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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Kopfdaten
Kanton:GR
Fallnummer:PZ-05-59
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid PZ-05-59 vom 31.03.2005 (GR)
Datum:31.03.2005
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Amtsbefehl
Schlagwörter : Beschwerde; Gesuch; Wurzeln; Entscheid; Nachbar; Tannen; Gesuchsteller; Stellvertreter; Kreispräsident; Deführer; Besitz; Kantons; Recht; Augenschein; Beschwerdeführer; Erwägung; Äste; Dent-Stellvertreter; Suchstellers; Gesuchstellers; Eigentum; Denten; Kantonsgericht; Dringende; Erwägungen; Kreispräsident-
Rechtsnorm: Art. 146 ZPO ; Art. 152 ZPO ; Art. 236 ZPO ; Art. 292 StGB ; Art. 641 ZGB ; Art. 687 ZGB ; Art. 713 ZGB ; Art. 928 ZGB ; Art. 929 ZGB ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Meier-Hayoz, Berner Kommentar, Bern, 1967
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Kantonsgericht von Graubünden

Tribunale cantonale dei Grigioni

Dretgira chantunala dal Grischun
___________________________________________________________________________________________________

Ref.:
Chur, 31. März 2005
Schriftlich mitgeteilt am:
PZ 05 59

Verfügung
Kantonsgerichtspräsidium
Vorsitz Präsident
Brunner
Aktuarin ad hoc
Marugg
——————
In der Beschwerde
des X., Gesuchsgegner und Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr.
iur. Peter Diener, Postfach 201, Bärenloch 1, 7002 Chur,

gegen

den Entscheid des Kreispräsidenten-Stellvertreters B. vom 22. Februar 2005, mit-
geteilt am 22. Februar 2005, in Sachen des Z., Gesuchsteller und Beschwerde-
gegner, gegen den Gesuchsgegner und Beschwerdeführer,
betreffend Amtsbefehl,
hat sich ergeben:



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A.
Z. ist Eigentümer der Parzelle Nr. A. in B.. Auf dem Nachbargrund-
stück Parzelle Nr. C., welches im Eigentum des X. steht, befinden sich nahe der
Grundstücksgrenze zur Parzelle Nr. A. drei Tannen, deren Äste zum Teil auf die
Parzelle Nr. A. des Z. ragen.
B.
Mit Eingabe vom 29. November 2004 reichte Z. beim Kreisamt B. ein
Gesuch betreffend Klage wegen Besitzesstörung (Erlass eines Amtsbefehls) ein.
Sinngemäss beantragte er, dem Gesuchsgegner sei zu befehlen, die überragen-
den Tannenäste und die eindringenden Wurzeln seiner drei Tannen bis auf die
Grundstücksgrenze zurückschneiden zu lassen, sowie die Höhe seines Grenz-
zaunes auf das gesetzliche Mass zu reduzieren. In der Begründung machte der
Gesuchsteller geltend, die Wurzeln der drei Tannen würden die Grundmauern sei-
ner Liegenschaft beschädigen. Zudem würden die Tannennadeln der grenzüber-
ragenden Äste den Dachkänel sowie die Wasserabläufe seiner Liegenschaft ver-
stopfen und würden Moosablagerungen auf dem Ziegeldach verursachen.
Schliesslich müsse er sein Auto, für welches er nur in der Nähe der Tannen eine
Parkmöglichkeit habe, zweimal pro Sommer vom heruntertropfenden Tannenharz
reinigen und polieren.
C.
In seiner Vernehmlassung vom 21. Dezember 2004 begehrte X., ver-
treten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Peter Diener, das Gesuch unter Kosten- und
Entschädigungsfolge zu Lasten des Gesuchstellers abzuweisen. Zugleich bean-
tragte er die Vornahme eines Augenscheins.
D.
Mit Verfügung des Kreisamtes B. vom 10. Januar 2005 wurden die
Parteien zu einem Augenschein und zur Hauptverhandlung vom 18. Februar 2005
vorgeladen.
E.
Mit Entscheid vom 22. Februar 2005, gleichentags mitgeteilt, erkann-
te der Kreispräsident-Stellvertreter B. wie folgt:
„1. Das Amtsbefehlsbegehren von Z. wird teilweise gutgeheissen.
2. X. wird angewiesen, sämtliche Tannenäste, welche auf die Parzelle Nr.
A. des Z. ragen, auf eigene Kosten zurückschneiden zu lassen.
3. Hierfür wird X. eine Frist bis zum 01. April 2005 gesetzt.
4. Es wird ausdrücklich auf Art. 292 StGB verwiesen, wonach mit Haft o-
der mit Busse bestraft wird, wer einer an ihn erlassenen Verfügung ei-
ner zuständigen Amtsstelle nicht Folge leistet.




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5. Die Kosten dieses Verfahrens von Fr. 370.00 gehen zulasten des Ge-
suchsgegners. Sie sind innert 30 Tagen an die Kreiskasse B. zu ent-
richten.

6. (Rechtsmittelbelehrung)
7. (Mitteilungen).“
In den Erwägungen führte der Kreispräsident-Stellvertreter B. im Wesentli-
chen aus, der Nachbar könne gemäss Art. 687 Abs. 1 ZGB überragende Äste und
eindringende Wurzeln kappen und für sich behalten, sofern sie sein Eigentum
schädigen und auf seine Beschwerde hin nicht binnen angemessener Frist besei-
tigt würden. Anlässlich des Augenscheins habe aber bezüglich angeblicher
Moosablagerungen auf dem Ziegeldach sowie bezüglich Tannennadeln im Dach-
känel und in den Wasserabläufen auf Grund der auf dem Hausdach liegenden
Schneedecke keine Abklärungen gemacht werden können. Zudem sei eine Schä-
digung der Grundmauern der Liegenschaft des Gesuchstellers durch die Wurzeln
der Tannen des Gesuchsgegners nicht ersichtlich. Eine erhebliche Beeinträchti-
gung des Eigentums des Gesuchstellers müsse aber in Bezug auf das auf seinen
Parkplatz herunterfallende Tannenharz bejaht werden, zumal der Gesuchsteller
Harzablagerungen auf seinem Auto nicht in Kauf nehmen müsse. Auf Grund des-
sen werde X. angewiesen, sowohl die Äste als auch die Wurzeln auf die Grund-
stücksgrenze zurückschneiden zu lassen.
F.
Gegen diesen Entscheid des Kreispräsidenten-Stellvertreters B. er-
hob X. durch seinen Rechtsvertreter Dr. iur. Peter Diener am 07. März 2005 Be-
schwerde beim Kantonsgerichtspräsidenten von Graubünden. Er beantragte unter
Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten des Gesuchstellers, die Aufhebung
des Entscheids sowie die Vornahme eines Augenscheins. In der Begründung
machte er geltend, auf Grund der zum Teil unzutreffenden Tatsachenfeststellun-
gen des Kreispräsidenten-Stellvertreters B. und des Umstandes, dass dieser nicht
obligatorisch zum Augenschein vorgeladen habe, sei ein Augenschein durchzu-
führen. Des Weiteren habe sich der Gesuchsteller weder beim Beschwerdeführer
über die überragenden Äste beschwert, noch habe er eine erhebliche Beeinträch-
tigung seines Eigentums nachweisen können. Auf Grund dessen würde Art. 687
Abs. 1 ZGB, wonach der Nachbar überragende Äste und eindringende Wurzeln
kappen kann, sofern sie sein Eigentum schädigen und auf seine Beschwerde hin
nicht binnen angemessener Frist beseitigt werden, nicht zur Anwendung gelan-
gen. Abgesehen davon sei vorliegend der Anspruch des Nachbarn auf Kappung
verwirkt, zumal die in Art. 929 Abs. 2 ZGB statuierte einjährige Frist für Klagen aus
Besitzesstörungen offensichtlich verstrichen sei. Endlich sei der Entscheid des



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Kreispräsidenten-Stellvertreters B. bezüglich Wurzeln widersprüchlich. In Ziffer 6
des angefochtenen Entscheids würde festgehalten werden, dass anlässlich des
Augenscheins eine Schädigung der Grundmauern der Nachbarliegenschaft durch
die Wurzeln der Tannen des Gesuchsgegners nicht habe festgestellt werden kön-
nen. Trotzdem habe aber der vorinstanzliche Richter in Ziffer 8 der Erwägungen
des angefochtenen Entscheids verfügt, die Wurzeln seien auf die Grundstücks-
grenze zurückzuschneiden. Diesbezüglich sei aber im Dispositiv nichts enthalten.
G.
In der Vernehmlassung vom 13. März 2005 begehrte der Kreispräsi-
dent-Stellvertreter B. die Beschwerde unter gesetzlicher Kostenfolge abzuweisen.
Z. liess sich nicht vernehmen.
Auf die weiteren Ausführungen im angefochtenen Entscheid sowie in den
Rechtsschriften wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen ein-
gegangen.
Das Kantonsgerichtspräsidium zieht in Erwägung:
1.
Der Kreispräsident kann gemäss Art. 146 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO zum
Schutze des bedrohten Besitzesstandes gestützt auf Art. 928 ZGB, wonach der
Besitzer gegen den Störenden klagen kann, wenn der Besitz durch verbotene Ei-
genmacht gestört wird, einen Amtsbefehl gegen die störende Person erlassen.
Gegen solche Entscheide der Kreispräsidenten kann gemäss Art. 152 Abs. 1 ZPO
innert 10 Tagen seit der Mitteilung des Entscheids beim Kantonsgerichtspräsiden-
ten Beschwerde geführt werden. Demnach ist auf die first- und formgerecht einge-
reichte Beschwerde einzutreten.
2.
Beim bundesrechtlichen Besitzesschutz handelt es sich um einen
materiellrechtlichen Anspruch (vgl. Marginalie zu Art. 146 ZPO). Die Regelung des
Verfahrens ist jedoch dem kantonalen Recht überlassen. Der bündnerische Zivil-
prozess sieht für den Besitzesschutz ausschliesslich das Befehlsverfahren, ein
summarisches Verfahren, vor (Art. 137 Ziffer 14 ZPO; Rehli, Das Befehlsverfahren
nach bündnerischem Recht, Zürich 1977, S. 57). Dies liegt darin begründet, dass
beim Besitzesschutz im Allgemeinen verhältnismässig einfach festgestellt werden
kann, ob der Anspruch ausgewiesen ist und sich das summarische Verfahren
durchaus für die Erledigung von Besitzesschutzangelegenheiten eignet. Soweit
das Befehlsverfahren als Summarium ausgestattet ist, wird damit lediglich ausge-
drückt, dass auf einfacherem Weg als im ordentlichen Verfahren ein rascher



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Rechtsschutz erlangt werden soll. Hingegen ist stets voller Beweis für das Vor-
handensein der behaupteten Tatsachen zu erbringen. Blosses Glaubhaftmachen
genügt nicht. Es können daher auch im raschen und summarischen Befehlsver-
fahren nur klar und unzweifelhaft ausgewiesene Ansprüche durchgesetzt werden
(Art. 146 Abs. 2 ZPO). Wenn der Einsprecher seinen Besitz beziehungsweise
dessen Störung durch fremde Einwirkung nicht restlos eindeutig belegen kann, ist
er abzuweisen. Er hat sich alsdann an den ordentlichen Zivilrichter zu wenden
(vgl. Rehli, a. a. O., S. 96 mit Hinweisen). Dort kann er allerdings nicht mehr aus
dem Besitz klagen, sondern muss sein Recht mit dem im ordentlichen Zivilprozess
erforderlichen Beweis dartun (vgl. Schöbi, Der Besitzesschutz, Diss., Bern 1987,
S. 104).
3.
In Art. 152 ZPO wird offen gelassen, ob dem Kantonsgerichtspräsi-
denten im Beschwerdeverfahren eine volle Kognition oder nur eine beschränkte
Prüfungsbefugnis zusteht. Die Bezeichnung des Rechtsmittels als Beschwerde
lässt zwar eher auf das letztere schliessen. Die Möglichkeit, von Amtes wegen
Beweise erheben zu können (vgl. Art. 152 Abs. 3 ZPO), spricht hingegen klar für
eine volle Kognition. Von der Sache her ist eine Überprüfung auf Angemessenheit
denn auch angezeigt, da es im Befehlsverfahren häufig um Ermessensfragen geht
und das Rechtsmittel an praktischer Bedeutung verlöre, wenn der Kantonsge-
richtspräsident nur bei Missbrauch des Ermessens und offensichtlich falscher
Feststellung des Sachverhalts einschreiten könnte. Auch das Fehlen eines Hin-
weises wie in Art. 236 Abs. 3 ZPO lässt den Schluss zu, der Gesetzgeber habe
eine Beschränkung der Kognition nicht gewollt (Nay, Zivilprozessordnung und Ge-
richtsverfassungsgesetz des Kantons Graubünden, Chur 1986, S. 101; PKG 2001
Nr. 39 E. 2c). Damit ist dem Kantonsgerichtspräsidenten eine volle Kognition zu-
zuerkennen. Er ist weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht an den Ent-
scheid der Vorinstanz gebunden.
4. a) Die Parteien sind sich einig, dass ein Teil der Tannenäste des Be-
schwerdeführers auf das Nachbargrundstück des Beschwerdegegners ragen.
Grundsätzliches Thema ist vorliegend das Kapprecht nach Art. 687 Abs. 1 ZGB.
Insbesondere wird nicht eine Entfernung der drei Tannen an sich verlangt.
b)
Zunächst macht der Beschwerdeführer die Verwirkung des An-
spruchs des Beschwerdegegners auf Kappung gemäss Art. 687 ZGB geltend. Mit
diesem Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer aber, dass das Kapprecht
trotz Duldung der überragenden Äste und Wurzeln während längerer Zeit nicht



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verwirkt. Dies deshalb, weil dieses Recht als Konkretisierung des Eigentumsfrei-
heitsanspruchs (Art. 641 Abs. 2 ZGB) vom Eigentumsinhalt miterfasst ist und sich
deshalb täglich erneuert. Demnach ist eine spätere Geltendmachung an sich nicht
rechtsmissbräuchlich (vgl. Meier-Hayoz, in: Berner Kommentar, Bern 1967, N 13
zu Art. 687/688 ZGB mit Hinweisen; Rey, in: Basler Kommentar, 2. Auflage, Basel
2003, N 23 zu Art. 687/688 ZGB). Folglich ist das Kapprecht des Nachbarn grund-
sätzlich unverjährbar.
c)
Zudem macht der Beschwerdeführer geltend, die Voraussetzungen
für das Kapprecht des Nachbarn gemäss Art. 687 Abs. 1 ZGB seien vorliegend
nicht gegeben. Gemäss Art. 687 Abs. 1 ZGB hätte sich der Beschwerdegegner
entgegen seinem Verhalten direkt beim Beschwerdeführer über die überragenden
Äste und eindringenden Wurzeln beschweren müssen. Anstatt dessen habe sich
der Beschwerdegegner aber mit seiner Eingabe vom 29. November 2004 an das
Kreisamt B. gewendet, was nicht dem Gesetzeswortlaut von Art. 687 ZGB ent-
sprechen würde. Zudem könne dem Gesuch des Beschwerdegegners nicht ent-
nommen werden, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des Nachbargrundstü-
ckes und somit eine Schädigung im Sinne von Art. 687 ZGB vorliege. Dazu ergibt
sich folgendes.
Gemäss Art. 687 Abs. 1 ZGB dürfen grenzüberschreitende Äste und ein-
dringende Wurzeln vom Nachbarn nur dann gekappt werden, wenn sie diesen in
seinem Eigentum schädigen und sie auf Beschwerde hin nicht binnen angemes-
sener Frist beseitigt werden. Eine Schädigung ist jede erhebliche, d.h. übermässi-
ge Beeinträchtigung des nachbarlichen Grundeigentums. Dazu gehören Grund
und Boden, die damit fest verbundenen Objekte wie Bauten, Anlagen und Pflan-
zen sowie der Luftraum. Die Übermässigkeit der Beeinträchtigung wird aufgrund
der konkreten Umstände und des Ortsgebrauchs beurteilt (vgl. Rey, a. a. O., N 8
zu Art. 687/688 ZGB). Liegt keine Schädigung vor, darf der Nachbar die grenz-
überragenden Pflanzen nicht gestützt auf Art. 687 Abs. 1 ZGB kappen. Trotzdem
braucht er aber die fremde Einwirkung in seine Herrschaftssphäre nicht zu dulden;
es verbleibt ihm der Rechtsbehelf der Eigentumsfreiheitsklage gemäss Art. 641
Abs. 2 ZGB (vgl. Meier-Hayoz, a. a. O., N 25/26 zu Art. 687/688 ZGB). Dazu hat
der Eigentümer sich aber an den ordentlichen Richter zu wenden.
Der Kreispräsident-Stellvertreter B. hielt im Augenscheinprotokoll vom 18.
Februar 2005 (act. 12) unter Ziffer 2 fest und nahm in den Erwägungen des ange-
fochtenen Entscheids unter Ziffer 6 wieder auf, dass infolge einer auf dem Dach



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der Liegenschaft des Gesuchstellers liegenden Schneedecke keine Abklärungen
bezüglich der behaupteten Moosablagerungen und der sich angeblich im Dach-
känel und in den Wasserabläufen befindenden Tannennadeln gemacht werden
könne. Diesbezüglich konnte er also keinen Schaden des Gesuchstellers feststel-
len. Des Weiteren hielt der Kreispräsident-Stellvertreter B. im Augenscheinproto-
koll fest, es dürfe, obwohl auch im Garten Schnee liegen würde, angenommen
werden, dass die eindringenden Wurzeln der Tannen dem Gartenboden des Ge-
suchstellers Nahrung entziehen würden. Diese Annahme nahm der Kreispräsi-
dent-Stellvertreter B. aber nicht in seine Erwägungen auf. Bezüglich der Wurzeln
zog er lediglich unter Ziffer 6 in Erwägung, dass eine Schädigung der Grundmau-
ern der Liegenschaft des Gesuchstellers durch die eindringenden Wurzeln nicht
festgestellt werden konnte. Obwohl er also eine Schädigung der Grundmauern
durch die eindringenden Wurzeln verneinte, hielt er in Ziffer 8 des angefochtenen
Entscheids fest, dass die Wurzeln bis zur Grundstücksgrenze zurückzuschneiden
seien. Diese Feststellung nahm er aber nicht ins Dispositiv auf. Einzig in Bezug
auf das auf den Parkplatz des Gesuchstellers heruntertropfende Tannenharz kam
der vorinstanzliche Richter in Erwägung 6 zum Schluss, dass eine erhebliche Be-
einträchtigung und damit ein Schaden im Sinne von Art. 687 Abs. 1 ZGB vorliegen
würde. Dies begründete er damit, dass der Gesuchsteller Harzablagerungen auf
seinem Auto nicht in Kauf nehmen müsse. Diesbezüglich übersieht der Kreisprä-
sident-Stellvertreter B. aber den Umstand, dass der Tropfenfall eines Baumes
nicht als übermässige Beeinträchtigung im Sinne von Art. 687 Abs. 1 ZGB zu qua-
lifizieren ist (vgl. Meier-Hayoz, a. a. O., N 24 zu Art. 687/688 ZGB). Im Übrigen
muss für einen Anspruch auf Kappung eine Schädigung des nachbarrechtlichen
Grundeigentums vorliegen. Dazu gehören Grund und Boden, die damit fest ver-
bundenen Objekte wie Bauten, Anlagen und Pflanzen sowie der Luftraum (vgl.
Rey, a. a. O., N 8 zu Art. 687/688 ZGB). Nicht zum Grundeigentum gehörend ist
aber der Personenwagen des Gesuchstellers. Vielmehr ist dieser als bewegliche
körperliche Sache als Fahrniseigentum zu qualifizieren (Art. 713 ZGB).
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Kreispräsident-
Stellvertreter B. anlässlich des Augenscheins keine eindeutigen Feststellungen
bezüglich einer übermässigen Beeinträchtigung des Nachbareigentums machen
konnte. Auch in seinem Entscheid stellte er diesbezüglich nicht auf konkrete Fest-
stellungen ab, sondern stützte sich lediglich auf Mutmassungen, die zum Teil wohl
auf allgemeiner Erfahrung beruhen. Es ist aber fraglich, ob es genügend ist, das
Vorliegen eines übermässigen Schadens im Sinne von Art. 687 Abs. 1 ZGB nur
auf Grund von Mutmassungen zu bejahen, zumal im Befehlsverfahren strikter Be-



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weis zu führen ist. Wenn der Kreispräsident-Stellvertreter B. das Gesuch gut-
heisst, muss er dies gestützt auf einen eindeutigen Beweis tun. Dabei hat er das
anlässlich des Augenscheins als wesentlich Festgestellte in seine Erwägungen
aufzunehmen und angemessen zu würdigen und darf sich nicht in Widersprüche
verstricken.
d)
Wie bereits ausgeführt, ist vor der Ausübung des Kapprechts beim
Pflanzenbesitzer Beschwerde über die überragenden Äste und eindringenden
Wurzeln zu führen und ihm eine angemessene Frist zur Beseitigung des Über-
hangs anzusetzen (Art. 687 Abs. 1 ZGB). Dabei kann die Fristbestimmung durch
den geschädigten Nachbarn selbst oder, auf Begehren eines der beiden Nach-
barn, durch den Richter erfolgen (vgl. Meier-Hayoz, a. a. O., N 29 zu Art. 687/688
ZGB). Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, der Gesuchsteller hätte sich
beim Beschwerdeführer über den Überhang beschweren müssen, ehe er beim
Kreisamt eine Klage wegen Besitzesstörung anhängig gemacht hatte, verkennt er
den Sinn und Zweck der der Kappung vorgängigen Beschwerde. Die in Art. 687
Abs. 1 ZGB statuierte Beschwerdepflicht bezweckt nämlich, dem Pflanzenbesitzer
eine letzte Chance zu gewähren, den Überhang selber zu entfernen, bevor der
geschädigte Nachbar tätig werden kann. Der Pflanzenbesitzer soll davor geschützt
werden, dass der geschädigte Nachbar den Überhang sang und klanglos besei-
tigt. Wenn nun der Gesuchsteller sich direkt an den Kreispräsidenten-Stellvertreter
B. gewendet hatte, handelte er nicht Art. 687 Abs. 1 ZGB zuwider. Dies deshalb,
weil der Kreispräsident-Stellvertreter B., sofern er auf Grund eines klaren Bewei-
ses zum Schluss gelangt, dass eine übermässige Schädigung des Grundeigen-
tums des Nachbarn vorliegt, dem Gesuchsgegner eine angemessene Frist zur
Beseitigung des Überhangs anzusetzen hat, mit der Androhung, dass ansonsten
der Geschädigte zur Kappung berechtigt ist. Demnach hat der Beschwerdeführer
trotz der nicht direkt gegenüber ihm erhobenen Beschwerde immer noch die Mög-
lichkeit, den Überhang selbst zu beseitigen.
5.
Wurde festgestellt, dass der Kreispräsident-Stellvertreter B. seinen
Entscheid auf ungenügende Beweisabnahmen bzw. -würdigungen und zum Teil
sich widersprechende Ausführungen abstützte, rechtfertigt sich eine Rückweisung
der Sache an die Vorinstanz zur erneuten Prüfung und Entscheidung. An dieser
Stelle ist der Hinweis angebracht, dass das Gesuch des Z. an das Kreisamt B. drei
Themenbereiche umfasste. Neben dem Antrag auf Zurückschneiden der Äste so-
wie der Wurzeln stellte der Gesuchsteller das Begehren, der Zaun des Nachbarn
sei auf die gesetzliche Höhe zu reduzieren. Diesbezüglich finden sich in der ange-



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fochtenen Verfügung weder Erwägungen noch ein Entscheid. Da das Begehren
aber nicht zurückgezogen wurde, ist darüber zu befinden.
6.
Mit der Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur neuen Prüfung
und Entscheidung, wird auch der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme
eines Augenscheins hinfällig.
7.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens gehen die Kosten des Be-
schwerdeverfahrens zu Lasten des Kantons Graubünden, welcher den Beschwer-
deführer angemessen ausseramtlich zu entschädigen hat. Unter Berücksichtigung
des notwendigen prozessualen Aufwandes und der Honoraransätze des bündne-
rischen Anwaltsverbandes erscheint dabei eine ausseramtliche Entschädigung
von Fr. 500.00 als angemessen.




10


Demnach verfügt das Kantonsgerichtspräsidium:
1. Die
Beschwerde
wird dahin gutgeheissen, dass der angefochtene Ent-
scheid aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen an die Vo-
rinstanz zu neuer Entscheidung zurückgewiesen wird.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens gehen zu Lasten des Kantons
Graubünden, der den Beschwerdeführer aussergerichtlich mit Fr. 500.00 zu
entschädigen hat.
3. Mitteilung
an:
__________
Für das Kantonsgerichtspräsidium von Graubünden
Der Präsident:
Die Aktuarin ad hoc:


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