Die Beschuldigte wurde wegen Übertretung der allgemeinen Polizeiverordnung der Stadt Zürich schuldig gesprochen und zu einer Busse von Fr. 200.- verurteilt. Die Gerichtskosten und die Kosten des Strafbefehls wurden ihr auferlegt. Die Beschuldigte hat Berufung gegen das Urteil des Bezirksgerichts Zürich eingelegt und wurde schliesslich aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden auf die Gerichtskasse genommen.
Urteilsdetails des Kantongerichts ZK1-12-50
Kanton: | GR |
Fallnummer: | ZK1-12-50 |
Instanz: | Kantonsgericht Graubünden |
Abteilung: | - |
Datum: | 06.12.2012 |
Rechtskraft: | - |
Entscheid des Kantongerichts ZK1-12-50
Kantonsgericht von Graubünden
Dretgira chantunala dal Grischun
Tribunale cantonale dei Grigioni
____
Ref.:
Chur, den 6. Dezember 2012
Schriftlich mitgeteilt am:
ZK1 12 50
13. Dezember 2012
Urteil
I. Zivilkammer
Vorsitz
Brunner
RichterInnen
Michael Dürst und Schlenker
Aktuar ad hoc
Trümpler
In der zivilrechtlichen Berufung
der X . A G , Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Andreas F.
Vögeli, Bahnhofstrasse 13, 8001 Zürich,
gegen
den Entscheid des Einzelrichters am Bezirksgericht Maloja vom 10. August 2012,
mitgeteilt am 17. August 2012, in Sachen Y . A G , Berufungsbeklagte, vertreten
durch Rechtsanwalt Dr. iur. Gian G. Lüthi, Via Retica 26, 7503 Samedan, gegen
die Berufungsklägerin,
betreffend vorsorgliche Massnahmen (Einbau einer Fluchttüre),
hat sich ergeben:
I. Sachverhalt
A.
Die Liegenschaft Nr. 78 an der Via E. in F. steht im Eigentum der Stock-
werkeigentümergemeinschaft (STWEG) A. und ist in fünf Stockwerkeinheiten auf-
geteilt. Die grösste Einheit S 54649 (Wertquote: 890/1000) dient dem Betrieb ei-
nes Hotels und gehört der Y. AG. Eigentümerin der vier kleineren, im Erdgeschoss
befindlichen Stockwerkeinheiten S 54650, S 54651, S 54652 und S 54653 ist die
Z. AG, welche die Stockwerkeinheiten an die X. AG vermietet hat. Die Mieterin
nutzt die Räumlichkeiten als Ladenlokale für ihr Schmuckgeschäft.
B.
Im Zuge des Umbaus der Ladenlokale im Sommer und Herbst 2011 wurde
die X. AG von der Feuerpolizei zum Einbau einer Fluchttüre angehalten. Zur Be-
werkstelligung des feuerpolizeilich geforderten zweiten Fluchtweges wurde an ei-
ner Stockwerkeigentümerversammlung im Juli 2011 zunächst die Unterzeichnung
eines Dienstbarkeitsvertrags beschlossen. Nachdem die Z. AG allerdings den
Verkauf eines ihrer Ladenlokale an die Y. AG ablehnte, sah diese ihrerseits von
der Unterzeichnung des Dienstbarkeitsvertrages ab. Auf ein in der Folge einge-
reichtes Gesuch nach Art. 257 der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO)
der Z. AG (betreffend Rechtsschutz in klaren Fällen) trat der Einzelrichter am Be-
zirksgericht Maloja am 26. Oktober 2011 nicht ein. Am 27. Oktober 2011 beantrag-
te die X. AG bei der Feuerpolizei respektive der Gebäudeversicherung Grau-
bünden eine Fristverlängerung zur Erstellung des zweiten Fluchtweges. Die Frist
zur Erstellung wurde daraufhin bis zum 30. April 2012 erstreckt und für diese Zeit
eine provisorische Betriebsbewilligung erteilt. Nach einer ersten Besprechung am
8. Februar 2012 in Chur, an der Vertreter der X. AG, der Feuerpolizei und der
Gemeinde F. teilgenommen hatten, gelangte die Feuerpolizei respektive die Ge-
bäudeversicherung Graubünden am 6. März 2012 erneut an die X. AG und erin-
nerte sie daran, dass die Erstellung eines zweiten Fluchtweges bis zum 30. April
2012 unumgänglich sei. Nach Ablauf der Frist werde eine Abnahmekontrolle
durchgeführt. Das Fehlen eines zweiten Fluchtweges müsste als Mangel fest-
gehalten werden mit der Folge, dass die Bewilligung für den Betrieb des Ladens
nicht erteilt werden könnte und ein feuerpolizeiliches Nutzungsverbot verfügt wer-
den müsste. Die Rahmenbedingungen betreffend das weitere Vorgehen wurden
der X. AG ferner vom Leiter Kantonale Feuerpolizei in einem E-Mail vom 16. März
2012 mitgeteilt. Daraus erschloss sich, dass nach einer vierten und letz-
ten Nachkontrolle anfangs November 2012 und dem Verstreichen einer Behe-
bungsfrist bis zum 30. November 2012 ohne weiteres Zusehen der Versiche-
rungsausschluss einzuleiten wäre. Damit wäre das ganze Gebäude ab
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1. Dezember 2012 definitiv vom Feuerrisiko ausgeschlossen. Der X. AG würde ab
gleichem Datum ein Betriebsverbot für ihr Geschäftslokal auferlegt.
C.
An der ordentlichen Stockwerkeigentümerversammlung der STWEG A. vom
24. Mai 2012 stimmten die Stockwerkeigentümer über einen traktandierten Antrag
der Z. AG ab. Der Antrag bezog sich auf den Einbau einer neuen Fluchttüre ge-
mäss Auflagen der kantonalen Feuerpolizei. Die anwesenden Stockwerkeigentü-
mer nahmen den Antrag mit vier Stimmen (der Z. AG) gegen eine Stimme (der Y.
AG) an und beschlossen die Einreichung eines entsprechenden Baugesuchs bei
der Gemeinde F.. In der vorgängigen Diskussion gab die Y. AG ausdrücklich keine
Begründung für die Ablehnung des Antrages der Z. AG an. Ferner wurden vor-
gängig auch keine Einwendungen gegen das Abstimmungsverfahren erhoben
Ausstandsbegehren gestellt.
D.
Am 14. Juni 2012 reichte die X. AG bei der Gemeinde F. das Baugesuch für
den Einbau einer Fluchttüre in die Fassade ihres Geschäftslokales hin zur Via E.
ein. Gemäss Angaben der X. AG wurde das Baugesuch sodann vom Gemeinde-
vorstand am 25. Juni 2012 genehmigt. Bereits am 21. Juni 2012 gelangte die in
der Abstimmung der STWEG vom 24. Mai 2012 unterlegene Y. AG an die Schlich-
tungsbehörde des Bezirks Maloja. Mit ihrem Schlichtungsgesuch beantragte sie
die Feststellung, dass der Beschluss der STWEG vom 24. Mai 2012 nichtig sei,
eventualiter dass der Beschluss zufolge Anfechtung aufzuheben sei. Dazu führte
sie aus, dass mit der Teilnahme der Z. AG an der Beratung und Abstimmung
betreffend des vierten an der Stockwerkeigentümerversammlung verhandelten
Traktandums (Einbau einer Fluchttüre) die Ausstandsvorschriften des Vereins-
recht, welche qua Verweisung von Art. 712m Abs. 3 des Zivilgesetzbuches (ZGB)
auch auf die Stockwerkeigentümerversammlung angewendet werden müssten,
verletzt worden seien. Die Schlichtungsbehörde des Bezirkes Maloja lud in der
Folge die Parteien, d.h. die Y. AG sowie die STWEG A., zur Vermittlungsverhand-
lung am 23. August 2012 vor.
E.
Am 10. Juli 2012 deponierte die X. AG beim Bezirksgericht Maloja eine
Schutzschrift im Sinne von Art. 270 ZPO mit dem Begehren, ein allfälliges Gesuch
der Y. AG um Erlass superprovisorischer Massnahmen vollumfänglich abzuwei-
sen. Ein entsprechendes Gesuch ging dem Bezirksgericht Maloja am 20. Juli 2012
zu. Die Y. AG ersuchte darin, der X. AG gerichtlich und unter Androhung von
Art. 292 des Strafgesetzbuches (StGB) das Einbauen einer allfällig durch den
Gemeindevorstand bewilligten - Fluchttüre zu untersagen. Am 24. Juli 2012 hiess
der Einzelrichter am Bezirksgericht Maloja das Gesuch gut und untersagte der X.
Seite 3 — 17
AG unter Strafandrohung nach Art. 292 StGB superprovisorisch den Einbau der
Fluchttüre. Des Weiteren forderte der Einzelrichter die Gesuchsgegnerin zur Stel-
lungnahme innert 10 Tagen auf. Am 6. August 2012 reichte die X. AG ihre Stel-
lungnahme ein, wobei sie die Abweisung des Gesuchs beantragte. Der Beschluss
der STWEG an der Versammlung vom 24. Mai 2012 sei gültig zustande gekom-
men. Wie in der Schutzschrift bereits ausgeführt worden sei, sei der von der Ge-
suchstellerin angeführte Anspruch auf Ausstand an der Stockwerkeigentümerver-
sammlung verwirkt. Ferner habe es sich beim Beschluss der STWEG nicht um ein
Insichgeschäft gehandelt. Insgesamt könnten sodann die Voraussetzungen der
vorsorglichen Massnahme von der Gesuchstellerin nicht glaubhaft gemacht wer-
den. Mit Entscheid vom 10. August 2012, mitgeteilt am 17. August 2012, bestätig-
te der Einzelrichter am Bezirksgericht Maloja die am 24. Juli 2012 superproviso-
risch angeordnete Massnahme und untersagte der X. AG in der Liegenschaft an
der Via E. eine Fluchttüre einzubauen bzw. einbauen zu lassen.
F.
Gegen den Entscheid des Einzelrichters am Bezirksgericht Maloja vom
10. August 2012 erhob die X. AG am 30. August 2012 Berufung beim Kantonsge-
richt von Graubünden mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuhe-
ben und das Gesuch um vorsorgliche Massnahmen sei abzuweisen. Insbesondere
sei die mit Entscheid vom 24. Juli 2012 angeordnete Massnahme aufzuheben.
Eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung an das Bezirksgericht zurück-
zuweisen. Als Begründung führte die Berufungsklägerin an, die Berufungsbeklagte
übe ihr Recht unnütz aus. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten liege vor, weil
durch das Verhindern des Einbaus einer behördlich angeordneten Entfluchtung
die Vermieterin der Berufungsklägerin zum Verkauf eines ihrer Ladenlokale ge-
zwungen werden soll. Dabei werde einerseits Druck auf die Berufungsklägerin als
Mieterin der Ladenlokale ausgeübt, da ihr bei Säumnis des Einbaus der Fluchttüre
ein feuerpolizeiliches Betriebsverbot ab Dezember 2012 auferlegt werde. Anderer-
seits werde auch Druck auf die Vermieterin der Ladenlokale ausgeübt, da diese
die vermietete Eigentumseinheit nicht in einem gebrauchstauglichen Zustand zur
Verfügung stellen könnte und damit Mietzinsausfälle zu befürchten hätte. Insge-
samt sei der angefochtene Entscheid betreffend die Anordnung vorsorglicher
Massnahmen aufgrund der genannten Umstände und unter Berücksichtigung der
sich gegenüberstehenden Interessen unangemessen und verstosse gegen das
Rechtsmissbrauchsverbot von Art. 2 Abs. 2 ZGB. Des Weiteren liege eine unrich-
tige Anwendung von Art. 261 ZPO vor. Die Vorinstanz hätte wegen des Fehlens
eines materiellen Anspruchs zivilrechtlicher Natur von dem Erlass einer vorsorgli-
chen Massnahme gegen die Berufungsklägerin absehen müssen. Nehme das Be-
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rufungsgericht wider Erwarten einen Verfügungsanspruch an, fehle es dennoch an
der Begründetheit des materiellen Hauptbegehrens. Die Anfechtbarkeit des
Stockwerkeigentümerversammlungsbeschlusses hätte verneint werden müssen,
da der Anspruch mangels geltend gemachten Ausstands an der Versammlung
verwirkt sei. Zudem handle es sich bei der baulichen Massnahme, deren Ausfüh-
rung durch die vorsorgliche Massnahme untersagt wurde, weder um eine wichtige
Verwaltungshandlung noch um eine nützliche Umbauarbeit, wie die Berufungsbe-
klagte in ihrem Gesuch vom 20. Juli 2012 behaupte. Die Vorinstanz habe wegen
des summarischen Verfahrens keine Qualifikation der baulichen Massnahme vor-
genommen, allerdings hätte der Einzelrichter auch bei einer bloss summarischen
Prüfung der Rechtsfrage zum Schluss kommen müssen, dass es sich vorliegend
um eine notwendige bauliche Massnahme handle. Handle es sich vorliegend um
eine notwendige bauliche Massnahme, sei an der Stockwerkeigentümerversamm-
lung vom 24. Mai 2012 mit dem richtigen Quorum abgestimmt worden, weshalb
das materielle Hauptbegehren auch aussichtslos sei. Es liege demnach in diesem
Zusammenhang kein Verfügungsanspruch, d.h. kein materieller Anspruch zivil-
rechtlicher Natur vor, weshalb der angefochtene Entscheid aufzuheben sei. Ferner
fehle es auch an einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil, da die von der
Stockwerkeigentümerversammlung beschlossene bauliche Massnahme nicht ge-
gen Aussen in Erscheinung treten würde. Es würde lediglich ein leicht verändertes
Fugenbild an der Aussenfassade des Gebäudes entstehen. Auch wenn in einem
Hauptprozess darauf erkannt würde, dass eine Fluchttüre nicht eingebaut werden
darf, würde der Berufungsbeklagten daraus kein Schaden entstehen, da die
Steinplatten an der Aussenfassade von der Berufungsklägerin ersetzt werden
könnten. Zudem ergebe eine Nachteilsprognose, dass sich der aus der Massnah-
me ergebende Nachteil, welcher sich im Verlust des Versicherungsschutzes und
einem Betriebsverbot manifestiere, ungleich grösser sei als derjenige der Beru-
fungsbeklagten. Da die Pflicht, eine zweite Fluchttüre einzubauen, auf einer obrig-
keitlichen Anordnung beruhe, könne sich die Berufungsklägerin eventualiter auch
auf den Rechtfertigungsgrund berechtigter eigener Interessen berufen, weshalb es
an einem massgeblichen Rechtsschutzinteresse für den Erlass einer vorsorglichen
Massnahme fehle. Ferner habe die Vorinstanz dadurch, dass sie die Passivlegiti-
mation der Berufungsklägerin hinsichtlich der Anordnung der vorsorglichen Mass-
nahme bejaht habe, rechtswidrig gehandelt. In der Lehre werde verlangt, dass
sich die vorsorgliche Verfügung immer gegen den Gesuchsbeklagten richten müs-
se. Ein an sich unbeteiligter Dritter könne nur in die Verfügung einbezogen wer-
den, insofern seine Rechtsstellung dadurch nicht beeinträchtigt werde. Wenn ge-
genüber dem Dritten zudem ein materieller Rechtsanspruch bestehe, müsse der
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Dritte direkt ins Recht gefasst werden. Vorliegend bestehe gegen die Berufungs-
klägerin kein materieller Rechtsanspruch. Zudem entspreche die vorsorgliche
Massnahme auch nicht der Voraussetzung, dass die Rechtsstellung der Beru-
fungsklägerin dadurch nicht beeinträchtigt werde. Die Vorinstanz hätte vorliegend
zum Schluss kommen müssen, dass die Passivlegitimation der Berufungsklägerin
nicht bestehe, weshalb der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben sei. Dass die
Vorinstanz ferner in ihrem Entscheid festgestellt habe, dass sich das Stimmrecht
der Parteien nach Ziffer 32 [sic] Abs. 2 des Reglements für die STWEG bemesse,
wobei die Parteien nach wie vor noch Eigentümer der dort genannten Einheiten
seien, sodass ihnen gesamthaft je eine Stimme zustehe, sei willkürlich und verlet-
ze den Verhandlungsgrundsatz. Diese Behauptung sei von keiner der Parteien
vorgebracht worden. Sie treffe denn auch nicht zu, da bereits zweimal schon ein
Eigentümerwechsel stattgefunden habe. Der Umstand, dass bei Stockwerkeigen-
tümerversammlungen der Berufungsbeklagten eine Stimme und der Berufungs-
klägerin vier Stimmen zukämen, sei unbestritten gewesen, weswegen die Beru-
fungsklägerin auch keine entsprechenden Beweismittel benannt habe. Damit ver-
letze die entsprechende Feststellung der Vorinstanz Art. 55 Abs. 1 ZPO. Zudem
sei die Feststellung der Vorinstanz willkürlich und hätte mit höchster Wahrschein-
lichkeit erheblichen Einfluss auf deren Entscheid gehabt. Es sei davon auszuge-
hen, dass sie den Entscheid mitgeprägt habe, weshalb die angeordnete Mass-
nahme aufzuheben sei. Schliesslich habe die Vorinstanz auch die aus dem An-
spruch auf rechtliches Gehör abgeleitete Begründungspflicht verletzt. Aus der
Kurzbegründung könne nicht klar eruiert werden, aufgrund welcher konkreten Be-
hauptungen der Berufungsbeklagten das Gesuch um vorsorgliche Massnahmen
gutgeheissen worden sei. Die Vorinstanz habe in ihrem Entscheid einzig Behaup-
tungen der Berufungsbeklagten aufgeführt. Einwände der Berufungsklägerin habe
sie in ihrer Begründung nicht berücksichtigt. Die Beweismittel seien sodann will-
kürlich gewürdigt worden; in Zusammenhang mit der Beurteilung, ob der Anspruch
der Berufungsbeklagten nicht aussichtslos sei, hätte sich zumindest die summari-
sche rechtliche Beurteilung der baulichen Massnahme aufgedrängt. Deshalb ver-
letze die Feststellung der Vorinstanz, dass die Qualifikation der vorgesehenen
Massnahme nicht vom Einzelrichter im summarischen Verfahren, sondern vom
Gesamtgericht vorzunehmen sei, den Anspruch auf Begründung, d.h. Art. 29
Abs. 2 der Bundesverfassung (BV) sowie Art. 53 Abs. 1 ZPO. Ferner erklärte die
Berufungsklägerin, dass aus ihrer Sicht die am 23. August 2012 durchgeführte
Schlichtungsverhandlung zu einem Abschreibungsentscheid der Schlichtungsbe-
hörde führen müsse. Wenn ein solcher vorliege, falle auch ohne Weiteres die vor-
Seite 6 — 17
liegend angefochtene Massnahme dahin. Der Entscheid der Schlichtungsbehörde
werde nach Erhalt umgehend eingereicht.
G.
Mit Eingabe vom 7. September 2012 beantragte die Berufungsbeklagte die
Abweisung der Berufung. Sie bestreite, dass der Beschluss über den Einbau der
Fluchttüre anlässlich der Versammlung der Stockwerkeigentümer vom 24. Mai
2012 ordnungsgemäss und mit ausreichendem Quorum zustande gekommen sei.
Ebenso werde bestritten, dass sie sich bezüglich des Einbaus einer Fluchttüre
unkooperativ verhalten habe, weil die Berufungsklägerin ihr ein Ladenlokal nicht
verkaufen wolle. Dem Dienstbarkeitsvertrag habe sie zu keinem Zeitpunkt zuge-
stimmt, wobei es sich dabei auch nur um einen Entwurf handle. Die Behauptung,
sie nehme eine unnütze Rechtsausübung wahr und mache sich des Rechtsmiss-
brauchs schuldig, weise sie zurück. Ihre Klage gegen den Beschluss der Ver-
sammlung der Stockwerkeigentümer A. sei begründet, da die Z. AG nicht an der
Versammlung hätte teilnehmen dürfen. Ferner sei der Beschluss nicht mit dem
erforderlichen Quorum gefasst worden und demzufolge ungültig. Die Berufungs-
beklagte habe von den ihr gesetzlich zur Verfügung stehenden Mitteln Gebrauch
gemacht, da sie sich von der Berufungsklägerin, welche nur über eine Wertquote
von 110/1000 verfüge, nicht dominieren lassen müsse und wolle. Die Elemente,
welche für den Erlass einer vorsorglichen Massnahme gegeben sein müssen, sei-
en vorliegend glaubhaft gemacht worden. Der Verfügungsanspruch bestehe vor-
liegend darin, dass die Berufungsbeklagte sich gegen einen Eingriff in gemein-
schaftliches Eigentum wehre. Zudem sei anlässlich der Abstimmung vom 24. Mai
2012 das gesetzlich vorgesehene Mehr über den Einbau der Fluchttüre nicht er-
reicht worden, was eine Rechtsverletzung darstelle, gegen welche sich die Beru-
fungsbeklagte ebenfalls zur Wehr setze. Als Verfügungsgrund komme der bevor-
stehende Eingriff in gemeinschaftliche Teile des Stockwerkeigentums in Frage,
welcher ohne Erlass einer vorsorglichen Massnahme unmittelbar erfolgen würde.
Der nicht leicht wieder gutzumachende Nachteil bestehe ferner darin, dass die
einmal eingebaute Türe nicht leicht wieder zu entfernen sei und es schwer fallen
würde, die Mauer und Fassade wieder in den ursprünglichen Zustand zurück zu
versetzen. Was die Frage der Passivlegitimation der Berufungsklägerin hinsicht-
lich der Anordnung der vorsorglichen Massnahme betreffe, verkenne die Beru-
fungsklägerin, dass es sich vorliegend nicht um einen materiellen Zivilprozess
handle. Die von ihr aufgeworfenen Fragen seien nicht im vorliegend summari-
schen, sondern im materiellen Verfahren zu beantworten. Davon abgesehen könn-
ten sich aber vorsorgliche Massnahmen an Dritte richten, weshalb die diesbezüg-
liche Kritik der Berufungsklägerin unberechtigt sei. Dass die Vorinstanz im ange-
Seite 7 — 17
fochtenen Entscheid die Anzahl Parteistimmen bezüglich Stockwerkeigentümer-
versammlungen erwähne und gleichzeitig erkenne, dass die Parteien des Verfah-
rens betreffend vorsorgliche Massnahmen zum Zeitpunkt, in welchem der Ent-
scheid zu fällen war, Eigentümer der Stockwerkeigentumseinheiten waren und
heute noch sind, verletze den Verhandlungsgrundsatz nicht. Die Begründung der
Berufungsbeklagten im Begehren vom 21. Juni 2012 (recte: 20. Juli 2012) um Er-
lass vorsorglicher Massnahmen sei genügend substantiiert gewesen, weshalb der
diesbezüglich Einwand der Berufungsklägerin als überspitzter Formalismus ange-
sehen werden müsse. Fernerhin sei auch das rechtliche Gehör der Berufungsklä-
gerin nicht verletzt worden. Der angefochtene Entscheid sei in genügender Weise
begründet. Sodann könne ihm auch keine willkürliche Beweiswürdigung entnom-
men werden.
H.
Mit Eingaben vom 7. und 20. September 2012 reichte die Berufungsklägerin
dem Gericht zwei Schreiben der Schlichtungsbehörde des Bezirkes Maloja ein,
welche Vorkommnisse an der am 23. August 2012 durchgeführten Schlichtungs-
verhandlung betrafen. Am 27. September 2012 teilte die Berufungsbeklagte dem
Gericht in gleichem Zusammenhang mit, dass ihr von der Schlichtungsbehörde
des Bezirkes Maloja die Klagebewilligung nun erteilt worden sei. Damit sei klar
widerlegt, dass die Berufungsbeklagte im Schlichtungsverfahren säumig gewesen
sei.
Ein zweiter Schriftenwechsel wurde nicht angeordnet. Auf die weiteren Ausführun-
gen in den Rechtsschriften sowie im angefochtenen Entscheid wird, soweit erfor-
derlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
II. Erwägungen
1. a) Gegen den Entscheid des Einzelrichters am Bezirksgericht Maloja vom
10. August 2012 reichte die X. AG am 30. August 2012 beim Kantonsgericht von
Graubünden Berufung gemäss Art. 308 Abs. 1 lit. b der Schweizerischen Zivilpro-
zessordnung (ZPO; SR 272) ein. Diese ist gemäss Art. 308 Abs. 2 ZPO in vermö-
gensrechtlichen Angelegenheiten zulässig, wenn der Streitwert der zuletzt auf-
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rechterhaltenen Rechtsbegehren mindestens Fr. 10'000.-- übersteigt. Das Streit-
werterfordernis gilt für sämtliche unter Art. 308 Abs. 1 ZPO fallenden Entscheide,
mitunter auch für Entscheide über vorsorgliche Massnahmen, soweit eine vermö-
gensrechtliche Angelegenheit betroffen ist (vgl. PETER REETZ/STEFANIE THEILER, in:
Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, Kommentar zur Schweizerischen Zivil-
prozessordnung [ZPO], Zürich 2010, Art. 308 ZPO N 38; KURT BLICKENSTORFER,
in: Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], Schweizerische Zivilprozessordnung,
Kommentar, Zürich/St. Gallen 2011, Art. 308 N 26). Der Streitwert bestimmt sich
sodann grundsätzlich durch das Rechtsbegehren (Art. 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Lautet das Rechtsbegehren nicht auf eine bestimmte Geldsumme, so setzt das
Gericht den Streitwert fest, sofern sich die Parteien darüber nicht einigen ihre
Angaben offensichtlich unrichtig sind (Art. 91 Abs. 2 ZPO). Der Streitwert einer
umstrittenen vorsorglichen Massnahme ist in der Regel zu schätzen (BLI-
CKENSTORFER, in: Brunner/Gasser/Schwander, a.a.O., Art. 308 N 26 in fine).
b) Dem vorliegenden Verfahren liegt eine Streitigkeit betreffend die Gültigkeit ei-
nes Beschlusses der Stockwerkeigentümerversammlung der STWEG A. vom
24. Mai 2012 zugrunde. Hierbei handelt es sich nach bundesgerichtlicher Recht-
sprechung um eine Streitigkeit vermögensrechtlicher Natur (vgl. BGE 135 III 578
E. 6.3 mit Verweis auf BGE 108 II 77 E. 1b). Allerdings gilt es zu beachten, dass
für das Gericht nicht der Streitwert der Klage an sich, sondern der Streitwert der
vorliegend zu prüfenden vorsorglichen Massnahme massgebend ist (BLI-
CKENSTORFER, in: Brunner/Gasser/Schwander, a.a.O., Art. 308 N 26). Sowohl der
Beschluss der STWEG wie auch die umstrittene vorsorgliche Massnahme haben
sodann den Einbau einer Fluchttüre in das Geschäftslokal der Berufungsklägerin
an der Via E. in F. zum Gegenstand. Die Berufungsklägerin beziffert den Streitwert
hierzu nicht explizit, sieht aber das Streitwerterfordernis klar als erfüllt an, was so-
dann auch von der Berufungsbeklagten nicht bestritten wird. Mit der vorsorglichen
Massnahme wird der Berufungsklägerin untersagt, die erwähnte Fluchttüre ein-
bauen zu lassen. Die I. Zivilkammer teilt hierbei die Einschätzung der Berufungs-
klägerin, dass der Streitwert vorliegend offensichtlich mehr als Fr. 10'000.-be-
trägt, womit die Berufung in diesem Zusammenhang als zulässig zu erachten ist.
c) Gemäss Art. 311 Abs. 1 ZPO und Art. 7 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zur
Schweizerischen Zivilprozessordnung (EGzZPO; BR 320.100) ist eine Berufung
beim Kantonsgericht innert 30 Tagen seit der Zustellung des begründeten Ent-
scheides seit der nachträglichen Zustellung der Entscheidbegründung
(Art. 239 ZPO) schriftlich und begründet unter Beilage des angefochtenen Ent-
scheides einzureichen. Bildet allerdings ein im summarischen Verfahren ergange-
Seite 9 — 17
ner Entscheid eine prozessleitende Verfügung Gegenstand der Berufung, so
beträgt die Frist zur Einreichung der Berufung gemäss Art. 314 Abs. 1 ZPO ledig-
lich 10 Tage. Vorliegend handelt es sich beim angefochtenen Urteil vom
10. August 2012 um einen im summarischen Verfahren erlassenen Entscheid (vgl.
Art. 248 lit. d ZPO), welcher den kürzeren Fristenlauf des ordentlichen Rechtsmit-
tels bedingt. Die Berufung vom 30. August 2012 gegen den der Berufungsklägerin
am 20. August 2012 zugestellten Entscheid erfolgte unbestrittenermassen inner-
halb der 10-tägigen Frist. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen gege-
ben sind - und auch zu keinen weiteren Ausführungen Anlass geben -, ist auf die
Berufung folglich einzutreten.
2.
Gemäss Art. 317 Abs. 1 ZPO werden neue Tatsachen und Beweismittel im
Berufungsverfahren nur noch berücksichtigt, wenn sie ohne Verzug vorgebracht
werden und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vorgebracht
werden konnten. Die von den Parteien am 7., 20. und 27. September 2012 einge-
reichten Dokumente und Beilagen der Schlichtungsbehörde des Bezirkes Maloja
(vgl. act. A3-5 sowie act. B7-9), welche die am 23. August 2012 durchgeführte
Schlichtungsverhandlung bzw. das Klageverfahren betreffen, stellen echte Noven
dar. Die beigebrachten neuen Tatsachen entstanden erst, nachdem die Parteien
ihre Berufungsschrift bzw. Berufungsantwort dem Kantonsgericht eingereicht hat-
ten. Sie sind deshalb auch noch nach Abschluss des Schriftenwechsels zulässig
(vgl. PETER REETZ/SARAH HILBER, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger,
a.a.O., Art. 317 ZPO N 21). Die erstmals mit Eingabe der Berufung eingereichten
Beweismittel betreffend die Eigentumsverhältnisse (act. B3-5) stellen hingegen
unechte Noven dar. Die Berufungsklägerin möchte damit die vorinstanzliche Fest-
stellung widerlegen, dass sich das Stimmrecht der Parteien nach Ziffer 32 [sic]
Abs. 2 des Reglements der STWEG A. vom 15. November 2004 bemisst, die Par-
teien nach wie vor noch Eigentümer der dort genannten Einheiten sind und ihnen
deshalb gesamthaft je nur eine Stimme zusteht. Da die Bemessung der Stimm-
kraft der Stockwerkeigentümer im vorinstanzlichen Verfahren (wie im Übrigen
auch im vorliegenden Rechtsmittelverfahren) gar nicht umstritten war, stellt die
umgehende Einreichung diesbezüglicher Beweismittel (act. B3-5) im vorliegenden
Verfahren keine Sorgfaltspflichtverletzung dar. Die Beweismittel sind deshalb in
Anwendung von Art. 317 Abs. 1 ZPO zuzulassen. Allerdings erweist sich die Be-
weisführung diesbezüglich als unnötig, da diese Tatsache unbestritten war und
grundsätzlich noch immer unbestritten ist. In Würdigung der gesamten Begrün-
dung des Entscheides vom 10. August 2012 kann zudem gesagt werden, dass die
Seite 10 — 17
nicht richtige Erwägung der Vorinstanz bezüglich der Stimmkraft der einzelnen
Stockwerkeigentümer ohne Auswirkung auf deren Entscheid geblieben ist.
3.
Die Berufungsklägerin bestreitet in ihrer Eingabe an das Kantonsgericht die
Passivlegitimation hinsichtlich der Anordnung der umstrittenen vorsorglichen
Massnahme. Es werde in der Lehre verlangt, dass sich eine vorsorgliche Verfü-
gung immer gegen einen Gesuchsbeklagten richten müsse. Ein an sich unbeteilig-
ter Dritter könne nur in eine solche Verfügung einbezogen werden, insofern seine
Rechtsstellung dadurch nicht beeinträchtigt werde. Vorliegend sei die Berufungs-
klägerin Drittperson und hinsichtlich der Anordnung der umstrittenen Massnahme
nicht passiv legitimiert. Eigentümerin der von der vorsorglichen Massnahme tan-
gierten Stockwerkeinheit ist wohl die Z. AG. Indessen trat und tritt die Mieterin,
d.h. die Berufungsklägerin, als Bauherrin der fraglichen Fluchttüre auf. Ihr wurde
von der STWEG auch die Bewilligung zur Einreichung des Baugesuchs erteilt (vgl.
vorinstanzliche klägerische Akten [act. 4]). Das entsprechende Baugesuch wurde
sodann von ihr selbst am 14. Juni 2012 bei der Gemeinde F. eingereicht (vgl. vo-
rinstanzliche beklagtische Akten [act. 6]). Gemäss den Angaben der Berufungs-
klägerin wurde das Baugesuch von der Gemeinde am 25. Juni 2012 bewilligt (vgl.
vorinstanzliche Akten [act. R3] Rz. 29). Obwohl die Berufungsklägerin nicht Eigen-
tümerin einer Stockwerkeigentumseinheit ist, trat diese als mögliche Verletzerin
eines von der Berufungsbeklagten geltend gemachten Anspruchs auf. Hinsichtlich
des Wortlautes von Art. 262 lit. c ZPO ist es richtig, dass die Berufungsklägerin als
Dritte und potentielle Verletzerin direkt ins Recht gefasst wurde (dies entspricht
auch dem empfohlenen Vorgehen gemäss JOHANN ZÜRCHER, in: Brun-
ner/Gasser/Schwander, a.a.O., Art. 262 N 24 in fine; THOMAS SPRECHER, in: Spüh-
ler/Tenchio/Infanger [Hrsg.], Schweizerische Zivilprozessordnung, Basler Kom-
mentar [BSK-ZPO], Basel 2010, Art. 262 N 24). Die Passivlegitimation der Beru-
fungsklägerin hinsichtlich der Anordnung der umstrittenen vorsorglichen Mass-
nahme ist somit zu bejahen.
4. a) Des Weiteren rügt die Berufungsklägerin eine unrichtige Anwendung von
Art. 261 ZPO. Die Vorinstanz hätte wegen des Fehlens eines materiellen An-
spruchs zivilrechtlicher Natur von dem Erlass einer vorsorglichen Massnahme ab-
sehen müssen es fehle vorliegend am Verfügungsanspruch. Ferner sei das ma-
terielle Hauptbegehren unbegründet. Die Anfechtbarkeit des Stockwerkeigentü-
merversammlungsbeschlusses hätte verneint werden müssen, da der Anspruch
mangels geltend gemachten Ausstands an der Versammlung verwirkt sei. Bei der
baulichen Massnahme, deren Ausführung durch die vorsorgliche Massnahme un-
tersagt wurde, handle es sich weder um eine wichtige Verwaltungshandlung noch
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um eine nützliche Umbauarbeit; es liege eine notwendige bauliche Massnahme
vor. Damit sei an der Stockwerkeigentümerversammlung vom 24. Mai 2012 mit
dem richtigen Quorum abgestimmt worden. Das materielle Hauptbegehren sei
aussichtslos, weshalb auch kein Verfügungsanspruch bestehe.
b)
Gemäss Art. 261 ZPO trifft das Gericht die notwendigen vorsorglichen
Massnahmen, wenn ein Anspruch der gesuchstellenden Person verletzt ist bzw.
eine Verletzung zu befürchten ist und ihr aus dieser Verletzung ein nicht leicht
wieder gutzumachender Nachteil droht. Ferner ist auch wenn nicht explizit in
Art. 261 ZPO genannt für die Anordnung von vorsorglichen Massnahmen erfor-
derlich, dass sich diese als dringlich und verhältnismässig erweisen. Diese Vor-
aussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein. Als Beweismass gilt Glaubhaftma-
chung, d.h. die gesuchstellende Person hat dem Gericht einen Verfügungsan-
spruch, das Vorliegen einer gewissen Dringlichkeit sowie einen drohenden nicht
leicht wiedergutzumachenden Nachteil mit einem minderen Grad der Wahrschein-
lichkeit zu beweisen (Wahrscheinlichkeitsbeweis). Die Beweisstrenge ist reduziert,
da der Rechtsschutz in solchen Fällen schnell gewährt werden muss (SPRECHER,
in: Spühler/Tenchio/Infanger, BSK-ZPO, a.a.O., Art. 261 N 50 mit weiteren Ver-
weisen). Eine Tatsache gilt als glaubhaft gemacht, wenn für deren Vorhandensein
gewisse Elemente sprechen, selbst wenn das Gericht noch mit der Möglichkeit
rechnet, dass sie sich nicht verwirklicht haben könnte (BGE 130 III 321 E. 3.3 mit
weiteren Verweisen; LUCIUS HUBER, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger,
a.a.O., Art. 261 ZPO N 25; ROGER GRONER, Beweisrecht, Bern 2011, S. 196).
c)
Die Berufungsklägerin versucht in ihrer Eingabe an das Kantonsgericht mit
einer Vielzahl von rechtlichen Argumenten darzulegen, weshalb der Vorrichter im
(summarischen) Verfahren betreffend den Erlass von vorsorglichen Massnahmen
zu Unrecht die Anwendungsvoraussetzungen von Art. 261 Abs. 1 ZPO bejaht hat.
Hierzu gilt es festzuhalten, dass die Berufungsklägerin den Sinn und Zweck des
Summarverfahrens als für den Erlass von vorsorglichen Massnahmen anwend-
bare Verfahrensart (Art. 248 lit. d ZPO) verkennt, respektive die entsprechende
Zielsetzung aus den Augen verliert. Das (summarische) Verfahren dient in erster
Linie einer raschen und (in Bezug auf ein Hauptverfahren) bloss vorläufigen Reg-
lung eines streitigen Rechtsverhältnisses. Hierbei gelten die allgemeinen Grund-
sätze, wonach ein Streitgegenstand während eines laufenden (Haupt-)Verfahrens
nicht verändert werden darf (SPRECHER, in: Spühler/Tenchio/Infanger, BSK-ZPO,
a.a.O., Art. 261 N 26) und ein Entscheid in einer Hauptsache nicht durch einen
vorzeitigen Vollzug bzw. eine „definitive Wirkung“ einer vorsorglichen Massnahme
vorweggenommen werden soll (vgl. BGE 131 III 473 E. 2.3 = Pra 95 [2006] Nr.
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32). Die Beweisstrenge für Verfahren betreffend vorsorgliche Massnahmen ist re-
duziert, da es gerade um die erwähnte rasche und nur vorläufige Gewährung des
Rechtsschutzes geht; das Beweismass ist auf Glaubhaftmachung herabgesetzt
und gilt sowohl in Bezug auf Tatsachen wie auch auf Rechtsfragen. Die Beru-
fungsklägerin anerkennt, dass auch Rechtliches bloss glaubhaft gemacht werden
muss. Das Gericht könne es bei einer summarischen Prüfung der Rechtsfragen
bewenden lassen (vgl. Berufungsschrift vom 30. August 2012 Rz. 37 [act. A.1]).
Eine vertiefte Auseinandersetzung mit Rechtsfragen insbesondere eine beflisse-
ne und zeitintensive Analyse von Literatur und Rechtsprechung zu allen sich stel-
lenden Rechtsfragen eines Falles steht denn auch dem Sinn und Zweck des
Summarverfahrens entgegen. Mit Bezug auf die eingehende Beantwortung von
Rechtsfragen in Summarverfahren betreffend den Erlass von vorsorglichen Mass-
nahmen ist insbesondere dann eine gewisse Zurückhaltung angezeigt, wenn ein
Verfahren in der Hauptsache bei einem zuständigen Gericht bereits anhängig ge-
macht worden ist und sich deshalb die Beantwortung der sich stellenden Rechts-
fragen (in einem ordentlichen Verfahren) in naher Zukunft abzeichnet. Es versteht
sich aber auch von selbst, dass in einem solchen Summarverfahren gänzlich aus-
sichtslose Rechtsbegehren eines Hauptprozesses nicht vorsorglich geschützt
werden dürfen. Das Bundesgericht stellt in seiner Rechtsprechung u.a. auf die
verschiedenen Kategorien von vorsorglichen Massnahmen ab. In diesem Zusam-
menhang betont es sodann, dass bei (vorläufigen) Realvollstreckungen erhöhte
Anforderungen an die Begründetheit eines Begehrens zu stellen sind, insbesonde-
re auch bezüglich der Prognose in Bezug auf die Hauptsache und die Würdigung
der Nachteile (vgl. BGE 133 III 360 E. 9.2 = Pra 97 [2008] Nr. 6; BGE 131 III 473
E. 2.3 = Pra 95 [2006] Nr. 32). Diese erhöhten Anforderungen müssen auch für die
Widerlegung der Glaubhaftmachung eines Anspruches des Gesuchstellers durch
einen Gesuchsgegner gelten, wenn mittels vorsorglicher Massnahme die Bewah-
rung des ursprünglichen Zustandes des Streitgegenstandes angeordnet wurde
(bzw. mittels vorsorglicher Massnahme die Unterlassung einer potentiell an-
spruchsverletzenden Handlung durch den Gesuchsgegner angeordnet wurde).
Gemäss Bundesgericht gelten die erhöhten Anforderungen dann, wenn ein be-
sonders schwerer Eingriff in Rechte droht wenn ein Entscheid über eine ge-
forderte vorsorgliche Massnahme eine definitive Wirkung zeitigt, weil ein Rechts-
streit dadurch enden würde (vgl. BGE 131 III 473 E. 2.3 = Pra 95 [2006] Nr. 32;
ZÜRCHER, in: Brunner/Gasser/Schwander, a.a.O., Art. 261 N 28). Vorliegend wur-
de durch die Anordnung der vorsorglichen Massnahme eine Veränderung des
Streitgegenstandes eines bereits beim zuständigen Gericht anhängig gemachten
Hauptverfahrens verhindert. Die Abweisung der vorsorglichen Massnahme würde
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vorliegend eine definitive Wirkung auf den Rechtsstreit haben, da die umstrittene
Fluchttüre mittels Durchbruch der Mauer und Einbau verschiedener Komponen-
ten in gemeinschaftliche Teile der STWEG - nur schwer wieder rückgängig ge-
macht werden könnte. Diese Aspekte wiegen vorliegend schwer. Kommt hinzu,
dass das zuständige Gericht die Rechtslage vorliegend bloss summarisch prüfen
musste. Dabei hat die Vorinstanz offenbar erkannt, dass die Berufungsklägerin
einen Verfügungsanspruch in casu einen zivilrechtlichen Anspruch auf einen
rechtskonform zustande gekommenen Beschluss der STWEG glaubhaft ma-
chen konnte. Ebenso wurde erkannt, dass eine zeitliche Dringlichkeit für die vor-
sorgliche Massnahme gegeben ist und ein nicht leicht wieder gutzumachender
Nachteil droht. Hierzu kann angefügt werden, dass vorliegend insbesondere die
Anwendung des Verhältnismässigkeitsprinzips für die Anordnung der vorsorgli-
chen Massnahme spricht. Im Sinne einer Nachteilsprognose sind nämlich die Inte-
ressen der Berufungsbeklagten (Gesuchstellerin) wie auch die Interessen der Be-
rufungsklägerin (Gesuchsgegnerin) zu berücksichtigen (vgl. dazu SPRECHER, in:
Spühler/Tenchio/Infanger, BSK-ZPO, Art. 261 N 31; ZÜRCHER, in: Brun-
ner/Gasser/Schwander, a.a.O., Art. 261 N 28). Entgegen der Ansicht der Beru-
fungsklägerin geht es bei einem Einbau einer Fluchttüre nicht bloss um eine Ver-
änderung von äusseren Fassadenteilen, sondern offensichtlich um einen vollstän-
digen Durchbruch der Gebäudemauer. Dies stellt einen erheblichen Eingriff in ge-
meinschaftliche Gebäudeteile dar und kann nur mit erheblichem Aufwand wieder
rückgängig gemacht werden. Die Berufungsklägerin führt in diesem Zusammen-
hang an, ihr drohe dagegen ein feuerpolizeiliches Betriebsverbot. Wohl beschrieb
der Leiter Kantonale Feuerpolizei in einem E-Mail vom 16. März 2012 an den
Rechtsvertreter der Berufungsklägerin diesbezüglich ein etwaiges Szenario, je-
doch wurde ein definitives Verbot bis anhin nicht ausgesprochen. Es liegt bis an-
hin keine entsprechende Verfügung vor. Eventuell besteht angesichts der spezifi-
schen Umstände gar die Möglichkeit einer weiteren Fristerstreckung. Ferner kann
gegen Verfügungen der Gebäudeversicherung Einsprache geführt (vgl. Art. 46 des
Gesetzes über den vorbeugenden Brandschutz und die Feuerwehr im Kanton
Graubünden [Brandschutzgesetz; BR 840.100] sowie Art. 45 des Gesetzes über
die Gebäudeversicherung im Kanton Graubünden [GebVG; BR 830.100]) und bei
Ergreifung eines Rechtsmittels stets aufschiebende Wirkung beantragt werden
(Art. 52 Abs. 2 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege [VRG; BR
370.100]). Von der Berufungsklägerin nicht aufgezeigt wurde, ob allenfalls Alterna-
tiven bestehen, um den Betrieb des Geschäftes trotz fehlender Fluchttüre aufrecht
zu erhalten (Umstellung/Redimensionierung des bestehenden Ladenlokals, tem-
poräre Einrichtung eines anderen Ladenlokals etc.). Unter Würdigung der gesam-
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ten Umstände spricht die Interessenabwägung zurzeit zu Gunsten der Berufungs-
beklagten, weshalb der Vorinstanz bei der Anordnung der vorsorglichen Mass-
nahme gefolgt werden kann.
5.
Die übrigen Einwände der Berufungsklägerin erweisen sich sodann alle-
samt als nicht stichhaltig. So ist eine unnütze Rechtsausübung (bzw. die Verlet-
zung des Art. 2 Abs. 2 ZGB) nicht von vorneherein gegeben; der Berufungsbe-
klagten kann angesichts des drohenden, erheblichen Eingriffs in gemeinschaftli-
che Teile des Stockwerkeigentums (vgl. vorstehende Erwägung 4c) das Interesse
an einem rechtsgültig zustande gekommenen Beschluss der STWEG nicht abge-
sprochen werden. Bezüglich der behaupteten Verletzung des Verhandlungsgrund-
satzes durch die Vorinstanz ist zu vermerken, dass die in diesem Zusammenhang
wesentliche Tatsache (Kopfstimmen der STWEG im Verhältnis von 4:1 zugunsten
der Berufungsklägerin) gar nie streitig war und nach wie vor unbestritten ist. In
Würdigung der Begründung des angefochtenen Entscheides ist zudem festzuhal-
ten, dass die diesbezüglich nicht richtige Erwägung der Vorinstanz keinen Einfluss
auf den Entscheid der Vorinstanz hatte (vgl. schon vorne Erwägung 2 in fine).
Schliesslich vermag auch die Rüge der Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV nicht zu
überzeugen. Das rechtliche Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV verlangt, dass eine Be-
hörde die Vorbringen einer vom Entscheid in ihrer Rechtslage betroffenen Person
tatsächlich hört, prüft und in ihrer Entscheidfindung berücksichtigt. Die aus diesem
Pflichtenheft abgeleitete Begründungspflicht der Behörde besteht nach konstanter
Rechtsprechung des Bundesgerichts im Hinblick auf eine sachgerechte Anfech-
tung des Entscheides vor der Rechtsmittelinstanz. Die Begründungspflicht wird
allerdings nicht schon alleine dadurch verletzt, dass sich die Behörde nicht mit
allen Parteivorbringen einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen
ausdrücklich widerlegt. Die Behörde kann und darf sich auf die für den Entscheid
wesentlichen Punkte beschränken. Dies gilt erst recht im summarischen Verfah-
ren. Immerhin muss ein behördlicher Entscheid aber kurz die Überlegungen nen-
nen, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf welche sich ihr Ent-
scheid stützt (vgl. dazu etwa BGE 136 V 351 E. 4.2; 136 I 229 E. 5.2; 134 I 83
E. 4.1 je mit Hinweisen). Vorliegend hat die Vorinstanz in ihrem Entscheid über die
Anordnung einer vorsorglichen Massnahme nach Art. 261 ZPO eine bloss summa-
rische Überprüfung der sich stellenden Rechtsfragen vorgenommen. Ihre Begrün-
dung fiel denn auch entsprechend knapp aus, war aber entgegen der Meinung der
Berufungsklägerin im Lichte der summarischen Prüfungspflicht des Gerichts noch
immer hinreichend. Der Berufungsklägerin war denn auch eine sachgerechte An-
fechtung des im summarischen Verfahren erlassenen Entscheids möglich.
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6. a) Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Berufung sich als
unbegründet erweist und entsprechend abzuweisen ist. Gemäss Art. 105 ZPO
werden die Gerichtskosten von Amtes wegen festgesetzt und verteilt. Die Partei-
entschädigung spricht das Gericht nach den Tarifen zu, wobei die Parteien auch
Kostennoten einreichen können. Im Gegensatz zu den Gerichtskosten wird die
Parteientschädigung grundsätzlich nur auf Antrag der betreffenden Partei festge-
setzt (vgl. nur MYRIAM A. GEHRI/MICHAEL KRAMER, Schweizerische Zivilprozessord-
nung, Kommentar, Zürich 2010, Art. 105 N 1 f.). Die Prozesskosten werden ge-
mäss Art. 106 ZPO nach Massgabe des Obsiegens und Unterliegens verteilt.
b)
Vorliegend trägt die unterliegende Berufungsklägerin die Kosten des Ver-
fahrens. Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens werden auf Fr. 2‘500.-- und
die ausseramtliche Entschädigung auf Fr. 1‘500.-- (inkl. MwSt.) festgesetzt, wobei
der ausseramtliche Aufwand geschätzt wurde, da der Rechtsvertreter der Beru-
fungsbeklagten dem Gericht keine Honorarnote eingereicht hat. Die vorinstanzli-
chen Kosten werden im Sinne der Ziffern 2 und 3 des Dispositivs des vorinstanzli-
chen Urteils vom 10. August 2012 belassen.
Seite 16 — 17
III. Demnach wird erkannt
1.
Die Berufung wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Berufungsverfahrens von Fr. 2‘500.-gehen zulasten der X.
AG, welche die Y. AG aussergerichtlich mit Fr. 1‘500.-zu entschädigen
hat.
3.
Gegen diese, einen Streitwert von weniger als 30'000 Franken betreffende
Entscheidung kann gemäss Art. 72, Art. 74 Abs. 2 lit. a des Bundesge-
richtsgesetzes (BGG) Beschwerde in Zivilsachen an das Schweizerische
Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, geführt werden, wenn sich eine Rechts-
frage von grundsätzlicher Bedeutung stellt. Andernfalls ist die subsidiäre
Verfassungsbeschwerde gemäss Art. 113 ff. BGG gegeben. In beiden Fäl-
len ist das Rechtsmittel dem Bundesgericht schriftlich, innert 30 Tagen seit
Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der Entscheidung in der gemäss
Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für die Zulässigkeit,
die Beschwerdelegitimation, die weiteren Voraussetzungen und das Verfah-
ren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 72 ff., 90 ff. und 113 ff. BGG.
4.
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