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Urteil andere Verwaltungsbehörden (LU)

Kopfdaten
Kanton:LU
Fallnummer:MPUD 1999 1
Instanz:andere Verwaltungsbehörden
Abteilung:Militär-, Polizei- und Umweltschutzdepartement
andere Verwaltungsbehörden Entscheid MPUD 1999 1 vom 01.06.1999 (LU)
Datum:01.06.1999
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Familiennachzug. Erforderliche finanzielle Mittel. Artikel 39 Absatz 1a und c BVO Die Berechnung der erforderlichen finanziellen Mittel für den Unterhalt der Familie erfolgt nach den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS). Ein Nebenerwerb wird in der Regel erst als gefestigt angesehen und bei der Berechnung der verfügbaren finanziellen Mittel berücksichtigt, wenn er ein Jahr gedauert hat. Trinkgeldeinnahmen werden grundsätzlich nur dann berücksichtigt, wenn sie ordnungsgemäss quellenversteuert werden.

Schlagwörter: Richtlinien; Beschwerdeführer; Finanzielle; Familie; SKOS-Richtlinien; Sozialhilfe; Genügend; Praxis; Nebenerwerb; Vorinstanz; Unterhalt; Einkommen; Kinder; Trinkgelder; Praxisänderung; Gefestigt; Person; Berechnung; Ausländische; Geltend; Ausländer; Wird; Arbeitgeberin; SKöF; Behörde; Konferenz
Rechtsnorm: Art. 4 BV ;
Referenz BGE:103 Ib 201; 108 Ia 125;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
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Entscheid
1. Nach Artikel 38 Absatz 1 und Artikel 39 der Verordnung über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (BVO) vom 6. Oktober 1986 kann die kantonale Fremdenpolizeibehörde einem Ausländer den Nachzug seiner Ehefrau und der ledigen Kinder unter 18 Jahren, für die er zu sorgen hat, bewilligen, wenn

a. sein Aufenthalt und gegebenenfalls seine Erwerbstätigkeit gefestigt erscheinen;

b. die Familie zusammenwohnen wird und eine angemessene Wohnung hat;

c. der Ausländer genügend finanzielle Mittel für den Unterhalt seiner Familie hat; und

d. die Betreuung der Kinder, die noch der elterlichen Obhut bedürfen, gesichert ist.

2. Die Vorinstanz stellte in der angefochtenen Verfügung fest, der Beschwerdeführer habe nicht genügend finanzielle Mittel für den Unterhalt für sich und seine Familie. Der Beschwerdeführer bestreitet dies und macht geltend, die Vorinstanz habe sowohl seine Lebenshaltungskosten als auch sein massgebendes Nettoeinkommen falsch berechnet.

2.1 Die luzernischen Behörden halten sich bei der Beurteilung der Frage, ob genügend finanzielle Mittel vorhanden sind, seit 1. September 1998 an die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS). Zuvor wurden die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für öffentliche Fürsorge (SKöF) angewendet. In der Vernehmlassung spricht die Vorinstanz irrtümlicherweise von einer Praxisänderung per 1. August 1998.

2.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, es dürfe nicht auf die SKOS-Richtlinien abgestellt werden.

Artikel 39 Absatz 1 BVO verlangt, dass die ausländische Person über genügend finanzielle Mittel für den Unterhalt für sich und ihre Familie verfügt. Diese Voraussetzung bezweckt, dass die um Familiennachzug ersuchende Person und ihre Familienangehörigen dem Sozialstaat nicht zur Last fallen. Wer das erforderliche Einkommen nach den SKOS-Richtlinien nicht erreicht, kann grundsätzlich Sozialhilfe in Anspruch nehmen. Es ist daher sinnvoll und zweckmässig, bei der Prüfung, ob genügend finanzielle Mittel im Sinn von Artikel 39 Absatz 1 BVO vorhanden sind, auf die für die Sozialhilfe jetzt massgebenden SKOS-Richtlinien abzustellen. Es kann im Übrigen festgehalten werden, dass die Behörde das erforderliche Einkommen auch ohne weiteres über diesen Werten festlegen könnte, da sie nach freiem Ermessen entscheidet. Die Anwendung der SKOS-Richtlinien verletzt entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers keine gesetzlichen Vorschriften. Sie ermöglicht vielmehr, eine massgebliche finanzielle Beurteilung der Betroffenen vorzunehmen und stellt eine rechtsgleiche Behandlung sicher.

2.3 Durch die Praxisänderung vom 1. September 1998 ergaben sich bei der Berechnung der Lebenshaltungskosten höhere Zahlen als vor diesem Datum. Der Beschwerdeführer sieht darin eine Verletzung der Rechtsgleichheit (Art. 4 BV).

Lehre und Rechtsprechung verlangen von einer Praxisänderung, dass sie sich auf ernsthafte, sachliche Gründe stützt und das Interesse an der richtigen Rechtsanwendung gegenüber demjenigen an der Rechtssicherheit überwiegt (BGE 108 Ia 125, 100 Ib 71). Ferner muss eine Praxisänderung immer grundsätzlich erfolgen (BGE 103 Ib 201 f.).

Die Umstellung von den SKöF- auf die SKOS-Richtlinien erfolgte im Fremdenpolizeibereich, weil seit der Änderung des Sozialhilfegesetzes vom 23. März 1998, die am 1. Juli 1998 in Kraft trat, für die Sozialhilfe neu die SKOS-Richtlinien wegleitend sind. Da einer Sozialhilfebedürftigkeit vorgebeugt werden soll, ist die Anwendung identischer Berechnungsgrundlagen wie im Sozialhilfebereich vorausgesetzt. Die Umstellung von den SKöF- auf die SKOS-Richtlinien durch die Vorinstanz war daher angezeigt und rechtmässig.

2.4 Das erforderliche Mindesteinkommen des Beschwerdeführers für den Unterhalt für sich, seine Ehefrau und seine drei Kinder berechnet sich nach den SKOS-Richtlinien wie folgt:

Grundbedarf 1 Fr. 2 845.-

Grundbedarf 2 Fr. 170.-

Wohnungsmiete Fr. 600.-

Krankenkasse Fr. 480.-

Allgemeine Erwerbsunkosten (100%-Pensum) Fr. 250.-

Total Fr. 4 345.-



2.5 Der Beschwerdeführer verdient gemäss Arbeitsvertrag vom 14. September 1998 brutto Fr. 3750.- im Monat. Dies ergibt inklusive 13. Monatslohn und Kinderzulagen monatlich netto Fr. 3989.-.

2.6 Der Beschwerdeführer behauptet, als Portier Trinkgeldeinnahmen von mindestens Fr. 300.- im Monat zu erzielen. Diese Aussage wird von seiner Arbeitgeberin schriftlich bestätigt. Die Vorinstanz bestreitet nicht, dass Trinkgeldeinnahmen erzielt werden. Sie macht jedoch geltend, diese könnten nicht ausgewiesen werden und unterlägen grossen Schwankungen. Unversteuerte Einkommen könnten nicht berücksichtigt werden.

Nach den Weisungen der kantonalen Steuerverwaltung für die Besteuerung ausländischer erwerbstätiger Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen vom 1. Januar 1999 gehören Trinkgelder zum steuerbaren Bruttoeinkommen. Dies ist insbesondere bei Angestellten im Hotelund Gastsowie im Coiffeurund Taxigewerbe zu beachten (Ziff. 4.14 dieser Weisungen).

Aus den eingereichten Lohnabrechnungen geht hervor, dass für Trinkgelder keine Quellensteuer entrichtet wurde. Angesichts des Umstands, dass es praktisch unmöglich ist zu eruieren, ob überhaupt Trinkgelder fliessen und erst recht, wie hoch diese in Wirklichkeit sind, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass keine Trinkgelder erzielt werden, wenn sie nicht ordnungsgemäss mit der Quellensteuer abgerechnet werden. Eine Bestätigung der Arbeitgeberin, welche diese im Widerspruch zu ihren Angaben im Steuerverfahren abgibt, vermag das Gegenteil jedenfalls nicht zu beweisen.

2.7 Der Beschwerdeführer hat die Gelegenheit, neben seiner Haupttätigkeit im Hotel als Reinigungsangestellter für ein Bistro tätig zu sein.

Eine Erwerbstätigkeit wird bei der Berechnung der finanziellen Mittel im Sinne von Artikel 39 BVO nur berücksichtigt, wenn sie als gefestigt angesehen werden kann. Diese Praxis soll sicherstellen, dass die ausländische Person in Zukunft genügend finanzielle Mittel für den Unterhalt für sich und ihre Familie hat. Dieses Ziel wird nur dann erreicht, wenn die finanziellen Mittel, die zum Zeitpunkt des Gesuchs ausgewiesen werden, auch in Zukunft vorhanden sind. Eine Haupterwerbstätigkeit wird praxisgemäss in der Regel dann als gefestigt angesehen, wenn sie mindestens ein Jahr gedauert hat. Es ist angezeigt, diese Praxis auch auf Nebenerwerbe anzuwenden. Es kommt hinzu, dass ein Nebenerwerb häufig nur vorübergehend und in der Absicht aufgenommen wird, das erforderliche Einkommen im Zeitpunkt des Gesuchs auszuweisen, den Nebenerwerb aber baldmöglichst wieder aufzugeben. Damit wird das grundsätzliche Erfordernis umgangen, wonach die um Familiennachzug ersuchende Person allein über das gefestigte erforderliche Einkommen verfügen muss, was im Resultat zu Rechtsungleichheiten führt. Dass der Beschwerdeführer von seiner Arbeitgeberin als sehr freundlicher und loyaler Mitarbeiter eingestuft wird, mag ein Indiz dafür sein, dass er dem Nebenerwerb über die erforderliche Zeitdauer nachgehen wird, rechtfertigt es aber nicht, den am 6. April 1999 bewilligten Nebenerwerb zu berücksichtigen, bevor er ein Jahr gedauert hat.

Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen
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