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Urteil Versicherungsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:KSCHG 2014/1
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:Schiedsgericht - Prozesse Versicherer / Leistungserbringer
Versicherungsgericht Entscheid KSCHG 2014/1 vom 25.08.2015 (SG)
Datum:25.08.2015
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 25 Abs. 2 lit. b, Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG; Art. 67 KVV; Art. 34 ff. KLV. Leistungspflicht für die Kosten des auf der Spezialitätenliste enthaltenen Arzneimittels Myozyme© bei späterer Verlaufsform von Morbus Pompe aus obligatorischer Krankenversicherung bejaht. Vorbehalte in der Kostengutsprache des Krankenversicherers, die über die Anforderungen der Spezialitätenliste hinausgehen, sind unrechtmässig. (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 25. August 2015, KSCHG 2014/1).Bestätigt durch Urteil des Bundesgerichts 9C_730/2015.Entscheid vom 25. August 2015BesetzungPräsident Joachim Huber, Schiedsrichterinnen Daniela Ittensohnund Traudi Reimann-Forstner, Schiedsrichter Josef Hoppler undJürg Zwahlen; Gerichtsschreiber Philipp GeertsenGeschäftsnr.KSCHG 2014/1ParteienKantonsspital St. Gallen, Rorschacher Strasse 95, 9007 St. Gallen,Klägerin,vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Felix Ludwig und Rechtsanwalt Dominik Sennhauser, MLaw, ME Advocat AG, Poststrasse 1,9100 Herisau,gegenKPT Krankenkasse AG, Tellstrasse 18, Postfach 8624,
Schlagwörter : Beklagte; Sicher; Spezialitäten; Spezialitätenliste; Kosten; Arzneimittel; Myozyme©; Betrag; Behandlung; Aufnahme; Stehen; Kläger; Krankenversicherung; Gericht; Nutzen; Beklagten; Wirtschaftlichkeit; Limitierung; Führt; Rechnung; Leistung; Arzneimittels; Wirksamkeit; Therapeutische; Medikament; Verordnung; Geführt; Werden
Rechtsnorm: Art. 190 BV ; Art. 25 KVG ; Art. 32 KVG ; Art. 33 KVG ; Art. 34 KVG ; Art. 35 KVG ; Art. 52 KVG ; Art. 8 BV ; Art. 89 KVG ;
Referenz BGE:109 V 217; 121 V 289; 125 V 95; 127 V 138; 127 V 80; 127 V 87; 128 V 159; 130 V 532; 134 I 148; 136 V 395; 136 V 403; 136 V 406; 136 V 408; 139 V 381; 139 V 82;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
3001 Bern,Beklagte,vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Staffelbach, Walder Wyss &Partner AG, Seefeldstrasse 123, Postfach 1236,

8034 Zürich,GegenstandKostenübernahme einer Behandlung mit dem

MedikamentMyozyme©Sachverhalt

A.

    1. B. obligatorisch bei der Publisana Krankenkasse AG (die Aktiven und Passiven der Publisana Krankenversicherung AG sind infolge Fusion mit der KPT Krankenversicherung AG per 1. Januar 2015 auf die KPT Krankenversicherung AG übergangen, act. G 19 und G 19.1; nachfolgend: die Krankenkasse) krankenversichert (act. G 1.2), leidet an Morbus Pompe. Zur Behandlung mit dem Arzneimittel Myozyme©

      begab sie sich in das Kantonsspital St. Gallen (nachfolgend: Kantonsspital; act. G 1, Rz 5).

    2. Die Krankenkasse erkannte im an das Kantonsspital gerichteten Schreiben vom

      12. März 2013 "im Grundsatz" einen Anspruch der Versicherten auf den Bezug des Arzneimittels Myozyme© und erteilte mit Gültigkeit ab 1. März 2013 und für die Dauer von 12 Monaten Kostengutsprache für die Therapie mit diesem Arzneimittel. In der weiteren Begründung gab sie an, die Kostengutsprache erfolge "explizit ohne Garantie der Preisübernahme" bzw. "unter Vorbehalt der noch folgenden Abklärungen". Zur Begründung des Vorbehalts führte die Krankenkasse an, der in der Spezialitätenliste festgelegte Preis von Fr. 587.75 (Publikumspreis) für 50 mg Trockensubstanz sei im Verhältnis zum Nutzen des Medikaments offensichtlich in genereller Weise und auch für den hier vorliegenden Einzelfall zu hoch. Sie werde deshalb die durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) anlässlich der Aufnahme auf die Spezialitätenliste vorgenommene Preisfestsetzung und Beurteilung des therapeutischen Nutzens von Myozyme© überprüfen und den angemessenen Preis unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit und Zweckmässigkeit festlegen (act. G 1.2).

    3. Das Kantonsspital stellte in der Folge der Krankenkasse Rechnung für die die Behandlung des Morbus Pompe (späte Verlaufsform) mit Myozyme© (Rechnung vom 25. Juni 2013: Fr. 17'547.90, act, G 1.3; Rechnung vom 26. August 2013:

Fr. 66'871.65, act. G 1.4; Rechnung vom 1. Oktober 2013: Fr. 83'609.15, act. G 1.5;

Rechnung vom 17. Dezember 2013: Fr. 67'406.65, act. G 1.11; Rechnung vom

20. Januar 2014: Fr. 66'025.40, act. G 1.12; Rechnung vom 26. März 2014: Fr. 489.--,

act. G 1.13; Rechnung vom 28. März 2014: Fr. 67'043.05, act. G 1.14). B.

    1. Da die Krankenkasse die Bezahlung der in Rechnung gestellten Behandlungen mit Myozyme© ablehnt, beantragt das Kantonsspital mit Klage vom 16. April 2014, die Beklagte sei zu verpflichten, die Kosten für die Behandlung der Versicherten mit dem Medikament Myozyme© gemäss dem seit 1. November 2011 in der Spezialitätenliste festgesetzten und verbindlichen Preis von Fr. 587.75 pro Durchstechflasche mit einem Inhalt von 50 mg Trockensubstanz zusammen mit den übrigen mit der Behandlung

      zusammenhängenden ambulanten und stationären Kosten, namentlich Fr. 17'547.90 nebst 5% Zins seit 25. Juli 2013, Fr. 66'871.65 nebst 5% Zins seit 25. September

      2013, Fr. 83'609.15 nebst 5% Zins seit 31. Oktober 2013, Fr. 67'406.65 nebst 5% Zins

      seit 16. Januar 2014, Fr. 66'025.40 nebst 5% Zins seit 19. Februar 2014, Fr. 489.--

      nebst 5% Zins ab 25. April 2014 sowie Fr. 67'043.05 nebst 5% Zins ab 27. April 2014 vollumfänglich zu bezahlen; unter Kosten- und Entschädigungsfolgen. Zur Begründung führt der Kläger im Wesentlichen aus, die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen für die Kostenübernahme der geltend gemachten Behandlung mit Myozyme© seien erfüllt (act. G 1).

    2. Die Beklagte beantragt in der Klageantwort vom 4. August 2014 die Abweisung der klägerischen Begehren. Eventualiter sei sie (die Beklagte) zu verpflichten, einen angemessenen Preis von Fr. 1.-- pro Durchstechflasche mit einem Inhalt von 50mg Trockensubstanz für längstens 24 Monate zu bezahlen; unter Kosten- und Entschädigungsfolge. In der sehr ausführlichen Begründung bringt die Beklagte vor, sie anerkenne, dass die versicherte Person initial zum Zeitpunkt des Kostengutsprachegesuchs gemäss Spezialitätenliste Anspruch auf die Kostenübernahme des Medikaments Myozyme© hätte, falls die Spezialitätenliste durch die zuständige Behörde gesetzeskonform erstellt worden wäre. Deshalb sei - im Grundsatz - eine Kostengutsprache erteilt worden. Sie bestreite, dass das BAG den Preis für Myozyme© richtig festgelegt habe. Aus ihrer Sicht habe das BAG den Medikamentenpreis gesetzeswidrig festgelegt. Selbst wenn der Preis in der Spezialitätenliste "in genereller Weise" richtig festgelegt worden wäre, so sei dieser Preis dennoch im Verhältnis zum Nutzen des Medikaments bei der "spezifischen Patientin" für den hier vorliegenden "individuellen Einzelfall" zu hoch. Das Medikament wirke bei der Patientin ungenügend (act. G 12).

    3. In der Replik vom 15. Oktober 2014 hält der Kläger unverändert an seinen Begehren fest (act. G 14).

    4. Die Beklagte hält ihrerseits in der Duplik vom 19. November 2014 an den von ihr gestellten Anträgen fest (act. G 16).

Erwägungen:

1.

Zwischen den Parteien umstritten und nachfolgend zu prüfen ist die Leistungspflicht der Beklagten für die vom Kläger geltend gemachten Kosten von insgesamt

Fr. 368'992.80 bezüglich der vom 10. April 2013 bis 11. März 2014 durchgeführten Behandlung mit dem Arzneimittel Myozyme©. Zwischen den Parteien sind die Zuständigkeit des Schiedsgerichts (Art. 89 Abs. 1, 2 und 4 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung [KVG; SR 832.10] i.V.m. Art. 5 des kantonalen Einführungsgesetzes zur Bundesgesetzgebung über die Krankenversicherung [EG- KVG; sGS 331.11] i.V.m. Art. 65 Abs. 1 lit. a des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege [VRP; sGS 951.1]) sowie die Eintretensvoraussetzungen zu Recht bejaht worden (act. G 1, Rz 2 f., und G 12, Rz 128 f.).

    1. Art. 25 KVG bestimmt, dass die obligatorische Krankenversicherung die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen, übernimmt (vgl. Abs. 1). Diese Leistungen umfassen namentlich auch die

      ärztlich verordneten Arzneimittel (Abs. 2 lit. b). Art. 34 Abs. 1 KVG schreibt vor, dass die Versicherer im Rahmen der obligatorischen Krankenversicherung keine anderen Kosten als diejenigen für die Leistungen nach den Artikeln 25 - 33 KVG übernehmen dürfen. Die in Art. 25 - 31 KVG erwähnten Leistungen müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein, wobei die Wirksamkeit nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein muss (vgl. Art. 32 Abs. 1 KVG). Die Wirksamkeit einer Leistung ist dann gegeben, wenn die betreffende Behandlung geeignet ist, das angestrebte diagnostische oder therapeutische Ziel zu erreichen (BGE 128 V 159 E. 5c/aa). Ob eine medizinische Behandlung zweckmässig ist, beurteilt sich nach dem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen der Anwendung im Einzelfall unter Berücksichtigung der damit verbundenen Risiken (BGE 127 V 138 E. 5). Die Zweckmässigkeit hängt von medizinischen Kriterien ab und steht in engem Zusammenhang mit der Frage der medizinischen Indikation. Ist die medizinische Indikation klar erwiesen, ist auch die Zweckmässigkeit gegeben (BGE 125 V 95 E. 4a; BGE 121 V 289 E. 7b). Sind in einem bestimmten Fall unterschiedliche Behandlungsformen und/oder -methoden wirksam und zweckmässig, ist gemäss dem Kriterium der Wirtschaftlichkeit das Kosten-Nutzen- Verhältnis der Massnahme abzuwägen (vgl. BGE 127 V 138 E. 5; vgl. BGE 130 V 532

      E. 2.2).

    2. Gemäss Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG (in Verbindung mit Art. 34 und 37e der Verordnung über die Krankenversicherung [KVV; SR 832.102]) erstellt das Bundesamt für Gesundheit nach Anhören der zuständigen Kommissionen und unter Berücksichtigung der Grundsätze nach den Art. 32 Abs. 1 und 43 Abs. 6 KVG eine Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen (Spezialitätenliste). Diese hat auch die mit den Originalpräparaten austauschbaren preisgünstigeren Generika zu enthalten. Die Aufnahme in eine Liste (vorliegend in die Spezialitätenliste) kann unter der Bedingung einer Limitierung, wie insbesondere bezüglich der Menge oder der medizinischen Indikationen, erfolgen (vgl. Art. 73 KVV). Derartige Limitierungen dienen der Kontrolle der Wirtschaftlichkeit und sind nicht als eine Form der Leistungsrationalisierung anzusehen (vgl. BGE 130 V 532 E. 3.1).

    3. Die Kosten für ein in der Spezialitätenliste enthaltenes Medikament werden nur übernommen, wenn das Arzneimittel für von Swissmedic gemäss Art. 9 des Bundesgesetzes über Arzneimittel und Medizinprodukte (HMG; SR 812.21) zugelassene medizinische Indikationen verschrieben wird. Diese Regelung bezweckt einerseits, dass nur Arzneimittel über die obligatorische Krankenpflegeversicherung abgerechnet werden, welche nach heilmittelrechtlichen Grundsätzen sicher und wirksam sind. Andererseits wird damit im Sinn des Wirtschaftlichkeitsgebots (Art. 32 KVG) eine Kostenbegrenzung erreicht, indem die auf der Spezialitätenliste enthaltenen Arzneimittel höchstens nach den darin festgelegten Preisen verrechnet werden dürfen (vgl. BGE 136 V 395 E. 5.1; Art. 52 Abs. 1 lit. b und Abs. 3 KVG; Art. 67 KVV; Art. 34 ff. der Verordnung des EDI über Leistungen in der obligatorischen Krankenversicherung [KLV; SR 832.112.31]; Gebhard Eugster, Bundesgesetz über die Krankenversicherung [KVG], 2010, N 7 zu Art. 52 KVG; Ueli Kieser, Die Zulassung von Arzneimitteln im Gesundheits- und im Sozialversicherungsrecht, AJP 2007, S. 1042 ff., S. 1049). Die Aufnahme in die Spezialitätenliste erfolgt mithin nach einer doppelstufigen Zulassungsprüfung: Vorausgesetzt wird vorab die heilmittelrechtliche Zulassung. Hinzu kommt die krankenversicherungsrechtliche Zulassung, wobei die Kriterien der Wirksamkeit und Zweckmässigkeit erneut überprüft werden und als weiteres Kriterium die Wirtschaftlichkeit herangezogen wird (BGE 139 V 381 E. 6.2 mit Hinweis auf Kieser, a.a.O., S. 1049).

2.

Die Beklagte rügt zunächst die Aufnahme des Arzneimittels Myozyme© in die Spezialitätenliste (act. G 12, Rz 58 ff.) bzw. den festgesetzten Listenpreis (act. G 12, Rz 44 f.).

    1. Am 1. November 2011 wurde das Präparat Myozyme©, Trockensubstanz 50 mg, mit einem Publikumspreis für eine Durchstechflasche von Fr. 587.75 sowie ausführlichen Limitierungen für die Behandlung von Patienten mit der späten Verlaufsform von Morbus Pompe in die Spezialitätenliste aufgenommen.

      1. Die Aufnahme oder Nichtaufnahme eines Arzneimittels in die Spezialitätenliste beruht auf einer Verfügung im Sinn von Art. 5 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021), die der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht unterliegt. Die Krankenversicherer sind nicht beschwerdelegitimiert und gelten nicht als materielle Verfügungsadressaten des Aufnahmeentscheids. Die Spezialitätenliste hat jedoch den Charakter einer Verordnung (Eugster, a.a.O., Rz 15 zu Art. 52 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung u.a. auf BGE 127 V 80 E. 3c/bb; siehe auch Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts [EVG; seit 1. Januar 2007: Sozialrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts] vom

        22. Dezember 2000, K 43/99, E. 4a). Das Konzept der Spezialitätenliste (siehe hierzu vorstehende E. 1.2 f.) und die damit verbundene Wirtschaftlichkeitskontrolle des BAG ist ein Schutz für die Kostenträger der obligatorischen Krankenversicherung (Eugster, a.a.O., Rz 7 zu Art. 52). Das BAG wird bei seinem Entscheid durch die Eidgenössische Arzneimittelkommission (EAK; Art. 33 Abs. 4 KVG i.V.m. Art. 37a lit. c KVV) beraten.

      2. Bei der Spezialitätenliste handelt es sich um eine (unselbstständige) Verordnung, die nach der Rechtsprechung durch die Gerichte auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüft werden kann (Urteil des EVG vom 22. Dezember 2000, K 43/99, E. 4a). Die Spezialitätenliste stützt sich auf eine gesetzliche Delegationsnorm mit dem Wortlaut: "Nach Anhören der zuständigen Kommissionen und unter Berücksichtigung der Grundsätze nach den Artikeln 32 Absatz 1 und 43 Absatz 6: [ ] b. erstellt das Bundesamt eine Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen (Spezialitätenliste)" (Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG). Die darin erwähnten Gesetzeshinweise betreffen die Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit.

      3. Bei (unselbstständigen) Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft das Gericht, ob sie sich in den Grenzen der dem Verordnungsgeber im Gesetz eingeräumten Befugnisse halten. Wird dem Verordnungsgeber durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsebene eingeräumt, muss sich das Gericht auf die Prüfung beschränken, ob die umstrittenen Verordnungsvorschriften offensichtlich aus dem Rahmen der dem Verordnungsgeber im Gesetz delegierten Kompetenzen herausfallen oder aus andern Gründen verfassungs- oder gesetzwidrig sind. Es kann jedoch sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle desjenigen des Verordnungsgebers setzen und es hat auch nicht die Zweckmässigkeit zu untersuchen. Eine verordnete Regelung verstösst allerdings dann gegen das in Art. 9 der Bundesverfassung (BV; SR 101) verankerte Willkürverbot, wenn sie sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen lässt oder sinn- oder zwecklos ist, bzw. das in Art. 8 Abs. 1 BV festgeschriebene Gebot der rechtsgleichen Behandlung verletzt (Urteil des EVG vom 5. November 2001, K 157/00, E. 3c/aa mit Hinweisen).

      4. Im Rahmen der obgenannten Kontrolle kann das Gericht den Inhalt der Spezialitätenliste prüfen. Bei der Prüfung der Spezialitätenliste übt das Gericht indes grosse Zurückhaltung, da das Bestehen der Zulassungsbedingungen der Arzneimittel periodisch überprüft wird (Art. 65d KVV und Art. 35b KLV). Wenn es im Übrigen darum geht, einen Sachverhalt zu würdigen, der ausschliesslich medizinische Überlegungen beschlägt, so ist das Gericht im Allgemeinen nicht in der Lage zu beurteilen, ob die Schlussfolgerungen der Fachleute stichhaltig sind. Es muss sich deshalb deren Meinung anschliessen, sofern sie nicht als unhaltbar erscheint (Urteil des EVG vom

22. Dezember 2000, K 43/99, E. 4b). Dies hat umso mehr zu gelten, als die Beurteilung eines Arzneimittels bzw. von dessen Aufnahme in die Spezialitätenliste hoch stehende, spezialisierte wissenschaftliche und wirtschaftliche Kenntnisse erfordert. Sodann würde eine Korrektur der Spezialitätenliste durch das Gericht eine vorgängige Anhörung von Experten voraussetzen, was geraume Zeit in Anspruch nähme, und ferner den Nachteil hätte, dass der Listenentscheid nicht auf umfassender fachmännischer (sowie darüber hinaus sozialpolitischer und gesamtwirtschaftlicher) Beurteilung gründete, die durch die vom Gesetz vorgesehene Kommission und das BAG besser gewährleistet ist. Im Licht dieser Umstände hat sich das Gericht bei der Beantwortung der Frage, ob ein Arzneimittel zu Recht auf der Spezialitätenliste aufgeführt ist, grösste Zurückhaltung

aufzuerlegen (vgl. Urteil des EVG vom 5. November 2001, K 157/00, E. c/bb betreffend die sich auf Art. 52 Abs. 1 lit. a Ziff. 3 KVG stützende Mittel- und Gegenstände-Liste).

    1. Die Beklagte rügt über mehrere Seiten generelle Verfahrens- und Systemmängel bei der Aufnahme von Arzneimitteln in die Spezialitätenliste (etwa betreffend Preisfest setzung, ungenügende Präzisierung von Prüfungskriterien, Entscheidungsgrundlagen, Intransparenz der staatlichen Tätigkeiten, Unabhängigkeit und Überprüfung von bereits zugelassenen Arzneimitteln, act. G 12, Rz 53 ff.). Sie übersieht hierbei, dass das für die Aufnahme eines Arzneimittels zu beachtende Listenverfahren sowie die involvierten Akteure (BAG und Kommission) im Wesentlichen in Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG geregelt sind, und dass sich deshalb in Nachachtung der verfassungsrechtlichen Überprüfungsbeschränkung von Bundesgesetzen (Art. 190 BV) Weiterungen zu ihrer Kritik erübrigen. Zu ergänzen bleibt lediglich, dass die Beklagte weder (substanziiert) geltend macht noch sonst ersichtlich ist, dass sich der Verordnungsgeber bei den von ihm in diesem Kontext erlassenen Bestimmungen (Art. 31 ff. KLV) nicht in dem ihm zustehenden (weiten) Ermessenspielraum (siehe hierzu vorstehende E. 2.1.3) bewegt hätte.

    2. Hinsichtlich des Arzneimittels Myozyme© macht die Beklagte "zusätzliche Mängel im Aufnahmeverfahren" geltend ("fragliche Unregelmässigkeiten" und "unqualifizierte Prüfung der Kriterien der Wirksamkeit und Zweckmässigkeit", G 12, Rz 74 ff. und G 16, Rz 30).

      1. Die Beklagte bringt vor, die EAK habe es "Gerüchten zufolge" (act. G 12, Rz 82) an ihrer Sitzung vom 22. Februar 2011 (zunächst) abgelehnt, dem BAG die Aufnahme von Myozyme© für Spätfolgen (mit Limitierungen) zu empfehlen und erst anlässlich der EAK-Sitzung vom Mai 2011 "soll dann doch" die Empfehlung zur Aufnahme von Myozyme© beschlossen worden sein, allerdings "mit einem knappen

        Zufallsresultat" (act. G 12, Rz 77 ff.). Sodann beanstandet die Beklagte die Würdigung der Empfehlung der EAK durch das BAG. Das BAG scheine "blind" und "im Interesse der Pharmahändlerin dem Zufallsentscheid der EAK" gefolgt zu sein, obwohl diese auf mangelnde klinische Wirksamkeit von Myozyme© hingewiesen habe (act. G 12,

        Rz 82 f.).

      2. Wesentlich ist, dass eine Verletzung der Verfahrensvorschriften weder gerügt noch erkennbar ist und die EAK bzw. die Mehrheit ihrer Mitglieder letztlich eine positive Empfehlung abgegeben hat, was für die Aufnahme in die Spezialitätenliste durch das BAG spricht. Im Übrigen bleibt unklar, was die Beklagte mit der Formulierung "knappes Zufallsresultat" (act. G 12, Rz 81) zum Ausdruck bringen möchte. Keinen Mangel am Verfahren vermag ein allenfalls knappes Abstimmungsergebnis zu begründen. Ebenso wenig ist massgebend, dass eine allfällige Mehrheit der EAK-Mitglieder vor der definitiven Entscheidung über eine Empfehlung zunächst - und offenbar nach der Darstellung der Beklagten unter Eindruck des die Frage der Aufnahme in die Spezialitätenliste nicht präjudizierenden BGE 136 V 395 - eine ablehnende Haltung eingenommen hatte. Von Bedeutung ist einzig die beim Abschluss des Beurteilungsprozesses getroffene Entscheidung der EAK, die letztlich hinsichtlich einer Aufnahme positiv ausfiel. Die Entscheidung des BAG stützt sich damit auf die Empfehlung eines Fachgremiums. Selbst wenn es die Aufnahme ohne die nähere Hinterfragung der Empfehlung verfügt hätte, vermöchte dies eine Willkür bzw. ein Eingreifen des Gerichts nicht zu rechtfertigen (siehe hierzu vorstehende E. 2.1.3 f.), womit offen bleiben kann, ob und gegebenenfalls in welchem Rahmen das BAG die Empfehlung der EAK kritisch geprüft hat. Für die von der Beklagten beantragten Editionen (act. G 12, Rz 59, 76, Rz 78, 79, 81 und 83) besteht demnach kein Anlass

        (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 134 I 148 E. 5.3).

      3. An dieser Sichtweise ändert der Hinweis der Beklagten auf Studien, die einen geringen therapeutischen Nutzen von Myozyme© belegen würden (act. G 84 ff.), nichts. Ins Gewicht fällt vorab, dass die angeführten Studien hinsichtlich der späteren

        Verlaufsform zumindest einen "geringen therapeutischen Nutzen" belegen, was von der Beklagten nicht in Frage gestellt wird (act. G 12, Rz 84 ff.). Eine statistisch signifikante Besserung ist in der LOTS-Studie ausgewiesen (BGE 136 V 403 E. 6.7). Das Bundesgericht gelangte ferner zur Auffassung, dass ein therapeutischer Nutzen anzunehmen sei. Es verneinte lediglich und allein im Rahmen der - für den vorliegenden Fall nicht einschlägigen - Prüfung einer Kostenübernahme ausserhalb der Spezialitätenliste einen hierfür erforderlichen "hohen" therapeutischen Nutzen (BGE 136 V 406 E. 6.10). Ferner erhielt das Arzneimittel Myozyme© die Zulassung der Swissmedic, was für die heilmittelrechtliche Wirksamkeit spricht (vgl. vorstehende

        E. 1.3). Der Entscheid für die Aufnahme von Myozyme© in die Spezialitätenliste wird

        des Weiteren dadurch bestätigt, dass dieses Arzneimittel in den für die Schweiz massgebenden Referenzländern vergütet wurde (siehe hierzu die Antwort des Bundesrates vom 6. Juni 2011 auf die Interpellation Humbel, 11.3154). Wie sich aus dem Hinweis der Beklagten auf die Niederlande ergibt (act. G 16, Rz 22), wird an der Kostenvergütung trotz der Bedenken der Krankenversicherungsträger gerade festgehalten, weshalb die Beklagte mit Verweis auf die Niederlande nichts zu ihren Gunsten abzuleiten vermag. Im Übrigen würde eine nachträgliche Ablehnung der zuvor anerkannten Kostenvergütung einzelner oder aller Referenzländer den ursprünglichen Aufnahmeentscheid des BAG nicht als willkürlich erscheinen lassen. Auch die European Medicines Agency (EMA) geht hinsichtlich der späten Verlaufsform von Morbus Pompe von einem therapeutischen Nutzen des Arzneimittels aus (Zusammenfassung des EPAR für die Öffentlichkeit, aktualisierter Stand von Januar 2014, S. 2 f., <http://www.ema.europa.eu/docs/de_DE/document_library/EPAR_-

        _Summary_for_the_public

        /human/000636/WC500032126.pdf>, abgerufen am 25. August 2015; vgl. auch die damit zu vereinbarenden eingehend dargestellten Studienergebnisse im Anhang I der EMA-Dokumentation, Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels, S. 14 ff.,

        <http://www.ema.europa.eu/docs/de_DE/document_library/EPAR_-

        _Product_Information/ human/000636/WC500032125.pdf>, abgerufen am 25. August

        2015).

      4. Auch wenn man geteilter Meinung hinsichtlich des therapeutischen Nutzens und der Wirtschaftlichkeit von Myozyme© für die späte Verlaufsform von Morbus Pompe sein kann, so bewegt sich der gesetzeskonform zustande gekommene Aufnahmeentscheid des BAG innerhalb des ihm zustehenden sehr weiten Ermessenspielraums. Eine Korrektur durch den Rechtsanwender fällt damit ausser Betracht. Was den Aspekt der Wirtschaftlichkeit anbelangt, so wurde diesem bei der späten Verlaufsform von Morbus Pompe durch die ausführlichen Limitierungen, die der Kontrolle der Wirtschaftlichkeit dienen (vgl. vorstehende E. 1.3 am Schluss), und die erhebliche Reduktion des Maximalpreises (Fr. 587.75 pro Durchstechflasche; im Jahr 2008 betrug der Preis nach der unbestritten gebliebenen Darstellung des Klägers nach Abzug eines Rabatts noch Fr. 1'138.70 pro Durchstechflasche, act. G 1, Rz 41) besonders Rechnung getragen.

2.4 Nach dem Gesagten kann die vom BAG - beraten durch die EAK, die letztlich unbestrittenermassen eine Empfehlung für die Aufnahme abgegeben hatte (siehe vorstehende E. 2.3.2) - verfügte Aufnahme des Arzneimittels Myozyme© nicht schlechterdings als unhaltbar im Sinn der vorstehenden Ausführungen gelten (siehe hierzu sowie zur vom Gericht zu beachtenden grössten Zurückhaltung vorstehende

E. 2.1.3 f.). Gleiches gilt hinsichtlich der vorgenommenen Limitierung. Die Beklagte benennt denn auch in ihren Ausführungen zur Limitierung keine willkürlichen Aspekte, die eine Korrektur durch das Gericht zu rechtfertigen vermöchten (act. G 16, Rz 38 ff.).

3.

Gegen eine Leistungspflicht für die umstrittene Behandlung von B. mit Myozyme© führt die Beklagte ins Feld, der Preis sei im Verhältnis zum nachgewiesenen Nutzen im hier vorliegend konkreten, "individuellen Einzelfall" zu hoch. Das Medikament wirke bei dieser Versicherten "nicht signifikant". Trotz Behandlung mit Myozyme© habe sich deren gesundheitliche Verfassung nicht positiv verändert. Obwohl sie mit Myozyme© behandelt werde, verschlechtere sich ihr Zustand progressiv (act. G 12, Rz 100 ff., und act. G 16, Rz 32 ff.).

    1. Die Krankenversicherer sind im Arzneimittelbereich nicht frei. Die Spezialitätenliste hält für die Beklagte als Trägerin der obligatorischen Krankenversicherung (verbindlich) fest, welches diejenigen Arzneimittel sind, deren Kosten durch die Krankenversicherung übernommen werden; anderseits nennt sie (verbindlich) die Preise, zu denen die Vergütung zu erfolgen hat (Kieser, a.a.O., S. 1047). Im Bereich der Spezialitätenliste ist es allein Aufgabe der Behörde, das Ziel der Sicherstellung einer qualitativ hoch stehenden und zweckmässigen Gesundheitsversorgung zu möglichst günstigen Kosten zu erreichen (Kieser, a.a.O., S. 1048, mit Hinweis auf BGE 127 V 87, worin eine Beschwerdelegitimation eines Krankenversicherers abgelehnt wurde, der sich gegen die erfolgte Aufnahme eines Arzneimittels wenden wollte). Mit Aufnahme in die Spezialitätenliste wird dem Arzneimittel Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit attestiert und es unterliegt sodann der Leistungspflicht der Krankenversicherer im Rahmen der zugelassenen Indikationen (Thomas Gächter/Arlette Meienberger, Verfassungsmässigkeit von Wirtschaftlichkeitsüberlegungen, in: Gabriela Riemer-Kafka/Jörg Schmid [Hrsg.], Wirtschaftlichkeitsüberlegungen in der

      Sozialversicherung, Zürich 2012, S. 32 f.). Deshalb sind die Krankenversicherer bei in der Spezialitätenliste enthaltenen Arzneimitteln nicht befugt, über die Frage der Wirtschaftlichkeit im Rahmen einer individuell-konkreten Kostenübernahme selbst zu entscheiden, noch dürfen sie sich direkt mit den Pharmaherstellern oder den Importeuren über den Preis verständigen (vgl. altrechtlich BGE 109 V 217 E. 4d/bb sowie Eugster, a.a.O., Rz 2 und 7 zu Art. 52). Die Beklagte hat demnach keinen eigenen Entscheidungsspielraum bei der Kostengutsprache für eine medikamentöse Behandlung, wenn das Arzneimittel in der Spezialitätenliste aufgeführt ist und die

      Behandlung die darin festgelegten Anforderungen bzw. Limitierungen erfüllt (siehe auch Gächter/Meienberger, a.a.O., S. 35, welche die Zulässigkeit einer Einzelfallprüfung bei Listenmedikamenten verneinen; vgl. auch BGE 136 V 408 E. 7.4: "[ ] Einsatz von Medikamenten, die nicht auf der Liste aufgeführt sind, stattdessen einzelfallweise beurteilt wird"). Die von der Beklagten vertretene Auffassung, es stehe ihr als Trägerin der obligatorischen Krankenversicherung frei, unabhängig der Spezialitätenliste über eine Kostengutsprache bzw. deren Umfang zu befinden (act. G 1.2 und G 14.1; siehe auch act. G 12, Rz 100 ff., und G 16, Rz 32 ff.), lässt sich damit nicht vereinbaren.

      Damit erweisen sich die in den Kostengutsprachen vom 12. März 2013 und 27. Mai 2014 enthaltenen Vorbehalte (die Beklagte werde "die durch das Bundesamt für Gesundheit anlässlich der Aufnahme auf die SL vorgenommene Preisfestsetzung und Beurteilung des therapeutischen Nutzens von Myozyme© überprüfen und den angemessenen Preis unter Berücksichtigung der gesetzlichen Grundlagen wie Wirtschaftlichkeit und Zweckmässigkeit festlegen", act. G 1.2 und G 14.1) als unzulässig.

    2. Es ist unbestritten, dass die vorliegend zu beurteilende Behandlung von B. sämtliche Anforderungen gemäss der in der Spezialitätenliste aufgeführten Limitierungen erfüllt (vgl. zu den Ausführungen der Beklagten act. G 16, Rz 36 ff.) und die Patientin an der in den Limitierungen genannten Krankheit (Morbus Pompe, späte Verlaufsform) leidet, mithin die Behandlung mit Myozyme© indiziert ist. Entgegen der nicht näher begründeten Auffassung der Beklagten (G 16,Rz 36) ist ein weiteres Indiz für den wirtschaftlichen Nutzen des Arzneimittels im Umstand zu erblicken, dass die restriktiven Limitierungen gemäss Spezialitätenliste, die u.a. ausdrücklich einen "Therapieerfolg" zum Gegenstand haben, eingehalten sind. Dies wird durch die Kostengutsprachen vom 12. März 2013 und 27. Mai 2014 (je mit der Begründung:

      "Nach nochmaliger Prüfung des Dossiers und der in der Spezialitätenliste [SL] aufgeführten Limitationen kommen wir zum Ergebnis, dass unsere Versicherte im Grundsatz Anspruch auf Bezug des besagten Medikamentes hat", act. G 1.2 und G 14.1) bestätigt, worauf der Kläger zutreffend hinweist (act. G 14 Rz 24 f.).

    3. Zu ergänzen ist, dass die Beklagte nicht nachvollziehbar dargelegt hat, der Behandlung der Versicherten mit Myozyme© fehle jeglicher Nutzen bzw. sei schlechterdings offensichtlich unnötig. Sie selbst anerkennt jedenfalls (zumindest) "leichte Verbesserungen der Befindlichkeit" im Messzeitraum (act. G 16, Rz 34). Zwar äussert die Beklagte Bedenken, dass diese Verbesserungen nicht in Zusammenhang mit der Therapie mit Myozyme© stehen ("es ist vorliegend nicht auszuschliessen, dass dieser Verlauf auch ohne medikamentöse Therapie und nur [mit] intensiver physiotherapeutischer und konventionelle[r] medikamentöser Therapie hätte erreicht werden können", act. G 16, Rz 35). Dabei belässt sie es indessen bei reinen Mutmassungen. Die durch das BAG mit der Aufnahme von Myozyme© in die Spezialitätenliste bescheinigte Wirksamkeit der Therapie wird dadurch nicht ernsthaft in Zweifel gezogen. Dies hat umso mehr zu gelten, als im vorliegend zu beurteilenden Fall ein Therapieerfolg im Sinn der Limitierungen eingetreten ist. Es ist sodann davon auszugehen, dass die für einen zurückliegenden Zeitraum vom 3. November 2011 bis

      15. März 2014 beantragten Abklärungen (Einvernahme des Vertrauensarztes der Beklagten sowie Gutachten betreffend Ursächlichkeit der gesundheitlichen Verbesserungen, act. G 16, Rz 35) zu keinen (aussagekräftigen) Ergebnissen hinsichtlich der Wirksamkeit von Myozyme© im hier zu beurteilenden Einzelfall zu führen vermöchten, welche die von den behandelnden medizinischen Experten bestätigte (vgl. die ersten beiden Sätze der Limitierung) Wirksamkeit bei der Behandlung der Versicherten erschüttern. Hinzu kommt, dass eine seltene Erkrankung im Raum steht, in der Fachwelt eine geteilte Meinung betreffend den Umfang des therapeutischen Nutzens von Myozyme© besteht und in der Medizin sowie gerade im Rahmen von komplexen Behandlungen in der Regel kaum aussagekräftige retrospektive monokausale Schlussfolgerungen hinsichtlich der (isolierten) Wirksamkeit eines Arzneimittels zu erwarten sind. Im Licht dieser Umstände ist davon auszugehen, dass weitere Abklärungen ohnehin keine neuen aussagekräftigen Erkenntnisse hervorbringen könnten, sodass davon abzusehen ist (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 134 I 148 E. 5.3). Betreffend die beantrage Einvernahme des Vertrauensarztes der

      Beklagten ist anzufügen, dass sich dieser gemäss Limitierung ("Vor der Einleitung der Therapie bei Patienten mit der späten Verlaufsform muss eine schriftliche Kostengutsprache des Krankenversicherers über den Vertrauensarzt eingeholt werden"; gleiches gilt im Fall der Verlängerung) ohnehin bereits für eine Therapie ausgesprochen haben muss, wie der Kläger richtig angemerkt hat (act. G 14, Rz 25). Im Übrigen ist es nicht Sache eines Gerichtsverfahrens, nach alternativen, im Vergleich zu Listenarzneimitteln preiswerteren Behandlungsmethoden zu forschen.

    4. Was den von der Beklagten in Frage gestellten Preis der Behandlung anbelangt (act. G 12, Rz 105 ff. und G 16, Rz 42 ff.), so ist für sie die entsprechende Festsetzung in der Spezialitätenliste verbindlich (siehe vorstehende E. 3.1 sowie Gächter/ Meienberger, a.a.O., S. 36). Die von ihr gegen diese Betrachtungsweise ins Feld geführte Rechtsprechung (BGE 136 V 395) ist nicht einschlägig, denn dort bildete eine Kostengutsprache ausserhalb der Spezialitätenliste Gegenstand der richterlichen Prüfung (so auch Gächter/Meienberger, a.a.O., S. 36).

4.

Nach dem Gesagten trifft die Beklagte eine Leistungspflicht für die Behandlung von B. mit dem Arzneimittel Myozyme©. Bei diesem Ausgang erübrigt sich die Prüfung der vom Kläger aufgeworfenen Frage, ob sich die Beklagte treuwidrig verhalten habe (act. G 1, Rz 41 f.).

    1. Den eingeklagten Forderungsbetrag für die Behandlung von April 2013 bis März 2014 von Fr. 368'992.80 (act. G 1, Rz 5; siehe auch act. G 14, Rz 12 f.) hat der Kläger mit detaillierten Abrechnungen substanziiert (act. G 1.3 ff. und G 1.11 ff.). Dieser Kostenumfang blieb von der Beklagten unbestritten und wurde ihren Ausführungen zu Grunde gelegt (etwa act. G 12, Rz 146, mit unwesentlicher Abweichung um 10 Rappen, "Fr. 368'992.90"). Deshalb und da sich aus den Akten keine Hinweise für eine falsche Berechnung ergeben, kann auf den eingeklagten Betrag von Fr. 368'992.80 abgestellt werden. Daran ändert die nicht näher substanziierte, masslich unbestimmte Ausführung in der Duplik nichts, "gemäss Instruktionen der Beklagten sind bis zum Zeitpunkt der Einreichung der Replik noch keine Zahlungen für ärztliche Behandlungen, die im Zusammenhang mit der Verabreichung von Myozyme© stehen [ ], ausgelöst

      worden. Die entsprechenden Anweisungen zur Abrechnung der ambulanten Kosten (ohne die Medikamentenkosten) sind unterdessen erteilt worden" (act. G 16, Rz 19). Denn einerseits ist nicht ersichtlich, dass die "entsprechenden Anweisungen" den eingeklagten Forderungsbetrag beschlagen oder inzwischen zu einer tatsächlichen Teilzahlung geführt hätten. Andererseits kann in der genannten Ausführung keine inzwischen tatsächlich erfolgte, vorbehaltlose Teilanerkennung des eingeklagten Forderungsbetrags erblickt werden.

    2. Der Kläger beantragt für die eingeklagten Forderungen einen Verzugszins von 5%.

      Die Beklagte hat sich hierzu nicht vernehmen lassen.

      1. Gemäss Rechtsprechung bildet Art. 26 Abs. 2 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) im Verhältnis zwischen sozialer Krankenversicherung und Leistungserbringer gemäss Art. 35 KVG keine (direkte) Grundlage für die Verpflichtung zur Leistung von Verzugszinsen. Eine entsprechende Verpflichtung bedarf in der Regel einer Grundlage im Tarifvertrag, da eine allgemeine Verzugszinspflicht im Sozialversicherungsrecht nicht besteht (BGE 139 V 82 ff., insbesondere E. 3.2.3 f. und 3.3.1 ff.). Gemäss Art. 9 Abs. 11 des vorliegend anwendbaren Rahmenvertrags TARMED wird bei verspäteter Zahlung durch den Garanten ein Verzugszins von 5% nach 30 (Tagen), d.h. ab dem 31. Tag berechnet. Mangels erkennbarer abweichender Vertragsregelung und ausgehend davon, dass dem Schuldner eine (uneingeschränkte) Zahlungsfrist von 30 Tagen für die Begleichung der Forderung zuzugestehen ist (vgl. auch den Vermerk auf den Rechnungen "Zahlungsbedingungen: 30 Tage netto", etwa act. G 1.3), besteht kein Anlass, bei der Berechnung der dreissigtägigen Frist den Tag der Abrechnung mitzuzählen. Bei der Festlegung des Beginns der 30-tägigen Frist ist daher auf den ersten Tag nach dem Rechnungsdatum abzustellen.

      2. Der Kläger stellte folgende Rechnungen: am 25. Juni 2013 für den Betrag von Fr. 17'547.90 (act, G 1.3); am 26. August 2013 für den Betrag von Fr. 66'871.65 (act. G 1.4); am 1. Oktober 2013 für den Betrag von Fr. 83'609.15 (act. G 1.5); am

17. Dezember 2013 für den Betrag von Fr. 67'406.65 (act. G 1.11); am 20. Januar 2014 für den Betrag von Fr. 66'025.40 (act. G 1.12); am 26. März 2014 für den Betrag von

Fr. 489.-- (act. G 1.13); am 28. März 2014 für den Betrag von Fr. 67'043.05 (act.

G 1.14). Gemäss auf Art. 9 Abs. 11 des Rahmenvertrags TARMED besteht bei ausstehenden Zahlungen somit ein Verzinsungsanspruch von 5% ab 26. Juli 2013 auf dem Betrag von Fr. 17'547.90, ab 26. September 2013 auf dem Betrag von

Fr. 66'871.65, ab 1. November 2013 auf dem Betrag von Fr. 83'609.15, ab 17. Januar 2014 auf dem Betrag von Fr. 67'406.65, ab 20. Februar 2014 auf dem Betrag von

Fr. 66'025.40, ab 26. April 2014 auf dem Betrag von Fr. 489.--, und ab 28. April 2014 auf dem Betrag von Fr. 67'043.05.

5.

    1. In Gutheissung der Klage ist die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Kosten für die vom 10. April 2013 bis 11. März 2014 durchgeführte Behandlung mit dem Arzneimittel Myozyme© im Betrag von Fr. 368'992.80 aus der obligatorischen Krankenversicherung zu erstatten.

    2. Entsprechend ist die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger einen Verzugszins von 5% ab 26. Juli 2013 auf dem Betrag von Fr. 17'547.90, ab 26. September 2013 auf dem Betrag von Fr. 66'871.65, ab 1. November 2013 auf dem Betrag von

      Fr. 83'609.15, ab 17. Januar 2014 auf dem Betrag von Fr. 67'406.65, ab 20. Februar 2014 auf dem Betrag von Fr. 66'025.40, ab 26. April 2014 auf dem Betrag von

      Fr. 489.--, und ab 28. April 2014 auf dem Betrag von Fr. 67'043.05 zu bezahlen.

    3. Art. 89 Abs. 5 KVG schreibt für das Verfahren vor Schiedsgericht keine Kostenlosigkeit vor, womit für die Kostenfrage ausschliesslich kantonales Recht massgeblich ist. Nach Art. 95 Abs. 1 VRP hat in Streitigkeiten jener Beteiligte die Verfahrenskosten zu tragen, dessen Begehren ganz oder teilweise abgewiesen werden. Art. 7 Abs. 1 Ziff. 122 der Gerichtskostenverordnung (sGS 941.12) sieht für Endentscheide des Versicherungsgerichts einen Gebührenrahmen von Fr. 500.-- bis

      Fr. 15'000.-- vor. Für das vorliegende Klageverfahren erscheint mit Rücksicht auf den vom Gericht zu erbringenden Aufwand und die Bedeutung der Streitsache die Festlegung einer Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- als gerechtfertigt. Die Gerichtsgebühr ist ausgangsgemäss vollumfänglich der Beklagten aufzuerlegen. Der vom Kläger geleistete Kostenvorschuss von Fr. 1'500.-- (vgl. act. G 3) ist ihm zurückzuerstatten.

    4. Nach Art. 98 Abs. 1 und Art. 98 bis VRP ist der Anspruch auf ausseramtliche Kosten nach dem Ausmass des Obsiegens und Unterliegens festzusetzen. In der Verwaltungsrechtspflege beträgt das Honorar vor Versicherungsgericht nach Art. 22 Abs. 1 lit. b HonO (sGS 963.75) pauschal Fr. 1'000.-- bis Fr. 12'000.--. Die Parteientschädigung wird vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen. Für die vorliegend zu beurteilende Klage erscheint eine pauschale Parteientschädigung zugunsten des Klägers von insgesamt Fr. 7'500.-- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) als angemessen. Ausgangsgemäss hat die Beklagte keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung.

Entscheid

1.

In Gutheissung der Klage wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die Kosten für die vom 10. April 2013 bis 11. März 2014 durchgeführte Behandlung mit dem Arzneimittel Myozyme© im Betrag von Fr. 368'992.80 aus der obligatorischen Krankenversicherung zu erstatten.

2.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger einen Verzugszins von 5% ab 26. Juli 2013 auf dem Betrag von Fr. 17'547.90, ab 26. September 2013 auf dem Betrag von

Fr. 66'871.65, ab 1. November 2013 auf dem Betrag von Fr. 83'609.15, ab 17. Januar 2014 auf dem Betrag von Fr. 67'406.65, ab 20. Februar 2014 auf dem Betrag von

Fr. 66'025.40, ab 26. April 2014 auf dem Betrag von Fr. 489.--, und ab 28. April 2014 auf dem Betrag von Fr. 67'043.05 zu bezahlen.

3.

Die Beklagte hat die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- zu bezahlen. Der vom Kläger geleistete Kostenvorschuss von Fr. 1'500.-- wird ihm zurückerstattet.

4.

Die Beklagte hat dem Kläger eine Parteientschädigung von Fr. 7'500.-- (einschliesslich

Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

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