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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils LF210082: Obergericht des Kantons Zürich

Die kantonale Staatsanwaltschaft hat Berufung gegen das Urteil des Strafgerichts Schwyz vom 21. August 2017 eingelegt, das sexuelle Handlungen mit Kindern betrifft. Nachdem die Staatsanwaltschaft auf die Einreichung einer Berufungserklärung verzichtet hat, wird die Berufung als erledigt abgeschrieben. Die zweitinstanzlichen Gerichtskosten von Fr. 300.00 gehen zu Lasten des Staates. Gegen diesen Entscheid kann beim Bundesgericht in Lausanne Beschwerde eingelegt werden. Die Kantonsgerichtsvizepräsidentin, lic. iur. Daniela Pérez-Steiner, hat die Verfügung am 9. Januar 2018 versandt.

Urteilsdetails des Kantongerichts LF210082

Kanton:ZH
Fallnummer:LF210082
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid LF210082 vom 29.06.2022 (ZH)
Datum:29.06.2022
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Vorsorgliche Massnahmen
Schlagwörter : Berufung; Berufungsklägerin; Berufungsbeklagte; Vorinstanz; Interesse; Beweis; Gesuch; Gutachten; Entscheid; Prozessvoraussetzung; Recht; Gutachter; Beweisführung; Facharzt; Akten; Gericht; Berufungsbeklagten; Verfügung; Stellung; Streitwert; Bundesgericht; Verfahren; Bülach; Stellungnahme; Frist; Interesses; Parteien; Voraussetzung
Rechtsnorm:Art. 106 ZPO ;Art. 158 ZPO ;Art. 186 ZPO ;Art. 261 ZPO ;Art. 307 StGB ;Art. 308 ZPO ;Art. 310 ZPO ;Art. 311 ZPO ;Art. 314 ZPO ;Art. 317 ZPO ;Art. 55 ZPO ;Art. 60 ZPO ;Art. 8 ZGB ;Art. 93 BGG ;
Referenz BGE:140 III 12; 140 III 30;
Kommentar:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts LF210082

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: LF210082-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichterin lic. iur. R. Bantli Keller und Oberrichter Dr. E. Pahud sowie Gerichtsschreiber lic. iur. M. Häfeli

Urteil vom 29. Juni 2022

in Sachen

  1. ,

    Gesuchstellerin und Berufungsklägerin,

    vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X1. , vertreten durch Rechtsanwalt MLaw X2. ,

    gegen

  2. AG,

Gesuchsgegnerin und Berufungsbeklagte,

betreffend

vorsorgliche Massnahmen

Berufung gegen Verfügungen des Einzelgerichtes des Bezirksgerichtes Bülach vom 13. resp. 20. Oktober 2021 (ET210002)

Erwägungen:

1.

    1. Die Gesuchstellerin und Berufungsklägerin (fortan: Berufungsklägerin) erlitt am 29. April 1998 einen Verkehrsunfall. Die Gesuchsgegnerin und Berufungsbeklagte (fortan: Berufungsbeklagte) ist die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers. Die Berufungsklägerin beabsichtigt, eine Teilklage gegen die Berufungsbeklagte zu erheben, um Schadenersatz wegen physischer und psychischer Unfallfolgen erhältlich zu machen.

    2. Die Berufungsklägerin reichte mit Eingabe vom 13. März 2021 (act. 1) ein Gesuch um vorsorgliche Beweisführung beim Einzelgericht des Bezirksgerichts Bülach (nachfolgend: Vorinstanz) mit folgenden Begehren ein:

      1 Es sei ein Gutachten (Art. 183 ff. ZPO) einzuholen, und zwar ein medizinisches Gutachten.

      1. Als Gutachter seien folgende Ärzte gemeinsam zu bestimmen: Prof. Dr. med. C. , Facharzt für Neurologie, … [Adresse]; Prof. Dr. med. D. , Facharzt für Orthopädie, … [Adresse],

        Prof. Dr. Dr. E. , Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, … [Adresse].

      2. Eventualiter seien andere, geeignete Gutachter gemeinsam zu bestimmen.

      3. Es seien den Gutachtern unter Hinweis auf Art. 307 StGB die im vorliegenden Gesuch unter Rz. 82 vorformulierten Fragen zu stellen.

      4. Die Gutachter seien gestützt auf Art. 186 ZPO zu ermächtigen, eigene Abklärungen vorzunehmen und weitere, mit dem vorliegen- den Gesuch nicht eingereichte Akten bei den Vorbehandlern einzuverlangen.

        5. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zuzüglich MWST zulasten der Gesuchsgegnerin.

    3. Nach Fristansetzung zur Bestimmung des Streitwerts sowie Einholung eines Kostenvorschusses für die Gerichtskosten (vgl. act. 4, act. 6, act. 7 und act. 13)

      beantragte die Berufungsbeklagte mit unaufgeforderter Eingabe vom 14. Juli 2021, es sei auf das Gesuch nicht einzutreten (act. 12). In ihrer Stellungnahme zum Gesuch vom 6. September 2021 (act. 16) erneuerte die Berufungsbeklagte ihren Antrag. Mit Verfügung vom 10. September 2021 setzte die Vorinstanz der Berufungsklägerin Frist, um sich zum Nichteintretensantrag zu äussern und dem Gericht allfällige, bislang nicht vorliegende Gutachten einzureichen (act. 18). Am

      1. Oktober 2021 nahm die Berufungsklägerin zum Nichteintretensantrag Stellung (act. 20). Diese Eingabe wurde der Berufungsbeklagten erst mit der angefochte- nen Verfügung vom 13. Oktober 2021 (act. 21 = act. 26/1 [Aktenexemplar] =

        act. 28), mit welcher die Vorinstanz auf das Gesuch unter Kostenauflage nicht eintrat, zugestellt. Die Vorinstanz berichtigte am 20. Oktober 2021 ihren Entscheid in Bezug auf das belehrte Rechtsmittel (vgl. act. 23 = act. 26/2 [Aktenexemplar]).

    4. Hiergegen erhob die Berufungsklägerin mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2021 (act. 27) rechtzeitig (vgl. act. 22) Berufung mit folgenden Anträgen:

      1. Es sei der Entscheid des Bezirksgerichts Bülach, Einzelrichter, vom 13. Oktober 2021 (ET210002-C/U) aufzuheben.

      1. Es sei ein Gutachten (Art. 183 ff. ZPO) einzuholen, und zwar ein medizinisches Gutachten.

      2. Als Gutachter seien folgende Ärzte gemeinsam zu bestimmen: Prof. Dr. med. C. , Facharzt für Neurologie, … [Adresse]; Prof. Dr. med. D. , Facharzt für Orthopädie, … [Adresse],

        Prof. Dr. Dr. E. , Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, … [Adresse].

      3. Eventualiter seien andere, geeignete Gutachter gemeinsam zu bestimmen.

      4. Es seien den Gutachtern unter Hinweis auf Art. 307 StGB die in der vorliegenden Berufung unter Rz. 83 (S. 53 f.) vorformulierten Fragen zu stellen.

      5. Die Gutachter seien gestützt auf Art. 186 ZPO zu ermächtigen, eigene Abklärungen vorzunehmen und weitere, mit dem vorliegen- den Gesuch nicht eingereichte Akten bei den Vorbehandlern einzuverlangen.

      6. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

      7. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zuzüglich MWST zulasten der Berufungsbeklagten.

    5. Die vorinstanzlichen Akten wurden von Amtes wegen beigezogen

(act. 1–24). Mit Verfügung vom 15. November 2021 wurde der Berufungsklägerin die Bezahlung eines Kostenvorschusses auferlegt (act. 30). Der Kostenvorschuss wurde innert Frist geleistet (act. 32). Am 6. Mai 2022 wurde der Berufungsbeklagten Frist angesetzt, um die Berufung zu beantworten (act. 33). Die Berufungsantwort ging am 18. Mai 2022 ein (act. 36). Die Sache erweist sich als spruchreif.

2.

    1. Der angefochtene Entscheid stellt einen erstinstanzlichen Endentscheid in einer vermögensrechtlichen Streitigkeit dar. In vermögensrechtlichen Angelegenheiten ist die Berufung nur zulässig, wenn der Streitwert der zuletzt aufrechterhaltenen Rechtsbegehren mindestens Fr. 10'000.– beträgt (Art. 308 Abs. 2 ZPO). Dieser Mindeststreitwert ist hier gegeben (vgl. 1 Rz. 43, act. 26/1 E. 6, vgl. zudem unten E. 7).

    2. Die Berufung ist innert Frist schriftlich, mit Anträgen versehen und begründet einzureichen (Art. 311 Abs. 1 ZPO; Art. 314 ZPO). Es kann die unrichtige Rechtsanwendung sowie die unrichtige Feststellung des Sachverhaltes geltend gemacht werden (Art. 310 ZPO). Die Berufungsbegründung hat sich sachbezogen mit der Begründung des angefochtenen Entscheides auseinanderzusetzen, es ist konkret zu rügen und aufzuzeigen, weshalb und in welchen Belangen der angefochtene Entscheid falsch sein soll und welche Dokumente diese Argumentation stützen. Die gleichen Voraussetzungen gelten im Übrigen grundsätzlich für die Berufungsantwort. Die Berufungsbeklagte hat aufzuzeigen, weshalb den Ausführungen in der Berufung nicht gefolgt werden kann (ZK ZPO-REETZ/THEILER, 3. Aufl., Zürich 2016, Art. 311 N 34 ff. und Art. 312 N 7). Neue Tatsachen und Beweismittel wer- den im Berufungsverfahren nur noch berücksichtigt, wenn sie ohne Verzug vorgebracht werden und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor Vorinstanz vorgebracht werden konnten (Art. 317 Abs. 1 ZPO).

  1. Die Vorinstanz begründete ihren Nichteintretensentscheid mit dem Fehlen eines schutzwürdigen Interesses der Berufungsklägerin an der Einholung eines neuen Gutachtens. Beim schutzwürdigen Interesse (Art. 59 Abs. 1 lit. a ZPO) handle es sich um eine Prozessvoraussetzung, welche das Gericht von Amtes wegen und nach Massgabe des Untersuchungsgrundsatzes zu prüfen habe

    (Art. 60 ZPO). Die Pflicht zur amtswegigen Prüfung der Prozessvoraussetzungen enthebe die Parteien nicht von der Beweislast. Die Berufungsklägerin müsse jene Tatsachen vortragen und belegen, welche die Zulässigkeit ihrer Klage begründen würden. Dazu gehöre auch der Nachweis eines schutzwürdigen Interesses.

    Die Berufungsbeklagte habe vorgebracht, es liege mit dem von der IV-Stelle des Kantons Zürich im August 2015 eingeholten polydisziplinären Gutachten bereits ein Gutachten vor. Die Berufungsklägerin habe demnach kein schutzwürdiges Interesse an einer neuerlichen Begutachtung. Dem habe die Berufungsklägerin zwar in ihrer Stellungnahme zum Nichteintretensantrag entgegen gehalten, das bestehende Gutachten äussere sich nicht zur Unfallkausalität. Ungeachtet einer Bestreitung der Berufungsbeklagten, welcher die letztgenannte Stellungnahme erst mit dem Endentscheid zugestellt werde, habe sich das Gericht unter Geltung von

    Art. 60 ZPO aber vom Vorhandensein der Prozessvoraussetzungen zu überzeugen. Über die Behauptung der Berufungsklägerin, wonach das bestehende Gutachten sich nicht zur Unfallkausalität äussere, könnte daher ohne Weiteres Beweis abgenommen werden, wenn die Berufungsklägerin das besagte IV- Gutachten eingereicht zumindest offerierte hätte. Mangels Einreichung Offerte des Gutachtens liege ein Fall von Beweislosigkeit vor, deren Folgen die Berufungsklägerin zu tragen habe. Es sei infolgedessen davon auszugehen, dass sich das vorbestehende Gutachten auch zur Unfallkausalität äussere. Die Berufungsklägerin habe vor diesem Hintergrund kein schutzwürdiges Interesse an ei- ner neuerlichen Begutachtung, da sie ihre Prozessaussichten anhand dieses Gutachtens hinreichend abschätzen könne. In Ermangelung eines schutzwürdigen Interesses an einer neuerlichen Begutachtung fehle eine Prozessvoraussetzung und es sei auf das Gesuch unter Kostenfolge nicht einzutreten (act. 26 E. 2–4).

  2. Die Berufungsklägerin wirft der Vorinstanz in ihrer Berufung in erster Linie vor, sie habe mit dem angefochtenen Entscheid die Verhandlungsmaxime (Art. 55 Abs. 1 ZPO) und die Regeln zur Beweislastverteilung (Art. 8 ZGB) verletzt. Das in Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO genannte schutzwürdige Interesse stelle eine materielle Voraussetzung für die Anordnung einer vorsorglichen Massnahme dar, deren Fehlen zu einer Gesuchsabweisung führe. Anwendbar sei daher nicht der Untersuchungsgrundsatz, sondern der Verhandlungsgrundsatz, was die Vorinstanz verkannt habe (act. 27 Rz. 13 ff.).

    Die Berufungsbeklagte setzt sich in ihrer Berufungsantwort nur am Rande mit den Beanstandungen der Berufungsklägerin dem vorinstanzlichen Entscheid auseinander. Soweit entscheidrelevant stellt sie eine Verletzung der Verhandlungs- und (recte: oder) Untersuchungsmaxime in Abrede (act. 36 Rz. 1.1).

  3. Aufgeworfen ist die Frage, ob die Vorinstanz zu Recht die von der Praxis zu Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO entwickelten Kriterien auf die Stufe der Prozessvoraussetzungen vorgezogen und dabei den Sachverhalt in Anwendung von Art. 60 ZPO von Amtes wegen ermittelt hat.

Sowohl Art. 59 Abs. 2 lit. a ZPO als auch Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO verwenden den unbestimmten Rechtsbegriff des schutzwürdigen Interesses. Im Schrifttum wird zuweilen darauf hingewiesen, dass dem Begriff in beiden Normen die gleiche Be- deutung zukomme (vgl. KUKO ZPO-BAUMGARTNER, 3. Aufl., Basel 2021, Art. 158 N 9; SCHWEIZER, Vorsorgliche Beweisabnahme nach schweizerischer Zivilprozessordnung und Patentgesetz, ZZZ 21-22/2010 S. 3 ff., 9) bzw. eine Konkretisierung darstelle (SCHUMACHER, Fachhandbuch Zivilprozessrecht, Zürich 2020,

N 8.154). Für die Beantwortung der sich stellenden Frage ist mit dieser dogmatischen Einordnung indessen wenig gewonnen.

Im Wortlaut von Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO ist kein Anhaltspunkt dafür auszumachen, dass mit dem schutzwürdigen Interesse eine Prozessvoraussetzung aufgestellt wird. Der Gesetzgeber hatte die Einführung der vorsorglichen Beweisführung zur Abklärung der Beweis- und Prozessaussichten zur Vermeidung aussichtsloser Prozesse vor Augen, als er den Begriff in Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO

aufnahm (Botschaft ZPO, BBl 2006 7221, 7315). Beabsichtigt ist demnach eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der vorsorglichen Beweisführung, was aber nur erreicht werden kann, wenn mit dem schutzwürdigen Interesse eine inhaltliche Voraussetzung statuiert wird. Dies ist auch systematisch einzig schlüssig, denn als allgemeine Prozessvoraussetzung ist ein schutzwürdiges Interesse ohnehin stets erforderlich, weswegen es keiner Wiederholung in Art. 158 Abs. 1 lit. b. ZPO be- dürfte. Den bisherigen Befund stützt ein Blick in das Massnahmerecht, welches Art. 158 Abs. 2 ZPO auch im Bereich der vorsorglichen Beweisführung für anwendbar erklärt. Dort entspricht es der praktisch einhelligen Überzeugung, dass das schutzwürdige Interesse von der ansprechenden Person als Anspruchsvoraussetzung glaubhaft zu machen ist (vgl. CHK ZPO-SUTTER-SOMM/SEILER, Zürich 2021, Art. 261 N 6 f.; KUKO ZPO-KOFMEL EHRENZELLER, Art. 261 ZPO N 6 f.; BK

ZPO-GÜNGERICH, Bern 2012, Art. 261 N 27; ZK ZPO-HUBER, 3. Aufl., Zürich 2016,

Art. 261 N 18 i.V.m. 25; tendenziell BSK ZPO-SPRECHER, 3. Aufl., Basel 2017, Art. 261 N 16 f.; mit einer abweichenden Konzeption MARGHITOLA, Fachhandbuch Zivilprozessrecht Zürich 2020, N 8.35). Eine Qualifikation als Prozessvoraussetzung wird demgegenüber nur ganz vereinzelt vertreten (vgl. BSK IPRG-DROESE,

4. Aufl., Basel 2021, Art. 10 N 9).

Folglich stellt das schutzwürdige Interesse in Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO eine inhaltliche Voraussetzung für den Anspruch auf vorsorgliche Beweisführung dar. Mit dem schutzwürdigen Interesse als Prozessvoraussetzung in Art. 59 Abs. 2 lit. b ZPO darf es nicht vermengt werden. Bei der Ermittlung des anspruchsbegründen- den Sachverhaltes ist dementsprechend nicht die sog. eingeschränkte Untersuchungsmaxime nach Art. 60 ZPO anwendbar (vgl. hierzu einlässlich BGer, 4A_229/2017 vom 7. Dezember 2017, E. 3.3 ff.), sondern es gilt vielmehr der Verhandlungsgrundsatz (Art. 55 Abs. 1 ZPO). Fehlt das schutzwürdige Interesse im Sinne von Art. 158 Abs. 1 lit. b, so ist das Gesuch – nicht anders als bei Beweismittelanträgen im Hauptsacheverfahren – abzuweisen (vgl. KUKO ZPO- BAUMGARTNER, a.a.O., Art. 158 N 36; ZK ZPO-FELLMANN, 3. Aufl., Zürich 2016,

Art. 158 N 43).

Der Vollständigkeit halber anzumerken bleibt, dass Art. 59 Abs. 2 lit. a ZPO im Rahmen eines Verfahrens betreffend vorsorgliche Beweisführung seine Bedeutung nicht vollständig einbüsst. So kann das schutzwürdige Interesse durchaus auch als Prozessvoraussetzung fehlen, wobei insbesondere an Konstellationen des Rechtsmissbrauchs zu denken ist.

  1. Aus den genannten Gründen ist der Nichteintretensentscheid der Vorinstanz nicht haltbar und aufzuheben.

    Die Vorinstanz hat das Gesuch um vorsorgliche Beweisführung noch nicht in der Sache beurteilt. Es hat daher in Anwendung von Art. 318 Abs. 1 lit. c Ziff. 1 ZPO und in Gutheissung des Eventualantrages der Berufungsklägerin (Berufungsantrag Ziff. 7) eine Rückweisung der Sache zur Durchführung des Verfahrens im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zu erfolgen. Um die Spruchreife herbeizuführen, wird die Vorinstanz zunächst der Berufungsklägerin Gelegenheit zur Vernehmlassung zu den Ausführungen der Berufungsbeklagten in ihrer Stellung- nahme vom 6. September 2021 (act. 16 i.V.m. act. 9) einzuräumen haben.

  2. Die Kosten- und Entschädigungsfolgen für das Berufungsverfahren sind mit dem vorliegenden Entscheid zu regeln. Ausgangsgemäss wird die Berufungsbeklagte vollumfänglich kosten- und entschädigungspflichtig (vgl. Art. 106 Abs. 1 ZPO). Dem stehen die durch das Bundesgericht für das erstinstanzliche Verfahren betreffend vorsorgliche Beweisführung vorgegebenen Grundsätze zur Kostenpflicht nicht entgegen (vgl. BGE 140 III 30 E. 3). Im Rechtsmittelverfahren ist nämlich ohne weiteres eine obsiegende unterliegende Partei auszumachen und es sind keine anderen Gründe dafür ersichtlich, vom Unterliegensprinzip abzuweichen (ausführlich OGer ZH, PF140028 vom 22. August 2014, E. 5).

Für die Streitwertberechnung sind die mutmasslichen Begehren im Hauptprozess massgebend (BGE 140 III 12 E. 3.3). Dabei handelt es sich um die von der Berufungsklägerin beabsichtigte Teilklage über Fr. 30'000.–. Der Standpunkt der Vorinstanz, es sei auf den letztlich verfolgten Gesamtbetrag abzustellen, vermag nicht zu überzeugen (vgl. act. 26/1 E. 6 i.V.m. act. 7), weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass entgegen der geäusserten Absicht der Gesamtschaden eingeklagt wird. Bei einer Teilklage ist nur der eingeklagte Schaden streitwertbildend (vgl. BGer, 4A_43/2008 vom 4. März 2008; ZK ZPO-STEIN-WIGGER, 3. Aufl., Zürich 2016, Art. 91 N 20; DIGGELMANN, DIKE-Komm-ZPO, 2. Aufl., Zürich 2016, Art. 91

N 14).

Somit ist von einem Streitwert von Fr. 30'000.– auszugehen (vgl. act. 1 Rz. 6 und 43 sowie act. 6). In Anwendung von § 12 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 und

Abs. 3 und § 8 Abs. 1 GebV OG ist die zweitinstanzliche Entscheidgebühr auf Fr. 2'000.– festzusetzen. Die Parteientschädigung für das Berufungsverfahren ist in Anwendung von § 2 Abs. 2, § 4 Abs. 1 und 2 und § 13 Abs. 1 AnwGebV auf Fr. 2'700.– (inkl. 7.7 % MwSt.) festzusetzen.

Es wird erkannt:

  1. In teilweiser Gutheissung der Berufung wird die Verfügung des Einzelgerichts des Bezirksgerichts Bülach vom 13. Oktober 2021 aufgehoben und es wird die Sache im Sinne der Erwägungen zur Durchführung des Verfahrens und zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückgewiesen.

  2. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 2'000.– festgesetzt.

  3. Die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens werden aus dem von der Berufungsklägerin geleisteten Vorschuss von Fr. 3'500.– bezogen, sind ihr je- doch von der Berufungsbeklagten zu ersetzen.

  4. Die Berufungsbeklagte wird verpflichtet, der Berufungsklägerin eine Parteientschädigung von Fr. 2'700.– (inkl. 7.7 % MwSt.) zu bezahlen.

  5. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Berufungsklägerin unter Beilage der Doppel von act. 36 und act. 37/1–3, und – unter Beilage der Akten – an die Vorinstanz, je gegen Empfangsschein.

  6. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist

innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG.

Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 30'000.–.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer Der Gerichtsschreiber:

lic. iur. M. Häfeli versandt am:

29. August 2022

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