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Urteil Versicherungsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:UV 2016/35
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:UV - Unfallversicherung
Versicherungsgericht Entscheid UV 2016/35 vom 07.03.2018 (SG)
Datum:07.03.2018
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Unbestrittene formelle und materielle Rechtsbeständigkeit einer formlosen Leistungsablehnung.Die rechtskräftige Verneinung einer Unfallkausalität eines bestimmten Leidens schliesst - vorbehältlich der prozessualen Revision oder der Wiedererwägung - jeden neuen Entscheid über die Leistungsberechtigung im Zusammenhang mit der Unfallkausalität desselben Leidens aus bzw. führt zur Ablehnung sämtlicher künftiger Leistungsbegehren aufgrund desselben Leidens; dies gilt auch hinsichtlich geltend gemachter Rückfälle oder Spätfolgen (vgl. Art. 11 UVV) (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 7. März 2018, UV 2016/35).
Schlagwörter : Beschwerde; Unfall; Suva-act; Januar; Einsprache; Beschwerdeführer; Beschwerdegegnerin; Formlos; Versicherte; Formlose; Einspracheentscheid; Ereignis; Entscheid; Rückfall; Leistungspflicht; Erwägung; Coxarthrose; Unfallversicherung; Stellt; Oktober; Verfügung; Schreiben; Rechts; Nachfolgend; AaO; Beschwerdeführers; Spätfolgen; Unfallereignis; Angefochten
Rechtsnorm: Art. 4 ATSG ; Art. 49 UVG ; Art. 51 ATSG ; Art. 53 ATSG ; Art. 6 UVG ;
Referenz BGE:118 V 291; 118 V 296; 118 V 297; 123 V 45; 129 V 181; 134 V 145;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Entscheid vom 7. März 2018

Besetzung

Versicherungsrichterin Christiane Gallati Schneider (Vorsitz),

Versicherungsrichter Joachim Huber und a.o. Versicherungsrichterin Lisbeth Mattle

Frei; Gerichtsschreiber Daniel Furrer Geschäftsnr.

UV 2016/35

Parteien

  1. ,

    Beschwerdeführer,

    vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Hans Alther, Bahnhof-Bureau, Bahnhof 1, 9465 Salez,

    gegen

    Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, Postfach 4358, 6002 Luzern,

    Beschwerdegegnerin,

    Gegenstand

    Versicherungsleistungen (Rechtskraftswirkung formlose Leistungsablehnung)

    Sachverhalt

    A.

    1. A. (nachfolgend: Versicherter) war seit 16. Mai 1994 bei der B. AG, als Produktionsmitarbeiter angestellt und in dieser Eigenschaft bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert, als am 31. Januar 2007 folgendes Ereignis vom 31. Oktober 2003 von der Arbeitgeberin des Versicherten gemeldet wurde: "Auf frisch geputzten Fliesen ausgerutscht." (Suva-act. 2).

    2. Am 14. Januar 2004 hatte der Versicherte wegen linksseitigen Schmerzen "nach Sturz auf Fliesen vor drei bis vier Monaten" seine Hausärztin Dr. med. C. , FMH Allgemeine Innere Medizin und HNO, konsultiert, welche nach einer Röntgenuntersuchung mit dem Ergebnis eines etwas schmäleren Gelenkspalts links die Diagnose "Schmerzen re. Hüfte" (richtig: linke Hüfte) gestellt hatte. Die Behandlung war am 28. Januar 2004 abgeschlossen worden (Suva-act. 6). Wegen schwachen, aber immer wieder aufgetretenen Hüftschmerzen war beim Versicherten auf Zuweisung von

      Dr. C. am 23. Januar 2007 eine MRI-Untersuchung des knöchernen Beckens, speziell der linken Hüfte, durch Dr. med. D. , FMH Radiologie, durchgeführt worden, welche eine ausgeprägte Coxarthrose links sowie beginnende arthrotische Veränderungen auch rechts hervorgebracht hatte. Dr. D. hatte im gleichentags erstellten radiologischen Bericht ausgeführt, dass der Befund eher nicht mit dem Trauma von Ende 2003 in Zusammenhang stehe, das Trauma aber möglicherweise die Arthrose aktiviert habe (Suva-act. 1).

    3. Am 6. März 2007 teilte die Arbeitgeberin des Versicherten der Suva mit, dass sie vom Unfall erst am Tag der Unfallmeldung durch den Versicherten an sie Kenntnis erhalten habe. Dadurch habe sich auch ihre Unfallmeldung an die Suva verzögert. Der Versicherte habe wegen Unterlassung seiner Unfallmeldung ihre Verspätung verschuldet (Suva-act. 4). Nach Einholung einer kreisärztlichen Beurteilung (Suva-act.

      7) lehnte die Suva mit formlosem Schreiben vom 21. März 2007 ihre Leistungspflicht mit der Begründung ab, dass aufgrund der medizinischen Unterlagen zwischen dem Ereignis vom 31. Oktober 2003 und den gemeldeten Hüftbeschwerden kein sicherer oder wahrscheinlicher Kausalzusammenhang bestehe (Suva-act. 8).

    4. Am 7. Januar 2016 wurde beim Versicherten in der Klinik für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates des Kantonsspitals St. Gallen (nachfolgend: KSSG) bei der Diagnose "Dysplasie-Coxarthrose links > rechts" minimalinvasiv eine Hüft-TP-Implantation links vorgenommen (Suva-act. 29), weshalb der Versicherte bis 11. Januar 2016 hospitalisiert war. Danach folgte eine 100%-ige Arbeitsunfähigkeit (Suva-act. 27).

    5. Am 15. Januar 2016 liess der Versicherte durch seine Arbeitgeberin einen Rückfall zum Ereignis vom 31. Oktober 2003 melden. Wie vom Arzt vorausgesagt, sei als Folge des vorgenannten Ereignisses eine Arthrose aufgetreten. Von einer Operation an der Hüfte habe nicht mehr abgesehen werden können (Suva-act. 10).

    6. Am 28. Januar 2016 reichte Dr. C. das Arztzeugnis UVG für Rückfall ein, worin sie eine Unfallkausalität des MRI-Befundes vom 23. Januar 2007 weder verneinte noch bejahte und ein Fragezeichen beifügte (Suva-act. 19).

    7. Mit Verfügung vom 25. Februar 2016 wies die Suva auf ihre Leistungsablehnung hinsichtlich der Hüftbeschwerden links im Schreiben vom 21. März 2007 hin und lehnte die Erbringung von Versicherungsleistungen erneut ab, indem sie eine bei ihr versicherte Gesundheitsschädigung mit dem Fehlen der leistungsbegründenden Voraussetzungen eines versicherten Unfalls oder einer unfallähnlichen Körperschädigung verneinte (Suva-act. 20).

B.

Mit Eingabe vom 22. März 2016 liess der Versicherte durch Rechtsanwalt Dr. iur. H. Altherr, Trogen, gegen die Verfügung Einsprache erheben (Suva-act. 22). Mit Einspracheentscheid vom 27. April 2016 wies die Suva die Einsprache ab (Suva-act. 32).

C.

    1. Gegen den Einspracheentscheid erhob der Versicherte (nachfolgend: Beschwerdeführer) durch seinen Rechtsvertreter am 30. Mai 2016 Beschwerde mit dem Antrag, der Einspracheentscheid sei aufzuheben und es sei die Leistungspflicht der Suva (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) festzustellen. Eventualiter sei die Angelegenheit zur Vornahme weiterer Abklärungen an die Vorinstanz zurückzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beschwerdegegnerin (act. G 1).

    2. In der Beschwerdeantwort vom 13. Juni 2016 beantragte die Beschwerdegegnerin Abweisung der Beschwerde und Bestätigung des Einspracheentscheids vom 27. April 2016 (act. G 3).

    3. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers hat auf die Einreichung einer Replik verzichtet (act. G 5 f.).

    4. Auf die Begründungen in den einzelnen Rechtsschriften sowie den Inhalt der übrigen Akten wird, soweit entscheidnotwendig, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

Erwägungen

1.

Am 1. Januar 2017 sind die revidierten Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung (UVG; SR 832.20) und der Verordnung über die Unfallversicherung (UVV; SR 832.202) in Kraft getreten. Gemäss Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 25. September 2015 werden Versicherungsleistungen für Unfälle, die sich vor deren Inkrafttreten ereignet haben, und für Berufskrankheiten, die vor diesem Zeitpunkt ausgebrochen sind, nach bisherigem Recht gewährt. Vorliegend finden daher, nachdem ein Ereignis aus dem Jahr 2003 zur Debatte steht, die bis 31. Dezember 2016 gültigen Bestimmungen Anwendung.

2.

    1. Gemäss Art. 6 Abs. 1 UVG werden, sofern dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, Versicherungsleistungen bei Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen und Berufskrankheiten gewährt.

    2. Als Unfall gilt die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper, die eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit oder den Tod zur Folge hat. (Art. 4 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG; SR 830.1]).

    3. Art. 9 Abs. 2 UVV enthält eine abschliessende Aufzählung von Körperschädigungen, welche auch ohne ungewöhnliche äussere Einwirkung den Unfällen im Sinne von Art. 4 ATSG gleichgestellt sind, sofern sie nicht eindeutig auf eine Erkrankung oder eine Degeneration zurückzuführen sind. Dazu zählen unter anderem Knochenbrüche (lit. a), Verrenkungen von Gelenken (lit. b) und Bandläsionen (lit. g).

    4. Die Leistungspflicht des Versicherers setzt im Weiteren voraus, dass zwischen

      dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod) ein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang besteht (vgl. BGE 129 V 181 E. 3). Bei unfallähnlichen Körperschädigungen ist ein kausales unfallähnliches Ereignis wenigstens im Sinne eines auslösenden Faktors erforderlich (ALFRED BÜHLER, Die

      unfallähnliche Körperschädigung, SZS 1996 S. 90, 93; BGE 123 V 45). Im Falle physischer Unfallfolgen hat indessen die Adäquanz gegenüber dem natürlichen Kausalzusammenhang praktisch keine selbständige Bedeutung (BGE 118 V 291 f. E. 3a). Ob zwischen einem schädigenden Ereignis und einer gesundheitlichen Störung ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht, ist eine Tatfrage, worüber die Verwaltung bzw. im Beschwerdefall das Gericht im Rahmen der ihm obliegenden Beweiswürdigung nach dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu befinden hat. Die blosse Möglichkeit eines Zusammenhangs genügt für die Begründung eines Leistungsanspruches nicht (BGE 129 V 181 E. 3.1 mit weiteren Verweisen).

    5. Gemäss Art. 11 UVV werden Versicherungsleistungen auch für Rückfälle und Spätfolgen gewährt. Bei einem Rückfall handelt es sich um das Wiederaufflackern einer vermeintlich geheilten Krankheit bzw. vermeintlich geheilter Unfallfolgen, so dass es zu ärztlicher Behandlung, möglicherweise sogar zu einer weiteren Arbeitsunfähigkeit kommt, während von Spätfolgen dann gesprochen wird, wenn ein scheinbar geheiltes Leiden im Laufe längerer Zeit organische oder psychische Folgen bewirkt, die zu einem andersgearteten Krankheitsbild führen können. Rückfälle und Spätfolgen schliessen begrifflich an ein Unfallereignis in der Vergangenheit an. Dementsprechend können sie eine Leistungspflicht des (damaligen) Unfallversicherers nur dann auslösen, wenn zwischen den erneut vorgebrachten Beschwerden und der seinerzeit beim versicherten Unfall erlittenen Gesundheitsschädigung ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht (BGE 118 V 296 f. E. 2c).

3.

Zwischen den Parteien umstritten und nachfolgend zu prüfen ist, ob die Beschwerdegegnerin mit dem angefochtenen Einspracheentscheid vom 27. April 2016 (Suva-act. 32) zu Recht einen Anspruch des Beschwerdeführers aus der obligatorischen Unfallversicherung für die von ihm bzw. dessen Arbeitgeberin am 15. Januar 2016 als "Rückfall" zum Ereignis vom 31. Oktober 2003 gemeldeten Hüftbeschwerden links (Suva-act. 10), insbesondere für die am 7. Januar 2016 im KSSG durchgeführte Hüft-TP-Implantation links (Suva-act. 29), abgelehnt hat.

4.

Auch wenn die Beschwerdegegnerin mit der dem angefochtenen Einspracheentscheid (Suva-act. 32) zugrunde liegenden Verfügung vom 25. Februar 2016 (Suva-act. 20) die Ablehnung ihrer Leistungspflicht damit begründete, die Voraussetzungen eines versicherten Unfalls (vgl. Art. 4 ATSG) oder einer unfallähnlichen Körperschädigung (vgl. Art. 6 Abs. 2 UVG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 UVV) seien nicht erfüllt, scheint sie letztlich zumindest das Vorliegen eines Unfallereignisses richtigerweise nicht in Frage zu stellen. So enthalten weder der angefochtene Einspracheentscheid (Suva-act.

32) noch das Schreiben vom 21. März 2007 (Suva-act. 8; vgl. nachfolgende Erwägung

6.3.2) oder die Beschwerdeantwort vom 13. Juni 2016 (act. G 3) anderslautende Erwägungen und es darf in Bezug auf das Ereignis vom 31. Oktober 2003, so wie es ursprünglich gemeldet wurde (vgl. Suva-act. 2: "auf frisch geputzten Fliesen ausgerutscht"; vgl. auch Suva-act. 6: "Sturz auf Fliesen"), ohne Weiteres ein Unfall im Sinne von Art. 4 ATSG angenommen werden (vgl. dazu ALEXANDRA RUMO-JUNGO/ ANDRÉ PIERRE HOLZER, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Bundesgesetz über die Unfallversicherung, 4. Aufl. Zürich/ Basel/Genf 2012, S. 40 f.; ALFRED MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, 2. Aufl. Bern 1989, S. 176 f.). Materiell-rechtlich ist jedoch zu wiederholen, dass als weitere Leistungsvoraussetzung ein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang zwischen dem gemeldeten Gesundheitsschaden und dem Unfallereignis gegeben sein muss (vgl. Art. 6 Abs. 1 UVG), also auch bei einem Unfall letztlich entscheidend ist, welche Verletzung die verunfallte Person im konkreten Fall tatsächlich erlitten hat.

5.

Vorliegend ist aktenmässig belegt, dass die Beschwerdegegnerin mit formlosem Schreiben vom 21. März 2007 (Suva-act. 8) einen Leistungsanspruch des Beschwerdeführers bezüglich der von seiner Arbeitgeberin am 31. Januar 2007 gemeldeten Hüftbeschwerden links (vgl. Suva-act. 2) mit der Begründung verneint hat, diese würden nicht mit dem im Sozialversicherungsrecht grundsätzlich geltenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. dazu THOMAS LOCHER/ THOMAS GÄCHTER, Grundriss des Sozialversicherungsrecht, 4. Aufl. Bern 2014, § 70

N. 58; RUMO-JUNGO/HOLZER, a.a.O., S. 4; UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 3. Aufl.

Zürich/Basel/Genf 2015, Art. 43 N 46) in einem kausalen Zusammenhang zum Ereignis

vom 31. Oktober 2003 stehen (Suva-act. 8). Die Verweigerung von Versicherungsleistungen hat zwar gemäss Art. 49 Abs. 1 UVG in Verbindung mit Art. 124 lit. b UVV in Form einer schriftlichen Verfügung zu geschehen. Eine zu Unrecht formlos mitgeteilte Leistungsverweigerung entfaltet jedoch nach einer bestimmten Frist

  • laut Bundesgericht im Regelfall nach einem Jahr (BGE 134 V 145; vgl. auch KIESER, a.a.O., Art. 51 N 24) - in gleicher Weise Rechtswirkungen, wie wenn sie als Verfügung erlassen worden wäre, wenn sie von der betroffenen Person nicht in Frage gestellt bzw. von ihr nicht der Erlass einer Verfügung verlangt wird (vgl. Art. 51 Abs. 2 ATSG in Analogie). Im konkreten Fall hat der Beschwerdeführer unbestrittenermassen nie gegen die mit formlosem Schreiben vom 21. März 2007 mitgeteilte Leistungsablehnung interveniert. Insofern wird auch deren Rechtsverbindlichkeit zu Recht nicht in Frage gestellt. Mithin kann der Entscheid nicht mehr mit einem ordentlichen Rechtsmittel angefochten werden und es ergibt sich eine Rechtslage, die mit derjenigen bei formellen Verfügungen übereinstimmt (KIESER, a.a.O., Art. 51 N 26 f.).

    6.

      1. Von der formellen Rechtsbeständigkeit abzugrenzen ist die materielle

        Rechtsbeständigkeit eines Entscheids. Diese bedeutet Massgeblichkeit des Entscheids

  • hier der formlosen Leistungsverweigerung der Beschwerdegegnerin vom 21. März 2007 - in jeder späteren Auseinandersetzung zwischen den gleichen Parteien; der Entscheid ist inhaltlich unbestreitbar und unabänderlich, er hat Bindungswirkung und stellt eine res iudicata dar. Das Verfahren kann nicht nochmals mit einem ordentlichen Rechtsmittel in Gang gesetzt werden. Dies gilt nur bezüglich derjenigen Parteien, die am Verfahren beteiligt waren, bezüglich des nämlichen Streitgegenstandes und des Urteilsdispositivs sowie bezüglich der Tatsachen- und Rechtslage zur Zeit der Verfügung respektive der formlosen Leistungsverweigerung (RENÉ RHINOW/ HEINRICH KOLLER/CHRISTIAN KISS/DANIELA THURNHERR/DENISE BRÜHL-

MOSER, Öffentliches Prozessrecht, 3. Aufl. Basel 2014 § 14 Rz. 955; vgl. auch ULRICH HÄLFELIN/GEORG MÜLLER/FELIX UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. Zürich/St. Gallen 2016, § 15 Rz. 1093; ALFRED KÖLZ/ISABELLE HÄNER/MARTIN

BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl. Zürich/Basel/Genf 2013, S. 230 Rz. 665; Urteil des Bundesgerichts vom 25. Februar

2013, 4A_496/2012, E. 3.1).

    1. Ein unveränderter Sachverhalt kann mithin nicht mehrmals - gar unterschiedlich - beurteilt werden. Ein seinerzeit negativer Entscheid bzw. eine seinerzeit rechtskräftig beurteilte Leistungsablehnung steht jedoch unter dem Vorbehalt einer Anpassung an einen später geänderten Sachverhalt. Dieser in der Invalidenversicherung durch das Institut der Neuanmeldung (Art. 87 Abs. 4 der Verordnung über die Invalidenversicherung [IVV; SR 831.201]) geregelte Grundsatz gilt auch im Unfallversicherungsrecht, indem es einer versicherten Person jederzeit freisteht, einen Rückfall oder Spätfolgen (vgl. Erwägung 2.5) eines rechtskräftig beurteilten Unfallereignisses geltend zu machen und unter Vorbringen eines nachträglich geänderten Sachverhalts erneut Leistungen der Unfallversicherung zu beanspruchen (Art. 11 UVV; RKUV 1994 Nr. U 189 S. 139 E. 3a; BGE 118 V 297 E. 2d). Rückfälle und

Spätfolgen stellen insoweit revisionsrechtliche Tatbestände dar (RUMO-JUNGO/ HOLZER, a.a.O., S. 79). Unter diesem Titel stellte denn auch der Beschwerdeführer am

15. Januar 2016 sein neues Leistungsbegehren (Suva-act. 10).

6.3

      1. Wie die formelle Rechtsbeständigkeit der formlosen Leistungsverweigerung vom 21. März 2007 wird vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers im Grundsatz auch dessen materielle Rechtsbeständigkeit nicht bestritten. Uneinig sind sich jedoch die Verfahrensparteien hinsichtlich der Frage, ob die formlose Ablehnung der Leistungspflicht im Jahr 2007 für den im vorliegenden Beschwerdeverfahren - hinsichtlich eines Leistungsanspruchs des Beschwerdeführers - zu treffenden Entscheid von Bedeutung ist bzw. welcher rechtliche Inhalt durch die formlose Leistungsverweigerung vom 21. März 2007 materielle Rechtsbeständigkeit erlangt hat.

      2. Am 14. Januar 2004 war der Beschwerdeführer erstmals wegen Hüftschmerzen links bei Dr. C. in Behandlung, der nach einer Röntgenuntersuchung Schmerzen rechte (richtig: linke) Hüfte diagnostiziert und die Behandlung am 28. Januar 2004 abgeschlossen hatte (Suva-act. 6). Die wegen immer wieder aufgetretenen Hüftschmerzen links durch Dr. D. am 23. Januar 2007 durchgeführte MRI-Untersuchung hatte als strukturellen und schmerzverursachenden Gesundheitsschaden eine ausgeprägte Coxarthrose links hervorgebracht (Suva-act. 3). Mit der formlosen Leistungsverweigerung vom 21. März 2007 wurde eindeutig die

        Leistungspflicht bezüglich dieser Coxarthrose links mangels natürlichen Kausalzusammenhangs mit dem Unfallereignis vom 31. Oktober 2003 verneint. Die Unfallkausalität der Coxarthrose hat als Begründungselement notwendigerweise Anteil an der formellen und materiellen Rechtskraft des Schreibens vom 21. März 2007. Diese Begründung wirkt sich nicht bloss auf einen zeitlich beschränkten Zeitraum aus, sondern ist endgültig. Die rechtskräftige Verneinung einer Unfallkausalität eines bestimmten Leidens schliesst daher - vorbehältlich der prozessualen Revision oder der Wiedererwägung (vgl. hierzu Art. 53 ATSG und nachfolgende Erwägung 6.4) - jeden neuen Entscheid über die Leistungsberechtigung im Zusammenhang mit der Coxarthrose aus bzw. führt zur Ablehnung sämtlicher künftiger Leistungsbegehren aufgrund desselben Leidens; dies gilt auch hinsichtlich geltend gemachter Rückfälle oder Spätfolgen (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts vom 27. August 2013, 8C_359/2013, E. 5.1; RKUV 1998 Nr. U 310 S. 465 f. E. 2).

      3. Im Rahmen der im angefochtenen Einspracheentscheid geprüften Rückfallmeldung stand gleichfalls eine Leistungspflicht hinsichtlich der am 23. Januar 2007 radiologisch erhobenen Coxarthrose (Suva-act. 2, 19) bzw. deren operativer Behandlung (Suva-act. 27, 29) in Frage. Etwas anderes macht auch der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers nicht geltend, wurde doch die Rückfallmeldung im Zusammenhang mit der Operation der Coxarthrose eingereicht. Das Anspruchselement des Rückfallverfahrens war mithin dasselbe wie dasjenige des ursprünglichen Verfahrens. Es geht um dasselbe Unfallereignis vom 31. Oktober 2003 und dessen Kausalität für die Coxarthrose. Eine Ablehnung des neuen Leistungsbegehrens vom 15. Januar 2016 (Suva-act. 10) ist damit die Konsequenz.

      4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der angefochtene Einspracheentscheid der Beschwerdegegnerin vom 27. April 2016, mit welchem die Beschwerdegegnerin ihre Leistungspflicht hinsichtlich der am 15. Januar 2016 als Rückfall gemeldeten Hüftbeschwerden links und damit auch für die Hüft-TP- Implantation vom 7. Januar 2016 abgelehnt hat, nicht zu beanstanden ist.

6.4 Wie bereits erwähnt, müsste bzw. könnte die Beschwerdegegnerin das rechtsverbindliche Schreiben vom 21. März 2007 korrigieren, wenn die Voraussetzungen der prozessualen Revision bzw. der Wiedererwägung gemäss Art. 53

ATSG gegeben wären (vgl. Erwägung 6.3.2). Während diese Rückkommenstitel die Ausgangslage der anfänglichen Unrichtigkeit eines Entscheids betreffen, beziehen sich die revisionsrechtlichen Tatbestände - Rückfall und Spätfolgen -, wie dargelegt (vgl. Erwägungen 6.2 und 6.3.2), auf eine nachträgliche Änderung des massgebenden Sachverhalts. Insofern ist die materielle Rechtskraft im Rahmen von Art. 53 ATSG nur eingeschränkt anzunehmen (vgl. KIESER, a.a.O., Art. 53 N 4 f.). Die Beschwerdegegnerin weist in der Beschwerdeantwort vom 13. Juni 2016 zutreffenderweise darauf hin, dass die Frage einer Wiedererwägung oder einer prozessualen Revision des formlosen Schreibens vom 21. März 2007 nicht Anfechtungsgegenstand des angefochtenen Einspracheentscheids gebildet haben und somit auch nicht Streitgegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens sein können. Der Vollständigkeit halber ist anzufügen, dass der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bis anhin offenbar auch nie ein Wiedererwägungsgesuch gestellt hat (vgl. dazu KIESER, a.a.O., Art. 53 N 61, N 69) und zumindest die Beschwerdegegnerin die Voraussetzungen für eine von Amtes wegen einzuleitende prozessuale Revision (vgl. dazu KIESER, a.a.O., Art. 53 N 35) offensichtlich als nicht gegeben erachtet.

7.

    1. Im Sinn der vorstehenden Erwägungen ist der Einspracheentscheid vom 25. Februar 2016 nicht zu beanstanden und die dagegen erhobene Beschwerde abzuweisen.

    2. Gerichtskosten sind gemäss Art. 61 lit. a ATSG keine zu erheben.

    3. Ausgangsgemäss hat der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf eine

Parteientschädigung.

Entscheid

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

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