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Bundesverwaltungsgericht Urteil D-4414/2021

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung IV
Dossiernummer:D-4414/2021
Datum:28.02.2022
Leitsatz/Stichwort:Datenschutz
Schlagwörter : Beschwerde; Führer; Beschwerdeführer; Person; ZEMIS; Identität; Geboren; Daten; Führers; Beschwerdeführers; Alter; Personendaten; Visum; Personalien; Schweiz; Angola; Visums; Recht; Verfügung; Lasse; Behörde; Verfahren; Richtigkeit; Beweis; Urteil; Verfahren; Fingerabdrücke; Wahrscheinlich; Akten
Rechtsnorm: Art. 13 VwVG ; Art. 25 DSG ; Art. 29 BV ; Art. 32 VwVG ; Art. 48 BGG ; Art. 48 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 65 VwVG ;
Referenz BGE:135 II 286; 136 I 184; ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung IV D-4414/2021

U r t e i l v o m 2 8 . F e b r u a r 2 0 2 2

Besetzung Richterin Daniela Brüschweiler (Vorsitz), Richterin Roswitha Petry,

Richterin Jeannine Scherrer-Bänziger, Gerichtsschreiberin Susanne Burgherr.

Parteien A. ,

geboren am (…), Angola,

vertreten durch MLaw Joana Mösch, (...),

Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Datenänderung im Zentralen Migrationsinformationssystem (ZEMIS);

Verfügung des SEM vom 1. September 2021 / N (…).

Sachverhalt:

A.

Der Beschwerdeführer suchte am 2. Juni 2020 in der Schweiz um Asyl nach. Auf dem gleichentags im Bundesasylzentrum (BAZ) B. ausgefüllten Personalienblatt gab er an, er sei angolanischer Staatsangehöriger, heisse C. und sei am (…) geboren. Er habe Angola 2019 verlassen und sei im selben Jahr in die Schweiz gelangt. Identitätspapiere reichte er keine ein.

B.

Am 5. Juni 2020 mandatierte der Beschwerdeführer die im zugewiesene Rechtsvertretung. Diese teilte dem SEM mit Schreiben vom 9. Juni 2020 mit, dass Hinweise auf eine Menschenhandelsproblematik vorliegen würden, und beantragte, dem Beschwerdeführer eine Ruheund Bedenkfrist einzuräumen. Am 12. Juni 2020 gewährte das SEM dem Beschwerdeführer eine Ruheund Bedenkfrist von dreissig Tagen. Am 18. Juni 2020 wurde durch die zuständige Kindesund Erwachsenenschutzbehörde eine Beistandschaft gemäss Art. 306 Abs. 2 des Zivilgesetzbuches (ZGB, SR 210) für den Beschwerdeführer errichtet. Am 10. Juli 2020 ersuchte die Rechtsvertretung um Verlängerung der Ruheund Bedenkfrist und mit Eingabe vom 27. Juli 2020 um Sistierung des Asylverfahrens bis zum Ab-

schluss des bei den Strafbehörden des Kantons D.

hängigen

Strafverfahrens betreffend Menschenhandel. Am 31. Juli 2020 verwies das SEM das Asylgesuch ins erweiterte Verfahren und teilte den Beschwerdeführer dem Kanton D. zu. Im Hinblick auf die Prüfung des Fristverlängerungsgesuchs vom 10. Juli 2020 respektive des Sistierungsantrags vom 27. Juli 2020 forderte das SEM die Rechtsvertretung am 5. August 2020 auf, einen Arztbericht oder einen Zwischenbericht der Institution, in welcher der Beschwerdeführer untergebracht sei, einzureichen. Mit Schreiben vom 7. August 2020 teilte die Rechtsvertretung mit, dass die zwischenzeitlich erfolgte Zuweisung ins erweiterte Verfahren im Sinn des Beschwerdeführers sei.

C.

    1. Anlässlich der Erstbefragung als unbegleiteter, minderjähriger Asylsuchender (EB UMA) vom 4. Mai 2021 gab der Beschwerdeführer im We-

      sentlichen zu Protokoll, er stamme aus dem Quartier E. in

      F. . Seinen Vater kenne er nicht und seine Mutter sei gestorben, als er (…) Jahre alt gewesen sei. Er habe seither bei seinem (...) und dessen Frau gelebt. Mangels finanzieller Mittel sei er nie zur Schule gegangen.

      Seine Mutter habe Häuser geputzt und er habe mit dem Putzen von Schuhen zum Lebensunterhalt beigetragen. Sein (…) habe ihm Lesen und Schreiben beigebracht. Er habe eine (…), wisse aber nicht, wo sie lebe; sie seien nach dem Tod der Mutter getrennt worden. Die Mutter habe noch (…) weitere Kinder zur Welt gebracht. Er habe diese aber nie gesehen. Er habe nie einen Pass oder eine Identitätskarte gehabt und wisse nicht, ob ein Geburtsschein existiere. Die fehlenden finanziellen Mittel seien der Grund gewesen, weshalb er keine Identitätskarte habe. Respektive er hätte eigentlich gratis Identitätspapiere bekommen sollen, aber dafür hätte er beide Elternteile gebraucht. Es sei nicht seine Entscheidung gewesen, Angola zu verlassen. Er habe dort keine Probleme gehabt und seine Mutter habe ihm von Problemen, die sie betroffen hätten, nichts erzählt. Er habe keine Ahnung, wie er in die Schweiz gelangt sei. Er könne sich nur daran erinnern, dass er eines Tages eingeschlafen sei, als er mit seinem (…) zusammen gewesen sei. Als er aufgewacht sei, habe er sich in einem Haus an einem ihm unbekannten Ort in der Schweiz befunden. In diesem Haus hätten ein Mann und eine jüngere Frau gelebt und diese hätten verlangt, dass er das Haus putze, und ihn geschlagen, wenn er sich geweigert habe. Das Paar habe sich mittels Zeichen mit ihm verständigt, da die beiden weder Portugiesisch noch Spanisch gekonnt hätten. Er habe das Haus nicht verlassen dürfen. Nach zwei oder drei Jahren habe er von dort fliehen können, als die Haustür einmal nicht richtig verschlossen gewesen sei. Er sei davongerannt, dann in ein Tram oder einen Bus gestiegen und nach dem Aussteigen von einer fremden Frau, die ihn angesprochen und Portugiesisch gekonnt habe, ins BAZ gebracht worden. Er schätze, dass er bei der Einreise in die Schweiz etwa (…) oder (…) Jahre alt gewesen sei. Es gehe ihm gesundheitlich gut, er sei aber bei einem Jugendpsychiater und seinem Hausarzt in Behandlung.

      Dem Beschwerdeführer wurde mitgeteilt, dass eine Überprüfung seiner Fingerabdrücke ergeben habe, dass für ihn unter den Personalien A. , geboren am (…), von Angola, ein Schengen-Visum beantragt und auch ausgestellt worden sei. Der Beschwerdeführer gab an, dass er darüber nichts wisse und ihm der besagte Name nichts sage.

    2. Im Rahmen der Anhörung zu den Asylgründen vom 15. Juni 2021 machte der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, er habe bisher keinen Kontakt zu seinem (…) in Angola aufgenommen und gedenke auch nicht, dies zu tun. Dieser habe ihm zwar das Lesen beigebracht, ihn aber nicht zur Schule geschickt, obwohl er selbst (…) gewesen sei. Auch zu seiner (…) habe er keinen Kontakt; er wisse nach wie vor nicht, wo sie lebe.

Seine Mutter sei gestorben, als sie (…). Sein Stiefvater sei Alkoholiker gewesen und habe seine Mutter und manchmal auch ihn geschlagen. Er würde es dem (…) und dessen Frau zutrauen, dass sie ihn in die Schweiz geschickt hätten, um hier illegal zu arbeiten. Bei einer Rückkehr nach Angola fürchte er sich davor, dass sich das Ganze wiederholen und er in ein anderes Land zu anderen Leuten geschickt werden könnte.

D.

Mit Schreiben vom 5. Juli 2021 teilte das SEM dem Beschwerdeführer mit, dass es beabsichtige, die Personalien im ZEMIS auf A. , geboren am (…), anzupassen. Sofern er mit der Datenanpassung nicht einverstanden sei, würde der Eintrag mit einem Bestreitungsvermerk versehen, und die von ihm genannten Angaben als Zweitidentität aufgeführt.

Es führte aus, Abklärungen hätten ergeben, dass der Beschwerdeführer sich unter Vorlage eines auf die Personalien A. , geboren am (…), ausgestellten Reisepasses auf der (…) Botschaft in Luanda (Angola) ausgewiesen und ein Schengen-Visum beantragt habe, das ihm am (…) 2020 ausgestellt worden sei. Die ihm auf der (…) Botschaft in Luanda am (…) 2020 abgenommenen Fingerabdrücke seien mit den ihm in der Schweiz abgenommenen Fingerabdrücken identisch. Er habe sich folglich im (…) 2020 nicht wie vorgebracht in der Schweiz, sondern in Angola befunden. Zudem hätten die von den kantonalen Strafverfolgungsbehörden getätigten Ermittlungen keinen konkreten Hinweis auf eine mutmassliche Täterschaft ergeben, und der von ihm angegebene Sachverhalt habe nicht bestätigt werden können. Aufgrund der erkennungsdienstlichen Behandlung gehe das SEM von einer Identitätstäuschung aus, zumal kein Grund ersichtlich sei, weshalb er mittels eines nicht ihm zustehenden respektive gefälschten Reisepasses einen Visumsantrag hätte stellen sollen, und er keine rechtsgenüglichen Identitätspapiere eingereicht habe, die seine Angaben bestätigen würden.

Es gewährte dem Beschwerdeführer hierzu das rechtliche Gehör.

E.

Mit Schreiben vom 29. Juli 2021 reichte der Beschwerdeführer eine anhand eines Röntgenbilds seiner linken Hand vorgenommene Altersschätzung des Instituts für Rechtsmedizin (IRM) der (…) vom (…) 2021 zu den Akten.

F.

Der Beschwerdeführer erklärte sich in seiner Stellungnahme vom 12. August 2021 mit der beabsichtigten Datenänderung nicht einverstanden. Er sei sich seiner Identität sicher und könne sich nicht erklären, wie sein Fingerabdruck für eine andere Identität Verwendung gefunden habe. Seine Minderjährigkeit sei bis zum Erlass des Schreibens des SEM vom 5. Juli 2021 nie angezweifelt worden. Er verweise in diesem Zusammenhang auf die Altersschätzung des IRM vom (…) 2021 und die Befragungsprotokolle vom 4. Mai 2021 und 15. Juni 2021. Das SEM lasse ausser Acht, dass er eine schwer traumatisierte, minderjährige Person sei, die als Opfer von Menschenhandel klassifiziert worden sei. Zudem sei die Ausreise aus Angola nicht seine Idee gewesen. Es sei daher nachvollziehbar, dass er über die Schritte des Ausreiseprozesses keine Informationen geben könne. Es könne in Bezug auf die Mitwirkungspflicht nicht der gleiche Massstab wie bei einer erwachsenen oder kognitiv reiferen Person angesetzt werden. Es wäre zu erwarten gewesen, dass das SEM zur Klärung seiner Identität weitere Nachforschungen in Angola getätigt hätte. Sollten die Daten im ZEMIS wie vorgesehen angepasst werden, beantrage er den Erlass einer anfechtbaren Verfügung.

G.

Am 17. August 2021 änderte das SEM die Personalien des Beschwerdeführers im ZEMIS auf A. , geboren am (...). Es versah den Eintrag mit einem Bestreitungsvermerk.

H.

Mit Verfügung vom 1. September 2021 – gleichentags eröffnet – stellte das SEM fest, dass der Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle (Dispositivziffer 1). Es lehnte das Asylgesuch ab (Dispositivziffer 2) und ordnete die Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz an (Dispositivziffer 3), wobei es den Vollzug der Wegweisung als unzumutbar erachtete und den Beschwerdeführer vorläufig aufnahm (Dispositivziffern 4-6). Des Weiteren stellte es fest, dass die den Beschwerdeführer betreffenden Personendaten im ZEMIS wie folgt lauten würden: "A. , geboren am (…), alias G. , geboren am (…), alias C. , geboren am (…), Angola" (Dispositivziffer 7). Zudem verfügte es die Aushändigung der editionspflichtigen Akten gemäss Aktenverzeichnis an den Beschwerdeführer (Dispositivziffer 8).

I.

Mit Eingabe vom 1. Oktober 2021 erhob der Beschwerdeführer durch die

rubrizierte Rechtsvertreterin beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde, worin um Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung und um Anweisung an das SEM, die Personalien im ZEMIS auf G. , geboren am (…), abzuändern, sowie um Feststellung, dass er Opfer von Menschenhandel sei, eventualiter um Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung an das SEM ersucht wurde. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wurde um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses ersucht. Zudem wurde um Anweisung an die Vorinstanz im Sinne einer superprovisorischen Massnahme ersucht, die Personalien im ZEMIS bis zur Rechtskraft der Verfügung vom 1. September 2021 mit G. , geboren am (…), festzuhalten.

J.

Das Beschwerdeverfahren wurde mit der Verfahrensnummer D-4379/2021 eröffnet und das Bundesverwaltungsgericht bestätigte am 4. Oktober 2021 den Eingang der Beschwerde.

K.

Mit Zwischenverfügung vom 11. Oktober 2021 stellte die Instruktionsrichterin fest, dass die Beschwerdeanträge (Datenerfassung im ZEMIS und Feststellung der Menschenhandelsopfereigenschaft) separat zu behandeln seien. Die Beschwerde betreffend Datenänderung im ZEMIS werde unter der Verfahrensnummer D-4414/2021 geführt. In diesem Verfahren hiess sie das Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung gut und verzichtete auf die Erhebung eines Kostenvorschusses. Den Antrag um Erlass einer superprovisorischen Massnahme wies sie ab. Des Weiteren lud sie die Vorinstanz zur Vernehmlassung zur beantragten Datenänderung im ZEMIS ein.

L.

In seiner Vernehmlassung vom 26. Oktober 2021 beantragte das SEM die Abweisung der Beschwerde.

M.

Am 29. Oktober 2021 stellte die Instruktionsrichterin dem Beschwerdeführer die Vernehmlassung zu und räumte ihm die Gelegenheit zur Replik ein.

N.

Der Beschwerdeführer replizierte mit Eingabe vom 15. November 2021.

O.

Die Staatsanwaltschaft des Kantons D. übermittelte dem Bundesverwaltungsgericht am 4. Februar 2022 antragsgemäss die Akten des Strafverfahrens mit dem Beschwerdeführer als Geschädigtem.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um eine Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG, die von einer Vorinstanz gemäss Art. 33 Bst. d VGG erlassen wurde. Da keine Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG vorliegt, ist das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung der Beschwerde zuständig (Art. 31 VGG).

    2. Der Beschwerdeführer war am vorinstanzlichen Verfahren beteiligt und ist als Adressat der angefochtenen Verfügung beschwert, weshalb er zur Beschwerde legitimiert ist (Art. 37 VGG i.V.m. Art. 48 Abs. 1 VwVG).

    3. Auf die im Übrigen fristund formgerecht eingereichte Beschwerde (Art. 37 VGG i.V.m. Art. 50 Abs. 1 und Art. 52 VwVG) ist einzutreten.

2.

Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet auf dem Gebiet der Berichtigung von Personendaten im ZEMIS mit uneingeschränkter Kognition. Es überprüft die angefochtene Verfügung somit auf die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige und unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts sowie auf die Unangemessenheit hin (Art. 49 VwVG).

3.

    1. Die Vorinstanz führt zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben das ZEMIS, welches der Bearbeitung von Personendaten aus dem Ausländerund dem Asylbereich dient (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 des Bundesgesetzes über das Informationssystem für den Ausländerund den Asylbereich vom

      20. Juni 2003 [BGIAA, SR 142.51]) und in der Verordnung über das Zentrale Migrationsinformationssystem vom 12. April 2006 (SR 142.513; ZEMIS-Verordnung) näher geregelt ist. Nach Art. 19 Abs. 1 ZEMIS-Verordnung richten sich die Rechte der Betroffenen, insbesondere deren Auskunfts-, Berichtigungsund Löschungsrecht sowie das Recht auf Informationen über die Beschaffung besonders schützenswerter Personendaten, nach dem Datenschutzgesetz (DSG, SR 235.1) und dem VwVG.

    2. Wer Personendaten bearbeitet, hat sich über deren Richtigkeit zu vergewissern (Art. 5 Abs. 1 DSG). Werden Personendaten von Bundesorganen bearbeitet, kann jede betroffene Person insbesondere verlangen, dass unrichtige Personendaten berichtigt werden (Art. 5 Abs. 2 i.V.m. Art. 25 Abs. 3 Bst. a DSG). Auf die Berichtigung besteht in einem solchen Fall ein absoluter und uneingeschränkter Anspruch (vgl. die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts [BVGer] A-4256/2015 vom 15. Dezember 2015 E. 3.2 und A-4313/2015 vom 14. Dezember 2015 E. 3.2, je m.w.H.; vgl. ferner Urteil des Bundesgerichts [BGer] 1C_224/2014 vom 25. September 2014

      E. 3.1). Die ZEMIS-Verordnung sieht im Übrigen in Art. 19 Abs. 3 ausdrücklich vor, dass unrichtige Daten von Amtes wegen zu berichtigen sind.

    3. Grundsätzlich hat die das Berichtigungsbegehren stellende Person die Richtigkeit der von ihr verlangten Änderung zu beweisen, die Bundesbehörde hat im Bestreitungsfall dagegen die Richtigkeit der von ihr bearbeiteten Personendaten zu beweisen (vgl. Urteil des BGer 1C_240/2012 vom

      13. August 2012 E. 3.1; BVGE 2013/30 E. 4.1; vgl. Urteile des BVGer A-4313/2015 vom 14. Dezember 2015 E. 3.2 und A-1732/2015 vom

      13. Juli 2015 E. 4.2). Nach den massgeblichen Beweisregeln des VwVG gilt eine Tatsache als bewiesen, wenn sie in Würdigung sämtlicher Erkenntnisse so wahrscheinlich ist, dass keine vernünftigen Zweifel bleiben; unumstössliche Gewissheit ist dagegen nicht erforderlich. Die mit dem Berichtigungsbegehren konfrontierte Behörde hat zwar nach dem Untersuchungsgrundsatz den Sachverhalt grundsätzlich von Amtes wegen abzuklären (Art. 12 VwVG); die gesuchstellende Person ist aber gemäss Art. 13 Abs. 1 Bst. a VwVG verpflichtet, an dessen Feststellung mitzuwirken (vgl. zum Ganzen Urteile des BVGer A-4256/2015 vom 15. Dezember 2015 E. 3.3, A-2291/2015 vom 17. August 2015 E. 4.3 und A-3555/2013 vom

      26. März 2014 E. 3.3, je m.w.H.). Die materielle Beweislast, also die Folgen der Beweislosigkeit, trägt aber grundsätzlich die Behörde, wenn sie wie vorliegend im Bereich der Eingriffsverwaltung tätig ist (vgl. Urteil des BVGer A-4035/2011 vom 19. Dezember 2011 E. 4.3). In Bezug auf ausländische Identitätsdokumente ist ferner Folgendes zu beachten: Amtliche Dokumente ausländischer Staaten, deren Zweck es ist, die Identität ihres Inhabers nachzuweisen, gelten nicht als öffentliche Urkunden im Sinne von Art. 9 ZGB, weshalb ihnen nicht ohne Weiteres ein erhöhter Beweiswert zukommt und sie wie andere Urkunden einer freien Beweiswürdigung zu unterziehen sind (vgl. Urteile des BVGer A-7588/2015 vom 26. Februar 2016 E. 3.3 und A-7822/2015 vom 25. Februar 2016 E. 3.3., je m.w.H.; vgl. Urteile des BGer 6B_394/2009 vom 27. Juli 2009 E. 1.1 und 5A.3/2007 vom 27. Februar 2007 E. 2).

    4. Kann bei einer verlangten beziehungsweise von Amtes wegen beabsichtigten Berichtigung weder die Richtigkeit der bisherigen noch diejenige der neuen Personendaten bewiesen werden, dürfen grundsätzlich weder die einen noch die anderen Daten bearbeitet werden (vgl. Art. 5 Abs. 1 DSG). Dies ist jedoch nicht immer möglich, müssen doch bestimmte Personendaten zur Erfüllung wichtiger öffentlicher Aufgaben notwendigerweise bearbeitet werden. Dies gilt namentlich auch für die im ZEMIS erfasste Herkunft, den Namen und die Geburtsdaten. In solchen Fällen überwiegt das öffentliche Interesse an der Bearbeitung möglicherweise unzutreffender Daten das Interesse an deren Richtigkeit. Art. 25 Abs. 2 DSG sieht deshalb die Anbringung eines Vermerks vor, in dem darauf hingewiesen wird, dass die Richtigkeit der bearbeiteten Personendaten bestritten ist. Spricht dabei mehr für die Richtigkeit der neuen Daten, sind die bisherigen Angaben zunächst zu berichtigen und die neuen Daten anschliessend mit einem derartigen Vermerk zu versehen. Ob die vormals eingetragenen Angaben weiterhin abrufbar bleiben sollen oder ganz zu löschen sind, bleibt grundsätzlich der Vorinstanz überlassen. Verhält es sich umgekehrt, erscheint also die Richtigkeit der bisher eingetragenen Daten als wahrscheinlicher oder zumindest nicht als unwahrscheinlicher, sind diese zu belassen und mit einem Bestreitungsvermerk zu versehen. Über dessen Anbringung ist jeweils von Amtes wegen und unabhängig davon zu entscheiden, ob ein entsprechender Antrag gestellt worden ist (vgl. zum Ganzen Urteile des BVGer A-4256/2015 vom 15. Dezember 2015 E. 3.4, A-3555/2013 vom 26. März 2014 E. 3.4 und A-181/2013 vom 5. November 2013 E. 7.1, je m.w.H.; vgl. ferner Urteil des BGer 1C_240/2012 vom 13. August 2012 E. 3.2).

4.

    1. Vorliegend obliegt es demnach grundsätzlich dem SEM zu beweisen, dass die aktuell im ZEMIS eingetragenen Personendaten korrekt sind. Der Beschwerdeführer wiederum hat nachzuweisen, dass die von ihm geltend gemachten Personalien richtig beziehungsweise zumindest wahrscheinlicher sind als die im ZEMIS erfassten Daten, ihnen mithin eine höhere Glaubwürdigkeit zukommt als dem Eintrag (vgl. Urteil des BVGer A-3051/2018 vom 12. März 2019 E. 5.5). Gelingt keiner Partei der sichere Nachweis, sind diejenigen Personendaten im ZEMIS zu belassen oder einzutragen, deren Richtigkeit wahrscheinlicher ist.

    2. Im Asylverfahren sind die Personalien, zu denen nebst Vorund Nachnamen auch das Geburtsdatum und die Staatsangehörigkeit gehören, der allgemeinen asylrechtlichen Beweisregel folgend, von der asylsuchenden

Person zumindest glaubhaft zu machen. Über die Glaubhaftigkeit ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu befinden. Dass im Asylverfahren die Glaubhaftmachung der Minderjährigkeit einer unbegleiteten asylsuchenden Person genügt, ist angesichts der möglichen Rechtsfolgen (etwa höhere Anforderungen an Unterbringung und Betreuung, erschwerte Rückschaffung oder gar Verzicht darauf im Rahmen des Dublin-Verfahrens) nachvollziehbar. Anders verhält es sich im datenschutzrechtlichen Verfahren betreffend die Berichtigung von Personendaten im ZEMIS. Hier wird verlangt, dass die wahrscheinlichsten – also überwiegend wahrscheinlichen – Personendaten eingetragen werden.

5.

    1. Das SEM führte zur Begründung der Dispositivziffer 7 seiner Verfügung vom 1. September 2021 (Feststellung der Personendaten des Beschwerdeführers im ZEMIS ["A. , geboren am (…), alias G. , geboren am (…), alias C. , geboren am (…), Angola"]) im Wesentlichen an, der Beschwerdeführer sei gemäss Art. 8 Abs. 1 AsylG verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken. Dazu gehöre auch die Offenlegung der Identität (Vorname, Name, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit [Art. 1a Bst. a der Asylverordnung 1 über Verfahrensfragen vom

      11. August 1999 [AsylV 1, SR 142.311]). Der Beschwerdeführer sei nicht in der Lage gewesen, seine Identität und das von ihm behauptete Alter glaubhaft darzulegen. Die kantonalen Strafverfolgungsbehörden hätten aufgrund der Aussage des Beschwerdeführers, vor der Asylgesuchstellung zwei Jahre an einem unbekannten Ort in der Schweiz festgehalten worden zu sein, ein Strafverfahren gegen Unbekannt eingeleitet. Durch polizeiliche Ermittlungen und Abklärungen des SEM habe festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer am (…) 2019 in Angola einen auf A. , geboren am (…), lautenden Reisepass habe ausstellen lassen. Am (…) 2019 sei ein Schengen-Visum beantragt worden (Reisezweck: touristische Gruppenreise; Reiseziel: H. ), das ihm am (…) 2020 auf der (…) Botschaft in Luanda erteilt worden sei (Pass Nr. […], Vignettennummer […]). Im Zuge dieser Visumserteilung seien ihm in Luanda am (…) 2020 die Fingerabdrücke abgenommen worden. Diese würden mit den Fingerabdrücken übereinstimmen, die ihm in der Schweiz abgenommen worden seien. Laut Auskunft der Staatsanwaltschaft vom 18. Mai 2021 hätten die Ermittlungen keinen konkreten Hinweis auf eine mutmassliche Täterschaft ergeben, und der vom Beschwerdeführer angegebene Sachverhalt habe nicht bestätigt werden können. Das Strafverfahren werde nicht weiterbearbeitet, ausser es würden neue Erkenntnisse eingehen. Der Beschwerde-

      führer habe sich somit im (…) 2020 nachweislich nicht in der Schweiz, sondern in Angola aufgehalten, und aufgrund der besagten erkennungsdienstlichen Behandlung sei davon auszugehen, dass er die Schweizer Behörden über seine Identität getäuscht habe. Dies umso mehr, als kein Grund ersichtlich sei, weshalb er mittels eines nicht ihm zustehenden beziehungsweise gefälschten Reisepasses einen Visumsantrag hätte stellen sollen, und er bis zum heutigen Zeitpunkt keine rechtsgenüglichen Identitätspapiere eingereicht habe, die seine Angaben bestätigen würden. Seine Identität sei daher im ZEMIS auf A. , geboren am (…), zu ändern. Der Eintrag sei gestützt auf Art. 25 Abs. 2 DSG mit einem Bestreitungsvermerk zu versehen und die bisherigen Angaben seien als Alias-Identität zu erfassen. Der Verweis des Beschwerdeführers auf eine Handknochenanalyse, die seine Minderjährigkeit bestätigen würde, lasse ausser Acht, dass der Umstand der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers vom SEM nie thematisiert worden sei. Auch im Zeitpunkt des Verfügungserlasses gehe das SEM noch von dessen Minderjährigkeit aus. Eine Handknochenanalyse entspreche nicht den Vorgaben einer rechtsgenüglichen Alterseinschätzung. Würde die besagte Handknochenanalyse, wonach der Beschwerdeführer mindestens (…), maximal (…) Jahre alt sei, als Alterseinschätzung herangezogen, müsste zudem angemerkt werden, dass sowohl zu der Altersangabe des Beschwerdeführers ([…]-jährig) als auch zu dem vom SEM angenommenen Alter ([…]-jährig) eine Abweichung von einem Jahr bestehe.

    2. Der Beschwerdeführer machte in Bezug auf den Beschwerdeantrag um Abänderung der Personalien im ZEMIS auf G. , geboren am (…), in der Rechtsmitteleingabe vom 1. Oktober 2021 im Wesentlichen geltend, er sei (…) 2020 mit der von ihm angegebenen Identität einer Pflegefamilie zugeteilt worden. Laut Angaben der Pflegeeltern sei er seither etwa (…) Zentimeter gewachsen, habe den (…) und für die Pubertät typische (…) entwickelt. Er besuche die (…) mit Jugendlichen desselben Jahrgangs und trainiere (…) bei einem (…). Sein Covid-Zertifikat und das ÖV-Abonnement würden auf die besagten Identitätsangaben lauten. Diese Dokumente hätten seit der Änderung seiner Personalien auf dem Aufenthaltsausweis am (…) 2021 keine Gültigkeit mehr. Das SEM werte einen Pass, der am (…) 2019 in Angola ausgestellt worden sei, als starkes Indiz für die Änderung der Personendaten im ZEMIS. Eine Schnellrecherche auf der Website des angolanischen Innenministeriums zeige indes, dass vom (…). bis (…) 2019 kein Pass auf den fraglichen Namen und mit der betreffenden Nummer ausgestellt worden sei (https://www.sme.gov.ao/wp-con- tent/uploads/2019/[...]/emitidos-[...].pdf). Dies sei ein Indiz für den Verdacht

      der Fälschung des Visumsantrags. Indem das SEM keine weiteren Abklärungen getätigt habe, habe es die Untersuchungspflicht verletzt. Auch bezüglich des Geburtsdatums habe das SEM keine weiteren Abklärungen getroffen, obschon sein Alter während des gesamten Asylverfahrens nie angezweifelt worden sei. Sein Arzt habe daraufhin auf eigene Initiative am (…) 2021 eine Handknochenanalyse beim IRM der (…) ausstellen lassen. Demnach entspreche sein Knochenalter dem Referenzbild eines Jungen im Alter von mindestens (…), maximal (…) Jahren. Diese Altersschätzung liege wesentlich näher bei dem von ihm genannten Geburtsdatum als demjenigen, welches das SEM aus dem Visumsantrag übernommen habe. Angesichts der nicht eindeutigen Sachlage wäre das SEM gehalten gewesen, weitere Abklärungen (beispielsweise Einholung eines vollständigen Altersgutachtens) zu tätigen, zumal nicht allein er beweispfIichtig sei, sondern es dem SEM obliege zu beweisen, dass das aktuell im ZEMIS eingetragene Geburtsdatum korrekt sei. Die Datenänderung habe schwerwiegende Konsequenzen für seine Lebensgestaltung. Das Covid-Zertifikat habe keine Gültigkeit mehr und die Zugfahrt zur (…) koste nun doppelt so viel. Laut dem Bericht des behandelnden (…) vom (…) 2021 bringe die Datenänderung eine Destabilisierung in den Genesungsprozess. Vermutlich sei der auf A. , geboren am (…), ausgestellte Pass Teil des Menschenhandels gewesen. Möglicherweise sei mit gefälschten Geburtsurkunden gearbeitet worden. Er habe im Alter von etwa (…) Jahren in Begleitung der Mutter versucht, ein Identitätsdokument auszustellen. Dies sei aber gescheitert, da dafür auch die Unterschrift des Vaters nötig gewesen wäre. Damals seien ihm die Fingerabdrücke abgenommen und ein Foto von ihm gemacht worden. Zum zweiten Mal sei er dann in der Schweiz erkennungsdienstlich erfasst worden. Auf dem Foto in dem besagten Pass sei tatsächlich er erkennbar. Er habe dafür keine plausible Erklärung. Nachdem der Pass am (…) 2019 ausgestellt geworden sei, müsste der Passinhaber im Ausstellungszeitpunkt zwischen (…) und (…) Jahren alt gewesen sein. Das Foto entspreche aber vielmehr einem (…)jährigen und könnte darauf hindeuten, dass dieses, wie der Fingerabdruck, zwar zwecks eines ldentitätsdokuments erstellt, aber für eine Dokumentenfälschung missbraucht worden sei.

    3. Das SEM brachte in seiner Vernehmlassung vom 26. Oktober 2021 im Wesentlichen vor, es habe diverse Abklärungen getätigt, eine Gesamtwürdigung vorgenommen und als Folge davon das Alter angepasst. An der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers habe es festgehalten, weswegen nicht davon gesprochen werden könne, es seien dem Beschwerdeführer mit einer unrechtmässigen Feststellung der Volljährigkeit erhebliche

      Rechtsnachteile erwachsen. Dem Beschwerdeführer sei am 5. Juli 2021 das rechtliche Gehör gewährt und die Frist zur Stellungnahme in der Folge antragsgemäss erstreckt worden. Es sei ihm folglich ausreichend Zeit geblieben, zu einer Datenänderung Stellung zu nehmen. Dass das SEM nach Prüfung aller Akten zu einem anderen Schluss respektive zu einer anderen Würdigung der Sachlage gekommen sei, bedeute nicht, dass es den rechtserheblichen Sachverhalt unvollständig oder unrichtig erhoben habe. Von einer Nichtbestreitung oder unkommentierten Hinnahme der Identitätsangaben des Beschwerdeführers während des gesamten Asylverfahrens könne nicht gesprochen werden. Das SEM habe den Beschwerdeführer erst am 4. Mai 2021 – fast ein Jahr nach Einreichung des Asylgesuchs

      – ein erstes Mal und am 15. Juni 2021 ein zweites Mal befragen können. Es sei ihm daher nicht möglich gewesen, die Identitätsangaben des Beschwerdeführers zu einem früheren Zeitpunkt zu bestreiten respektive zu kommentieren. Das rechtliche Gehör zu den Abklärungsergebnissen sei anschliessend zeitnah (am 5. Juli 2021) gewährt worden, und daraus sei hervorgegangen, dass das SEM die Identitätsangaben des Beschwerdeführers bestreite. Die angeführte Schnellrecherche auf der Website des angolanischen Innenministeriums vermöge an der Einschätzung des SEM nichts zu ändern, stehe doch aufgrund der Abklärungen fest, dass der Beschwerdeführer persönlich mit einem auf A. , geboren am (…), lautenden Reisepass auf der (…) Botschaft in Luanda vorstellig geworden sei, besagter Pass als echt befunden worden sei, und er ein Schengen-Visum beantragt und erhalten habe. Auf den Vorhalt, sich am (…) 2020 nachweislich in Luanda aufgehalten zu haben, sei er mit keinem Wort eingegangen. Es sei nicht ersichtlich, weshalb er mittels eines nicht ihm zustehenden respektive gefälschten Reisepasses einen Visumsantrag hätte stellen sollen. Ziehe man die Handknochenanalyse heran, bestehe sowohl zur Altersangabe des Beschwerdeführers ([..]-jährig statt […]- oder […]-jährig) als auch zu dem vom SEM angenommenen Alter ([…]-jährig statt […]- oder [..]-jährig) eine Abweichung von einem Jahr respektive zwei Jahren. Es könne folglich nicht davon gesprochen werden, dass die besagte Altersschätzung wesentlich näher beim vom Beschwerdeführer angegebenen Geburtsdatum liege als beim Datum, welches das SEM aus dem Visumsantrag übernommen habe.

    4. Der Beschwerdeführer entgegnete in seiner Replik vom 15. November 2021 im Wesentlichen, dass lediglich ein Anhaltspunkt (Visumsantrag mit wahrscheinlich gefälschtem Pass) für die Datenänderung im ZEMIS, aber mehrere Anhaltspunkte (Einschätzung diverser Fachpersonen, Menschenhandels-Indizien, seine eigenen Angaben) dagegensprechen würden. Die

Vermutung des SEM, dass er selbst für die Beantragung des Visums in Luanda gewesen sei, werde relativiert, wenn von einer möglichen illegalen Passbeschaffung ausgegangen werde. Im Übrigen könne von seiner möglichen Anwesenheit nicht abgeleitet werden, dass er den Visumsantrag und die Reise willentlich angegangen sei. Zum Zeitpunkt der Handknochenanalyse sei er (…) Jahre gewesen und damit näher an dem ermittelten als an dem vom SEM angenommenen Alter. Indem das SEM zur Klärung seiner Identität keine weiteren Nachforschungen in Angola angeordnet habe, gebe es die diesbezügliche Verantwortung an ihn ab, obwohl es offensichtlich sei, dass er betreffend Fragen zu seiner Identität blockiert sei.

6.

    1. Vorab ist die verfahrensrechtliche Rüge des Beschwerdeführers, das SEM habe sein rechtliches Gehör verletzt, zu prüfen.

      1. Gemäss Art. 12 VwVG stellt die Behörde den Sachverhalt von Amtes wegen fest. Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 29 und Art. 32 Abs. 1 VwVG), das alle Befugnisse umfasst, die einer Partei einzuräumen sind, damit sie ihren Standpunkt wirksam zur Geltung bringen kann (vgl. BGE 135 II 286 E. 5.1; BVGE 2009/35 E. 6.4.1). Dazu gehört insbesondere das Recht des Betroffenen, sich zur Sache zu äussern, erhebliche Beweismittel beizubringen und mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden sowie Einsicht in die Akten zu nehmen. Mit dem Gehörsanspruch korreliert die Pflicht der Behörden, die Vorbringen tatsächlich zu hören, ernsthaft zu prüfen und in ihrer Entscheidung angemessen zu berücksichtigen. Die Begründung der Verfügung muss so abgefasst sein, dass die betroffene Person den Entscheid gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann. Die Behörde muss die wesentlichen Überlegungen nennen, von denen sie sich hat leiten lassen und auf die sie ihren Entscheid stützt. Nicht erforderlich ist hingegen, dass sich die Begründung mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich erwähnt oder widerlegt. Somit darf sich die Vorinstanz bei der Begründung der Verfügung auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken und ist nicht gehalten, sich ausdrücklich mit jeder tatbeständlichen Behauptung auseinanderzusetzen (vgl. BGE 136 I 184 E. 2.2.1, 126 I 97 E. 2.b).

      2. Die Rüge des Beschwerdeführers, das SEM sei seiner Pflicht zur Sachverhaltsfeststellung in ungenügender Weise nachgekommen, vermag nicht zu greifen. Das SEM hat Abklärungen zur Identität des Beschwerde-

        führers getätigt (Erhebung von Informationen des CIS-VIS [zentrales europäisches Visa-Informationssystem]; Einholung von Informationen bei den das Visum ausstellenden (…) Behörden und bei den schweizerischen Strafverfolgungsbehörden) und dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör zu den Abklärungen und einer geplanten Änderung der im ZEMIS eingetragenen Personendaten gewährt. Eine Gehörsverletzung liegt damit nicht vor, ebenso wenig eine unrichtige oder ungenügende Sachverhaltsfeststellung. Ob der Einschätzung des SEM zuzustimmen ist, ist nunmehr Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

      3. Es besteht daher keine Veranlassung, die angefochtene Verfügung betreffend Datenänderung im ZEMIS aus formellen Gründen aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der entsprechende (Eventual-)Antrag um Rückweisung ist abzuweisen.

    1. Nach Prüfung der Akten kommt das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Personendaten nicht wahrscheinlicher sind als diejenigen, welche im ZEMIS mit Bestreitungsvermerk eingetragen sind.

    2. Der Beschwerdeführer reichte keine Identitätsdokumente zu den Akten. Die von ihm auf dem am 2. Juni 2020 ausgefüllten Personalienblatt angegebenen und vom SEM entsprechend zunächst im ZEMIS eingetragenen Personalien – C. , geboren am (…), Angola – sind somit nicht belegt. Die Identität des Beschwerdeführers steht bis heute nicht fest. Im ZEMIS sollen, wie zuvor ausgeführt, die wahrscheinlichsten Personalien eingetragen werden, wenn die tatsächlichen, wie vorliegend, nicht feststehen. Gemäss Informationen des CIS-VIS – einem System, das auf der Grundlage biometrischer Daten (zehn Fingerabdrücke und digitales Foto) beruht – ist belegt, dass die Fingerabdrücke, welche der Person in Luanda abgenommen wurden, die unter Vorlage eines auf die Personalien A. , geboren am (…), ausgestellten angolanischen Reisepasses auf der (…) Botschaft in Luanda am (…) 2020 die Ausstellung eines Schengen-Visums erwirkt hat, mit den dem Beschwerdeführer nach der Asylgesuchstellung in der Schweiz abgenommenen Fingerabdrücken übereinstimmen. Auch das Foto zeigt unbestrittenermassen den Beschwerdeführer. Am 18. Juni 2020 bestätigten die (…) Behörden auf entsprechende Anfrage des SEM vom 8. Juni 2020 die besagte Ausstellung eines vom (…) 2020 bis (…) 2020 gültigen Visums an die Person, deren Fingerabdrücke mit denjenigen des Beschwerdeführers übereinstimmen, und die sich gegenüber den (…) Behörden als A. , geboren am (…), ausgewiesen

      hat. Konkrete Anhaltspunkte, wonach an den im CIS-VIS gewonnenen und von den (…) Behörden bestätigten Erkenntnissen zur Identität des Beschwerdeführers zu zweifeln wäre, liegen nicht vor. Dem SEM ist aufgrund der Aktenlage zuzustimmen, dass davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer am (…) 2020 nicht wie angegeben in der Schweiz, sondern in Angola war. Es ist kaum vorstellbar, dass sich eine andere Person im Visumsausstellungsprozess des erkennungsdienstlichen Materials des Beschwerdeführers – insbesondere seines Fingerabdrucks – bedient haben könnte. Seine auf Beschwerdeebene geäusserte Vermutung, dass für den Visumsausstellungsprozess ein Fingerabdruck verwendet worden sein könnte, der von den angolanischen Behörden erhoben worden sei, als er im Alter von etwa (…) Jahren versucht habe, sich eine Identitätskarte ausstellen zu lassen, vermag nicht zu überzeugen. Es ist kaum davon auszugehen, dass die angolanischen Behörden dem Beschwerdeführer damals tatsächlich die Fingerabdrücke abgenommen haben sollten, wenn die Initiierung des Ausstellungsprozesses bereits an der fehlenden Unterschrift eines Elternteils auf dem Antragsformular gescheitert sei. Zwar kann nicht mit gänzlicher Sicherheit von der Richtigkeit der im ZEMIS eingetragenen Personendaten (A. , geboren am […]) ausgegangen werden, jedoch ist aufgrund der Aktenlage davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer sich den (…) Behörden gegenüber im Rahmen der Visumsausstellung mit diesen Personalien ausgewiesen hat. Die von ihm nun im vorliegenden Verfahren zur Eintragung beantragten Personalien (G. , geboren am […]), die durch keinerlei Dokumente belegt sind, sind jedenfalls nicht mit einiger Wahrscheinlichkeit als richtiger zu betrachten. Daran vermag auch die Begutachtung des Handknochens des Beschwerdeführers im IRM der (…) am (…) 2021 nichts zu ändern. Die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers hat das SEM nicht in Frage gestellt, und es ist daher auch nicht zu beanstanden, dass es kein Altersgutachten eingeholt hat (vgl. hierzu Art. 17 Abs. 3bis AsylG, wonach das SEM nach Ermessen ein medizinisches Altersgutachten veranlassen kann). Die im IRM der (…) am (…) 2021 erfolgte Begutachtung eines vom Hausarzt des Beschwerdeführers übermittelten Röntgenbilds der linken Hand des Beschwerdeführers vermag das vom Beschwerdeführer geltend gemachte Geburtsdatum vom (…) nicht zu belegen. Von den in der Schweiz angewandten Methoden der medizinischen Altersabklärung sind nur die Schlüsselbeinrespektive Skelettaltersanalyse und die zahnärztliche Untersuchung, nicht jedoch die Handknochenaltersanalyse und die ärztliche körperliche Untersuchung zum Beweis der Minderbeziehungsweise Volljährigkeit einer Person geeignet (vgl. BVGE 2018 VI/3 E. 4.2.1 f.). Der nicht auf mehreren Einzeluntersuchungen basierenden Handknochenaltersanalyse vom (…) 2021

      kann mithin keine erhebliche Beweiskraft beigemessen werden (vgl. BVGE 2019 I/6 E. 6.1, 6.3-6.5). Diese vermag kein Indiz für die Richtigkeit des vom Beschwerdeführer geltend gemachten Geburtsdatums darzustellen. Anderweitige Anhaltspunkte, die aufgrund ihrer Beweiskraft geeignet wären, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Personalien zu sprechen, sind den Akten nicht zu entnehmen.

    3. Nach dem Gesagten konnte weder das SEM noch der Beschwerdeführer die Richtigkeit der jeweils behaupteten Personalien des Letzteren nachweisen. Insgesamt erscheinen die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Personendaten (G. _, geboren am […]) aber nicht als wahrscheinlicher als diejenigen, welche im ZEMIS eingetragen sind (A. , geboren am […]). Der bestehende ZEMIS-Eintrag ist daher unverändert zu belassen; den Bestreitungsvermerk hat das SEM bereits angebracht. Die weiteren Beschwerdevorbringen sind nicht geeignet, eine Änderung dieser Einschätzung zu bewirken, weshalb nicht weiter darauf einzugehen ist.

7.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung – sowie sie Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens bildet – Bundesrecht nicht verletzt und auch sonst nicht zu beanstanden ist (Art. 49 VwVG). Die Beschwerde ist abzuweisen.

8.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten grundsätzlich dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Da ihm aber mit Zwischenverfügung vom 11. Oktober 2021 die unentgeltliche Prozessführung gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG gewährt wurde, ist von der Kostenerhebung abzusehen, zumal nicht ersichtlich ist, dass er nicht mehr bedürftig wäre.

9.

Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts auf dem Gebiet des Datenschutzes sind gemäss Art. 35 Abs. 2 der Verordnung vom 14. Juni 1993 zum Bundesgesetz über den Datenschutz (VDSG, SR 235.11) dem Eidgenössischen Datenschutzund Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) bekanntzugeben.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

3.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM, die zuständige kantonale Behörde, das Generalsekretariat EJPD und den Eidgenössischen Datenschutzund Öffentlichkeitsbeauftragten.

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Daniela Brüschweiler Susanne Burgherr

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Die Frist ist gewahrt, wenn die Beschwerde spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben worden ist (Art. 48 Abs. 1 BGG). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).

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