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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Zusammenfassung des Urteils ZK1-12-51: Kantonsgericht Graubünden

Der Beschuldigte hat Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Zürich eingelegt, aber keine Berufungserklärung eingereicht, weshalb die Berufung nicht angenommen wurde. Die Gerichtskosten von CHF 600.- wurden dem Beschuldigten auferlegt, zusätzlich muss er den Privatklägern je CHF 315.- als Prozessentschädigung zahlen. Der Beschluss wurde am 22. November 2016 vom Obergericht des Kantons Zürich getroffen.

Urteilsdetails des Kantongerichts ZK1-12-51

Kanton:GR
Fallnummer:ZK1-12-51
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid ZK1-12-51 vom 06.12.2012 (GR)
Datum:06.12.2012
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:vorsorgliche Massnahmen (Einbau einer Fluchttüre)
Schlagwörter : Berufung; Massnahme; Recht; Berufungsklägerin; Entscheid; Fluchttüre; Einbau; Massnahmen; Anspruch; Verfahren; Gericht; STWEG; Stockwerkeigentümer; Berufungsbeklagte; Verfügung; Gesuch; Maloja; Streitwert; Kanton; Beschluss; Miete; Vorinstanz; Gebäude; Baugesuch; Bezirks; Mieter
Rechtsnorm:Art. 105 ZPO ;Art. 106 ZPO ;Art. 2 ZGB ;Art. 239 ZPO ;Art. 260a OR ;Art. 261 ZPO ;Art. 29 BV ;Art. 292 StGB ;Art. 308 ZPO ;Art. 311 ZPO ;Art. 314 ZPO ;Art. 317 ZPO ;Art. 53 ZPO ;Art. 91 ZPO ;
Referenz BGE:108 II 77; 130 III 321; 131 III 473; 133 III 360; 135 III 578; 136 V 351;
Kommentar:
Schweizer, Zürich , Art. 105 OR, 2010
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts ZK1-12-51

Kantonsgericht von Graubünden
Dretgira chantunala dal Grischun
Tribunale cantonale dei Grigioni
____

Ref.:
Chur, den 6. Dezember 2012
Schriftlich mitgeteilt am:
ZK1 12 51

13. Dezember 2012
Urteil
I. Zivilkammer
Vorsitz
Brunner
RichterInnen
Michael Dürst und Schlenker
Aktuar ad hoc
Trümpler

In der zivilrechtlichen Berufung
der X . A G , Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Andreas F.
Vögeli, Bahnhofstrasse 13, 8001 Zürich,

gegen

den Entscheid des Einzelrichters am Bezirksgericht Maloja vom 10. August 2012,
mitgeteilt am 17. August 2012, in Sachen Y . A G , Berufungsbeklagte, vertreten
durch Rechtsanwalt Dr. iur. Gian G. Lüthi, Via Retica 26, 7503 Samedan, gegen
die Berufungsklägerin
betreffend vorsorgliche Massnahmen (Einbau einer Fluchttüre)
hat sich ergeben:

I. Sachverhalt
A.
Die Liegenschaft Nr. 78 an der Via E. in F. steht im Eigentum der Stock-
werkeigentümergemeinschaft (STWEG) A. und ist in fünf Stockwerkeinheiten auf-
geteilt. Die grösste Einheit S 54649 (Wertquote: 890/1000) dient dem Betrieb ei-
nes Hotels und gehört der Y. AG. Eigentümerin der vier kleineren, im Erdgeschoss
befindlichen Stockwerkeinheiten S 54650, S 54651, S 54652 und S 54653 ist die
X. AG, welche die Stockwerkeinheiten an die Z. AG vermietet hat. Die Mieterin
nutzt die Räumlichkeiten als Ladenlokale für ihr Schmuckgeschäft.
B.
Im Zuge des Umbaus der Ladenlokale im Sommer und Herbst 2011 wurde
die Z. AG von der Feuerpolizei zum Einbau einer Fluchttüre angehalten. Zur Be-
werkstelligung des feuerpolizeilich geforderten zweiten Fluchtweges wurde an ei-
ner Stockwerkeigentümerversammlung im Juli 2011 zunächst die Unterzeichnung
eines Dienstbarkeitsvertrags beschlossen. Nachdem die X. AG allerdings den
Verkauf eines ihrer Ladenlokale an die Y. AG ablehnte, sah diese ihrerseits von
der Unterzeichnung des Dienstbarkeitsvertrages ab. Auf ein in der Folge einge-
reichtes Gesuch nach Art. 257 der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO)
der X. AG (betreffend Rechtsschutz in klaren Fällen) trat der Einzelrichter am Be-
zirksgericht Maloja am 26. Oktober 2011 nicht ein. Am 27. Oktober 2011 beantrag-
te die Z. AG bei der Feuerpolizei respektive der Gebäudeversicherung Grau-
bünden eine Fristverlängerung zur Erstellung des zweiten Fluchtweges. Die Frist
zur Erstellung wurde daraufhin bis zum 30. April 2012 erstreckt und für diese Zeit
eine provisorische Betriebsbewilligung erteilt. Nach einer ersten Besprechung am
8. Februar 2012 in Chur, an der Vertreter der Z. AG, der Feuerpolizei und der
Gemeinde F. teilgenommen hatten, gelangte die Feuerpolizei respektive die Ge-
bäudeversicherung Graubünden am 6. März 2012 erneut an die Z. AG und erin-
nerte sie daran, dass die Erstellung eines zweiten Fluchtweges bis zum 30. April
2012 unumgänglich sei. Nach Ablauf der Frist werde eine Abnahmekontrolle
durchgeführt. Das Fehlen eines zweiten Fluchtweges müsste als Mangel fest-
gehalten werden mit der Folge, dass die Bewilligung für den Betrieb des Ladens
nicht erteilt werden könnte und ein feuerpolizeiliches Nutzungsverbot verfügt wer-
den müsste. Die Rahmenbedingungen betreffend das weitere Vorgehen wurden
der Z. AG ferner vom Leiter Kantonale Feuerpolizei in einer E-Mail vom 16. März
2012 mitgeteilt. Daraus erschloss sich, dass nach einer vierten und letz-
ten Nachkontrolle anfangs November 2012 und dem Verstreichen einer Behe-
bungsfrist bis zum 30. November 2012 ohne weiteres Zusehen der Versiche-
rungsausschluss einzuleiten wäre. Damit wäre das ganze Gebäude ab
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1. Dezember 2012 definitiv vom Feuerrisiko ausgeschlossen. Der Z. AG würde ab
gleichem Datum ein Betriebsverbot für ihr Geschäftslokal auferlegt.
C.
An der ordentlichen Stockwerkeigentümerversammlung der STWEG A. vom
24. Mai 2012 stimmten die Stockwerkeigentümer über einen traktandierten Antrag
der X. AG ab. Der Antrag bezog sich auf den Einbau einer neuen Fluchttüre ge-
mäss Auflagen der kantonalen Feuerpolizei. Die anwesenden Stockwerkeigentü-
mer nahmen den Antrag mit vier Stimmen (der X. AG) gegen eine Stimme (der Y.
AG) an und beschlossen die Einreichung eines entsprechenden Baugesuchs bei
der Gemeinde F.. In der vorgängigen Diskussion gab die Y. AG ausdrücklich keine
Begründung für die Ablehnung des Antrages der X. AG an. Ferner wurden vor-
gängig auch keine Einwendungen gegen das Abstimmungsverfahren erhoben
Ausstandsbegehren gestellt.
D.
Am 14. Juni 2012 reichte die Z. AG bei der Gemeinde F. das Baugesuch für
den Einbau einer Fluchttüre in die Fassade ihres Geschäftslokales hin zur Via E.
ein. Am 21. Juni 2012 gelangte die in der Abstimmung der STWEG vom 24. Mai
2012 unterlegene Y. AG an die Schlichtungsbehörde des Bezirks Maloja. Mit ih-
rem Schlichtungsgesuch beantragte sie die Feststellung, dass der Beschluss der
STWEG vom 24. Mai 2012 nichtig sei, eventualiter dass der Beschluss zufolge
Anfechtung aufzuheben sei. Dazu führte sie aus, dass mit der Teilnahme der X.
AG an der Beratung und Abstimmung betreffend des vierten an der Stockwerkei-
gentümerversammlung verhandelten Traktandums (Einbau einer Fluchttüre) die
Ausstandsvorschriften des Vereinsrecht, welche qua Verweisung von Art. 712m
Abs. 3 des Zivilgesetzbuches (ZGB) auch auf die Stockwerkeigentümerversamm-
lung angewendet werden müssten, verletzt worden seien. Die Schlichtungsbehör-
de des Bezirkes Maloja lud in der Folge die Parteien, d.h. die Y. AG sowie die
STWEG A., zur Vermittlungsverhandlung am 23. August 2012 vor.
E.
Gleichzeitig mit Einreichung des Schlichtungsgesuches am 21. Juni 2012
stellte die Y. AG beim Bezirksgericht Maloja ein Gesuch um Erlass superprovisori-
scher Massnahmen betreffend das Bauvorhaben der X. AG. Konkret wurde das
Bezirksgericht darin ersucht der X. AG unter Androhung von Art. 292 des Strafge-
setzbuches (StGB) die Einreichung eines Baugesuches bei der Gemeinde F. für
den Einbau einer Fluchttüre zu untersagen. Für den Fall der bereits erfolgten Ein-
reichung des Baugesuchs der Erteilung der Baubewilligung für die Fluchttüre,
sei der X. AG der Einbau derselben zu untersagen. Am 25. Juni 2012 hiess der
Einzelrichter am Bezirksgericht Maloja das Gesuch gut und untersagte der X. AG
unter Strafandrohung nach Art. 292 StGB superprovisorisch die Einreichung eines
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Baugesuches für eine Fluchttüre bzw. deren Einbau für den Fall, dass eine Bau-
bewilligung bei der Gemeinde bereits eingeholt worden ist. Des Weiteren forderte
der Einzelrichter die X. AG zur Stellungnahme innert 10 Tagen auf. Am 9. Juli
2012 reichte diese ihre Stellungnahme ein, wobei sie die Abweisung des Gesuchs
beantragte. Sie sei in Bezug auf die beantragten vorsorglichen Massnahmen nicht
passivlegitimiert, da nicht sie, sondern die Z. AG als Mieterin der entsprechenden
Stockwerkeinheit aufgrund der Auflagen der Feuerpolizei das Baugesuch für die
Fluchttüre eingereicht habe. Der Beschluss der STWEG an der Versammlung vom
24. Mai 2012 sei zudem gültig zustande gekommen. Der Anspruch der Y. AG auf
Ausstand an der Stockwerkeigentümerversammlung sei verwirkt. Alles in allem
könnten die Voraussetzungen der vorsorglichen Massnahme von der Gesuchstel-
lerin nicht glaubhaft gemacht werden. Der Instruktionsrichter forderte daraufhin die
Y. AG am 11. Juli 2012 auf, zur Frage der Passivlegitimation Stellung zu nehmen.
Diese reichte hierzu am 20. Juli 2012 ihre Vernehmlassung ein, wobei sie ausführ-
te, dass die X. AG als Eigentümerin des vermieteten Ladenlokals in Bezug auf die
vorsorgliche Massnahme betreffend des Einbaus einer Fluchttüre passivlegitimiert
sei. In Anwendung von Art. 260a des Bundesgesetzes betreffend die Ergänzung
des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Obligationenrecht [OR]) könnten Erneue-
rungen und Änderungen nur dann vom Mieter vorgenommen werden, wenn der
Vermieter einem solchen Vorhaben schriftlich zugestimmt habe. Die Herstellung
der Sache zum vorgesehenen Gebrauchszweck sei zudem Sache des Vermieters,
und zwar zwingend bei der Miete von Wohnund Geschäftsräumen. Mit Entscheid
vom 10. August 2012, mitgeteilt am 17. August 2012, bestätigte der Einzelrichter
am Bezirksgericht Maloja die am 25. Juni 2012 superprovisorisch angeordnete
Massnahme und untersagte der X. AG in der Liegenschaft an der Via E. die ge-
plante Fluchttüre einzubauen bzw. einbauen zu lassen.
F.
Gegen den Entscheid des Einzelrichters am Bezirksgericht Maloja vom
10. August 2012 erhob die X. AG am 30. August 2012 Berufung beim Kantonsge-
richt von Graubünden mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuhe-
ben und das Gesuch um vorsorgliche Massnahmen sei abzuweisen. Insbesondere
sei die mit Entscheid vom 24. Juli 2012 (recte: 25. Juni 2012) angeordnete Mass-
nahme aufzuheben. Eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung an das
Bezirksgericht zurückzuweisen. Als Begründung führte die Berufungsklägerin an,
die Berufungsbeklagte übe ihr Recht unnütz aus. Ein rechtsmissbräuchliches Ver-
halten liege vor, weil durch das Verhindern des Einbaus einer behördlich angeord-
neten Entfluchtung die Berufungsklägerin zum Verkauf eines ihrer Ladenlokale
gezwungen werden soll. Auch sei der angefochtene Entscheid betreffend die An-
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ordnung vorsorglicher Massnahmen unter Berücksichtigung der sich gegenüber-
stehenden Interessen unangemessen. Des Weiteren liege eine unrichtige Anwen-
dung von Art. 261 ZPO vor. Nicht die Berufungsklägerin, sondern deren Mieterin
habe das fragliche Baugesuch eingereicht, weshalb ihr und nicht der Berufungs-
klägerin bewilligt worden sei, die Entfluchtung durch die Fassade zu realisieren.
Folglich könne gar nicht seitens der Berufungsklägerin die Gefahr der Umsetzung
der Fluchttüre drohen, weshalb auch kein Anspruch auf Unterlassung ihr gegen-
über bestehen könne. Es bestehe ferner auch kein materieller Anspruch gegen-
über der Berufungsklägerin aufgrund des angeblich verletzten Stimmenquorums
an der Stockwerkeigentümerversammlung. Jede Anfechtung eines Stockwerkei-
gentümerbeschlusses habe gegenüber der STWEG und nicht gegenüber einem
einzelnen Stockwerkeigentümer zu erfolgen. Die Vorinstanz hätte deshalb von
dem Erlass einer vorsorglichen Massnahme gegen die Berufungsklägerin absehen
müssen. Nehme das Berufungsgericht wider Erwarten an, dass vorliegend ein An-
spruch gegenüber der STWEG als Verfügungsanspruch genüge, fehle es dennoch
an der Begründetheit des materiellen Hauptbegehrens. Die Anfechtbarkeit des
Stockwerkeigentümerversammlungsbeschlusses hätte verneint werden müssen,
da der Anspruch mangels geltend gemachten Ausstands an der Versammlung
verwirkt sei. Zudem handle es sich bei der baulichen Massnahme, deren Ausfüh-
rung durch die vorsorgliche Massnahme untersagt wurde, weder um eine wichtige
Verwaltungshandlung noch um eine nützliche Umbauarbeit. Wegen des summari-
schen Verfahrens habe die Vorinstanz keine Qualifikation der baulichen Mass-
nahme vorgenommen, allerdings hätte sie auch bei einer bloss summarischen
Prüfung der Rechtsfrage zum Schluss kommen müssen, dass es sich vorliegend
um eine notwendige bauliche Massnahme handle. Handle es sich vorliegend um
eine notwendige bauliche Massnahme, sei an der Stockwerkeigentümerversamm-
lung vom 24. Mai 2012 mit dem richtigen Quorum über die Fluchttüre abgestimmt
worden, weshalb das materielle Hauptbegehren auch aussichtslos sei. Mangels
eines Verfügungsanspruchs, d.h. mangels eines materiellen Anspruchs zivilrecht-
licher Natur sei der angefochtene Entscheid deshalb aufzuheben. Ferner fehle es
auch an einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil, da die von der Stockwerk-
eigentümerversammlung beschlossene bauliche Massnahme nicht gegen Aussen
in Erscheinung treten würde. Es würde lediglich ein leicht verändertes Fugenbild
an der Aussenfassade des Gebäudes entstehen. Auch wenn in einem Hauptpro-
zess darauf erkannt würde, dass eine Fluchttüre nicht eingebaut werden darf,
würde der Berufungsbeklagten daraus kein Schaden entstehen, da die Steinplat-
ten an der Aussenfassade von der Berufungsklägerin ersetzt werden könnten. Zu-
dem ergebe eine Nachteilsprognose, dass der aus der Massnahme ergebende
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Nachteil der Berufungsklägerin ungleich grösser sei als derjenige der Berufungs-
beklagten. Bei Aufrechterhaltung der angeordneten Massnahme, werde dem ge-
samten Gebäude Nr. 78 der Versicherungsschutz entzogen. Die Berufungskläge-
rin könnte ihr Mietobjekt nicht in einem gebrauchstauglichen Zweck (recte: Zu-
stand) erhalten und damit der reglementarisch festgehaltene Zweck der Räumlich-
keiten nicht mehr umgesetzt werden. Da die Pflicht, eine zweite Fluchttüre einzu-
bauen, auf einer obrigkeitlichen Anordnung beruhe, könne sich die Berufungsklä-
gerin eventualiter auch auf den Rechtfertigungsgrund berechtigter eigener Interes-
sen berufen, weshalb es an einem massgeblichen Rechtsschutzinteresse für den
Erlass einer vorsorglichen Massnahme fehle. Ferner habe die Vorinstanz dadurch,
dass sie die Passivlegitimation der Berufungsbeklagten (recte: Berufungsklägerin)
hinsichtlich der Anordnung der vorsorglichen Massnahme bejaht habe, rechtswid-
rig gehandelt. In der Lehre werde verlangt, dass sich die vorsorgliche Verfügung
immer gegen den Gesuchsbeklagten richten müsse. Ein an sich unbeteiligter Drit-
ter könne nur in die Verfügung einbezogen werden, insofern seine Rechtsstellung
dadurch nicht beeinträchtigt werde. Wenn gegenüber dem Dritten ein materieller
Rechtsanspruch bestehe, müsse der Dritte direkt ins Recht gefasst werden. Vor-
liegend bestehe aber gegen die Berufungsklägerin kein materieller Rechtsan-
spruch für das Verbot des Einbaus der Fluchttüre. Nicht der Berufungsklägerin,
sondern ihrer Mieterin sei die Baubewilligung erteilt worden. Die Argumentation
der Vorinstanz, dass der Berufungsklägerin auch das Dulden der in Frage stehen-
den baulichen Massnahme untersagt werden soll, sei nicht durchsetzbar. Die Mie-
terin sei eine eigenständige juristische Person, welche über eine rechtsgültig er-
teilte Baubewilligung verfüge. Die Berufungsklägerin habe keine rechtliche Mög-
lichkeit ihr den Einbau der Fluchttüre zu untersagen. Die Vorinstanz hätte vorlie-
gend zum Schluss kommen müssen, dass die Passivlegitimation der Berufungs-
klägerin nicht besteht, weshalb der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben sei.
Folglich hätte sich auch die Frage der Ansetzung einer Prosekutionsfrist nicht stel-
len dürfen. Schliesslich habe die Vorinstanz auch die aus dem Anspruch auf recht-
liches Gehör abgeleitete Begründungspflicht verletzt. Aus der Kurzbegründung
könne nicht klar eruiert werden, aufgrund welcher konkreten Behauptungen der
Berufungsbeklagten das Gesuch um vorsorgliche Massnahmen gutgeheissen
worden sei. Einwände der Berufungsklägerin habe die Vorinstanz in ihrer Begrün-
dung nicht berücksichtigt. Die Beweiswürdigung sei aktenwidrige und falsch ge-
wesen; in Zusammenhang mit der Beurteilung, ob der Anspruch der Berufungsbe-
klagten nicht aussichtslos sei, hätte sich zumindest die summarische rechtliche
Beurteilung der baulichen Massnahme aufgedrängt. Deshalb verletze die Feststel-
lung der Vorinstanz, dass die Qualifikation der vorgesehenen Massnahme nicht
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vom Einzelrichter im summarischen Verfahren, sondern vom Gesamtgericht vor-
zunehmen sei, den Anspruch auf Begründung, d.h. Art. 29 Abs. 2 der Bundesver-
fassung (BV) sowie Art. 53 Abs. 1 ZPO.
G.
Mit Eingabe vom 12. September 2012 beantragte die Berufungsbeklagte
die Abweisung der Berufung. Sie bestreite, dass der Beschluss über den Einbau
der Fluchttüre anlässlich der Versammlung der Stockwerkeigentümer vom 24. Mai
2012 ordnungsgemäss und mit ausreichendem Quorum zustande gekommen sei.
Ebenso werde bestritten, dass sie sich bezüglich des Einbaus einer Fluchttüre
unkooperativ verhalten habe, weil die Berufungsklägerin ihr ein Ladenlokal nicht
verkaufen wolle. Dem Dienstbarkeitsvertrag habe sie zu keinem Zeitpunkt zuge-
stimmt, wobei es sich dabei auch nur um einen Entwurf handle. Die Behauptung,
sie nehme eine unnütze Rechtsausübung wahr und mache sich des Rechtsmiss-
brauchs schuldig, weise sie zurück. Ihre Klage gegen den Beschluss der Ver-
sammlung der Stockwerkeigentümer A. sei begründet, da die Berufungsklägerin
nicht an der Versammlung hätte teilnehmen dürfen. Ferner sei der Beschluss nicht
mit dem erforderlichen Quorum gefasst worden und demzufolge ungültig. Die Be-
rufungsbeklagte habe von den ihr gesetzlich zur Verfügung stehenden Mitteln
Gebrauch gemacht, da sie sich von der Berufungsklägerin, welche nur über eine
Wertquote von 110/1000 verfüge, nicht dominieren lassen müsse und wolle. Die
Elemente, welche für den Erlass einer vorsorglichen Massnahme gegeben sein
müssen, seien vorliegend glaubhaft gemacht worden. Der Verfügungsanspruch
bestehe vorliegend darin, dass die Berufungsbeklagte sich gegen einen Eingriff in
gemeinschaftliches Eigentum wehre. Zudem sei anlässlich der Abstimmung vom
24. Mai 2012 das gesetzlich vorgesehene Mehr über den Einbau der Fluchttüre
nicht erreicht worden, was eine Rechtsverletzung darstelle, gegen welche sich die
Berufungsbeklagte ebenfalls zur Wehr setze. Als Verfügungsgrund komme der
bevorstehende Eingriff in gemeinschaftliche Teile des Stockwerkeigentums in Fra-
ge, welcher ohne Erlass einer vorsorglichen Massnahme unmittelbar erfolgen
würde. Der nicht leicht wieder gutzumachende Nachteil bestehe ferner darin, dass
die einmal eingebaute Türe nicht leicht wieder zu entfernen sei und es schwer fal-
len würde, die Mauer und Fassade wieder in den ursprünglichen Zustand zurück
zu versetzen. Was die Frage der Passivlegitimation der Berufungsklägerin hin-
sichtlich der Anordnung der vorsorglichen Massnahme betreffe, verkenne die Be-
rufungsklägerin, dass es sich vorliegend nicht um einen materiellen Zivilprozess
handle. Die von ihr aufgeworfenen Fragen seien nicht im vorliegend summari-
schen, sondern im materiellen Verfahren zu beantworten. Davon abgesehen könn-
ten sich aber vorsorgliche Massnahmen an Dritte richten, weshalb die diesbezüg-
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liche Kritik der Berufungsklägerin unberechtigt sei. Der angefochtene Entscheid
sei darüber hinaus in genügender Weise begründet worden, zumal die Berufungs-
klägerin Gelegenheit erhalten habe, nach Erlass der superprovisorischen Verfü-
gung eine Stellungnahme abzugeben. Eine Verletzung des Grundsatzes des
rechtlichen Gehörs sei ferner nicht gegeben, da es sich auch um ein Urteil han-
delt, das im summarischen Verfahren ergangen ist und keine formelle Rechtskraft
aufweise. Sodann könne dem Entscheid auch keine willkürliche Beweiswürdigung
entnommen werden.
H.
Mit Eingaben vom 7. und 20. September 2012 reichte die Berufungsklägerin
dem Gericht zwei Schreiben der Schlichtungsbehörde des Bezirkes Maloja ein,
welche Vorkommnisse an der am 23. August 2012 durchgeführten Schlichtungs-
verhandlung betrafen.
Ein zweiter Schriftenwechsel wurde nicht angeordnet. Auf die weiteren Ausführun-
gen in den Rechtsschriften sowie im angefochtenen Entscheid wird, soweit erfor-
derlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.






II. Erwägungen
1. a) Gegen den Entscheid des Einzelrichters am Bezirksgericht Maloja vom
10. August 2012 reichte die X. AG am 30. August 2012 beim Kantonsgericht von
Graubünden Berufung gemäss Art. 308 Abs. 1 lit. b der Schweizerischen Zivilpro-
zessordnung (ZPO; SR 272) ein. Das Rechtsmittel ist gemäss Art. 308 Abs. 2
ZPO in vermögensrechtlichen Angelegenheiten zulässig, wenn der Streitwert der
zuletzt aufrechterhaltenen Rechtsbegehren mindestens Fr. 10'000.-- übersteigt.
Das Streitwerterfordernis gilt für sämtliche unter Art. 308 Abs. 1 ZPO fallenden
Entscheide, mitunter auch für Entscheide über vorsorgliche Massnahmen, soweit
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eine vermögensrechtliche Angelegenheit betroffen ist (vgl. PETER REETZ/STEFANIE
THEILER, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, Kommentar zur Schweizeri-
schen Zivilprozessordnung [ZPO], Zürich 2010, Art. 308 ZPO N 38; KURT BLI-
CKENSTORFER, in: Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], Schweizerische Zivilpro-
zessordnung, Kommentar, Zürich/St. Gallen 2011, Art. 308 N 26). Der Streitwert
bestimmt sich sodann grundsätzlich durch das Rechtsbegehren (Art. 91 Abs. 1
Satz 1 ZPO). Lautet das Rechtsbegehren nicht auf eine bestimmte Geldsumme,
so setzt das Gericht den Streitwert fest, sofern sich die Parteien darüber nicht ei-
nigen ihre Angaben offensichtlich unrichtig sind (Art. 91 Abs. 2 ZPO). Der
Streitwert einer umstrittenen vorsorglichen Massnahme ist in der Regel zu schät-
zen (BLICKENSTORFER, in: Brunner/Gasser/Schwander, a.a.O., Art. 308 N 26 in fi-
ne).
b) Dem vorliegenden Verfahren liegt eine Streitigkeit betreffend die Gültigkeit ei-
nes Beschlusses der Stockwerkeigentümerversammlung der STWEG A. vom
24. Mai 2012 zugrunde. Hierbei handelt es sich nach bundesgerichtlicher Recht-
sprechung um eine Streitigkeit vermögensrechtlicher Natur (vgl. BGE 135 III 578
E. 6.3 mit Verweis auf BGE 108 II 77 E. 1b). Allerdings gilt es zu beachten, dass
für das Gericht nicht der Streitwert der Klage an sich, sondern der Streitwert der
vorliegend zu prüfenden vorsorglichen Massnahme massgebend ist (BLI-
CKENSTORFER, in: Brunner/Gasser/Schwander, a.a.O., Art. 308 N 26). Sowohl der
Beschluss der STWEG wie auch die umstrittene vorsorgliche Massnahme haben
sodann den Einbau einer Fluchttüre in das Geschäftslokal der Berufungsklägerin
an der Via E. in F. zum Gegenstand. Die Berufungsklägerin beziffert den Streitwert
in ihrer Eingabe vom 30. August 2012 nicht explizit, sieht aber das Streitwerterfor-
dernis klar als erfüllt an, was sodann auch von der Berufungsbeklagten nicht
bestritten wird. Mit der vorsorglichen Massnahme wird der Berufungsklägerin un-
tersagt, die erwähnte Fluchttüre einbauen zu lassen. Die I. Zivilkammer teilt hier-
bei die Einschätzung der Berufungsklägerin, dass der Streitwert vorliegend offen-
sichtlich mehr als Fr. 10'000.-beträgt, womit die Berufung in diesem Zusammen-
hang als zulässig zu erachten ist.
c) Gemäss Art. 311 Abs. 1 ZPO und Art. 7 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zur
Schweizerischen Zivilprozessordnung (EGzZPO; BR 320.100) ist eine Berufung
beim Kantonsgericht innert 30 Tagen seit der Zustellung des begründeten Ent-
scheides seit der nachträglichen Zustellung der Entscheidbegründung
(Art. 239 ZPO) schriftlich und begründet unter Beilage des angefochtenen Ent-
scheides einzureichen. Bildet allerdings ein im summarischen Verfahren ergange-
ner Entscheid eine prozessleitende Verfügung Gegenstand der Berufung, so
Seite 9 — 17

beträgt die Frist zur Einreichung der Berufung gemäss Art. 314 Abs. 1 ZPO ledig-
lich 10 Tage. Vorliegend handelt es sich beim angefochtenen Urteil vom
10. August 2012 um einen im summarischen Verfahren erlassenen Entscheid (vgl.
Art. 248 lit. d ZPO), welcher den kürzeren Fristenlauf des ordentlichen Rechtsmit-
tels bedingt. Die Berufung vom 30. August 2012 gegen den der Berufungsklägerin
am 20. August 2012 zugestellten Entscheid erfolgte unbestrittenermassen inner-
halb der 10-tägigen Frist. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen gege-
ben sind - und auch zu keinen weiteren Ausführungen Anlass geben -, ist auf die
Berufung folglich einzutreten.
2.
Gemäss Art. 317 Abs. 1 ZPO werden neue Tatsachen und Beweismittel im
Berufungsverfahren nur noch berücksichtigt, wenn sie ohne Verzug vorgebracht
werden und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vorgebracht
werden konnten. Die von der Berufungsklägerin eingereichten Dokumente der
Schlichtungsbehörde des Bezirkes Maloja datierend vom 7. und 20. September
2012 (vgl. act. A2 und A4), welche die am 23. August 2012 durchgeführte Schlich-
tungsverhandlung bzw. das Klageverfahren betreffen, stellen echte Noven dar. Die
beigebrachten neuen Tatsachen entstanden erst, nachdem die Parteien ihre Beru-
fungsschrift bzw. Berufungsantwort dem Kantonsgericht eingereicht hatten. Sie
sind deshalb auch noch nach Abschluss des Schriftenwechsels zulässig (vgl. PE-
TER REETZ/SARAH HILBER, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, a.a.O., Art.
317 ZPO N 21).
3.
Die Berufungsklägerin bestreitet in ihrer Eingabe an das Kantonsgericht
ihre Passivlegitimation hinsichtlich der Anordnung der umstrittenen vorsorglichen
Massnahme. Es werde in der Lehre verlangt, dass sich eine vorsorgliche Verfü-
gung immer gegen einen Gesuchsbeklagten richten müsse. Ein an sich unbeteilig-
ter Dritter könne nur in eine solche Verfügung einbezogen werden, insofern seine
Rechtsstellung dadurch nicht beeinträchtigt werde. Vorliegend sei die Berufungs-
klägerin Drittperson und hinsichtlich der Anordnung der umstrittenen Massnahme
nicht passiv legitimiert. Nicht ihr als Eigentümerin der von der vorsorglichen Mass-
nahme tangierten Stockwerkeinheit, sondern ihrer Mieterin, der Z. AG, sei die
Baubewilligung für den Einbau der Fluchttüre erteilt worden. Folglich könne gar
nicht von Seiten der Berufungsklägerin die Gefahr der Umsetzung der Fluchttüre
drohen, weshalb auch kein Anspruch auf Unterlassung ihr gegenüber bestehe
(vgl. Berufungsschrift Rz. 32 und 42 ff. [act. A.1]). Diese Überlegungen der Beru-
fungsklägerin greifen in verschiedenerlei Hinsicht zu kurz. Entgegen ihrer Ansicht
ist eine Baubewilligung nicht an eine Person, sondern an eine Sache gebunden;
eine Baubewilligung ist übertragbar (vgl. nur ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER/FELIX
Seite 10 — 17

UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl., Zürich 2010, Rz, 2533). Inso-
fern kann es für die Passivlegitimation der vorsorglichen Massnahme nicht einzig
und alleine darauf ankommen, wer das Baugesuch eingereicht hat wem die
Baubehörde in erster Linie die Baubewilligung erteilt hat. Für die Passivlegitimati-
on ist auf eine drohende Verletzung eines Anspruches durch einen potentiellen
Verletzer abzustellen. Gemäss Art. 261 ZPO trifft das Gericht die notwendigen
vorsorglichen Massnahmen, wenn ein Anspruch einer gesuchstellenden Person
verletzt ist bzw. eine Verletzung zu befürchten ist und ihr aus dieser Verletzung ein
nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht. In casu ist relevant, dass ge-
mäss Art. 260a OR die Bautätigkeit der Mieterin nur mit schriftlicher Zustimmung
der Eigentümerin, d.h. der Berufungsklägerin, möglich ist. Insofern hat es mitunter
die Berufungsklägerin in der Hand, ob die Fluchttüre eingebaut wird nicht. Als
potentielle Verletzerin eines Anspruches der Berufungsbeklagten kommen des-
halb in casu sowohl die Berufungsklägerin wie auch die Mieterin als Bauherrin -
in Frage. Die Berufungsklägerin hat sich zudem als Eigentümerin des Ladenlokals
bzw. der Stockwerkeigentumseinheit anlässlich der Stockwerkeigentümerver-
sammlung vom 24. Mai 2012 um eine Zustimmung des umstrittenen Bauvorha-
bens bemüht. Dass die Anfechtung eines Stockwerkeigentümerbeschlusses ge-
genüber der STWEG als solcher zu erfolgen hat, ändert nichts daran, dass die
Berufungsklägerin hinsichtlich des Wortlautes von Art. 262 lit. c ZPO (als Dritte
und) als potentielle Verletzerin vorliegend von der Berufungsbeklagten direkt ins
Recht zu fassen ist (dies entspricht auch dem empfohlenen Vorgehen gemäss
JOHANN ZÜRCHER, in: Brunner/Gasser/Schwander, a.a.O., Art. 262 N 24 in fine;
THOMAS SPRECHER, in: Spühler/Tenchio/Infanger [Hrsg.], Schweizerische Zivilpro-
zessordnung, Basler Kommentar [BSK-ZPO], Basel 2010, Art. 262 N 24). Die
Passivlegitimation der Berufungsklägerin hinsichtlich der Anordnung der umstritte-
nen vorsorglichen Massnahme ist somit zu bejahen.
4. a) Gemäss Art. 261 ZPO trifft das Gericht die notwendigen vorsorglichen
Massnahmen, wenn ein Anspruch der gesuchstellenden Person verletzt ist bzw.
eine Verletzung zu befürchten ist und ihr aus dieser Verletzung ein nicht leicht
wieder gutzumachender Nachteil droht. Ferner ist auch wenn nicht explizit in
Art. 261 ZPO genannt für die Anordnung von vorsorglichen Massnahmen erfor-
derlich, dass sich diese als dringlich und verhältnismässig erweisen. Diese Vor-
aussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein. Als Beweismass gilt Glaubhaftma-
chung, d.h. die gesuchstellende Person hat dem Gericht einen Verfügungsan-
spruch, das Vorliegen einer gewissen Dringlichkeit sowie einen drohenden nicht
leicht wiedergutzumachenden Nachteil mit einem minderen Grad der Wahrschein-
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lichkeit zu beweisen (Wahrscheinlichkeitsbeweis). Die Beweisstrenge ist reduziert,
da der Rechtsschutz in solchen Fällen schnell gewährt werden muss (SPRECHER,
in: Spühler/Tenchio/Infanger, BSK-ZPO, Art. 261 N 50 mit weiteren Verweisen).
Eine Tatsache gilt als glaubhaft gemacht, wenn für deren Vorhandensein gewisse
Elemente sprechen, selbst wenn das Gericht noch mit der Möglichkeit rechnet,
dass sie sich nicht verwirklicht haben könnte (BGE 130 III 321 E. 3.3 mit weiteren
Verweisen; LUCIUS HUBER, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, a.a.O.,
Art. 261 ZPO N 25; ROGER GRONER, Beweisrecht, Bern 2011, S. 196).
b)
Die Berufungsklägerin versucht in ihrer Eingabe an das Kantonsgericht dar-
zulegen, weshalb der Vorrichter im (summarischen) Verfahren betreffend den Er-
lass von vorsorglichen Massnahmen zu Unrecht die Anwendungsvoraussetzungen
von Art. 261 Abs. 1 ZPO bejaht hat. Hierzu gilt es festzuhalten, dass die Beru-
fungsklägerin den Sinn und Zweck des Summarverfahrens als für den Erlass
von vorsorglichen Massnahmen anwendbare Verfahrensart (Art. 248 lit. d ZPO) -
verkennt, respektive die entsprechende Zielsetzung aus den Augen verliert. Das
(summarische) Verfahren dient in erster Linie einer raschen und (in Bezug auf ein
Hauptverfahren) bloss vorläufigen Reglung eines streitigen Rechtsverhältnisses.
Hierbei gelten die allgemeinen Grundsätze, wonach ein Streitgegenstand während
eines laufenden (Haupt-)Verfahrens nicht verändert werden darf (SPRECHER, in:
Spühler/Tenchio/Infanger, BSK-ZPO, a.a.O., Art. 261 N 26) und ein Entscheid in
einer Hauptsache nicht durch einen vorzeitigen Vollzug bzw. eine „definitive Wir-
kung“ einer vorsorglichen Massnahme vorweggenommen werden soll (vgl. BGE
131 III 473 E. 2.3 = Pra 95 [2006] Nr. 32). Die Beweisstrenge für Verfahren betref-
fend vorsorgliche Massnahmen ist reduziert, da es gerade um die erwähnte ra-
sche und nur vorläufige Gewährung des Rechtsschutzes geht; das Beweismass
ist auf Glaubhaftmachung herabgesetzt und gilt sowohl in Bezug auf Tatsachen
wie auch auf Rechtsfragen. Die Berufungsklägerin anerkennt, dass auch Rechtli-
ches bloss glaubhaft gemacht werden muss. Das Gericht könne es bei einer
summarischen Prüfung der Rechtsfragen bewenden lassen (vgl. Berufungsschrift
vom 30. August 2012 Rz. 36 [act. A.1]). Eine vertiefte Auseinandersetzung mit
Rechtsfragen insbesondere eine beflissene und zeitintensive Analyse von Litera-
tur und Rechtsprechung zu allen sich stellenden Rechtsfragen eines Falles steht
denn auch dem Sinn und Zweck des Summarverfahrens entgegen. Mit Bezug auf
die eingehende Beantwortung von Rechtsfragen in Summarverfahren betreffend
den Erlass von vorsorglichen Massnahmen ist insbesondere dann eine gewisse
Zurückhaltung angezeigt, wenn ein Verfahren in der Hauptsache bei einem zu-
ständigen Gericht bereits anhängig gemacht worden ist und sich deshalb die Be-
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antwortung der sich stellenden Rechtsfragen (in einem ordentlichen Verfahren) in
naher Zukunft abzeichnet. Es versteht sich aber auch von selbst, dass in einem
solchen Summarverfahren gänzlich aussichtslose Rechtsbegehren eines Haupt-
prozesses nicht vorsorglich geschützt werden dürfen. Das Bundesgericht stellt in
seiner Rechtsprechung u.a. auf die verschiedenen Kategorien von vorsorglichen
Massnahmen ab. In diesem Zusammenhang betont es sodann, dass bei (vorläufi-
gen) Realvollstreckungen erhöhte Anforderungen an die Begründetheit eines Be-
gehrens zu stellen sind, insbesondere auch bezüglich der Prognose in Bezug auf
die Hauptsache und die Würdigung der Nachteile (vgl. BGE 133 III 360 E. 9.2 =
Pra 97 [2008] Nr. 6; BGE 131 III 473 E. 2.3 = Pra 95 [2006] Nr. 32). Diese erhöh-
ten Anforderungen müssen auch für die Widerlegung der Glaubhaftmachung eines
Anspruches des Gesuchstellers durch einen Gesuchsgegner gelten, wenn mittels
vorsorglicher Massnahme die Bewahrung des ursprünglichen Zustandes des
Streitgegenstandes angeordnet wurde (bzw. mittels vorsorglicher Massnahme die
Unterlassung einer potentiell anspruchsverletzenden Handlung durch den Ge-
suchsgegner angeordnet wurde). Gemäss Bundesgericht gelten die erhöhten An-
forderungen dann, wenn ein besonders schwerer Eingriff in Rechte droht
wenn ein Entscheid über eine geforderte vorsorgliche Massnahme eine definitive
Wirkung zeitigt, weil ein Rechtsstreit dadurch enden würde (vgl. BGE 131 III 473
E. 2.3 = Pra 95 [2006] Nr. 32; ZÜRCHER, in: Brunner/Gasser/Schwander, a.a.O.,
Art. 261 N 28). Vorliegend wurde durch die Anordnung der vorsorglichen Mass-
nahme eine Veränderung des Streitgegenstandes eines bereits beim zuständigen
Gericht anhängig gemachten Hauptverfahrens verhindert. Die Abweisung der vor-
sorglichen Massnahme würde vorliegend eine definitive Wirkung auf den Rechts-
streit haben, da die umstrittene Fluchttüre mittels Durchbruch der Mauer und
Einbau verschiedener Komponenten in gemeinschaftliche Teile der STWEG - nur
schwer wieder rückgängig gemacht werden könnte. Diese Aspekte wiegen vorlie-
gend schwer. Kommt hinzu, dass das zuständige Gericht die Rechtslage vorlie-
gend bloss summarisch prüfen musste. Dabei hat die Vorinstanz offenbar erkannt,
dass die Berufungsklägerin einen Verfügungsanspruch in casu einen zivilrechtli-
chen Anspruch auf einen rechtskonform zustande gekommenen Beschluss der
STWEG glaubhaft machen konnte. Ebenso wurde erkannt, dass eine zeitliche
Dringlichkeit für die vorsorgliche Massnahme gegeben ist und ein nicht leicht wie-
der gutzumachender Nachteil droht. Hierzu kann angefügt werden, dass vorlie-
gend insbesondere die Anwendung des Verhältnismässigkeitsprinzips für die An-
ordnung der vorsorglichen Massnahme spricht. Im Sinne einer Nachteilsprognose
sind nämlich die Interessen der Berufungsbeklagten (Gesuchstellerin) wie auch
die Interessen der Berufungsklägerin (Gesuchsgegnerin) zu berücksichtigen (vgl.
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dazu SPRECHER, in: Spühler/Tenchio/Infanger, BSK-ZPO, Art. 261 N 31; ZÜRCHER,
in: Brunner/Gasser/Schwander, a.a.O., Art. 261 N 28). Entgegen der Ansicht der
Berufungsklägerin geht es bei einem Einbau einer Fluchttüre nicht bloss um eine
Veränderung von äusseren Fassadenteilen, sondern offensichtlich um einen voll-
ständigen Durchbruch der Gebäudemauer. Dies stellt einen erheblichen Eingriff in
gemeinschaftliche Gebäudeteile dar und kann nur mit erheblichem Aufwand wie-
der rückgängig gemacht werden. Die Berufungsklägerin führt in diesem Zusam-
menhang an, dass bei Aufrechterhaltung der angeordneten Massnahme der Nach-
teil der Berufungsklägerin ungleich grösser sei als derjenige der Berufungsbeklag-
ten. Dem gesamten Gebäude Nr. 78 drohe der Versicherungsschutz entzogen zu
werden. Als Folge hiervon könnte die Berufungsklägerin ihr Mietobjekt nicht in ei-
nem gebrauchstauglichen Zustand erhalten und damit der reglementarisch festge-
haltene Zweck der Räumlichkeiten nicht mehr umgesetzt werden. Wohl beschrieb
der Leiter Kantonale Feuerpolizei in einem E-Mail vom 16. März 2012 an den
Rechtsvertreter der Berufungsklägerin diesbezüglich ein etwaiges Szenario, je-
doch wurde ein definitives Verbot bis anhin nicht ausgesprochen. Es liegt bis an-
hin keine entsprechende Verfügung vor. Eventuell besteht angesichts der spezifi-
schen Umstände die Möglichkeit einer weiteren Fristerstreckung. Ferner kann ge-
gen Verfügungen der Gebäudeversicherung Einsprache geführt (vgl. Art. 46 des
Gesetzes über den vorbeugenden Brandschutz und die Feuerwehr im Kanton
Graubünden [Brandschutzgesetz; BR 840.100] sowie Art. 45 des Gesetzes über
die Gebäudeversicherung im Kanton Graubünden [GebVG; BR 830.100]) und bei
Ergreifung eines Rechtsmittels stets aufschiebende Wirkung beantragt werden
(Art. 52 Abs. 2 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege [VRG; BR
370.100]). Unter Würdigung der gesamten Umstände spricht die Interessenabwä-
gung zurzeit zu Gunsten der Berufungsbeklagten. Die angefochtene vorsorgliche
Massnahme erfüllt die Voraussetzung des nicht leicht wieder gutzumachenden
Nachteils wie auch die weiteren Kriterien von Art. 261 ZPO.
5.
Die übrigen Einwände der Berufungsklägerin erweisen sich sodann alle-
samt als nicht stichhaltig. So ist eine unnütze Rechtsausübung (bzw. die Verlet-
zung des Art. 2 Abs. 2 ZGB) nicht von vorneherein gegeben; der Berufungsbe-
klagten kann angesichts des drohenden, erheblichen Eingriffs in gemeinschaftli-
che Teile des Stockwerkeigentums (vgl. vorstehende Erwägung 4b) das Interesse
an einem rechtsgültig zustande gekommenen Beschluss der STWEG nicht abge-
sprochen werden. Auch die Rüge der Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV vermag
nicht zu überzeugen. Das rechtliche Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV verlangt, dass
eine Behörde die Vorbringen einer vom Entscheid in ihrer Rechtslage betroffenen
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Person tatsächlich hört, prüft und in ihrer Entscheidfindung berücksichtigt. Die aus
diesem Pflichtenheft abgeleitete Begründungspflicht der Behörde besteht nach
konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts im Hinblick auf eine sachgerechte
Anfechtung des Entscheides vor der Rechtsmittelinstanz. Die Begründungspflicht
wird allerdings nicht schon alleine dadurch verletzt, dass sich die Behörde nicht
mit allen Parteivorbringen einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vor-
bringen ausdrücklich widerlegt. Die Behörde kann und darf sich auf die für den
Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Dies gilt erst recht im summarischen
Verfahren. Immerhin muss ein behördlicher Entscheid aber kurz die Überlegungen
nennen, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf welche sich ihr Ent-
scheid stützt (vgl. dazu etwa BGE 136 V 351 E. 4.2; 136 I 229 E. 5.2; 134 I 83
E. 4.1 je mit Hinweisen). Vorliegend hat die Vorinstanz in ihrem Entscheid über die
Anordnung einer vorsorglichen Massnahme nach Art. 261 ZPO eine bloss summa-
rische Überprüfung der sich stellenden Rechtsfragen vorgenommen. Ihre Begrün-
dung fiel denn auch entsprechend knapp aus, war aber entgegen der Meinung der
Berufungsklägerin im Lichte der summarischen Prüfungspflicht des Gerichts noch
immer hinreichend. Der Berufungsklägerin war denn auch eine sachgerechte An-
fechtung des im summarischen Verfahren erlassenen Entscheids möglich.
6. a) Zusammenfassend kann gesagt werden, dass obwohl die Berufungskläge-
rin als Eigentümerin der betreffenden Stockwerkeigentumseinheit das Baugesuch
nicht selbstständig bei der Gemeinde eingereicht hat, sondern ihre Mieterin ge-
genüber der Baubehörde als Bauherrin aufgetreten ist, sie trotzdem - u.a. auf-
grund von Art. 260a OR als potentielle Verletzerin eines von der Berufungsbe-
klagten geltend gemachten Anspruchs in Betracht kommt und sich deshalb die
vorsorgliche Massnahme vom 25. Juni 2012 bzw. 10. August 2012 zu Recht ge-
gen sie richtet. Die Berufung erweist sich auch unter den weiteren gerügten As-
pekten als unbegründet und ist entsprechend abzuweisen. Gemäss Art. 105 ZPO
werden die Gerichtskosten von Amtes wegen festgesetzt und verteilt. Die Partei-
entschädigung spricht das Gericht nach den Tarifen zu, wobei die Parteien auch
Kostennoten einreichen können. Im Gegensatz zu den Gerichtskosten wird die
Parteientschädigung grundsätzlich nur auf Antrag der betreffenden Partei festge-
setzt (vgl. nur MYRIAM A. GEHRI/MICHAEL KRAMER, Schweizerische Zivilprozessord-
nung, Kommentar, Zürich 2010, Art. 105 N 1 f.). Die Prozesskosten werden ge-
mäss Art. 106 ZPO nach Massgabe des Obsiegens und Unterliegens verteilt.
b)
Vorliegend trägt die unterliegende Berufungsklägerin die Kosten des Ver-
fahrens. Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens werden auf Fr. 2‘500.-- und
die ausseramtliche Entschädigung auf Fr. 1‘500.-- (inkl. MwSt.) festgesetzt, wobei
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der ausseramtliche Aufwand geschätzt wurde, da der Rechtsvertreter der Beru-
fungsbeklagten dem Gericht keine Honorarnote eingereicht hat. Die vorinstanzli-
chen Kosten werden im Sinne der Ziffern 2 und 3 des Dispositivs des vorinstanzli-
chen Urteils vom 10. August 2012 belassen.


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III. Demnach wird erkannt
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Berufungsverfahrens von Fr. 2‘500.-gehen zulasten der X.
AG, welche die Y. AG aussergerichtlich mit Fr. 1‘500.-zu entschädigen
hat.
3.
Gegen diese, einen Streitwert von weniger als 30'000 Franken betreffende
Entscheidung kann gemäss Art. 72, Art. 74 Abs. 2 lit. a des Bundesge-
richtsgesetzes (BGG) Beschwerde in Zivilsachen an das Schweizerische
Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, geführt werden, wenn sich eine Rechts-
frage von grundsätzlicher Bedeutung stellt. Andernfalls ist die subsidiäre
Verfassungsbeschwerde gemäss Art. 113 ff. BGG gegeben. In beiden Fäl-
len ist das Rechtsmittel dem Bundesgericht schriftlich, innert 30 Tagen seit
Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der Entscheidung in der gemäss
Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für die Zulässigkeit,
die Beschwerdelegitimation, die weiteren Voraussetzungen und das Verfah-
ren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 72 ff., 90 ff. und 113 ff. BGG.
4.
Mitteilung an:
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