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Urteil Appellationsgericht (BS)

Kopfdaten
Kanton:BS
Fallnummer:AUS.2021.27 (AG.2021.504)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid AUS.2021.27 (AG.2021.504) vom 14.09.2021 (BS)
Datum:14.09.2021
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Ausgrenzung
Schlagwörter: Beschwerde; Beschwerdeführer; Ausgrenzung; Basel-Stadt; Kanton; Kantons; August; Migration; Worden; Gebiet; Erklärt; Migrationsamt; Seiner; öffentliche; Diebstahls; Sicherheit; Werden; Rechtliche; Strafbefehl; Ausländer; Ordnung; Mehrfach; Ausgrenzungsverfügung; Freundin; Verurteilt; Massnahme; Schuldig; Einzelrichter; Beziehung; Worden
Rechtsnorm: Art. 74 AIG ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

als Verwaltungsgericht

Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im
Ausländerrecht


AUS.2021.27


URTEIL


vom 14. September 2021




Beteiligte


Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt,

Spiegelgasse 12, Postfach, 4001 Basel


gegen


A____, geb. [...],

[...]

vertreten durch [...]


Gegenstand


Verfügung des Migrationsamtes vom 2. August 2021


betreffend Ausgrenzung


Sachverhalt


Mit Verfügung des Migrationsamts vom 2. August 2021 wurde gegen A____ eine auf zwölf Monate befristete Ausgrenzung für das ganze Gebiet des Kantons Basel-Stadt angeordnet. Hiergegen hat A____ mit Eingabe vom 11. August 2021 Beschwerde erhoben. Er ersucht um Aufhebung der angeordneten Ausgrenzung, unter o/e- Kostenfolge, wobei ihm die unentgeltliche Rechtsvertretung zu gewähren sei. In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat er um Erteilung der aufschiebenden Wirkung für die Dauer des Beschwerdeverfahrens ersucht. Dieser Antrag ist mit Instruktionsverfügung vom 13. August 2021 abgewiesen worden. Der Antrag auf Gewährung der unentgeltlichen Rechtsvertretung ist gutgeheissen worden.


Mit Stellungnahme vom 16. August 2021 hat das Migrationsamt die Abweisung der Beschwerde beantragt.


Mit Replik vom 8. September 2021 hat der Beschwerdeführer an seinen Rechtsbegehren festgehalten.


Der vorliegende Entscheid ist aufgrund der Akten (einschliesslich der vom Migrationsamt eingereichten Vorakten) ergangen. Die Einzelheiten der Parteistandpunkte ergeben sich - soweit sie für den Entscheid von Bedeutung sind - aus den nachfolgenden Erwägungen.



Erwägungen


1.

Gegen Ausgrenzungsverfügungen kann innert zehn Tagen Beschwerde geführt werden (Art. 74 Abs. 3 lit. a Ausländer- und Integrationsgesetz [AIG, SR 142.20] i.V.m. §12 Abs.1 Gesetz über den Vollzug der Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht [SG 122.300]). Zuständig ist ein Einzelrichter oder eine Einzelrichterin am Appellationsgericht als Verwaltungsgericht (§ 93 Abs. 1 Ziff. 2 Gerichtsorganisationsgesetz [GOG, SG154.100]). Auf die frist- und formgerecht eingereicht Beschwerde ist einzutreten.


2.

2.1 In der angefochtenen Verfügung wird die Ausgrenzung zusammengefasst damit begründet, dass der weder über eine Aufenthalts- noch Niederlassungsbewilligung verfügende Beschwerdeführer durch sein Verhalten die öffentliche Sicherheit und Ordnung störe und gefährde. Der Beschwerdeführer sei mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt vom 2. August 2021 des Diebstahls und der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig erklärt und zu einer Freiheitstrafe von 150 Tagen sowie zu einer Busse von CHF 500.- verurteilt worden. Sodann sei der Beschwerdeführer mehrfach, teilweise einschlägig vorbestraft und verfüge gemäss der Begründung im genannten Strafbefehl über eine schlechte Legalprognose, weshalb die Strafe unbedingt ausgesprochen worden sei.


Demgegenüber lässt der Beschwerdeführer zusammengefasst geltend machen, er habe gegen den Strafbefehl vom 2. August 2021 Einsprache erhoben und bestreite den ihm vorgeworfenen Diebstahl. Die Ausgrenzungsverfügung verletze daher die Unschuldsvermutung und sei zudem nicht verhältnismässig, zumal die Ausgrenzung ihm den Aufenthalt bei seiner in Basel lebenden Freundin verunmögliche.


In seiner Stellungnahme vom 16. August 2021 führt das Migrationsamt zusammengefasst aus, entgegen den Ausführungen des als abgewiesener Asylbewerber über keine Kuraufenthalts- Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung verfügenden Beschwerdeführers bemesse sich die zur Diskussion stehende Ausgrenzungsverfügung nicht nach den strafprozessualen Grundsätzen und es genüge zu deren Erlass, der hinreichend begründete Verdacht der Begehung strafbarer Handlungen, ohne dass eine entsprechende Straftat nachgewiesen sein müsse. Der Beschwerdeführer sei ausserdem einschlägig vorbestraft. Das Ziel der angefochtenen Verfügung bestehe darin, den Beschwerdeführer daran zu hindern, im Kanton Basel-Stadt weitere Delikte zu begehen, wie dies in der Vergangenheit mehrfach vorgekommen sei. Dem Beschwerdeführer sei vor der Anordnung der Ausgrenzung zudem das rechtliche Gehör gewährt worden. Er habe dazu erklärt, in Basel-Stadt eine Freundin zu haben und temporär zu arbeiten. Die Nachfrage, ob er aktuell einer Arbeit nachgehe, habe er verneint. Dem Beschwerdeführer sei erklärt worden, dass er bei Vorliegen eines Arbeitsvertrags die Sistierung der Ausgrenzungsverfügung beantragen könne. Sodann sei dem Beschwerdeführer zuzumuten seine Beziehung ausserhalb des Kantons Basel-Stadt zu pflegen.


Mit Replik vom 8. September 2021 macht der Beschwerdeführer nochmals geltend, die Ausgrenzung aus dem Gebiet des Kantons Basel-Stadt erschwere ihm den Kontakt zu seiner in der Stadt lebenden Freundin in einem unverhältnismässigen Ausmass. Er sei in seiner schwierigen Situation auf den Kontakt und die Unterstützung durch die Freundin angewiesen.

2.2 Die zuständige kantonale Behörde kann einer Person, die keine Kurzaufenthalts-, Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung besitzt, die Auflage machen, ein bestimmtes Gebiet nicht zu betreten, wenn diese die öffentliche Sicherheit und Ordnung stört oder gefährdet, wobei die Massnahme auch von der Behörde des Kantons angeordnet werden kann, der Gründe hat, die ausländische Person von seinem Gebiet (oder Teilen davon) fernzuhalten (Art. 74 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 74 Abs. 2 Satz 3 AIG). Die Bestimmung dient insbesondere der Bekämpfung des widerrechtlichen Betäubungsmittelhandels. Da sie im Sinne einer Generalklausel offen formuliert ist, können aber auch andere Verstösse gegen Sicherheit und Ordnung zu einer Ausgrenzung führen. Namentlich ist die Ausgrenzung aus einer Stadt zulässig, in welcher der Ausländer delinquiert hat. Dabei darf in Rechnung gestellt werden, dass die Gefahr der Delinquenz in der Anonymität der Städte höher ist als anderswo (BGE142 II 1 E. 4.4 S. 7 f.; BGer 2C_383/2015 vom 22. November 2015 E. 2.2). Es genügt die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, eine eigentliche Störung, wie etwa die Begehung einer Straftat, muss nicht nachgewiesen sein. Allerdings müssen konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen (vgl. dazu BGer 2C_437/2009 vom 27. Oktober 2009 E. 2.1, 2A.268/2005 vom 3. August 2005 E. 2.1; Zünd, in: Spescha/Zünd/Bolzli/Hruschka/deWeck, Kommentar Migrationsrecht, 5. Auflage 2019, Art. 74 AIG N 3; Göksu, in: Caroni/Gächter/Thurnherr [Hrsg.], Handkommentar AuG, Bern 2010, Art. 74 N 15). Die Massnahme hat dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu entsprechen, muss mithin geeignet sein, das verfolgte Ziel zu erreichen und darf nicht über das Erforderliche hinausgehen.


2.2 Dass der Beschwerdeführer als abgewiesener Asylbewerber bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen mit einer Ausgrenzung aus einem bestimmten Gebiet belegt werden kann, ist unbestritten. Der Beschwerdeführer wurde gemäss Strafregisterauszug von der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt am 18. Mai 2020 des Vergehens gegen das Waffengesetz, der mehrfachen Übertretung nach Art. 19a Betäubungsmittelgesetz (BetmG, SR. 812.121), der mehrfachen Beschimpfung und der mehrfachen Drohung (gegen den hetero- oder homosexuellen Lebenspartner) schuldig erklärt und zu einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 75 Tagessätzen zu CHF30.- sowie zur Zahlung einer Busse von CHF 700.- verurteilt. Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt vom 21. September 2020 wurde er des Diebstahls, des versuchten Diebstahls und des geringfügigen Diebstahls für schuldig erklärt und zu einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu CHF 30.- und zu einer Busse von CHF 150.- verurteilt. Mit Strafbefehl vom 5. März 2021 wurde er wiederum des Diebstahls schuldig erklärt und zu einer Freiheitsstrafe von 45 Tagen verurteilt. Ausserdem wurden die beiden bedingt ausgesprochenen Vorstrafen als vollziehbar erklärt. Am 29. Juni 2021 wurde der Beschwerdeführer des Hausfriedensbruchs sowie der Begehung eines geringfügigen Diebstahls schuldig erklärt und zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu CHF 30.- verurteilt. Wie bereits dargelegt, erfolgte eine weitere Verurteilung mit Strafbefehl vom 2. August 2021. Damit ist erstellt, dass der Beschwerdeführer seit über einem Jahr die öffentliche Ordnung und Sicherheit in der Stadt Basel empfindlich stört und sich von den gegen ihn ausgesprochenen strafrechtlichen Sanktionen nicht beeindrucken lässt. Auch wenn die einzelnen Delikte für sich allein genommen möglicherweise die für eine einjährige Ausgrenzung notwendige Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht genügend zu begründen vermöchten, tun sie das in ihrer Gesamtsumme und mit Blick auf die hohe Frequenz (5 Strafverfahren innerhalb von 15 Monaten) in jedem Fall. Die Regelmässigkeit der Delinquenz lässt denn auch die Prognose zu, dass ähnlich gelagerte Delinquenz in Zukunft zu erwarten ist. An dieser Feststellung vermag das Bestreiten eines Diebstahls nichts zu ändern, zumal die übrige Delinquenz unbestritten ist und ohnehin bereits genügend konkrete Hinweise für delinquentes Verhalten bereits ausreichen würden. Damit besteht ein öffentliches Interesse an der Fernhaltung des Beschwerdeführers von dem Gebiet des Kantons, schliesslich haben die strafrechtlichen Sanktionen allein keine Verhaltensänderung bewirken können.

2.3 Soweit der Beschwerdeführer die Unverhältnismässigkeit der Ausgrenzung wegen seiner in Basel lebenden Freundin rügt, ist festzustellen, dass er das Bestehen einer partnerschaftlichen Beziehung zu einer Frau in Basel einzig behauptet und in keiner Art und Weise belegt. Noch nicht einmal den Namen und die Wohnadresse seiner angeblichen Partnerin hat er Preis gegeben, obwohl er mit Instruktionsverfügung vom 13. August 2021 bereits darauf hingewiesen worden ist, dass seine diesbezüglichen Angaben nicht genügen können. Mithin gelingt es ihm nicht, zumindest glaubhaft zu machen, dass eine solche Beziehung überhaupt existiert. Ohnehin ist allerdings festzuhalten, dass dem Beschwerdeführer die Weiterführung der Beziehung ausserhalb des Kantons Basel-Stadt als Konsequenz seines deliktischen Verhaltens zuzumuten ist und das öffentliche Interesse an seiner temporären Fernhaltung aus dem Gebiet des Kantons Basel-Stadt vorgeht.


2.4 Die angeordnete Ausgrenzung ist zudem zweifelslos geeignet, weitere Delikte auf dem Gebiet des Kantons Basel-Stadt zukünftig zu verhindern. Auch ist keine Massnahme ersichtlich, die dieses Ziel ebenso wirkungsvoll erreichen kann. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer keine privaten Interessen (wie etwa der Besuch einer Sprachschule oder eine Arbeitstätigkeit), die seine Anwesenheit im Kantonsgebiet zwingend notwendig machen würden, geltend gemacht bzw. nachgewiesen. Ferner wurde die Massnahme auf ein Jahr befristet und erweist sich damit auch in zeitlicher Hinsicht als verhältnismässig (vgl. VGE AUS.2017.66 vom 17. August 2017 E. 2.3) Auch dass die Massnahme für das ganze Kantonsgebiet verfügt worden ist, ändert an der Verhältnismässigkeit der Ausgrenzungsverfügung nichts, zumal das Gebiet des Kantons Basel-Stadt nicht besonders gross ist und der verbleibende Bewegungsraum des im Kanton Solothurn wohnhaften Beschwerdeführers nicht so eng gezogen wird, dass frei gewählte soziale Kontakte zu stark eingeschränkt wären.

3.

Die Beschwerde ist nach dem Gesagten unbegründet und daher abzuweisen. Das Beschwerdeverfahren ist kostenlos (§ 4 Gesetz über den Vollzug der Zwangsmassnahmen im AIG). Dem Beschwerdeführer ist unentgeltliche Rechtsvertretung gewährt worden, wobei die Entschädigung des Rechtsvertreters in das freie Ermessen des Gerichts gestellt worden ist. Der Beschwerdeführer hat zwei kurze Eingaben einreichen lassen und es hat eine Besprechung mit seinem Rechtsvertreter stattgefunden. Zu entschädigen ist damit ein Anwaltsaufwand von 3 Stunden, inklusive der Auslagen und zuzüglich der Mehrwertsteuer.


Demgemäss erkennt die Einzelrichterin:



://: Die Beschwerde wird abgewiesen.

Es werden keine Kosten erhoben.


Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, [...], wird ein Honorar von CHF 600.-, inklusive Auslagen und zuzüglich 7.7 % MWST von CHF 46.20, aus der Gerichtskasse bezahlt.


Mitteilung an:

- Beschwerdeführer

- Migrationsamt

- Migrationsamt Solothurn

- Staatssekretariat für Migration



VERWALTUNGSGERICHT BASEL-STADT


Die Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht

lic. iur. Barbara Grange




Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 82 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben werden. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Diese ist mit einem Antrag und einer Begründung zu versehen. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.


Der inhaftierte Ausländer kann einen Monat nach der Haftüberprüfung ein Haftentlassungsgesuch einreichen beim Verwaltungsgericht Basel-Stadt, Bäumleingasse 1, 4051 Basel.



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