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Bundesverwaltungsgericht Urteil E-5064/2008

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung V
Dossiernummer:E-5064/2008
Datum:05.04.2012
Leitsatz/Stichwort:Asyl und Wegweisung
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdeführenden; Kosovo; Verfügung; Wegweisung; Bundesverwaltungsgericht; Wiedererwägung; Situation; Gorani; Vollzug; Vorinstanz; Wegweisungsvollzug; Slawische; Zumutbar; Entscheid; Schweiz; Muslime; Wiedererwägungsgesuch; Slawischen; Urteil; Wegweisungsvollzugs; Söhne; Angehörige; Beschwerdeführer; Beweismittel; Vorbringen; Individuell; Gefährdung; Ethnie
Rechtsnorm: Art. 63 VwVG ; Art. 66 VwVG ;
Referenz BGE:127 I 133; ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung V E-5064/2008

U r t e i l  v o m  5.  A p r i l  2 0 1 2

Besetzung Richterin Muriel Beck Kadima (Vorsitz),

Richter Pietro Angeli-Busi, Richterin Christa Luterbacher, Gerichtsschreiberin Tu-Binh Truong.

Parteien A. , geboren am ( ), B. , geboren am ( ), Kosovo,

beide vertreten durch Dr. iur. Jean-Pierre Bloch, Advokat, ( ),

Beschwerdeführende,

gegen

Bundesamt für Migration (BFM), Quellenweg 6, 3003 Bern, Vorinstanz

Gegenstand Vollzug der Wegweisung (Wiedererwägung); Verfügung des BFM vom 2. Juli 2008 / N ( ).

Sachverhalt:

A.

Die Beschwerdeführenden - Angehörige der ethnischen Minderheit der Gorani aus C. , D. (Kosovo) - haben eigenen Angaben zufolge am 15. April 2002 ihre Heimat verlassen und sind am 21. April 2002 in die Schweiz gelangt, wo sie am 25. April 2002 ein Asylgesuch einreichten, welches vom BFM mit Verfügung vom 8. Januar 2003 aufgrund fehlender Asylrelevanz der Vorbringen abgelehnt wurde, wobei die Wegweisung sowie deren Vollzug angeordnet wurden. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Urteil der vormals zuständigen Schweizerischen Asylrekurskommission (ARK) vom 24. Dezember 2004 abgeschrieben, nachdem diese mit Erklärung der Beschwerdeführenden vom

7. September 2004 zurückgezogen worden war.

B.

Die Beschwerdeführenden liessen durch ihren Rechtsvertreter am

21. April 2008 beim BFM aufgrund der veränderten politischen Situation im Kosovo sowie, weil das Haus der Beschwerdeführenden im Kosovo zerstört worden sei, ein Wiedererwägungsgesuch einreichen. Für diese Vorbringen wurden keine Beweismittel eingereicht.

C.

Das BFM erhob im Wiedererwägungsverfahren mit Zwischenverfügung vom 8. Mai 2008 einen Gebührenvorschuss, welcher von den Beschwerdeführenden fristgerecht bezahlt wurde. Ferner forderte es die Beschwerdeführenden am 6. Juni 2008 auf, ihre Rechtsbegehren näher zu bezeichnen und ihre Begründung zu ergänzen.

D.

Dieser Aufforderung kamen die Beschwerdeführenden durch ihre Eingabe vom 16. Juni 2008 nach, indem sie ihre Begehren dahingehend präzisierten, dass ihnen die vorläufige Aufnahme zu erteilen sei. Ferner gaben sie ergänzend als Hindernis für eine Rückkehr nach Kosovo die aktuelle Situation der Gorani an, da Personen albanischer Ethnie Angehörige der Gorani hassen würden, dies v.a. deshalb, da diese - wie im Falle des Beschwerdeführers - während des Krieges gezwungen worden seien, in der serbischen Armee die Waffen zu ergreifen. Zudem habe sich die Lage der Gorani seit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo (im Februar 2008) verschlechtert. Auch diese Vorbringen belegten die Beschwerdeführenden nicht.

E.

Das BFM wies mit Verfügung vom 2. Juli 2008 - eröffnet am 3. Juli 2008

  • das Wiedererwägungsgesuch der Beschwerdeführenden ab und stellte fest, die Verfügung vom 8. Januar 2003 sei rechtskräftig und vollstreckbar und einer allfälligen Beschwerde komme keine aufschiebende Wirkung zu. Den abweisenden Entscheid begründete es im Wesentlichen damit, dass im Kosovo weder eine Situation allgemeiner Gewalt vorliegen noch individuelle Gründe gegen die Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs sprechen würden.

    Auf die ausführliche Begründung wird, soweit entscheidwesentlich, in den Erwägungen eingegangen.

    F.

    Die Beschwerdeführenden erhoben gegen diesen Entscheid am

    4. August 2008 (Poststempel) beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde und beantragten darin, es sei unter Feststellung der Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs die angefochtene Verfügung aufzuheben und ihnen die vorläufige Aufnahme zu erteilen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht suchten sie um die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde beziehungsweise um die vorläufige Aussetzung des Wegweisungsvollzugs nach.

    Auf die Begründung wird, soweit entscheidwesentlich, in den Erwägungen eingegangen.

    G.

    Das Bundesverwaltungsgericht setzte mit Zwischenverfügung vom 7. August 2008 den Wegweisungsvollzug aus und erhob einen Kostenvorschuss, welcher von den Beschwerdeführenden fristgerecht bezahlt wurde.

    H.

    Mit Verfügung vom 27. August 2008 lud das Bundesverwaltungsgericht die Vorinstanz zur Vernehmlassung ein.

    Mit Vernehmlassung vom 9. September 2008 beantragte das BFM die Abweisung der Beschwerde, da diese keine neuen erheblichen Tatsachen oder Beweismittel enthalten würde, welche eine Änderung seines Standpunktes rechtfertigen könnten, und verwies auf seine Erwägungen, an denen es vollumfänglich festhalte.

    Angesichts der Tatsache, dass sich das BFM nicht weiter mit der Beschwerdebegründung auseinandersetzte und sich die Beschwerdeführenden im Rahmen von Art. 32 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom

    20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021) hätten äussern können, wird die Vernehmlassung den Beschwerdeführenden mit vorliegendem Urteil zur Kenntnis gebracht.

    Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

    1.

      1. Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das BFM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG, SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom

        17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Eine solche Ausnahme liegt nicht vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht vorliegend endgültig entscheidet.

      2. Darunter fallen auch Verfügungen, mit denen das BFM (vgl. Art. 33 Bst. d VGG) ein Gesuch um Wiedererwägung eines rechtskräftigen Entscheides betreffend den Vollzug einer angeordneten Wegweisung abgewiesen hat.

      3. Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Die Beschwerdeführenden haben am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, sind durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und haben ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Sie sind daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und Art. 108 Abs. 1 AsylG, Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

    2.

    Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und die Unangemessenheit gerügt werden (vgl. Art. 106 Abs. 1 AsylG).

    3.

    Die Wiedererwägung im Verwaltungsverfahren ist ein gesetzlich nicht geregelter Rechtsbehelf, auf dessen Behandlung durch die verfügende Behörde grundsätzlich kein Anspruch besteht. Gemäss herrschender Lehre und ständiger Praxis des Bundesgerichts wird jedoch aus Art. 29 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101) unter bestimmten Voraussetzungen ein verfassungsmässiger Anspruch auf Wiedererwägung abgeleitet (vgl. BGE 127 I 133

    E. 6 S. 137 f. mit weiteren Hinweisen). Danach ist auf ein Wiedererwägungsgesuch einzutreten, wenn sich der rechtserhebliche Sachverhalt seit dem ursprünglichen Entscheid beziehungsweise seit dem Urteil der mit Beschwerde angerufenen Rechtsmittelinstanz in wesentlicher Weise verändert hat und mithin die ursprüngliche (fehlerfreie) Verfügung an nachträglich eingetretene Veränderungen der Sachlage anzupassen ist. Sodann können auch Revisionsgründe einen Anspruch auf Wiedererwägung begründen, sofern sie sich auf eine in materielle Rechtskraft erwachsene Verfügung beziehen, die entweder unangefochten geblieben oder deren Beschwerdeverfahren mit einem formellen Prozessurteil abgeschlossen worden ist. Ein solchermassen als qualifiziertes Wiedererwägungsgesuch zu bezeichnendes Rechtsmittel ist grundsätzlich nach den Regeln des Revisionsverfahrens zu behandeln (vgl. Entscheidungen und Mitteilungen der ARK [EMARK] 2003 Nr. 17 E. 2.a S. 103 f., mit weiteren Hinweisen).

    4.

    Die Beschwerdeführenden haben in ihrer Eingabe vom 16. Juni 2008 und auf Beschwerdeebene lediglich die vorläufige Aufnahme beantragt, und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie einzig betreffend die Frage des Wegweisungsvollzugs eine Neubeurteilung der Verfügung vom 8. Januar 2003 begehren. Vorliegend wird die Prüfung somit auf das Vorhandensein allfälliger Vollzugshindernisse beschränkt.

    5.

      1. Die Vorinstanz hat den Anspruch der Beschwerdeführenden auf Behandlung des Wiedererwägungsgesuchs nicht in Abrede gestellt und ist auf das Wiedererwägungsgesuch eingetreten.

        Sie weist es indessen unter Hinweis auf die Praxis des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil E-7139/2006 vom 11. April 2008, E. 7.2) mit der Begründung ab, dass im Kosovo keine Situation allgemeiner Gewalt herrsche, welche für die Beschwerdeführenden eine konkrete Gefährdung im Sinne von Art. 83 Abs. 4 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG, SR 142.20) darstellen würde. Ferner habe sich die Sicherheitslage der slawischen Muslime in den letzten Jahren weiterhin verbessert und könne als stabil bezeichnet werden. Auch nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo sei es seitens der Kosovo-Albaner weder zu Ausschreitungen gekommen noch seien Übergriffe auf Minderheiten oder andere Vorfälle bekannt geworden. Slawische Muslime aus dem Bezirk D. , welche angeblich in der jugoslawischen Armee Kriegsdienst geleistet hätten, würden zudem kein erhöhtes Gefährdungspotential aufweisen. Schliesslich hätten die Beschwerdeführenden auch im vorangegangenen Verfahren nie geltend gemacht, persönlich von konkreten Vorfällen betroffen gewesen zu sein. Ferner würden keine individuellen Gründe gegen die Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs sprechen. Der Beschwerdeführer verfüge über eine abgeschlossene Schulund Berufsbildung als [Berufsgattung] und habe entsprechende Berufserfahrung. Ausserdem könnten die Beschwerdeführenden von ihren beiden Söhnen, welche in der Schweiz arbeiten würden, finanzielle Unterstützung erwarten. Für die Beschwerdeführenden bestehe ferner die Möglichkeit, sich in dieser Hinsicht angesichts der in ihrem Kulturkreis bestehenden Familienstrukturen bei Bedarf an ihre weiteren Verwandten zu wenden. In Berücksichtigung aller dieser Umstände erweise sich der Wegweisungsvollzug in den Kosovo somit als zumutbar. Zusammenfassend würden keine Gründe vorliegen, welche die Rechtskraft der Verfügung vom 8. Januar 2003 beseitigen könnten, weshalb das Wiedererwägungsgesuch abzuweisen sei.

      2. Dem halten die Beschwerdeführenden durch ihren Rechtsvertreter in der Beschwerde im Wesentlichen entgegen, die Einschätzung der Vorinstanz zur Gefährdungssituation im Kosovo im Allgemeinen und zur Situation der Gorani im Speziellen sei zu "optimistisch" ausgefallen. Im Gegenteil seien insbesondere "abtrünnige" Personen - d.h. solche, welche in der jugoslawischen/serbischen Armee gedient hätten - tagtäglich schweren Angriffen ausgesetzt. Die Beschwerdeführenden hätten sich konkreten gegen sie gerichteten Vorkommnissen nur durch rechtzeitige Flucht entziehen können. Zudem würde die Tatsache, dass der Beschwerdeführer ausgebildeter [Berufsgattung] sei, ihm in einem Land wie Kosovo - wo die Menschen dringendere Besorgnisse hätten als sich [Waren] zu kaufen

  • kaum zum Vorteil gereichen. Schliesslich sei es einfacher für die beiden Söhne, ihre Eltern finanziell zu unterstützen, wenn diese sich in der Schweiz aufhalten würden. Die Situation der Gorani sei im Allgemeinen katastrophal bzw. unerträglich; sie würden keine Arbeit finden sowie das Opfer von Anfeindungen sein. Zur Untermauerung dessen verweisen die Beschwerdeführenden zudem in ihrer Beschwerde pauschal auf die in den Beschwerdeverfahrensdossiers der beiden Söhne (E-1842/2007 und E-1843/2007) befindlichen Sachverhaltsdarstellungen und Beweismittel.

    1. Das Bundesverwaltungsgericht kommt nach eingehender Prüfung der Akten zum Schluss, dass die Vorinstanz aus nachfolgenden Gründen in ihrem Entscheid zu bestätigen ist.

      1. Die Verfügung vom 8. Januar 2003 ist mit dem Entscheid der ARK vom 24. Dezember 2004 in Rechtskraft erwachsen. Die Beschwerdeführenden hätten somit wiedererwägungsweise lediglich wegen des angeblich nach diesem Datum stattgefundenen Abrisses des Hauses im Kosovo sowie der geltend gemachten verschlechterten Situation der Gorani seit der Unabhängigkeit des Kosovo im Jahre 2008 von der Vorinstanz gehört werden sollen, denn nur diese Vorbringen stellen nachträglich entstandene Vollzugshindernisse dar. Das Vorbringen, der Beschwerdeführer sei als ehemaliger Angehöriger der "serbischen" Streitkräfte besonders gefährdet, hätten die Beschwerdeführenden hingegen zweifellos bereits während des ordentlichen Verfahren geltend machen können - was sie indessen unterlassen haben -, womit es nicht als "neue Tatsache" - im Sinne des analog beizuziehenden Revisionsgrundes von Art. 66 Abs. 2 Bst. a VwVG - gelten kann, weshalb darauf nicht einzutreten gewesen wäre.

      2. Dessen ungeachtet hat die Vorinstanz indessen in ihrer Verfügung richtigerweise erwogen, dass im Kosovo keine Situation allgemeiner Gewalt herrsche. Das Bundesverwaltungsgericht schliesst sich dieser Einschätzung an, weshalb für die Beschwerdeführenden keine konkrete Gefährdung im Sinne von Art. 83 Abs. 4 AuG festzustellen ist (zur aktuellen Situation vgl. das zur Publikation vorgesehene Urteil D-6827/2010 vom 2. Mai 2011 E. 8.4).

      3. Es bleibt zu prüfen, ob allenfalls die Situation der Beschwerdeführenden im Speziellen auf individuelle Vollzugshindernisse schliessen lässt.

        Die Beschwerdeführenden gehören der Minderheit der slawischen Muslime und innerhalb dieser der Untergruppe der Gorani an. Was die allgemeine Lage der slawischen Muslime betrifft, so wurde ihnen im Vergleich zu den Angehörigen der Ethnien der Roma, Ashkali und "Ägypter" und den Kosovo-Serben schon immer eine höhere Toleranz entgegengebracht. In Bezug auf die albanischsprachigen Roma, Ashkali und "Ägypter" wurde in EMARK 2006 Nr. 10 festgehalten, ein Vollzug der Wegweisung in den Kosovo sei unter bestimmten Voraussetzungen grundsätzlich zumutbar. Im Zusammenhang mit der Beurteilung der Vollziehbarkeit einer Wegweisung äusserte sich die ARK in EMARK 2002 Nr. 22 zur Situation der slawischen Muslime (Bosniaken, Gorani und Torbesh) im Kosovo. Die dort vorgenommene Einschätzung, nämlich dass ein Vollzug der Wegweisung der Angehörigen dieser Ethnien in die Bezirke Dragash, Prizren, Gjakove oder Pej zumutbar sei, wenn diese Personen ihren letzten Wohnsitz in einem dieser Bezirke hatten, wird vom Bundesverwaltungsgericht auch heute noch als richtig angesehen. Darüber hinaus ist im Übrigen aufgrund der verbesserten Lage davon auszugehen, dass im heutigen Zeitpunkt ein Vollzug der Wegweisung für slawische Muslime in den gesamten Kosovo (ausgenommen den Bezirk Mitrovica) zumutbar ist, sofern bestimmte Kriterien - wie berufliche Ausbildung, Bestehen eines sozialen Netzes, Strukturhilfe, Gefährdung aufgrund mit den Serben geleisteten Militärdienstes - individuell überprüft wurden. Insgesamt ist festzuhalten, dass sich die Lage für die slawischen Muslime gegenüber derjenigen, wie sie dem erwähnten Entscheid zu Grunde lag, noch verbessert hat und sich insbesondere im Vergleich zur Lage anderer Minderheiten im Kosovo als noch sicherer erweist (vgl. BVGE D-6827/2010 vom 2. Mai 2011 E. 8.6, mit weiteren Hinweisen). Weiter ist zu bemerken, dass die sozioökonomische Situation der Gorani nach wie vor relativ gut ist; insbesondere im Fastfoodund Süsswarengeschäft tätige Familienunternehmen stellen hierbei die hauptsächliche Einkommensquelle der Gorani dar (Organization for Security and Cooperation in Europe [OSCE], Kosovo Communities Profiles: Gorani, 2010, S. 4, http://www.osce.org/kosovo/75450, besucht am 24.2.2012). Die Beschwerdeführenden stammen aus der Gemeinde D. respektive der zu ihr gehörenden Ortschaft C. . Laut dem Gericht zur Verfügung stehenden Informationen ist die Gemeinde D. bekannt für ihre ethnische Vielfalt und bestehende relative Toleranz der einzelnen Ethnien untereinander (OSCE, Municipal Profiles: Profile of D. , September 2009, http://www.osce.org/kosovo/13114, besucht am 24.2.2012).

        Vor diesem beschriebenen Hintergrund kommt das Gericht zum Schluss, dass die vorinstanzlichen Erwägungen zu den individuellen Gründen der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs vollumfänglich zu bestätigen sind, umso mehr, weil die Beschwerdeschrift keine substantiierten Entgegnungen enthält. Dem pauschalen Hinweis auf die in den Beschwerdedossiers der beiden Söhne befindlichen Beweismittel kommt insofern keine Relevanz zu, als dass es aufgrund der Mitwirkungspflicht gemäss Art. 8 Abs. 1 Bst. d AsylG den Beschwerdeführenden obliegt, allfällige Beweismittel zu bezeichnen, unverzüglich einzureichen oder, soweit dies zumutbar erscheint, sich darum zu bemühen, sie innerhalb einer angemessenen Frist zu beschaffen. So erweist sich zudem unter anderem auch das Argument der mangelnden wirtschaftlichen Relevanz der [Berufsgattung]-Ausbildung des Beschwerdeführers angesichts des Vorgesagten als nicht stichhaltig. Der Einwand, die in der Schweiz ansässigen Söhne könnten die Beschwerdeführenden finanziell besser unterstützen, wenn diese in der Schweiz wohnhaft sind, erweist sich unter dem Gesichtspunkt der Beurteilung der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs in den Kosovo als irrelevant. Dasselbe gilt auch für die geltend gemachte Zerstörung des Hauses im Kosovo, denn, selbst wenn man annehmen würde, dass die Beschwerdeführenden tatsächlich über keine eigene Unterkunft mehr im Kosovo verfügen würden, ist es für die Mehrheit der Rückkehrer möglich, zwischenzeitlich bei Familienangehörigen oder Bekannten unterzukommen (vgl. FIORENZA KUTHAN, Schweizerische Flüchtlingshilfe [SFH], Kosovo: le rapatriement des minorités roms, ashkalies, égyptiennes, Bern 1. März 2012, S. 14), und einem Wiederaufbau des Hauses würde ferner nichts im Wege stehen, da die Erwerbsaussichten des Beschwerdeführers intakt sind, die Söhne sie finanziell dabei unterstützen und die Beschwerdeführenden allenfalls eine entsprechende Rückkehrhilfe beantragen könnten (vgl. Art. 62 ff. der Asylverordnung 2 vom 11. August 1999 über Finanzierungsfragen [AsylV2, SR 142.312]). Eine Rückkehr in ihre Herkunftsregion ist den Beschwerdeführenden somit grundsätzlich zuzumuten. Selbst wenn gewisse Schikanen seitens Angehöriger der albanischen Ethnie nicht völlig ausgeschlossen werden können, so reicht dies nicht, um den Vollzug als unzumutbar zu qualifizieren.

    2. Folglich liegen keine Gründe vor, die den Wegweisungsvollzug als unzumutbar erscheinen lassen. Nach dem Gesagten fällt eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 AuG).

6.

Somit ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig und vollständig feststellt und angemessen ist (Art. 106 AsylG). Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen und die Verfügung der Vorinstanz zu bestätigen.

7.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten den Beschwerdeführenden aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG) und auf insgesamt Fr. 1200.- festzusetzen (Art. 1 - 3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Dieser Betrag ist mit dem am

20. August 2008 geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 600.- zu verrechnen, womit noch Fr. 600.- zu zahlen bleiben.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Verfahrenskosten von Fr. 1'200.- werden den Beschwerdeführenden auferlegt. Dieser Betrag ist mit dem bereits geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 600.- zu verrechnen, womit Fr. 600.- innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zu Gunsten der Gerichtskasse zu überweisen sind.

3.

Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführenden, das BFM und die zuständige kantonale Behörde.

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Muriel Beck Kadima Tu-Binh Truong

Versand:

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