicht überschritten werden. Der einweisende Arzt hat die betroffene Person persönlich zu untersuchen, anzuhören und ihr anschliessend den Unterbringungsentscheid mit den gesetzlich vorgeschriebenen Angaben auszuhändigen (Art. 430 ZGB). Dies bedeutet, dass die Untersuchung dem Einweisungsentscheid unmittelbar vorauszugehen hat (vgl. Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 20 ff. zu Art. 429/430 ZGB). Der einweisende Arzt muss sich gestützt auf eine klinische Untersuchung und soweit möglich nach einem Gespräch mit der betroffenen Person eine Meinung bilden (vgl. Olivier Guillod, in: Büchler et al. [Hrsg.], FamKomm Erwachsenenschutz, Bern 2013, N 4 zu Art. 430 ZGB).
3.2. Zur Anordnung einer fürsorgerischen Unterbringung für eine Höchstdauer von sechs Wochen ist jeder im Kanton zur selbständigen Berufsausübung zugelassene Arzt der Grundversorgung befugt (Art. 429 Abs. 1 ZGB i.V.m. Art. 51 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 EGzZGB). Als Ärzte der Grundversorgung gelten solche mit dem Facharzt beziehungsweise Weiterbildungstitel Allgemeine Innere Medizin (Art. 22 Abs. 1 lit. a KESV [BR 215.010]). Gemäss dem Medizinalberuferegister verfügt Dr. med. B._____ über besagten Titel, womit er zur Anordnung der fürsorgerischen Unterbringung befugt war. Überdies enthält die Verfügung alle gemäss Art. 430 Abs 2 ZGB vorgeschriebenen Minimalangaben. Bestätigt wurde damit gleichsam die Durchführung der vorgängig zur Anordnung der Einweisung zu erfolgenden ärztlichen Untersuchung des Beschwerdeführers. Unter formellen Gesichtspunkten erfolgte die fürsorgerische Unterbringung demnach rechtmässig.
4.1. Gemäss Art. 426 Abs. 1 ZGB darf eine Person, welche an einer psychischen Störung oder an einer geistigen Behinderung leidet oder schwer verwahrlost ist, in einer geeigneten Einrichtung untergebracht werden, wenn die nötige Behandlung oder Betreuung nicht anders erfolgen kann. Die Belastung und der Schutz von Angehörigen und Dritten sind zu berücksichtigen (Abs. 2). Die betroffene Person wird entlassen, sobald die Voraussetzungen der Unterbringung nicht mehr erfüllt sind (Abs. 3). Die Massnahme gelangt zur Anwendung, wenn eine Person der persönlichen Fürsorge oder Pflege bedarf (vgl. Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 6 zu Art. 426 – 439 ZGB). Die fürsorgerische Unterbringung dient dem Schutz der betroffenen Person und nicht der Umgebung (BGE 140 III 101 E. 6.2.3; vgl. dazu auch Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht] vom 28. Juni 2006, BBl 2006 7001, S 7062 [zit.: Botschaft]). Für die Anordnung einer fürsorgerischen Unterbringung allein wegen Fremdgefährdung bildet Art. 426 ZGB keine genügende gesetzliche Grundlage. Mit anderen Worten darf eine Fremdgefährdung für sich alleine nie ausschlaggebend für eine fürsorgerische Unterbringung sein (BGE 145 III 441 E. 8.3 f. m.w.H.).
Erste gesetzliche Voraussetzung für eine Anordnung der Massnahme ist eine der drei abschliessend genannten Schwächezustände: psychische Störung, geistige Behinderung oder schwere Verwahrlosung. Erforderlich ist sodann eine sich aus dem Schwächezustand ergebende Notwendigkeit der Behandlung oder Betreuung. Ferner wird vorausgesetzt, dass der Person die nötige Behandlung oder Betreuung nicht auf andere Weise als durch eine Einweisung beziehungsweise Zurückbehaltung in einer Einrichtung gewährt werden kann. Gesetzlich verlangt ist schliesslich eine geeignete Einrichtung (vgl. BGer 5A_288/2016 v. 11.7.2016 E. 3.1). Die genannten Voraussetzungen bedingen sich gegenseitig und sind nur in ihrem Zusammenhang verständlich. Der Schwächezustand allein vermag eine fürsorgerische Unterbringung nie zu rechtfertigen, sondern immer nur zusammen mit der Notwendigkeit einer Behandlung oder Betreuung. Selbst bei Vorliegen einer solchen ist die freiheitsbeschränkende Unterbringung aber nur gesetzeskonform, wenn der Zweck der Unterbringung nicht mit einer milderen Massnahme erreicht werden kann (Verhältnismässigkeitsprinzip) und die Unterbringung für den angestrebten Zweck auch tauglich ist (vgl. Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 7 zu Art. 426 ZGB).
4.2.1. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer an einem der in Art. 426 Abs. 1 ZGB genannten Schwächezustände leidet, welcher überdies eine Betreuung und Behandlung notwendig werden lässt. Die psychische Störung umfasst die anerkannten Krankheitsbilder der Psychiatrie, das heisst Psychosen oder Psychopathien, seien sie körperlich begründbar oder nicht (vgl. Botschaft, a.a.O., S. 7062). Psychische Störung ist ein Begriff des Rechts, der sich auf die medizinische Terminologie abstützt. Der Begriff ist aus der modernen Medizin entnommen und entspricht der Klassifikation der WHO (ICD [International Classification of Disturbances]; vgl. Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 15 f. zu Art. 426 ZGB).
4.2.2. Der Beschwerdeführer wurde am 3. Dezember 2022 mit der Ambulanz in die Notaufnahme der Klinik D._____ gebracht, nachdem er gemäss Angaben der Sanitäter lautstark gefeiert und sich Mietern des Wohnblocks gegenüber unangemessen verhalten habe (act. 04.2). Die Sanitäter erklärten, sie hätten den Beschwerdeführer bei ihrem Eintreffen psychotisch und verwirrt vorgefunden; er habe Zwangsimpulse gezeigt (ibid). Seit 2008 wurden beim Beschwerdeführer mehrere Diagnosen gestellt, wie dem Bericht der PDGR zu entnehmen ist. Es sind dies im Einzelnen die folgenden (dazu act. 04): Schizotype Störung (ICD-10: F21), vorwiegend Zwangshandlungen (Zwangsrituale; ICD-10: F42.1), leichte Intelligenzminderung: Keine oder geringfügige Verhaltensstörung (ICD-10: F70.0), Sprechstörungen (Tonisches Initialstottern, ICD-10: R47.8). Vermerkt ist ebenfalls, dass der Beschwerdeführer im November 2019 eine epidurale Blutung erlitten hat und dann eine Kraniotomie vorgenommen wurde (neurochirurgische Eröffnung des knöchernen Schädels) (ICD-10: S06.4). Aus den Akten der PDGR ergeht weiter, dass sich der Beschwerdeführer bereits im November 2019 für acht Tage freiwillig in stationäre Behandlung begeben hat. Dies um die selbständig abgesetzte Medikation bei vorbekannter schizotyper Störung wieder einzustellen (act. 04.5). Anfang Dezember 2019 wurde der Beschwerdeführer wegen Verdachts auf psychotische Symptome fürsorgerisch untergebracht (act. 04.4). Mitte Mai 2020 meldete sich der Beschwerdeführer wiederum freiwillig bei den PDGR – zur stationären Behandlung aufgrund akuter Suizidalität während zweier Wochen.
Die Gutachterin Dr. med. C._____ bestätigte die Diagnose einer schizotypen Störung und fügte an, es handle sich aktuell um eine akute schizophreniforme psychotische Störung (ICD-10: F23.2; act. 06, Frage 1). Demzufolge ist gutachterlich bestätigt, dass der Beschwerdeführer an einer psychischen Störung bzw. an einem Schwächezustand im Sinne von Art. 426 Abs. 1 ZGB leidet.
4.3.1. Der soeben dargelegte Schwächezustand des Beschwerdeführers vermag eine fürsorgerische Unterbringung nur zu rechtfertigen, wenn er eine Behandlung oder Betreuung in einer Einrichtung notwendig macht. Die Unterbringung in einer Einrichtung muss geeignet sein, den Zweck der beabsichtigten Behandlung zu erfüllen, ohne dass eine weniger einschneidende Massnahme genügen würde (vgl. dazu Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 22 ff. zu Art. 426 ZGB). Eine Unterbringung fällt gemäss der Botschaft zum neuen Erwachsenenschutzrecht deshalb nur als ultima ratio in Betracht (Botschaft, a.a.O., S. 7062). Als mildere Massnahmen kommt den ambulanten Massnahmen und der Nachbetreuung nach kantonalem Recht sowie der freiwilligen Sozialhilfe entscheidende Bedeutung zu (Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 24 zu Art. 426 ZGB). Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit verlangt, dass eine fürsorgerische Unterbringung nur verfügt beziehungsweise nur solange aufrechterhalten werden darf, als mit einer konkreten Selbst- oder Fremdgefährdung von einem gewissen Ausmass zu rechnen ist. So hat das Bundesgericht festgehalten, dass es für die Beurteilung des Behandlungs- beziehungsweise Betreuungsbedarfs wesentlich sei, mit welcher konkreten Gefahr für die Gesundheit oder das Leben der betroffenen Person bzw. von Dritten zu rechnen sei, wenn die Behandlung der gutachterlich festgestellten Krankheit beziehungsweise die Betreuung unterbleibe (BGE 140 III 101 E. 6.2.2; 140 III 105 E. 2.4).
4.3.2. Laut den behandelnden Ärzten des Beschwerdeführers habe man in Erfahrung bringen können, dass die Medikation vom Beschwerdeführer ungefähr drei Wochen vor der fürsorgerischen Unterbringung abgesetzt worden sei. Weiter kann dem Bericht vom 7. Dezember 2022 entnommen werden, der Beschwerdeführer präsentiere sich psychotisch mit Vergiftungsideen und fremdaggressiv, so dass eine Notfallbehandlung habe durchgeführt werden müssen. Er zeige sich nach wie vor angetrieben, bedrohlich und beleidigend. Er laufe etwa splitternackt über die Station. Zwar nehme er grösstenteils freiwillig die ihm angebotene Medikation von Risperdal und Depakine Chrono ein, so dass bisher noch keine Verordnung einer Behandlung ohne Zustimmung erforderlich geworden sei. Ungeachtet dessen, sei keine Krankheitseinsicht vorhanden. Zusammenfassend befinde sich der Beschwerdeführer weiterhin in einem psychotischen Zustand, der dringlich einer stationären Behandlung und der Reetablierung der Medikation bedürfe. Weniger einschneidende Massnahmen seien aktuell keine ersichtlich, erklären die behandelnden Ärzte abschliessend (act. 04).
4.3.3. Zu beachten ist die Vorgabe von Art. 439 Abs. 3 ZGB i.V.m. Art. 450e Abs. 3 ZGB, wonach sich der Beschwerdeentscheid bei psychischen Störungen auf ein Sachverständigengutachten abzustützen hat. Einleitend stellte Dr. med. C._____ in ihrem Gutachten fest, dass der Beschwerdeführer infolge Absetzens der psychopharmakologischen Medikation ein angetrieben psychotisches Zustandsbild entwickelt habe. Damit einhergehend habe er sich sozial unangemessen verhalten (nächtliche Ruhestörung, Distanzlosigkeit, Entblössung, verbale Bedrohung), wodurch Dritte deutlich beeinträchtigt worden seien. Bei der Aufnahme in die Klinik D._____ habe der Beschwerdeführer ausserdem davon gesprochen, dass alles mit Bakterien verseucht sei. Er habe deshalb das Essen, Trinken und Sitzen verweigert. Aufgrund seines Erregungszustandes seien eine Isolation, Fixierung und Zwangsmedikation notwendig gewesen. Wohl habe der Beschwerdeführer sich im Rahmen der stationären Behandlung teilweise kooperativ gezeigt, sei allerdings weiterhin angetrieben mit unangemessenem, impulsivem und distanzlosem Verhalten. So sei er etwa nackt durch die Station gelaufen und habe seinen eigenen Urin und Ejakulat getrunken (act. 06).
Bei der persönlichen Untersuchung am 8. Dezember 2022 habe sich der Beschwerdeführer rasch erregt gezeigt, mithin ohne jede Krankheits- und Behandlungseinsicht, schildert Dr. med. C._____. Er nehme die angebotene Medikation zeitweise freiwillig ein, zeitweise verweigere er die Einnahme. Grundsätzlich sei er also zur Kooperation mit der Behandlung fähig, benötige aber aktuell noch eine intensive Betreuung auf der geschlossenen Station. Das akut psychotische und angetriebene Zustandsbild bedarf dem Gutachten zufolge ausserdem unbedingt der Behandlung mit einer adäquaten antipsychotischen und stimmungsstabilisierenden Medikation. Es habe sich in der Vergangenheit nämlich bereits gezeigt, dass eine adäquate medikamentöse Behandlung die gesamte psychotische Symptomatik zur Remission bringe und dem Beschwerdeführer ein selbständiges Leben erlaube (act. 06, insb. Frage 2).
Die Gutachterin hält dafür, dass ein Unterbleiben der Behandlung des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund des teilweise vorhanden gewesenen Vergiftungswahns sein eigenes Leben gefährden würde. Denkbar sei etwa, dass der Beschwerdeführer infolge der psychotischen Störung das Essen und Trinken gänzlich unterlasse oder stattdessen ungeeignete Nahrung aufnehme und sich damit selbst schädige. Ebenfalls erblickt die Gutachterin die Möglichkeit der Selbstgefährdung darin begründet, dass der Beschwerdeführer durch seinen psychotischen Zustand Situationen verkenne. Das distanzlose, zeitweise laute und auch fremdaggressiv-bedrohliche Verhalten stelle ausserdem eine Belastung und unter Umständen auch eine Gefährdung für Mitmenschen in seiner näheren Umgebung dar. Wie sich im Rahmen der aktuellen stationären Behandlung gezeigt habe, sei das Risiko, dass ein derartiges Verhalten tatsächlich auch gezeigt werde, sehr hoch. Auch während der psychiatrischen Untersuchung habe sich der Beschwerdeführer kurzfristig bedrohlich gezeigt (act. 06, insb. Frage 3).
4.3.4. Bei der Entscheidfindung hat die Beschwerdeinstanz auf den Zustand des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung am 14. Dezember 2022 abzustellen. Unmittelbar nach Eröffnung der Verhandlung (und auch wiederholt während der Verhandlung) forderte der Beschwerdeführer eindringlich, man möge ihn nach Hause lassen, da er Angst habe in der Klinik D._____. In der Folge beantwortete er die Fragen des Gerichts, wobei ihm das Sprechen schwer fiel. Vereinzelt wechselte der Beschwerdeführer das Thema, ohne dabei den Kontext zu erläutern, wobei seine Ausführungen ab und an auch etwas wirr waren. Zwar forderte er mehrmals mit Nachdruck eine Aufhebung der fürsorgerischen Unterbringung und schilderte, dass er Angst habe. Auch sein Vater habe sich aus Angst vor der Klinik D._____ umgebracht. Der Beschwerdeführer wurde während der Verhandlung weder wütend noch laut und verhielt sich insgesamt angemessen. Er räumte auf Nachfrage des Vorsitzenden ein, auch weiterhin Angst davor zu haben, vergiftet zu werden, und aufgrund dieser Angst nichts zu essen – es sei ihm deswegen schlecht. Immerhin nimmt er gemäss seinen Angaben Kaffee, Wasser und Milch zu sich (act. 10).
Krankheits- und Behandlungseinsicht ist nach Auffassung des Kantonsgerichts beim Beschwerdeführer nach Auffassung des Gerichts auch weiterhin keine vorhanden. Gleichwohl erklärte er, die Medikamente, welche er derzeit einnehme (aktuell seien dies Depakine, Risperidon und Psychopax), auch nach einem Austritt weiterhin zu nehmen. Dabei ist freilich unklar, ob er dies nur deshalb zusicherte, um eine Aufhebung der fürsorgerischen Unterbringung zu erwirken. Gleichzeitig zeigte sich der Beschwerdeführer nämlich davon überzeugt, dass die Medikamente ursächlich für seine jahrelangen Rückenschmerzen seien. Die Schmerzen seien nach Absetzen der Medikamente nämlich verschwunden. Für das Gericht ungewiss ist, ob der Beschwerdeführer über ein soziales Umfeld verfügt, welches ihn bei der Einnahme der Medikamente unterstützen könnte. Etliche Male erwähnte er seine Freundin E._____, welche ihn verlassen habe und nun wieder bei ihm wohne. Gemäss Angaben des Klinikpersonals hat ihn die Freundin aber nicht in der Klinik besucht (act. 06 [Angaben des zuständigen Pflegers F._____]). Zu seiner Mutter habe er keinen Kontakt und die Schwester sei nach G._____ ausgewandert, erklärte der Beschwerdeführer dem Gericht. Mit den Nachbarn scheint er ein zwiespältiges Verhältnis zu haben: Zunächst erklärte er, die neun Nachbarn würden ihm sicherlich helfen, bevor er gleich danach feststellte, dass er in einem Irrenhaus wohne (act. 10).
Zusammenfassend verfügt der Beschwerdeführer demnach weder über Krankheits- und Behandlungseinsicht noch ist ein stabiles Umfeld vorhanden, welches ihn bei der Genesung unterstützen und eine angemessene Nachbetreuung sicherstellen könnte. Die Ausführungen der Gutachterin, wonach die medikamentöse Behandlung die psychotischen Symptome zur Remission bringe, sind für das Kantonsgericht nachvollziehbar, zumal sich der Beschwerdeführer an der Hauptverhandlung – nahezu eine Woche nach der Begutachtung – manchmal zwar leicht agitiert, aber grundsätzlich sozial angemessen verhielt.
4.3.5. Die medikamentöse Behandlung der psychischen Störung sowie eine intensive Betreuung des Beschwerdeführers im Rahmen einer stationären Therapie auf der geschlossenen Station der PDGR halten sowohl die behandelnden Ärzte (oben E. 4.3.2) als auch die klinikunabhängige Gutachterin (oben E. 4.3.3) für notwendig. Die konkrete Selbstgefährdung des Beschwerdeführers bei Unterbleiben der Behandlung und Betreuung ergibt sich unter anderem aus dem psychotischen Verkennen von Situationen und auch aus dem Vergiftungswahn. Wie gesehen, könnte letzteres dazu führen, dass sich der Beschwerdeführer entweder Nahrung und Flüssigkeit gar nicht zuführt oder im Gegenteil gar schädliche Substanzen zu sich nimmt. Neben dieser akuten (unter Umständen lebensbedrohlichen) Selbstgefährdung geht vom Beschwerdeführer laut dem Sachverständigengutachten auch eine Fremdgefährdung aus. Zwar dient eine fürsorgerische Unterbringung immer in erster Linie dem Schutz der betroffenen Person. Indem der Beschwerdeführer bedrohliches und fremdaggressives Verhalten an den Tag legt, ist eine Gefährdung seiner selbst in den damit möglicherweise provozierten Notwehrhandlungen zu erblicken.
Bezweckt wird mit der fürsorgerischen Unterbringung die Herstellung einer Compliance mit der psychiatrischen Behandlung und damit einhergehend eine Remission der psychotischen Symptome. Dadurch soll ein selbständiges Leben für den Beschwerdeführer bei angemessener ambulanter psychiatrischer Behandlung ermöglicht werden (act. 06, Frage 7). Dass sich die fürsorgerische Unterbringung als Massnahme für die Erreichung dieses Ziels eignet, ist gutachterlich ausgewiesen. Es sind gemäss Gutachten ausserdem keine milderen und gleichermassen wirksamen Mittel ersichtlich (act. 06, Frage 2 und 5).
4.4. Die Klinik D._____ ist für die konkret notwendige Behandlung und Betreuung des Beschwerdeführers eine geeignete Einrichtung (BGE 114 II 213 E. 7; 112 II 486 E. 4c; act. 06, Frage 6). Mit Blick auf die Verhältnismässigkeit der Massnahme ist im vorliegenden Kontext darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer durch die fürsorgerische Unterbringung nicht zuletzt auch vor einem sich selbst entwürdigenden Verhalten im psychotischem Zustand – etwa durch ein Entblössen oder durch anderweitig distanzloses Verhalten gegenüber Dritten – geschützt werden kann. Die fürsorgerische Unterbringung vermag als Erwachsenenschutzmassnahme nicht zuletzt also auch die Würde des Beschwerdeführers zu wahren. Unter diesen Umständen erweist sich die Massnahme insgesamt auch materiell als rechtskonform.
5. Im Ergebnis entspricht die fürsorgerische Unterbringung vom 3. Dezember 2022 den gesetzlichen Vorgaben und die dagegen erhobene Beschwerde erweist sich als unbegründet. Sie ist folglich abzuweisen.
6. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens belaufen sich auf insgesamt CHF 2'562.00. Sie setzen sich zusammen aus einer Gerichtsgebühr von CHF 1'500.00 (Art. 8 ff. VGZ [BR 320.210]) und CHF 1'062.00 Gutachterkosten (act. 06.1). Die Erhebung der Verfahrenskosten richtet sich nach dem Prinzip des Obsiegens und Unterliegens (Art. 63 Abs. 5 EGzZGB i.V.m. Art. 106 Abs. 1 ZPO). Da der Beschwerde gegen die fürsorgerische Unterbringung vorliegend kein Erfolg beschieden war, gehen die Kosten grundsätzlich zu Lasten des Beschwerdeführers. Ein Abrücken von diesem Grundsatz ist bei Vorliegen besonderer Umstände möglich (Art. 63 Abs. 3 ZGB). Bei Erwachsenenschutzmassnahmen liegen besondere Umstände gemäss Art. 28 Abs. 1 lit. d KESV (BR 215.010) vor, sofern durch die Erhebung von Verfahrenskosten die in den Ausführungsbestimmungen zum Unterstützungsgesetz enthaltenen Vermögensfreigrenzen unterschritten würden. Bei Einzelpersonen beläuft sich diese Vermögensfreigrenze auf CHF 4'000.00 (Art. 5 Abs. 1 lit. a ABzUG [BR 546.270]). Das Einkommen des Beschwerdeführers setzt sich gemäss seinen Angaben aus einer Invalidenrente und Ergänzungsleistungen zusammen. Er verfügt zudem über kein Vermögen (act. 10). Aufgrund dieser Umstände gehen die Kosten trotz des Verfahrensausgangs zu Lasten des Kantons Graubünden.


Demnach wird erkannt:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von CHF 2'562.00 (Gerichtsgebühr von CHF 1'500.00 und Gutachterkosten von CHF 1'062.00) gehen zu Lasten des Kantons Graubünden.
3. Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 72 BGG Beschwerde in Zivilsachen an das Schweizerische Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, geführt werden. Die Beschwerde ist dem Bundesgericht schriftlich, innert 30 Tagen seit Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der Entscheidung in der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für die Zulässigkeit, die Beschwerdelegitimation, die weiteren Voraussetzungen und das Verfahren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 72 ff. und Art. 90 ff. BGG.
4. Mitteilung an:
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