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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Zusammenfassung des Urteils ZK2-16-44: Kantonsgericht Graubünden

Der Fall dreht sich um einen Immobilienkaufvertrag, bei dem die Verkäuferin sich weigerte, die Eigentumsübertragung im Grundbuch anzumelden. Der Käufer reichte eine Klage auf Rechtsschutz ein, da er seine Verpflichtungen erfüllt hatte. Die Verkäuferin behauptete, sie sei übervorteilt worden und habe den Vertrag angefochten. Das Gericht entschied jedoch, dass keine Übervorteilung oder Täuschung vorlag und wies die Berufung der Verkäuferin ab. Die Gerichtskosten von CHF 3'000 gehen zu Lasten der Verkäuferin, die auch dem Käufer eine Entschädigung von CHF 1'500 zahlen muss.

Urteilsdetails des Kantongerichts ZK2-16-44

Kanton:GR
Fallnummer:ZK2-16-44
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid ZK2-16-44 vom 15.12.2016 (GR)
Datum:15.12.2016
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Rechtsschutz in klaren Fällen
Schlagwörter : Berufung; Recht; Berufungskläger; Berufungsklägerin; Gesuch; Kaufvertrag; Vertrag; Berufungsbeklagte; Entscheid; Grundbuch; Gesuchsteller; Grundstück; Sinne; Tatsachen; Verfahren; Berufungsbeklagten; Übervorteilung; Bezirksgericht; Parteien; Gesuchsgegner; Stellung; Vertrags; Gesuchsgegnerin; Surselva; Fällen
Rechtsnorm:Art. 107 OR ;Art. 145 ZPO ;Art. 21 OR ;Art. 236 ZPO ;Art. 257 ZPO ;Art. 261 ZPO ;Art. 265 ZPO ;Art. 28 OR ;Art. 308 ZPO ;Art. 31 OR ;Art. 317 ZPO ;Art. 344 ZPO ;Art. 91 ZPO ;
Referenz BGE:116 II 434; 123 II 303; 123 III 292; 123 III 303; 128 III 70; 138 III 123; 138 III 620; 141 III 23;
Kommentar:
Hasenböhler, Leuenberger, Schweizer, Kommentar zur Schweizeri- schen Zivilprozessordnung, Art. 91 ZPO, 2016
Thomas Sutter, Sutter-Somm, Hasenböhler, Leuenberger, Schweizer, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Art. 257 ZPO, 2016
Ingeborg Schwenzer, Basler Kommentar Obligationenrecht I, Art. 31 OR, 2015

Entscheid des Kantongerichts ZK2-16-44

Kantonsgericht von Graubünden
Dretgira chantunala dal Grischun
Tribunale cantonale dei Grigioni

Ref.:
Chur, 15. Dezember 2016
Schriftlich mitgeteilt am:
ZK2 16 44
28. Dezember 2016
Urteil
II. Zivilkammer
Vorsitz
Hubert
Richter
Pritzi und Schnyder
Aktuarin
Mosca

In der zivilrechtlichen Berufung
der X.___, Gesuchsgegnerin und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechts-
anwalt lic. iur. Wilfried Caviezel, Kornplatz 2, 7001 Chur,

gegen

den Entscheid des Einzelrichters am Bezirksgericht Surselva vom 11. August
2016, mitgeteilt am 11. August 2016, in Sachen des Y.___, Gesuchsteller und
Berufungsbeklagter, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Josef Brunner, Post-
strasse 3, 7130 Ilanz, gegen die Gesuchsgegnerin und Berufungsklägerin,
betreffend Rechtsschutz in klaren Fällen,
hat sich ergeben:

I. Sachverhalt
A.
Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 16. Juni 2016 kaufte Y.___ von
X.___ eine 5 1/2-Zimmerwohnung (Stockwerkeigentum Nr. ___, 81/1000 Mit-
eigentum an Grundstück Nr. ___) sowie zwei Autoeinstellplätze (Miteigen-
tumsanteil Nr. ___ und ___, je 1/13 Miteigentum an Grundstück Nr. ___) in
der Liegenschaft an der Via ___in O.1___ für einen Kaufpreis von CHF
753'800.00. CHF 712'940.25 waren durch Ablösung der bestehenden Grund-
pfandschuld zu tilgen. Für diese Schuldübernahme musste der Käufer der Verkäu-
ferin sowie der Raiffeinsenbank ___ bis zum 28. Juni 2016 ein unwiderrufliches
Zahlungsversprechen einer Schweizer Bank abgeben. Sodann wurde vereinbart,
dass CHF 22'000.00 durch Verrechnung mit einer offenen Darlehensforderung
inkl. Darlehenszinsen des Käufers gegenüber der Verkäuferin getilgt würden und
CHF 18'859.75 bar anlässlich der öffentlichen Beurkundung an die Verkäufer-
schaft zu bezahlen seien. Obwohl der Käufer seinen Verpflichtungen nachkam
und die B.1___ am 27. Juni 2016 das unwiderrufliche Zahlungsversprechen
unter der Bedingung der Eigentumsübertragung ausstellte, weigerte sich die Ver-
käuferin in der Folge, die Grundbuchanmeldung zur Eigentumsübertragung abzu-
geben.
B.
Am 18. Juli 2016 liess Y.___ beim Einzelrichter am Bezirksgericht Sur-
selva folgendes Gesuch um Rechtsschutz in klaren Fällen nach Art. 257 ZPO so-
wie um vorsorgliche Massnahmen nach Art. 261 Abs. 1 ZPO einreichen:
"1. Die Beklagte sei zu verpflichten, dem Grundbuchkreis Ilanz - Lumnezia
unverzüglich die Anmeldung zur Übertragung folgender Grundstücke
im Grundbuch ___ gemäss Kaufvertrag zwischen den Parteien vom
16.06.2016 auf den Kläger abzugeben:

1. Stockwerkeigentum Nr. ___

81/1000 Miteigentum an Grundstück Nr. ___

Sonderrecht an der 5 ½-Zimmerwohnung (Einheit Nr. 7) mit Keller
und Waschraum auf Niveau 5 sowie Sondernutzungsrecht an der
Terrasse

2. Miteigentumsanteil Nr. ___

1/13 Miteigentum an Grundstück Nr. ___
3. Miteigentumsanteil Nr. ___

1/13 Miteigentum an Grundstück Nr. ___
2. Die Beklagte sei zu verpflichten, die unter Rechtsbegehren Ziff. 1 auf-
geführten Grundstücke innert 10 Tagen seit Rechtskraft des Ent-
scheids vollständig geräumt und einwandfrei gereinigt zu verlassen
und die Schlüssel dem Kläger auszuhändigen.

Seite 2 — 17

3. Für den Fall, dass die Beklagte ihren Verpflichtungen nicht innert 10
Tagen seit Rechtskraft des Entscheids nachkommen sollte, sind im
Sinne von Art. 236 Abs. 3 ZPO folgende Vollstreckungsmassnahmen
anzuordnen:

a) Abgabe der unter Rechtsbegehren Ziff. 1 verlangten Grundbuch-
anmeldung im Sinne von Art. 344 Abs. 2 ZPO.
b) Ermächtigung des Käufers, die Streitobjekte gemäss Rechtsbe-
gehren Ziff. 1 auf Kosten der Beklagten mit polizeilicher Hilfe zu
räumen.

4.
Der Grundbuchkreis ___, sei vorerst superprovisorisch gemäss
Art. 265 ZPO gestützt auf Art. 262 lit. c ZPO im Rahmen einer vor-
sorglichen Massnahme anzuweisen, auf den Grundstücken nach
Rechtsbegehren Ziff. 1 eine Verfügungsbeschränkung im Sinne von
Art. 960 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB vorzumerken.

5. Unter Kostenund Entschädigungsfolge plus 8% MwSt."
C.
Am 20. Juli 2016 liess Y.___ der Vorinstanz ein Schreiben der B.1___
vom 19. Juli 2016 (act. II/5) zukommen, worin diese erklärte, dass sie am 27. Juni
2016 ihr Zahlungsversprechen über den Betrag von CHF 712'940.25 an die Raiffe-
isenbank unter der Bedingung der Eigentumsübertragung abgegeben habe und
dass der Inhaberschuldbrief über CHF 750'000.00 an 1. Pfandstelle rechtzeitig an
die B.1___ übertragen worden sei. Mit Schreiben vom 5. August 2016 an das
Bezirksgerichtspräsidium Surselva überliess Y.___ sodann zwei Kopien eines
neu bis zum 30. September 2016 befristeten unwiderruflichen Zahlungsverspre-
chens der B.1___ vom 26. Juli 2016 (act. II/6).
D.
Mit superprovisorischem Entscheid vom 21. Juli 2016 ordnete der Einzel-
richter am Bezirksgericht Surselva zur Sicherung des von Y.___ geltend ge-
machten Eigentumsanspruchs eine Verfügungsbeschränkung im Sinne von Art.
960 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB über die fraglichen Grundstücke an. Gleichzeitig setzte er
X.___ eine Frist bis zum 8. August 2016 zur Einreichung einer Stellungnahme.
Die Stellungnahme von X.___ datiert vom 6. August 2016. Sinngemäss bean-
tragte sie die Abweisung des Gesuches.
E.
Mit Entscheid vom 11. August 2016, mitgeteilt am 11. August 2016, erkann-
te der Einzelrichter am Bezirksgericht Surselva:
"1. Die Gesuchsgegnerin wird verpflichtet, dem Grundbuchkreis ___ in-
nert 10 Tagen seit Rechtskraft dieses Entscheides die Anmeldung zur
Übertragung der Grundstücke Stockwerkeigentum Nr. ___, Mitei-
gentumsanteil Nr. ___ sowie Miteigentumsanteil Nr. ___, Grund-
buch O.1___, gemäss Kaufvertrag zwischen den Parteien vom 16.
Juni 2016 abzugeben.

Seite 3 — 17

2. Für den Fall, dass die Gesuchsgegnerin der Willenserklärung im Sinne
der Anordnung gemäss Ziff. 1 hiervor nicht fristgemäss nachkommt,
wird der Grundbuchkreis ___ gestützt auf Art. 344 Abs. 2 ZPO an-
gewiesen, den Gesuchsteller als Eigentümer der Grundstücke Stock-
werkeigentum Nr. ___, Miteigentumsanteil Nr. ___ sowie Mitei-
gentumsanteil Nr. ___, im Grundbuch O.1___ einzutragen und
gleichzeitig die Löschung der vorgemerkten Verfügungsbeschränkung
vorzunehmen.



Die Grundbuchgebühren des Grundbuchkreises ___ gehen gemäss
Kaufvertrag vom 16. Juni 2016 zu Lasten des Gesuchstellers.

3. Die Gesuchsgegnerin wird verpflichtet, die 5 ½ Zimmerwohnung (Ein-
heit Nr. 7) mit Keller und Waschraum auf Niveau 5 samt den beiden
Autoeinstellplätzen in der Einstellhalle, alle in der Liegenschaft an der
Via ___, O.1___, innert 10 Tagen seit Rechtskraft dieses Ent-
scheids zu verlassen und dem Gesuchsgegner ordnungsgemäss ge-
räumt und gereinigt mit allen Schüsseln zu übergeben.

4. Dieser Entscheid ergeht unter dem ausdrücklichen Hinweis auf Art.
292 StGB, wonach mit Busse bestraft wird, wer der von einer zustän-
digen Behörde einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die
Strafandrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Fol-
ge leistet (Art. 343 Abs. 1 lit. a ZPO).

5. Nach unbenütztem Ablauf der obigen Frist ist der Gesuchsteller be-
rechtigt, im Sinne einer Ersatzvornahme, die Räumung der Liegen-
schaften zu veranlassen. Er kann dafür polizeiliche Hilfe in Anspruch
nehmen (Art. 343 Abs. 1 lit. d und Abs. 3 ZPO sowie Art. 9 Abs. 1 EG-
zZPO). Dadurch entstehende (Polizei) Kosten würden gleichfalls dem
Gesuchsteller belastet, unter Regresserteilung auf die Gesuchsgegne-
rin.

6.a) Die Gerichtskosten in der Höhe von CHF 2'000.00 (inkl. Entscheid be-
treffend superprovisorische Massnahmen) werden der Gesuchsgegne-
rin auferlegt und mit dem vom Gesuchsteller geleisteten Kostenvor-
schuss verrechnet.

b) Die Gesuchsgegnerin hat dem Gesuchsteller den Kostenvorschuss
von CHF 2'000.00 zu ersetzten und ihm eine ausseramtliche Entschä-
digung von CHF 1'500.00 (inkl. Barauslagen und MwSt) zu bezahlen.

7.a) (Rechtsmittelbelehrung in der Hauptsache)
b) (Rechtsmittelbelehrung Kostenentscheid)
8. Es wird darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Verfahren der Fris-
tenstillstand gemäss Art. 145 ZPO nicht gilt.
9. (Mitteilung)"
F. Gegen diesen Entscheid liess X.___ am 29. August 2016 Berufung an das
Kantonsgericht von Graubünden erklären, mit folgenden Anträgen:
"1. Es sei der angefochtene Entscheid des Einzelrichters am Bezirksge-
richt Surselva vom 11.08.2016, zugestellt am 23.08.2016 (Proz.
Nr.:135-2016-261), als Ganzes zu kassieren (Dispositivziffern 1. - 6.a)
+ 6.b)) und auf das Gesuch des Gesuchstellers und Berufungsbeklag-

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ten vom 18.07.2016 betreffend Rechtsschutz in klaren Fällen sei nicht
einzutreten.

2. Die Kosten des Bezirksgerichts Surselva seien dem Gesuchsteller und
Berufungsbeklagten zu überbinden.
3. Unter voller Kostenund Entschädigungsfolge zu Lasten des Gesuch-
stellers und Berufungsbeklagten für das Berufungsverfahren."
G.
Y.___ liess mit Berufungsantwort vom 12. September 2016 die kostenfäl-
lige Abweisung der Berufung beantragen.
H.
Am 30. September 2016 liess Y.___ dem Kantonsgericht von Graubün-
den ein Schreiben der B.1___ vom 23. September 2016 zukommen. Darin wur-
de das Zahlungsversprechen der B.1___ bis zum 30. November 2016 verlän-
gert (Akten KG, D.5 und C.3). Am 1. Dezember schliesslich reichte er eine weitere
Verlängerung des Zahlungsversprechens bis zum 28. Februar 2017 ein (Akten
KG, D.7 und C.4).
II. Erwägungen
1.a)
Gemäss Art. 308 Abs. 1 lit. a ZPO sind erstinstanzliche Endund Zwi-
schenentscheide mit dem ordentlichen Rechtsmittel der Berufung anfechtbar. Dies
gilt auch für die Anfechtung von Entscheiden, die im Verfahren des Rechtsschut-
zes in klaren Fällen gemäss Art. 257 ZPO ergangen sind (vgl. Thomas Sutter-
Somm/Cordula Lötscher, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.],
Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], 3. Aufl., Zürich 2016,
N. 36 zu Art. 257 ZPO). In vermögensrechtlichen Angelegenheiten ist die Beru-
fung nur zulässig, wenn der Streitwert der zuletzt aufrechterhaltenen Rechtsbe-
gehren mindestens CHF 10'000.00 beträgt (Art. 308 Abs. 2 ZPO). Wird dieser
Streitwert nicht erreicht, steht das ausserordentliche Rechtsmittel der Beschwerde
gemäss Art. 319 ff. ZPO offen.
Beim angefochtenen Entscheid des Bezirksgerichts Surselva handelt es
sich um einen erstinstanzlichen Endentscheid im Sinne von Art. 308 Abs. 1 lit. a
ZPO, wobei die Parteien übereinstimmend davon ausgehen, dass der Streitwert
über CHF 10‘000.00 liegt. Massgebend ist dabei der Wert der mit den zuletzt vor
Vorinstanz aufrechterhaltenen Rechtsbegehren geforderten Leistung (Matthias
Stein-Wigger, in: Somm/Hasenböhler/Leuenberger, Kommentar zur Schweizeri-
schen Zivilprozessordnung, 3. Aufl., Zürich 2016, N 26 zu Art. 91 ZPO). Vorlie-
gend verlangte der Gesuchsteller u.a., die Gesuchsgegnerin sei zu verpflichten,
Seite 5 — 17

gegenüber dem Grundbuchkreis ___ die Anmeldung zur Übertragung diverser
Grundstücke im Grundbuch O.1___ gemäss dem zwischen den Parteien abge-
schlossenen Kaufvertrag vom 16. Juni 2016 abzugeben. Der Verkehrswert der
Grundstücke liegt weit über CHF 10'000.00, weshalb der erforderliche Streitwert
für die Berufung offensichtlich erreicht ist.
b)
Die Zuständigkeit der II. Zivilkammer des Kantonsgerichts von Graubünden
ergibt sich aus Art. 7 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Zivil-
prozessordnung (EGzZPO; BR 320.100) und Art. 7 der Verordnung über die Or-
ganisation des Kantonsgerichts (Kantonsgerichtsverordnung, KGV; BR 173.100).
c)
Gegen einen im summarischen Verfahren ergangenen Entscheid, wozu
auch solche betreffend Rechtsschutz in klaren Fällen gehören (Art. 257 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 248 lit. b ZPO), beträgt die Rechtsmittelfrist 10 Tage (Art. 314
Abs. 1 ZPO). Der Entscheid des Einzelrichters am Bezirksgericht Surselva wurde
am 11. August 2016 gefällt und gleichentags der Post übergeben. X.___ holte
die Sendung innert der bis zum 19. August 2016 dauernden siebentägigen Abhol-
frist nicht ab (vgl. act. V/1), so dass die Rechtsmittelfrist am 20. August 2016 zu
laufen begann (Art. 138 Abs. 3 lit. a ZPO). Die Berufung datiert vom 29. August
2016 und erfolgte somit innert Frist.
2.
Art. 257 Abs. 1 ZPO sieht unter dem Titel "Rechtsschutz in klaren Fällen"
vor, dass das Gericht Rechtsschutz im summarischen Verfahren gewährt, wenn
zum einen der Sachverhalt unbestritten sofort beweisbar (lit. a) und zum an-
deren die Rechtslage klar ist (lit. b). Sofort beweisbar ist ein Sachverhalt nach der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wenn er ohne zeitliche Verzögerung und
ohne besonderen Aufwand nachgewiesen werden kann. Der Beweis ist in der Re-
gel durch Urkunden zu erbringen. Der Rechtsschutz in klaren Fällen unterliegt kei-
ner Beweisstrengebeschränkung. Blosses Glaubhaftmachen genügt für die Gel-
tendmachung des Anspruchs nicht, sondern der Kläger hat den vollen Beweis der
anspruchsbegründenden Tatsachen zu erbringen. Bestreitet die Gegenpartei die
Tatsachen glaubhaft, kann der schnelle Rechtsschutz in klaren Fällen nicht ge-
währt werden, da kein liquider Sachverhalt vorliegt (BGE 138 III 620 E. 5.1.1 S.
621; BGE 138 III 123 E. 2.1.1 S. 125). Die Rechtslage ist sodann klar im Sinne der
Bestimmung, wenn sich die Rechtsfolge bei der Anwendung des Gesetzes unter
Berücksichtigung der Lehre und Rechtsprechung ohne weiteres ergibt und damit
die Rechtsanwendung zu einem eindeutigen Ergebnis führt. Dagegen ist die
Rechtslage nicht klar, wenn die Anwendung einer Norm einen Ermessensoder
Billigkeitsentscheid des Gerichts mit wertender Berücksichtigung der gesamten
Seite 6 — 17

Umstände erfordert (BGE 141 III 23 E. 3.2 S. 26; BGE 138 III 123 E. 2.1.2. S. 126;
Urteil des Bundesgerichts 4A_447/2011 vom 20. September 2011 E. 2.3). Für die
Verneinung eines klaren Falles genügt es, dass die beklagte Partei substantiiert
und schlüssig Einwendungen vorträgt, die in tatsächlicher Hinsicht nicht sofort wi-
derlegt werden können und die geeignet sind, die bereits gebildete richterliche
Überzeugung zu erschüttern. Demgegenüber ist ein klarer Fall zu bejahen, wenn
das Gericht aufgrund der Aktenlage zur Überzeugung gelangt, der Anspruch der
klagenden Partei sei ausgewiesen und eine eingehende Abklärung der beklagti-
schen Einwände könne daran nichts ändern; offensichtlich unbegründete
haltlose Bestreitungen des Anspruchs genügen für die Verneinung eines klaren
Falles nicht (BGE 138 III 620 E. 5.1.1 S. 622; Urteil des Bundesgerichts
4A_688/2014 vom 15. April 2015 E. 3.1; Urteil der II. Zivilkammer des Kantonsge-
richts ZK2 15 51 vom 14. Dezember 2015, E. 2, bestätigt in: Urteil des Bundesge-
richts 4A_701/2015 vom 26. Januar 2016, E. 2).
3.a)
Der Einzelrichter am Bezirksgericht Surselva kam im angefochtenen Ent-
scheid gestützt auf die dargelegte Rechtslage zum Schluss, dass der vom Ge-
suchsteller dargelegte Sachverhalt liquid sei. Der Gesuchsteller stütze sein Be-
gehren auf den öffentlich beurkundeten Kaufvertrag vom 16. Juni 2016. Die Ver-
käuferin habe sich mit Ziff. 1 Abs. 3 der weiteren Vertragsbestimmungen zur Über-
tragung des Eigentums mit Anmeldung beim Grundbuchamt verpflichtet, sobald
die in lit. a-c genannten Voraussetzungen erfüllt seien. Sie habe die Grundbuch-
anmeldung bis spätestens am 30. Juni 2016 veranlassen müssen. Ziff. 1 Abs. 4
der weiteren Vertragsbestimmungen sehe vor, dass die säumige Partei mit Ablauf
dieses Datums in Verzug gerate und ihr eine Nachfrist im Sinne von Art. 107 OR
anzusetzen sei. Der Gesuchsteller habe mit Akten belegt, dass die Gesuchsgeg-
nerin trotz Aufforderung und Ansetzung einer Nachfrist bislang keine Grund-
buchanmeldung abgegeben habe.
In rechtlicher Hinsicht sei die Angelegenheit ebenfalls liquid. Der Gesuchsteller
habe sämtliche Voraussetzungen gemäss öffentlichem Kaufvertrag vom 16. Juni
2016 erfüllt. Entgegen der Behauptung der Gesuchsgegnerin habe er am 27. Juni
2016 ein unwiderrufliches Zahlungsversprechen einer Schweizer Bank über CHF
712'940.25 vorgelegt. Zwar sei dieses Zahlungsversprechen am 31. Juli 2016 au-
tomatisch erloschen, nachdem die Gesuchsgegnerin die Grundbuchanmeldung
bis dahin nicht abgegeben habe. Mittlerweile habe der Gesuchsteller jedoch ein
neues bis zum 30. September 2016 befristetes - unwiderrufliches Zahlungsver-
sprechen der B.1___ über CHF 712'940.25 beigebracht. Sodann sei auch der
auf den erwähnten Liegenschaften lastende Inhaberschuldbrief über CHF
Seite 7 — 17

750'000.00 rechtsgültig an die B.1___ übertragen und die Grundpfandschuld
durch den Gesuchsteller abgelöst worden. Schliesslich sei auch ausgewiesen,
dass der Betrag von CHF 18'859.75 anlässlich des Abschlusses des Kaufvertra-
ges in bar bezahlt worden sei (vgl. S. 7 des Kaufvertrages). Habe der Gesuchstel-
ler die Verpflichtungen gemäss Kaufvertrag erfüllt, so sei die Verweigerung der
Abgabe der Grundbuchanmeldung seitens der sich in Verzug befindenden Ge-
suchsgegnerin ungerechtfertigt. Die weiteren von der Gesuchsgegnerin in ihrer
Stellungnahme vorgebrachten Argumente alleinerziehende Mutter mit einer 8-
jährigen Tochter, gute finanzielle Lage des Gesuchstellers seien für das vorlie-
gende Verfahren nicht relevant.
b)
Die Berufungsklägerin wendet in ihrer Berufung gegen diesen Entscheid
ein, sie habe bereits in ihrer Stellungnahme an die Vorinstanz als rechtsunkundige
Partei zumindest sinngemäss geltend gemacht, sie sei vom Berufungsbeklagten
absichtlich getäuscht worden. Er habe ihr, die sie mit ihm freundschaftlich verbun-
den gewesen sei, versprochen, sie könne nach dem Verkauf der Wohnung darin
in Miete wohnen bleiben und zwar zu einem fixen Nettomietzins von CHF 1'000.00
nebst Nebenkosten von CHF 500.00 (fix) pro Monat. Nun verlange er von ihr die
Räumung der Wohnung und verweigere ihr das versprochene Mietverhältnis.
Überdies habe sie sich infolge der Kündigung des Hypothekardarlehens durch die
kreditgebende Bank in einer finanziellen Notlage befunden, da dadurch eine
Rückzahlungspflicht von rund CHF 712'000.00 entstanden sei. Der Berufungsbe-
klagte habe diese Notlage und das zwischen den Parteien bestehende Vertrau-
ensverhältnis ausgenützt, um sie zum Abschluss eines Kaufvertrages zu einem
um rund CHF 100'000.00 unter dem Verkehrswert der Wohnung liegenden Kauf-
preis zu bewegen. Am 26. August 2016 habe die Berufungsklägerin auch noch
förmlich mittels Einschreibebrief ihres Rechtsvertreters an den Rechtsvertreter des
Berufungsbeklagten erklärt, dass sie sich wegen der gelten gemachten Willens-
mängel (Übervorteilung/absichtliche Täuschung) nicht an den Kaufvertrag gebun-
den fühle und sie habe den Kaufvertrag gestützt auf Art. 31 OR mittels Gestal-
tungserklärung angefochten. Dadurch sei der Kaufvertrag vom 16. Juni 2016 auf-
gehoben worden, ohne dass es dabei der Zustimmung des Berufungsklägers be-
durft habe. Aus diesem Grunde erweise sich der angefochtene Entscheid als tat-
sachenund rechtswidrig und sei entsprechend zu kassieren. Bei dem Schreiben
vom 26. August 2016 mit den darin aufgeführten Beilagen und der genannten Ge-
staltungserklärung handle es sich um echte und zulässige Noven, die im Beru-
fungsverfahren zu berücksichtigen seien.
Seite 8 — 17

c)
Der Berufungsbeklagte beantragt in der Berufungsantwort vom 12. Sep-
tember 2016 die kostenfällige Abweisung der Berufung und bestreitet die Ausfüh-
rungen der Berufungsklägerin. Für den Fall, dass die nachgereichte Gestaltungs-
erklärung der Berufungsklägerin vom 26.08.2016 wider Erwarten als neue Tatsa-
che zugelassen werde, liess der Berufungskläger neue Urkunden einreichen. Es
handelt sich dabei um den Mailverkehr zwischen den Parteien vom 6./7. Juni 2016
und eine Mail der Berufungsklägerin an den Berufungsbeklagten vom 13. Juni
2016 (Akten KG, C.1 und C. 2).
4.
Vorweg zu prüfen ist, ob und inwieweit die im Berufungsverfahren von den
Parteien neu vorgebrachten Behauptungen und Beweismittel zu berücksichtigen
sind. Gemäss Art. 317 Abs. 1 ZPO werden im Berufungsverfahren neue Tatsa-
chen und Beweismittel nur noch berücksichtigt, wenn sie ohne Verzug vorgebracht
werden und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vorgebracht
werden konnten. Die Noven müssen möglichst umgehend nach ihrem Bekannt-
werden beziehungsweise nach ihrer Entdeckung der Berufungsinstanz unterbreitet
werden. Gleichzeitig muss die Prozesspartei beweisen, dass sie die Noven trotz
zumutbarer Sorgfalt nicht kannte (vgl. u.a. Karl Spühler, in: Spühler/Tenchio/In-
fanger [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl.,
Basel 2013, N 7 zu Art. 317 ZPO). Das Recht, neue Tatsachen geltend zu ma-
chen, umfasst auch die Möglichkeit, im Berufungsverfahren neue Einreden rechtli-
cher Art und Gestaltungsrechte auszuüben. Die erstmalige Erhebung von Einre-
den und Ausübung von Gestaltungsrechten im Berufungsverfahren sind wiederum
an die Voraussetzungen von Art. 317 Abs. 1 ZPO geknüpft und nur zulässig, wenn
sie ihre Grundlage in neuen Tatsachen haben, welche als Noven unter Berück-
sichtigung von Art. 317 Abs. 1 ZPO zulässig sind (Peter Reetz/Sarah Hilber, in:
Somm/Hasenböhler/Leuenberger, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozess-
ordnung, 3. Aufl., Zürich 2016, N 31 zu Art. 317 ZPO; Karl Spühler, Basler Kom-
mentar, a.a.O., N 13 zu Art. 317 ZPO). Das bedeutet wiederum, es muss sich um
Tatsachen handeln, die trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz
vorgebracht werden konnten.
a)
Die Berufungsklägerin bringt im Berufungsverfahren neu vor, sie habe den
Grundstückskaufvertrag vom 16. Juni 2016 gestützt auf Art. 21 OR (Übervortei-
lung), Art. 28 OR (absichtliche Täuschung) und Art. 31 OR mittels Einschreibpost
vom 26. August 2016 an den Rechtsvertreter des Berufungsbeklagten angefoch-
ten und erklärt, sie wolle den Vertrag nicht gegen sich gelten lassen. Dieses
Schreiben mit den darin aufgeführten Beilagen und der genannten Gestaltungser-
klärung sei am 29. August 2016 beim Rechtsvertreter des Berufungsbeklagten
Seite 9 — 17

eingegangen. Gleichzeitig reichte sie das Schreiben vom 26. August 2016 ins
Recht und beantragt, dieses samt den darin aufgeführten Beilagen und die darin
enthaltenen Erklärungen als Noven zu berücksichtigen. Die mit dem Schreiben
abgegebene Erklärung, den Grundstückkaufvertrag vom 16. Juni 2016 nicht ge-
gen sich gelten zu lassen, ist eine Gestaltungserklärung. Eine solche kann nach
dem zuvor Gesagten im Berufungsverfahren nur dann als Novum vorgebracht
werden, wenn sie ihre Grundlage in neuen Tatsachen hat, welche gestützt auf Art.
317 Abs. 1 ZPO als Noven zu berücksichtigen wären. Diese Voraussetzungen
sind vorliegend indessen nicht gegeben, basiert besagte Gestaltungserklärung
doch auf Tatsachen, welche bereits vor Vorinstanz bekannt waren und von
X.___ in ihrer Stellungnahme vom 6. August 2016 (act. I/2) vorgebracht wurden.
So führte sie in ihrer Berufung selbst aus, bereits vor Vorinstanz zumindest sinn-
gemäss erklärt zu haben, den Vertrag infolge Täuschung und Übervorteilung nicht
gegen sich gelten zu lassen. Damit steht fest, dass die Ausübung des Gestal-
tungsrechts vom 29. August 2016 nicht auf neuen Tatsachen im Sinne von Art.
317 Abs. 1 ZPO beruht, so dass diese Gestaltungserklärung wie auch die in die-
sem Zusammenhang von der Berufungsklägerin neu eingereichten Urkunden nicht
berücksichtigt werden können.
b)
Der Berufungsbeklagte reicht im Berufungsverfahren ebenfalls neue Urkun-
den ein (Mailverkehr zwischen den Parteien vom 6./7. Juni 2016 und Mail der Be-
rufungsklägerin an den Berufungsbeklagten vom 13. Juni 2016; Akten KG, C.1
und C. 2). Dabei führt er begründend aus, dass diese nur für den Fall produziert
würden, dass die nachgereichte Gestaltungserklärung der Berufungsklägerin vom
26. August 2016 wider Erwarten zugelassen würde (Berufungsantwort vom 12.
September 2016, S. 5, Ziff. 2). Nachdem Letzteres wie gesehen nicht der Fall ist,
sind auch die eingereichten Noven des Berufungsbeklagten nicht zu berücksichti-
gen. Angesichts der ausdrücklichen Beschränkung seines Begehrens gilt dies un-
geachtet des Umstands, dass er von der im vorinstanzlichen Verfahren einge-
reichten Stellungnahme der Berufungsklägerin und von deren Einwänden erst mit
dem angefochtenen Entscheid Kenntnis erhielt und somit erstmals im vorliegen-
den Verfahren dazu Stellung beziehen konnte. Dies hätte ihn allenfalls unabhän-
gig von der Berücksichtigung der von der Berufungsklägerin geltend gemachten
Noven zur Einbringung neuer Behauptungen und Beweismittel berechtigt. Auf-
grund der Verhandlungsmaxime kann das Gericht indessen nicht über seinen An-
trag hinausgehen, womit diese neuen Urkunden unberücksichtigt zu bleiben ha-
ben.
Seite 10 — 17

5.a)
Der Berufungsbeklagte stützt seinen Anspruch auf einen öffentlich beur-
kundeten Kaufvertrag vom 16. Juni 2016. Die Berufungsklägerin bestreitet im Be-
rufungsverfahren zu Recht nicht mehr, dass der Berufungsbeklagte seine Ver-
pflichtungen gemäss diesem Kaufvertrag erfüllt hat (vgl. Kaufvertrag S. 7). Er hat
ein unwiderrufliches Zahlungsversprechen einer Schweizer Bank über CHF
712'940.25 beigebracht. Zwar sind das erste Zahlungsversprechen der B.1___
am 31. Juli 2016 und das zweite am 30. September 2016 automatisch erloschen,
nachdem die Verkäuferin die Grundbuchanmeldung bis dahin nicht abgegeben
hatte. Mittlerweile hat der Käufer jedoch ein drittes bis zum 30. November 2016
befristetes sowie ein viertes bis zum 28. Februar 2017 befristetes - unwiderrufli-
ches Zahlungsversprechen der B.1___ über CHF 712'940.25 zu den Akten ge-
geben (Akten KG, C.3 und C.4). Sodann ist auch der auf den erwähnten Liegen-
schaften lastende Inhaberschuldbrief über CHF 750'000.00 rechtsgültig an die
B.1___ übertragen und die Grundpfandschuld durch den Käufer abgelöst wor-
den (vgl. act. II/5). Schliesslich ist ausgewiesen, dass der Betrag von CHF
18'859.75 anlässlich des Abschlusses des Kaufvertrages in bar bezahlt worden ist
(vgl. S. 7 des Kaufvertrages). Aufgrund dessen hat der Berufungsbeklagte den
vollen Beweis der anspruchsbegründenden Tatsachen erbracht. Zu prüfen bleibt,
ob die Berufungsklägerin substanziiert und schlüssig Einwendungen vorgetragen
hat, die nicht sofort widerlegt werden können und die geeignet sind, die gebildete
richterliche Überzeugung zu erschüttern (vgl. dazu oben E. 2).
b)
Die Berufungsklägerin wendet ein, bereits im Verfahren vor dem Einzelrich-
ter am Bezirksgericht Surselva zumindest sinngemäss geltend gemacht zu haben,
der Vertrag leide an Willensmängeln (Übervorteilung/Täuschung) und will diesen
mittels entsprechender Gestaltungserklärung aufgehoben haben.
aa)
Aus den Akten ergibt sich, dass die Berufungsklägerin bereits in ihrer Ein-
gabe an die Vorinstanz zumindest sinngemäss geltend machte, sie habe das
Kaufobjekt aufgrund einer Notlage zu billig verkauft und ihr sei zugesichert wor-
den, weiterhin in der Liegenschaft wohnen bleiben zu können. Aufgrund der Dar-
legungen in der Stellungnahme und unter Berücksichtigung, dass es sich um eine
Laieneingabe handelt, ist davon auszugehen, dass sich die Berufungsklägerin
damit zumindest sinngemäss auf Übervorteilung im Sinne von Art. 21 OR und
Täuschung gemäss Art. 28 OR berief. Die Geltendmachung der Unverbindlichkeit
eines Vertrages infolge Übervorteilung Täuschung erfolgt durch Erklärung,
den Vertrag nicht halten zu wollen. Diese Erklärung kann ausdrücklich kon-
kludent erfolgen. Eine konkludente Erklärung kann in der Annahmeverweigerung
angebotener Leistungen, aber auch in der Weigerung zur Erbringung der eigenen
Seite 11 — 17

Leistung vorliegend die Weigerung zur Vornahme der Anmeldung zur Grund-
stückübertragung gesehen werden (vgl. Ingeborg Schwenzer, in: Honsell/Vogt/-
Wiegand [Hrsg.], Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 6. Aufl., Basel 2015, N 3
ff. zu Art. 31 OR). Mit der Berufungsklägerin ist davon auszugehen, dass diese
zumindest sinngemäss eine Anfechtungserklärung abgab. Allerdings ist eine sol-
che empfangsbedürftig. Vorliegend wurde die Erklärung nicht gegenüber dem Be-
rufungsbeklagten abgegeben, sondern lediglich in der Stellungnahme an den Ein-
zelrichter am Bezirksgericht. Diese Stellungnahme wurde dem Berufungsbeklag-
ten wie sich aus den Akten ergibt erst zusammen mit dem angefochtenen Ent-
scheid zugestellt. Es ist somit fraglich, ob die Erklärung rechtsgenüglich erfolgte,
und ob sie im vorliegenden Verfahren berücksichtigt werden kann. Die Frage kann
indessen offen gelassen werden. Entgegen dem, was die Berufungsklägerin näm-
lich unter Hinweis auf BGE 128 III 70 E. 2 anzunehmen scheint, bewirkt eine blos-
se Erklärung der eine Übervorteilung/Täuschung behauptenden Partei, den Ver-
trag nicht halten zu wollen, noch nicht dessen Ungültigkeit. Die behauptete Über-
vorteilung/Täuschung muss vielmehr auch tatsächlich geschehen sein, damit die
Unverbindlichkeit des Vertrags erklärt werden kann (Art. 128 III 70 E. 1). Somit ist
für das vorliegende Verfahren zunächst nicht massgebend, ob die Anfechtungser-
klärung gültig erfolgt ist, sondern ob die behauptete Übervorteilung/Täuschung
glaubhaft dargetan wurde und es sich dabei um substanziierte und schlüssige
Einwendungen handelt, die in tatsächlicher Hinsicht nicht sofort widerlegt werden
können. Sofern diese Frage zu bejahen ist, wäre nämlich die Sachund Rechtsla-
ge nicht mehr liquid im Sinne von Art. 257 ZPO. Zu prüfen ist somit nachfolgend,
ob eine Übervorteilung Täuschung substanziiert und schlüssig dargetan wur-
de.
bb)
Wird ein offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung
durch einen Vertrag begründet, dessen Abschluss von dem einen Teil durch Aus-
beutung der Notlage, der Unerfahrenheit des Leichtsinns des andern herbei-
geführt worden ist, so kann der Verletzte innerhalb einer Jahresfrist erklären, dass
er den Vertrag nicht halte, und das schon Geleistete zurückverlangen (Art. 21 Abs.
1 OR). Übervorteilung im Sinne von Art. 21 OR setzt demnach objektiv ein offen-
bares Missverhältnis zwischen den Austauschleistungen und subjektiv eine Notla-
ge der benachteiligten Vertragspartei auf der einen und ihrer Ausbeutung auf der
anderen Seite voraus (BGE 123 III 292 E. 4). Dabei soll die Annahme einer Über-
vorteilung die Ausnahme bleiben (Urteil des Bundesgerichts 4C.254/2004 vom 3.
November 2004, E. 3.3.2 in fine).
Seite 12 — 17

Der in Art. 21 OR verwendete Begriff "offenbar" verdeutlicht, dass die Ungleich-
wertigkeit der Austauschleistungen "jedermann in die Augen fallen" muss (BGE 53
II 488 E. 2; Urteil des Bundesgerichts 4C.254/2004, E. 3.3.1 vom 3. November
2004; Jörg Schmid, in: Gauch/Schluep [Hrsg.], Schweizerisches Obligationenrecht
Allgemeiner Teil, Band I, 10. Aufl., Zürich 2014, S. 165, N 733). Der Beurteilung
der Leistungsäquivalenz soll der objektive Wert beziehungsweise Gegenwert im
Zeitpunkt des Vertragsschlusses zugrunde gelegt werden. Als objektiver Wert gilt
der Marktoder Börsenpreis (BGE 123 II 303 E. 6.a; Jörg Schmid, a.a.O., S. 166,
N 734). Die Berufungsklägerin macht geltend, obwohl der amtliche Wert der Lie-
genschaft einen Verkehrswert von CHF 862'000.00 aufweise, habe der Beru-
fungsbeklagte lediglich ein Preis von CHF 753'800.00 angeboten. Y.___ habe
sie zum Abschluss eines Kaufvertrages mit einem um rund CHF 100'000.00 unter
dem Verkehrswert liegenden Kaufpreis bewogen. Zunächst gilt es festzuhalten,
dass die Berufungsklägerin die einzelnen tatbeständlichen Vor-aussetzungen der
behaupteten Übervorteilung nicht näher substantiiert und durch nichts belegt. Na-
mentlich liegt kein Nachweis über den behaupteten Verkehrswert von CHF
862'000.00 des Kaufobjekts im Recht, obwohl ein solcher auch im summarischen
Verfahren mittels Einlage der amtlichen Schätzung problemlos möglich gewesen
wäre. Blosse Behauptungen genügen für die Verneinung eines klaren Falles nicht.
Auch wurde nicht dargetan, wie lange die behauptete Schätzung zurückliegt. Bei
den Verkehrswerten handelt es sich selbst um blosse Schätzungen, die vom effek-
tiv auf dem Markt zu erzielenden Preisen abweichen können, gerade wenn sie
schon einige Zeit zurückliegen. Vorliegend hat die Berufungsklägerin vor Vo-
rinstanz dargelegt, seit Jahren versucht zu haben, die Liegenschaft zu veräussern,
was ihr trotz Beauftragung eines Maklers infolge unterschiedlicher Preisvorstellun-
gen nicht gelungen sei. Dabei sei sie von einem möglichen Preis von CHF
830'000.00 ausgegangen (vgl. auch Berufung S. 6). Somit ist davon auszugehen,
dass der effektiv erzielbare Marktpreis selbst nach Ansicht der Berufungsklägerin
unter dem Verkehrswert gemäss amtlicher Schätzung liegt und selbst diese Preis-
vorstellungen offenbar nicht marktkonform waren. Selbst wenn von der Annahme
der Berufungsklägerin ausgegangen wird, wonach ein Preis von CHF 830'000.00
möglich sei, beträgt die Differenz zum tatsächlich vereinbarten Kaufpreis von CHF
753'800.00 rund CHF 76'000 10%. Wenn vom behaupteten und durch nichts
bewiesenen amtlichen Verkehrswert von CHF 862'000.00 ausgegangen würde,
betrüge die Differenz rund CHF 108'000.00 13%. Bei derartigen Abweichun-
gen kann offensichtlich nicht von einem offenbaren Missverhältnis im Sinne von
Art. 21 OR gesprochen werden. Abweichungen in dieser Grössenordnung sind
durchaus üblich, gerade wenn die Parteien was gemäss Ausführungen der Beru-
Seite 13 — 17

fungsklägerin vorliegend der Fall war freundschaftlich verbunden sind wenn
die Verkäuferin aus irgendeinem Grund (vorliegend infolge gekündigter Hypothek)
unter zeitlichem Druck steht, eine Liegenschaft zu verkaufen. Dies stellt indessen
noch lange keine Übervorteilung dar. Das Bundesgericht erachtet die Annahme
einer Übervorteilung als Ausnahme. So hat es etwa in folgenden Fällen ein offen-
bares Missverhältnis bejaht: Kaufpreis für eine Gaststätte, welcher den Marktwert
um 80% übersteigt (Urteil des Bundesgerichts 4C.238/2004, E. 2.2 vom 13. Okto-
ber 2005; Jahresmietzins für einen Fussballplatz von mehr als 200% über dem
Marktwert (BGE 123 III 303 E. 6). Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass
die behauptete Preisdifferenz zwischen Kaufpreis und Verkehrswert nicht nach-
gewiesen wurde. Selbst wenn von den Behauptungen der Berufungsklägerin aus-
gegangen würde, könnte offensichtlich nicht von einem offenbaren Missverhältnis
im Sinne von Art. 21 OR gesprochen werden.
Überdies müsste für die Anwendbarkeit von Art. 21 OR eine "subjektive" Ausnah-
mesituation vorliegen, die ein freies Aushandeln der Vertragsbedingungen aus-
schliesst und den Betreffenden zu aussergewöhnlichen Entschlüssen führt. Die
gesetzliche Aufzählung der drei (alternativen) Charakteristika Notlage, Unerfah-
renheit und Leichtsinn ist nach heutiger Lehre exemplarisch zu verstehen (Claire
Huguenin/Barbara Meise, in: Honsell/Vogt/Wiegand [Hrsg.], Basler Kommentar,
Obligationenrecht I, 6. Aufl., Basel 2015, N 10 zu Art. 21 OR). Die Gegenpartei
muss die Entscheidungsschwäche des Übervorteilten bewusst ausgenutzt haben,
um den Vertrag mit dem inäquivalenten Inhalt abzuschliessen (Claire
Huguenin/Barbara Meise, Basler Kommentar, a.a.O., N 13 zu Art. 21 OR, Jörg
Schmid, a.a.O., S. 168, N 741). Das so verstandene Element der "Ausbeutung"
setzt voraus, dass der Ausbeuter um die Schwäche seines Partners weiss und
auch das offenbare Leistungsmissverhältnis kennt zumindest damit rechnet
(Jörg Schmid, a.a.O., S. 168, N 742). Die Berufungsklägerin legt dar, die kreditge-
bende Bank habe den Hypothekarkredit, der auf ihrer Wohnung lastete, gekündet
und per 30. Juni 2016 zur Rückzahlung fällig gestellt. Y.___ sei sich über ihre
schlechte finanzielle Situation bewusst gewesen und habe ihre finanzielle Notlage
ausgenützt. Sie sei seit Jahren freundschaftlich und intim mit ihm verbunden ge-
wesen und habe ihm im Rahmen des Abschlusses des Grundstückkaufvertrags
voll vertraut. Entgegen der Ansicht der Berufungsklägerin fehlen jegliche Anhalts-
punkte, welche darauf schliessen lassen, dass der Berufungsbeklagte die behaup-
tete Notlage der Verkäuferin bewusst ausgenutzt hat. Allein aufgrund des Um-
standes, dass der offerierte Preis unter dem von der Berufungsklägerin als realis-
tisch eingeschätzten erzielbaren Marktpreis respektive unter dem behaupteten
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Verkehrswert liegt, kann nicht geschlossen werden, ihre Notlage sei bewusst aus-
genützt worden. Wie die Berufungsklägerin in ihrer Stellungnahme an die Vo-
rinstanz selbst ausführte, hatte ihr der Berufungsbeklagte bereits früher, d.h. vor
Eintritt der geltend gemachten Notlage, Angebote zum Kauf der Wohnung zu ähn-
lichen Preisen unterbreitet. Dies zeigt, dass er diesen Preis als angemessen und
marktgerecht empfand und dass es ihm keineswegs darum ging, eine Notsituation
auszunutzen.
Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die von der Berufungsklägerin erhobe-
nen Einwände betreffend Übervorteilung völlig unhaltbar und somit nicht geeignet
sind, an der klaren Sachund Rechtslage etwas zu ändern.
cc)
Sodann ist zu prüfen, ob die Berufungsklägerin, wie sie behauptet, absicht-
lich getäuscht worden ist. Wird ein Vertragschliessender durch absichtliche Täu-
schung seitens des andern zu dem Vertragsschluss verleitet, so ist der Vertrag für
ihn auch dann nicht verbindlich, wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war
(Art. 28 Abs. 1 OR). Ein täuschendes Verhalten besteht in der Vorspiegelung fal-
scher Tatsachen im Verschweigen vorhandener Tatsachen (BGE 116 II 434
E. 3). Die täuschende Handlung muss sich auf Tatsachen beziehen, das heisst auf
objektiv feststellbare Zustände Ereignisse tatsächlicher rechtlicher Art.
Blosse subjektive Werturteile und Meinungsäusserungen fallen nicht darunter, es
sei denn, sie würden ihrerseits an Tatsachen knüpfen. Tatsachen können sowohl
äussere z.B. Eigenschaften des Vertragsgegenstandes als auch innere Um-
stände sein (Ingeborg Schwenzer, in: Honsell/Vogt/Wiegand [Hrsg.], Basler Kom-
mentar, Obligationenrecht I, 6. Aufl., Basel 2015, N 4 f. zu Art. 28 OR).
Die Berufungsklägerin behauptet, sie habe dem Verkauf ihrer Wohnung an den
Berufungsbeklagten nur unter der Bedingung zugestimmt, dass sie mit ihrer Toch-
ter weiterhin in der Wohnung zum fixen Mietzins von monatlich CHF 1'000.00 zu-
züglich Nebenkosten von CHF 500.00 verbleiben könne. Sie habe dem Beru-
fungsbeklagten wegen ihrer langjährigen Freundschaft vertraut und geglaubt, dass
er sein mündliches Versprechen und die Abmachung betreffend Mietzins umsetz-
ten werde. Sie sei in ihrem Vertrauen in den Bestand des mündlich vereinbarten
Mietvertrages mit dem Berufungsbeklagten von Letzterem absichtlich getäuscht
worden, weil er sich nun weigere, ihr die Wohnung mietweise zu überlassen.
Diese Argumentation trifft offensichtlich nicht zu. Aus den weiteren Vertragsbe-
stimmungen des öffentlich beurkundeten Kaufvertrages vom 16. Juni 2016 (S. 8)
ergibt sich klar, dass sich die Verkäuferschaft verpflichtet hat, die Vertragsobjekte
Seite 15 — 17

bis spätestens zum 15. Juli 2016 (Tag des Besitzesantritts) vollständig zu räumen,
der Käuferschaft in gereinigtem Zustand zu übergeben und sie zu verlassen. So-
mit erfolgte eben gerade keine Zusicherung, dass die Berufungsklägerin zur Miete
in der Wohnung bleiben könne. Das Gegenteil ist der Fall und mittels öffentlich
beurkundetem Vertrag klar ausgewiesen. Daran ändert auch die Beilage III./1. der
Berufungsklägerin vor Vorinstanz nichts. Dabei handelt es sich um Handnotizen
mit Kaufpreis und Mietangeboten, welche wohl dem Abschluss des Kaufvertrages
vorausgegangen sind, aber schliesslich nicht in den Kaufvertrag Eingang gefun-
den haben. Haben die Parteien wie dem fraglichen Kaufvertrag entnommen wer-
den kann mit öffentlich beurkundetem Kaufvertrag vereinbart, dass das Ver-
tragsobjekt bis spätestens zum 15. Juli 2016 vollständig zu räumen und zu verlas-
sen ist, kann X.___ über diesen Umstand nicht getäuscht worden sein. Die ent-
sprechende Einwendung seitens der Berufungsklägerin ist somit offensichtlich un-
begründet.
e)
Im Ergebnis kann somit festgehalten werden, dass die von der Berufungs-
klägerin vorgebrachten Einwendungen allesamt weder genügend substanziiert
noch schlüssig dargelegt wurden und in tatsächlicher Hinsicht sofort wiederlegbar
sind. Daher sind sie nicht geeignet, an der klaren Sachund Rechtslage etwas zu
ändern. Demnach hat die Vorinstanz zu Recht den Rechtsschutz in klaren Fällen
gewährt. Die Berufung ist somit vollumfänglich abzuweisen.
6.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens gehen die Kosten des Berufungsver-
fahrens, bestehend aus den Gerichtskosten und der Parteientschädigung (Art. 95
Abs. 1 ZPO), zu Lasten der unterliegenden Berufungsklägerin (Art. 106 Abs. 1
ZPO). Die Gerichtskosten werden auf CHF 3'000.00 festgesetzt (vgl. Art. 9 der
Vorordnung über die Gerichtsgebühren in Zivilverfahren [VGZ; BR 320.210]).
Überdies hat die Berufungsklägerin den Berufungsbeklagten für das Berufungs-
verfahren aussergerichtlich zu entschädigen. Der Rechtsvertreter von Y.___ hat
keine Kostennote eingereicht. In Anwendung des richterlichen Ermessens ist von
einem Gesamtaufwand für das Berufungsverfahren von CHF 1'500.00 auszuge-
hen. Die Berufungsklägerin hat damit den Berufungsbeklagten für das Berufungs-
verfahren mit CHF 1'500.00 ausseramtlich zu entschädigen.
Seite 16 — 17

III. Demnach wird erkannt:
1.
Die Berufung wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Berufungsverfahrens von CHF 3'000.00 gehen zu Lasten
von X.___ und werden mit dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss in
derselben Höhe verrechnet.
3.
X.___ hat Y.___ mit CHF 1'500.00 (inkl. MwSt.) aussergerichtlich zu
entschädigen.
4.
Gegen diese, einen Streitwert von mindestens CHF 30'000.00 betreffende
Entscheidung kann gemäss Art. 72, Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG Beschwerde in
Zivilsachen an das Schweizerische Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, ge-
führt werden. Die Beschwerde ist dem Bundesgericht schriftlich, innert 30
Tagen seit Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der Entscheidung in
der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für die
Zulässigkeit, die Beschwerdelegitimation, die weiteren Voraussetzungen
und das Verfahren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 72 ff. und Art. 90
ff. BGG.
5.
Mitteilung an:
Seite 17 — 17

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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