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Urteil Handelsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:HG.2004.78
Instanz:Handelsgericht
Abteilung:Handelsgericht
Handelsgericht Entscheid HG.2004.78 vom 30.03.2005 (SG)
Datum:30.03.2005
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 162 BV (SR 101). Zwischen den Parteien war streitig, ob von den Gesuchstellern beanstandete Äusserungen der Nationalrätin Jasmin Hutter in der Presse und anderen Medien im Zusammenhang mit der von ihr am 4. März 2004 eingereichten Motion Aufschub der Russpartikelfilterpflicht auf Baumaschinen von der absoluten parlamentarischen Immunität umfasst sind oder ob die Nationalrätin für ihre nach Einschätzung der Gesuchssteller lauterkeitsrechtlich relevanten Äusserungen einzustehen habe und ihr die Gesuchssteller vorsorglich verbieten lassen können, die beanstandeten Aussagen in jeder möglichen Art weiter zu verbreiten. Der Handelsgerichtspräsident hat entschieden, dass die Nationalrätin auch absolute Immunität i.S.v. Art. 162 Abs. 1 BV geniesst, insofern sie lediglich den Wortlaut ihrer Motion im Ganzen oder in Bestandteilen in der Presse oder in anderen Medien wiederholt. Auf das Gesuch um Erlass vorsorglicher Massnahmen wurde deshalb nicht eingetreten (Handelsgerichtspräsident, 30. März 2005, HG.2004.78).
Schlagwörter : Gesuch; Motion; Gesuchsgegnerin; Partikelfilter; Gesuchsteller; Äusserungen; Immunität; Gesuchsbeilage; Baumaschine; Baumaschinen; Presse; Aussage; Parlament; Absolute; Partikelfiltersysteme; Parlamentarische; Maschinen; Medien; Schweiz; Aussagen; September; Oktober; Richtlinie; Andere; Replikbeilage; Weiter; Russpartikel
Rechtsnorm: Art. 162 BV ; Art. 206 ZPO ; Art. 279 ZPO ;
Referenz BGE:117 IV 193; 53 I 76;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Art. 162 BV (SR 101). Zwischen den Parteien war streitig, ob von den Gesuchstellern beanstandete Äusserungen der Nationalrätin Jasmin Hutter in der Presse und anderen Medien im Zusammenhang mit der von ihr am 4. März 2004 eingereichten Motion "Aufschub der Russpartikelfilterpflicht auf Baumaschinen" von der absoluten parlamentarischen Immunität umfasst sind oder ob die Nationalrätin für ihre nach Einschätzung der Gesuchssteller lauterkeitsrechtlich relevanten Äusserungen einzustehen habe und ihr die Gesuchssteller vorsorglich verbieten lassen können, die beanstandeten Aussagen in jeder möglichen Art weiter zu verbreiten. Der Handelsgerichtspräsident hat entschieden, dass die Nationalrätin auch absolute Immunität i.S.v. Art. 162 Abs. 1 BV geniesst, insofern sie lediglich den Wortlaut ihrer Motion im Ganzen oder in Bestandteilen in der

Presse oder in anderen Medien wiederholt. Auf das Gesuch um Erlass vorsorglicher Massnahmen wurde deshalb nicht eingetreten (Handelsgerichtspräsident, 30. März 2005, HG.2004.78).

Erwägungen

I.

  1. a) Der Gesuchsteller 1 ist nach eigenen Angaben Inhaber der Firma A. mit Sitz in F. Die Firma A. wechselt alle Motoren an Maschinen, Fahrzeugen etc. aus und liefert Austauschmotoren. Sie rüstet insbesondere Maschinen und Fahrzeuge mit Dieselpartikelfiltern aus.

    b) Die Gesuchstellerin 2 firmiert als Kollektivgesellschaft und vertreibt sowie installiert nach eigenen Angaben Partikel-Filter-Systeme für Dieselmotoren von Johnson Matthey USA.

  2. Die Gesuchsgegnerin ist seit 2003 Nationalrätin der SVP des Kantons St. Gallen. Gleichzeitig ist sie Verkaufsleiterin der familieneigenen Hutter Baumaschinen AG in Altstätten SG (vgl. Gesuchsbeilage 3). Die Hutter Baumaschinen AG ist Lieferantin von Kleinbaggern und Raupenkippern in der Schweiz.

  3. a) Am 4. März 2004 hat die Gesuchsgegnerin im Nationalrat eine Motion mit dem Titel "Aufschub der Russpartikelfilterpflicht auf Baumaschinen" eingereicht. Diese Motion steht im Zusammenhang mit der in Ausführung der Luftreinhalteverordnung (LRV; SR 814.318.142.1) erlassenen und am 1. September 2002 in Kraft getretenen Richtlinie "Luftreinhaltung auf Baustellen". Diese Richtlinie bezweckt einen einheitlichen Vollzug der Vorschriften zur Luftreinhaltung auf Baustellen und konkretisiert insbesondere Anhang 2 Ziff. 88 LRV. Sie unterscheidet zwischen Basismassnahmen A und B. Baustellen in der Massnahmenstufe B sind Grossbaustellen, die gemäss Definition der Richtlinie in städtischen Gebieten mehr als ein Jahr und in ländlichen

Gebieten mehr als eineinhalb Jahre dauern und gewisse Mindestkubaturen überschreiten (vgl. Gesuchsbeilage 4, Ziff. 4.2). Gemäss dieser Richtlinie sind auf Baustellen der Massnahmestufe B Maschinen und Geräte mit Dieselmotoren abgestuft nach ihrer Leistung mit Partikelfilter-Systemen einzusetzen. Für Maschinen mit einer Leistung von 18 - 37 kW gilt eine Übergangsfrist von drei Jahren, für solche mit einer Leistung von mehr als 37 kW eine Übergangsfrist von einem Jahr. M.a.W. ist die Übergangsfrist für Maschinen, die eine Leistung von 37 kW übersteigen, bereits abgelaufen. Maschinen mit Leistungen unter 18 kW sind von der Partikelfilterpflicht befreit, und zwar unabhängig von der Grösse der Baustelle. Alle übrigen (kleineren) Baustellen gehören zur solchen in der Massnahmestufe A, für diese ist keine Partikelfilterpflicht vorgesehen (vgl. Gesuchsbeilage 4).

  1. Mit genannter Motion verlangten die Gesuchsgegnerin sowie die Mitunterzeichnenden vom Bundesrat, dass die erwähnte Richtlinie "Luftreinhaltung auf Baustellen" für den Tagebau sistiert werde, bis die EU gleichlautende Gesetze oder Richtlinien in Kraft setze. Die Gesuchstellerin begründete ihre Motion im Nationalrat wie folgt:

    1. In der Praxis ist die Partikelfiltertechnik technisch und betrieblich nicht möglich, da kleinere Maschinen im Tagebau nicht im Dauereinsatz stehen und somit die notwendige Betriebstemperatur für Partikelfiltersysteme gar nicht erreicht werden können. Im Untertagebau und bei grossen Maschinen (über 200 kW) bin ich mit dem Aufbau der Partikelfilter einverstanden, da diese Maschinen im Dauereinsatz sind und somit auch die nötigen Betriebstemperaturen erreicht werden.

    2. Partikelfiltersysteme sind wirtschaftlich nicht tragbar, da sie über 20 Prozent des Neupreises einer Baumaschine ausmachen (Bsp: Raupenbagger Neupreis 60 000 Franken, Partikelfilter 12 000 Franken). Dies sind gerade für kleine und mittlere Unternehmungen Zwangsinvestitionen, die sich nicht rechtfertigen lassen.

    3. Die Motorenhersteller unternehmen für den Schweizer Markt keine Anstrengungen. Erst wenn europaweit Richtlinien oder Gesetze vollzogen werden, entwickeln die Hersteller funktionierende Partikelfiltersysteme. Zurzeit sind auf dem Schweizer Markt keine funktionierenden Filtersysteme erhältlich. Die Baumaschinenimporteure haben

      schon viele Versuche unternommen, diese Partikelfiltersysteme auf Baumaschinen technisch einwandfrei aufzubauen, dies aber erfolglos. Es liege also nicht am Willen, sondern an der Umsetzbarkeit.

    4. Die Kantone sind mit dem Vollzug überfordert. In den täglichen Gesprächen mit unseren Kunden (kleinere und mittlere Bauunternehmungen) erfahren wir von der momentanen Unsicherheit und auch Unzufriedenheit gegenüber dieser Richtlinie. Es gibt Kantone (Bsp. Zürich), die diese Richtlinie noch verschärfter umsetzen wollen, nun aber mit dem Vollzug überfordert sind. Zudem ist eine verschiedene Handhabung durch die Kantone erkennbar.

    5. Nur der Bundesrat kann diese Situation entschärfen, indem er diese Richtlinie für Baumaschinen im Tagebau sistiert, bis die EU gleichlautende Gesetze oder Richtlinien in Kraft setzt und diese auch vollzieht.

    (Wortprotokoll aus dem Amtliches Bulletin 04-3035- Motion; keine Hervorhebungen im Originaltext (die Hervorhebungen entsprechen den gemäss Rechtsbegehren der Gesuchsteller beanstandeten Äusserungen)).

  2. Die Motion wurde in der Folge von verschiedenen Medien aufgegriffen und deren Inhalt teilweise auch diskutiert; so z.B. in: Der Rheintaler vom 17. März 2004 (Gesuchsbeilage 6), Der Rheintaler vom 18. März 2004 (Replikbeilage 33), NZZ vom 25.

    August 2004 (Gesuchsbeilage 7), Blick vom 4. September 2004 (Gesuchsbeilage 8),

    Berner Zeitung vom 4. September 2004 (Gesuchsbeilage 9), Espace vom 4. September

    2004 (Gesuchsbeilage 10), Schweizer Bauwirtschaft vom 8. September 2004

    (Gesuchsbeilage 11), SonntagsBlick vom 19. September 2004 (Gesuchsbeilage 16),

    Basler Zeitung vom 23. September 2004 (Gesuchsbeilage 17), Blick vom 25.

    September 2004 (Gesuchsbeilage 18), Baublatt vom 12. Oktober 2004 (Replikbeilage 34), Äusserungen der Motionärin im Radio DRS am 12, Oktober 2004, Tages-Anzeiger Online vom 12. Oktober 2004 (Replikbeilage 35), Fernsehsendung „10 vor 10“ vom 12. Oktober 2004, Leserbrief der Motionärin im St. Galler Tagblatt vom 28. Oktober 2004 (Replikbeilage 41), Blick vom 28. Oktober 2004 (Replikbeilage 40). Gleichzeitig wurde Widerstand gegen den Aufschub der Russpartikelfilterpflicht insbesondere aus wissenschaftlichen, medizinischen und gewerkschaftlichen Kreisen laut (vgl. u.a.

    Gesuchsbeilagen 12-15 und 19 sowie Praxisbericht in einem Flugblatt der Eberhard Bau AG mit dem Titel "Einige Gedanken zur Motion Hutter" (Replikbeilage 42), Stellungnahme der Wissenschaft zur Motion "Aufschub der Russpartikelpflicht auf Baumaschinen" vom 18. Oktober 2004 (Replikbeilage 43), Pressemitteilung der

    Krebsliga Schweiz vom 19. Oktober 2004 (Replikbeilage 44)).

  3. Die Gesuchstellerin 2 hat die Gesuchsgegnerin nach eigenen Angaben mit Schreiben vom 15. September 2004 aufgefordert, bis zum 20. September 2004 ihre Aussagen zurückzunehmen. Die Gesuchsgegnerin habe die Gesuchstellerin daraufhin wissen lassen, dass sie ihre Aussagen nicht widerrufen werde. In der Folge sei am 19. September 2004 im SonntagsBlick ein weiterer Artikel über die Motion der Beklagten erschienen, worin die Beklagte wiefolgt zitiert worden sei: Gerade die Filter der Firma

B. funktionieren nicht (Gesuchsbeilage 16).

  1. a) Die Gesuchsteller reichten dem Handelsgericht am 6. Oktober 2004 ein Gesuch um superprovisorische Massnahmen mit vorstehendem Rechtsbegehren ein. Sie brachten in ihrem Gesuch vor, die in der Motion aufgestellten Behauptungen der Gesuchsgegnerin seien falsch. Die Partikelfilter-Systeme seien sowohl betrieblich wie auch technisch sehr wohl möglich und überdies sei auch deren wirtschaftliche Tragbarkeit durchaus erstellt (vgl. Gesuchsbeilagen 20-30). Die Kosten für die Nachrüstung von Baumaschinen betrügen rund 5-7 % der Fahrzeugkosten. Von 20 % des Neupreises wie die Gesuchsgegnerin in ihrer Motion schreibe, könne indes keine Rede sein. Sie beziehe sich vielmehr auf den billigsten Bagger und den teuersten Filter. Zwar erschienen auch Kosten von 5-7 % u.U. als hoch, doch seien die Einsparungen an Gesundheitskosten dafür beträchtlich, denn Russpartikel seien stark gesundheitsgefährdend. In der Schweiz stürben jährlich rund 100 Personen an den Folgen von ungefiltert ausgetretenen Russpartikeln aus Baumaschinen, was durch den Einbau von Partikelfiltern verhindert werden könne (Gesuchsbeilagen 19 und 29). Auch die Aussagen der Motionärin in Bezug auf die Anstrengungen zur Entwicklung von Partikelfiltersystemen träfen nicht zu (Gesuchsbeilagen 14 und 17). Ferner seien - entgegen der Behauptung der Motionärin - funktionierende Partikelfiltersysteme in der Schweiz erhältlich. Dies gehe schon allein aus der VERT-Filterliste [VERT: Verminderung der Emissionen von Realmaschinen im Tunnelbau - geprüfte und erprobte Partikelfilter-Systeme für die Nachrüstung von Dieselmotoren] des

    Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) hervor. Darin seien mehr als zehn Hersteller von geprüften Filtersystemen aufgeführt (Gesuchsbeilage 21). Gemäss BUWAL seien bereits mehr als 7'000 Baumaschinen mit Partikelfilter erfolgreich nachgerüstet worden (Gesuchsbeilage 21, S. 5).

    b) Die Folgen der Aussagen der Motionärin seien für die Gesuchsteller verheerend gewesen. Seit Hängigkeit der Motion bzw. insbesondere seit Bekanntwerden, dass Bundesrat Blocher diese Motion unterstützten solle, hätten die Kunden mit dem Kauf von Partikelfiltern zugewartet. Der Gesuchsteller 1 habe seither sechsmal weniger Partikelfilter verkauft, d.h. der Umsatz sei um CHF 1'061'799.00 eingebrochen. Die Gesuchstellerin 2, die sich ausschliesslich auf den Verkauf und die Montage von Partikelfiltern spezialisiert habe, habe einen Umsatzrückgang von 50 % oder CHF 1,2 Mio. erlitten (vgl. Gesuchsbeilage 31). Diesen Trend wieder umzukehren werde wahrscheinlich rund ein Jahr in Anspruch nehmen. Es sei zu erwarten, dass bis zu diesem Zeitpunkt über einige Filternachrüster der Konkurs eröffnet werden müsse. Dies, obwohl sich die wirtschaftliche Situation nach Abweisung der Motion durch den Bundesrat wieder etwas verbessert habe. Denn die breite Medienpräsenz wirke nach, insbesondere angesichts des Umstandes, dass die Gesuchstellerin ihre falschen Aussagen über Partikelfilter mittels Stellungnahmen in den Medien noch immer weiter verbreite (Replikbeilagen 36 und 37). Auch würden die Gesuchsteller durch diese weitere Verbreitung der im Rechtsbegehren genannten Aussagen in schwerwiegender Weise angeschwärzt, behaupte doch die Motionärin implizit, die von den Klägern vertriebenen Partikelfiltersysteme taugten nicht. Dabei hätten deren Partikelfiltersysteme den genannten VERT-Eignungstest bestanden. Die Aussagen der Motionärin träfen den Kern der gesuchstellerischen Geschäftstätigkeit sowie deren Ruf nachhaltig. So hätten die Gesuchsteller denn auch bereits einen massiven Schaden erlitten. Dieser Schaden werde sich in Zukunft noch vergrössern und lasse sich nicht durch eine nachträgliche Feststellung einer Verletzung gegen Art. 3 lit. a UWG bzw. durch Zusprechung von Schadenersatz beheben; vielmehr sei der Gesuchsgegnerin zwecks Schadensbegrenzung zu verbieten, die im Rechtsbegehren aufgeführten Aussagen in jeder möglichen Art weiter zu verbreiten.

  2. Der Handelsgerichtspräsident lehnte das Begehren um superprovisorischen Erlass der beantragten vorsorglichen Massnahmen (vgl. Ziff. 2 des Rechtsbegehrens der

    Gesuchsteller) mit Entscheid vom 6. Oktober 2004 mangels hinreichender zeitlicher Dringlichkeit der geforderten Massnahmen ab.

  3. Die Gesuchsgegnerin nahm in der Folge zu den Vorwürfen der Gesuchsteller im Wesentlichen u.a. wie folgt Stellung: Die Gesuchsteller verlangten, dass die Gesuchsgegnerin mit einem Aussageverbot belegt würden. Das Aussageverbot beziehe sich auf die Begründung der von der Gesuchsgegnerin eingereichten Motion. Allerdings seien die beanstandeten Aussagen von der Gegenseite z.T. aus dem Zusammenhang gerissen worden. Die Gesuchsteller verwiesen auf die VERT- Partikelfilterliste, woraus sich die Geeignetheit der darin aufgeführten Partikelfilter ergebe. Aus der VERT-Partikelfilterliste könnten die Gesuchsteller indes nichts zu ihren Gunsten ableiten. Dass die in dieser Liste aufgeführten Partikelfilter unter gewissen Testbedingungen funktionierten, möge sein, könne aber letztlich offen bleiben, da damit die eingeschränkte Funktionsfähigkeit der Partikelfilter bei bestimmten Einsatzarten und Motorentypen in der Praxis nicht widerlegt werden könne. Im Tunnelbau gälten auf Grund der besonderen Belüftungssituation andere Gesetzmässigkeiten und Anforderungen für die Behandlung von Schadstoffen als im Obertagebau. Die Gesuchsgegnerin bestreite denn auch weder die Gesundheitsgefährdung von Russpartikeln, noch die Dienlichkeit von Russpartikelfiltern zum Schutze der Gesundheit, noch deren Nützlichkeit bei gewissen Baumaschinen bzw. bei gewissen Einsatzarten von Baumaschinen. Die Motion der Gesuchsgegnerin richte sich aber dagegen, dass die Russpartikelfilterpflicht bei allen Baumaschinen unabhängig von ihrer Einsatzart, gesetzlich vorgeschrieben werden solle (vorbehältlich ganz kleiner Baumaschinen mit weniger als 18 kW-Leistung oder bei Einsatz auf Baustellen Typ A). Die Motion der Gesuchsgegnerin beziehe sich nur auf kleinere Baumaschminen, die im Obertagebau eingesetzt würden und die nicht im Dauereinsatz stünden und deshalb die für die Funktionstüchtigkeit der Partikelfiltersysteme notwendige Betriebstemperatur nicht einhalten würden. Die Gründe der Motion seien technischer und wirtschaftlicher Natur und nicht gesundheitlich motiviert. Ob die Partikelfiltersysteme wirtschaftlich tragbar seien oder nicht sei eine Ermessensfrage, welche von vornherein keinem Verbot unterliegen könne, da die wirtschaftliche Tragbarkeit von jedermann anders beurteilt werde, m.a.W. der Wahrheitsgehalt dieser Aussage nicht überprüfbar sei. Insofern die Gesuchsteller der Motionärin implizit unterstellten, sie verfolge mit ihrer Motion eigene wirtschaftliche Interessen, sei

    klarzustellen, dass die Hutter Baumaschinen AG nur Baumaschinen ohne Partikelfiltersysteme verkaufe und demnach mit den Partikelfiltersystemen nichts zu tun habe. Sie übernehme auch keine Garantie für diese Geräte.

    Zudem sei die Gesuchsgegnerin Mitglied des Nationalrates und geniesse als solches nach Art. 162 BV Immunität. Diese Immunität umfasse nicht nur Äusserungen in den Räten, sondern auch die Wiedergabe von Voten, zum Beispiel in der Presse. Gestützt auf diese Immunität könne die Gesuchsgegnerin weder zivilrechtlich noch strafrechtlich noch disziplinarisch zur Verantwortung gezogen werden (vgl. Moritz von Wyss in: Ehrenzeller / Mastronardi / Schweizer / Vallender (Hrsg.), Die Schweizerische Bundesverfassung - Kommentar, Zürich und Lachen 2002, N 3 ff. zu Art. 162 BV; SR 101). Ein Verbot, ihre Motion in der Öffentlichkeit zu vertreten, würde dem Zweck der parlamentarischen Immunität zuwiderlaufen. Es bestehe auch ein öffentliches Interesse daran, dass die Gesuchsgegnerin als Parlamentarierin ihre Motion in der Öffentlichkeit vertrete und begründe. Die parlamentarische Redefreiheit könne nicht über die Hintertüre des Lauterkeitsrechts eingeschränkt werden. Vielmehr erstrecke sich die Immunitat auch auf Wiedergaben von Voten der Ratsmitglieder in der Presse (Ehrenzeller / Mastronardi / Schweizer / Vallender, a.a.O., N 7 zu Art. 162 BV). Weil eine zivilrechtliche Verfolgung von Äusserungen, die durch das Immunitätsrecht geschützt seien, ausgeschlossen sei, fehle dem vorliegenden Gesuch jegliche Rechtsgrundlage.

  4. Die Gesuchsteller hielten der Gesuchsgegnerin hierauf im Wesentlichen entgegen:

Die Gesuchsgegnerin habe - wie sie das nachträglich in ihrer Gesuchsantwort verstanden haben wolle - in der Presse oder im Fernsehen nie differenziert, dass sie ihre Aussage nur auf Baumaschinen im Tagebau beziehe sowie auf kleinere Maschinen und auf Maschinen, die nicht im Dauereinsatz stünden und daher die notwendige Betriebstemperatur nicht erreichten. Vielmehr zeige die Argumentation, dass die Motion offensichtlich überschiessend sei. Zudem mache diese Argumentation keinen Sinn, da für derartige Maschinen die Partikelfilterpflicht nicht gelte. Die Gesuchsgegnerin versuche ihre Äusserungen heute zu verharmlosen und ver-kenne, dass sie in einem pauschalen Rundumschlag die Tauglichkeit sämtlichen Partikelfiltersystemen abgesprochen habe, dies nicht nur in ihrer politischen Tätigkeit, sondern auch in privaten Interviews in Zeitungen und Fernsehen sowie in

Pressemitteilungen und einem Leserbrief. Die Gesuchsteller wollten nicht die politische Diskussion verbieten. Ihnen gehe es einzig darum, der Gesuchsgegnerin unwahre Äusserungen über die von ihnen vertriebenen Partikelfilter zu verbieten. Es gehe nicht an, unter dem Deckmantel der politischen Diskussion falsche Äusserungen rechtfertigen zu wollen.

Die absolute Immunität beschränke sich nach dem klaren Wortlaut der Verfassung (Art. 162 BV) sowie des Gesetzes (Art. 16 ParlG; SR 171.10) denn auch auf Äusserungen in den Räten und in deren Organen. Eine weitergehende Immunität sei indes nicht garantiert. Insbesondere für Äusserungen in der Presse bestehe keine Immunität. Dafür könne die Gesuchsgegnerin sehr wohl zur Verantwortung gezogen werden.

Das von der Gesuchsgegnerin aufgeführte Zitat von Wyss (Moritz von Wyss, a.a.O., N 7 zu Art. 162 BV) gebe nichts für die Position der Gesuchsgegnerin her. Gegenteils, die Ausführungen des besagten Autors liessen keinen Zweifel zu, dass nur Äusserungen im Zusammenhang mit parlamentarischen Beratungen unter die absolute Immunität fallen (so auch Thürer / Aubert / Müller, Verfassungsrecht der Schweiz, Zürich 2001, S. 1033; Wallimann-Bornatico, Die parlamentarische Immunität der Mitglieder des National- und Ständerates der eidgenössischen Räte, ZBL 1988, S. 352). Anders entscheiden hiesse, die absolute parlamentarische Immunität auf alle Äusserungen von Parlamentariern auszudehnen. Die Gesuchsgegnerin verkenne, dass für die übrigen Äusserungen die relative Immunität greife. Sie schütze ein Ratsmitglied vor einem Strafverfahren wegen einer Handlung die in Zusammenhang mit seiner amtlichen Stellung oder Tätigkeit stehe (vgl. Art. 17 Abs. 1 ParlG). Für ihre Behauptungen in der Presse, im Fernsehen sowie in ihrer Pressemitteilung könne sie sehr wohl zur Verantwortung gezogen werden. Der Gesuchsgegnerin sei damit unbenommen, ihre Motion im Parlament mit den belegt falschen Aussagen zu begründen, nicht aber ausserhalb des Parlaments. Ihr Hinweis auf ihre parlamentarische Redefreiheit verfange daher nicht. Auch könne sich die Gesuchsgegnerin für herabsetzende und insbesondere undifferenzierte Bemerkungen nicht auf ihre Meinungsäusserungsfreiheit berufen (BGE 117 IV 193). Vielmehr habe das Bundesgericht festgehalten, dass wissenschaftliche Äusserungen unlauter seien, wenn sie nicht gesicherter Erkenntnis entsprächen, was vorliegend ohne weiteres auf die Äusserungen der Gesuchsgegnerin zuträfe.

II.

  1. Die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichtspräsidenten zur Beurteilung vorliegenden Gesuchs wurde bereits im Zwischenentscheid vom 6. Oktober 2004 bejaht (Art. 25 i.V.m. Art. 33 GestG (SR 272); Art. 9 lit. a i.V.m. 15 Abs. 1 lit. d ZPO (sGS 961.2); Verordnung über die Streitwertgrenze in Verfahren des Konsumentenschutzes und des unlauteren Wettbewerbs vom 7. März 2003 (SR 944.8)).

  2. Nach Eingang der Vernehmlassung der Gesuchsgegnerin ordnete der Handelsgerichtspräsident einen zweiten Schriftenwechsel an und wies die Parteien darauf hin, dass eine mündliche Verhandlung nicht vorgesehen sei (Art. 206 Abs. 2 und 3 ZPO). Dieser zweite Schriftenwechsel ist zwischenzeitlich abgeschlossen.

  3. Die Gesuchsgegnerin forderte den Handelsgerichtspräsidenten auf, gestützt auf Art. 279 Abs. 1 ZPO von Amtes wegen eine Sicherheitsleistung für Gerichtskosten zu prüfen, nachdem gemäss Ausführungen der Gesuchsteller ihre Geschäftstätigkeit auf Grund eines massiven Umsatzeinbruchs nachhaltig gefährdet sei und die Gefahr der Insolvenz bestehe (Ge-suchsantwort, S. 2, Ziff. 3 f.).

Nach St. Gallischem Prozessrecht wird im Rahmen eines summarischen Verfahrens keine Sicherheit geleistet (Art. 277 lit. d ZPO), weshalb sich eine Prüfung derselben erübrigt.

III.

1. a) Nach dem Wortlaut von Art 162 Abs. 1 BV können u.a. die Mitglieder der Bundesversammlung für ihre Äusserungen in den Räten und in deren Organen rechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden (sog. absolute Immunität). Diese absolute Immunität schliesst damit nicht nur die Strafbarkeit, sondern auch die Rechtswidrigkeit der parlamentarischen Tätigkeit aus (Mariangela Wallimann-Bornatico, a.a.O., S. 351 ff.). Eine Anwendung von Lauterkeitsrecht kommt damit vorliegend nur dann in Frage, wenn die von den Gesuchstellern gerügten Äusserungen der Gesuchsgegnerin nicht von der absoluten Immunität nach Art. 162 Abs. 1 BV umfasst sind.

  1. In tatsächlicher Hinsicht ist vorab festzustellen, dass diejenigen Äusserungen, welche die Gesuchsteller gemäss ihrem Rechtsbegehren der Gesuchsgegnerin verbieten wollen, weiter öffentlich zu äussern, allesamt wörtlicher Bestandteil ihrer schriftlich eingereichten Motion vom 4. März 2004 sind (vgl. Erw. I.3.b hiervor).

  2. Damit ist vorliegend zuerst die Frage zu prüfen, ob in der Presse oder in anderen Medien wie Radio, Fernsehen oder Internet wiederholte parlamentarische Voten bzw. Bestandteile hiervon ebenfalls unter den Schutz der absoluten Immunität i.S.v. Art. 162 Abs. 1 BV fallen. Ziel der parlamentarischen Immunität ist es, die Unabhängigkeit des Parlaments und seiner Mitglieder gegenüber jeglicher Behinderung der parlamentarischern Tätigkeit zu sichern (Mariangela Wallimann-Bornatico, a.a.O., S.

    351) bzw. um die notwendige Unabhängigkeit "au bon exercice de leurs fonctions" zu gewährleisten (Jean-François Aubert in: Aubert / Mahon, Petit commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération suisse, Zürich/Basel/ Genf 2003, N 2 zu Art. 162 BV). Bezüglich einer Ausdehnung der absoluten Immunität auf Äusserungen von Parlamentsmitgliedern in der Presse bzw. in anderen Medien, gilt es vor dem Hintergrund dieses Zweckgedankens zu berücksichtigen, dass jedenfalls eine solche Ausdehnung eine Ungleichbehandlung gegenüber Nichtprivilegierten schafft, für welche eine hinreichende Rechtfertigung gegeben sein muss. Eine Ausdehnung des Privilegs der Redefreiheit für Parlamentarier auf sämtliche möglichen Äusserungen in der Presse und in anderen Medien fällt dabei zum vorn-herein ausser Betracht, würde eine solche Auslegung nicht nur dem Wortlaut von Art. 162 Abs. 1 BV widersprechen, sondern wäre auch sonst nicht zu rechtfertigen, stehen doch auch die Parlamentsmitglieder grundsätzlich für Äusserungen in der Presse und in anderen Medien unter der gleichen zivilrechtlichen Verantwortlichkeit wie Personen, welche keine absolute Immunität i.S.v. Art. 162 Abs. 1 BV geniessen.

    Andererseits ist zu berücksichtigen, dass eine direkte Demokratie nur über die Meinungsbildung in der breiten Öffentlichkeit funktionieren kann. Für diese Meinungsbildung bedarf es der Information, welche heute in erster Linie über die Presse und andere Medien an die breite Öffentlichkeit gelangt. Das berechtigte Informationsinteresse weiterer Bevölkerungskreise erstreckt sich in diesem Zusammenhang v.a. auf aktuelle politische Themen und damit auch auf den Inhalt parlamentarischer Vorstösse, welche auf den Gesetzgebungsprozess Einfluss nehmen

    wollen. In diesem über den Kreis der Parlamentarier hinausgehenden Informations-, Diskussions- und Meinungsbildungsprozess muss es dem einzelnen Parlamentarier möglich sein, seine im Parlament vorgebrachten sachbezogenen Voten auch ausserhalb des Parlaments in der Öffentlichkeit zu vertreten. Das Bundesgericht hat denn auch bereits 1927 entschieden, dass ein Parlamentsmitglied sein Wortprivileg auch dann nicht verliert, wenn es aufgefordert wird, sein Votum ausserhalb des Parlaments zu wiederholen, ansonsten das Institut des Redeprivilegs ausgehöhlt würde (BGE 53 I 76). 1970 entschieden die Räte im Fall Hubacher, dass Wiedergaben von Voten der Ratsmitglieder in der Presse ebenfalls unter die absolute Immunität fallen, selbst wenn sie vom betroffenen Ratsmitglied selbst verfasst worden seien (Amtl. Bull. [NR] 1970, S. 410 ff. U. S. 411; Amtl. Bull. [StR] 1970, S. 158 ff.; Moritz von Wyss, a.a.O., N 7 zu Art. 162 BV). Diesen Entscheiden ist aufgrund vorstehender Erwägungen beizupflichten.

  3. Für den hier zu beurteilenden Sachverhalt ergibt sich deshalb, dass die Gesuchsgegnerin auch absolute Immunität i.S.v. Art. 162 Abs. 1 BV geniesst, insofern sie lediglich den Wortlaut ihrer Motion vom 4. März 2004 im Ganzen oder in Bestandteilen in der Presse oder in anderen Medien wiederholt. Da sämtliche von den Gesuchstellern beanstandeten Äusserungen wörtlicher Bestandteil der Motion der Gesuchsgegnerin sind, ist deren Wahrheitsgehalt bzw. deren lauterkeitsrechtliche Relevanz einer richterlichen Prüfung entzogen. Auf das Gesuch um vororgliche Massnahmen kann deshalb nicht eingetreten werden.

  4. Im Übrigen gelangte auch die Mehrheit der Rechtskommission des Nationalrates zu keinem anderen Ergebnis. Vielmehr ging auch sie davon aus, dass die der Nationalrätin Hutter in der Presse zugeschriebenen Äusserungen von der absoluten Immunität umfasst seien, weil diese Äusserungen nicht von der Begründung der Motion getrennt werden könnten (NZZ-Online vom 15. März 2005).

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