Die Beschwerdeführerin A. erstattete am 10. Januar 2014 Strafanzeige gegen B. wegen Vernachlässigung von Unterhaltspflichten und Mehrfacher Ehe. Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland erliess am 1. September 2014 eine Einstellungsverfügung und auferlegte A. Verfahrenskosten von Fr. 900.--. A. erhob Beschwerde beim Obergericht des Kantons Zürich und beantragte, die Kosten nicht ihr aufzuerlegen. Die Staatsanwaltschaft beantragte die Abweisung der Beschwerde. Das Gericht entschied, dass A. die Hälfte der Verfahrenskosten tragen muss.
Urteilsdetails des Kantongerichts ZF-04-77
Kanton: | GR |
Fallnummer: | ZF-04-77 |
Instanz: | Kantonsgericht Graubünden |
Abteilung: | - |
Datum: | 02.05.2005 |
Rechtskraft: | - |
Entscheid des Kantongerichts ZF-04-77
Kantonsgericht von Graubünden
Tribunale cantonale dei Grigioni
Dretgira chantunala dal Grischun
_____
Ref.:
Chur, 02. Mai 2005
Schriftlich mitgeteilt am:
ZF 04 77
Urteil
Zivilkammer
Vorsitz Präsident
Brunner
RichterInnen Rehli,
Sutter-Ambühl, Tomaschett-Murer und Möhr
Aktuar Conrad
——————
In der zivilrechtlichen Berufung
der B. X., Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch lic. iur. Ylenia Baretta,
Advokaturbüro Dr. Peter Schnyder, Hauptstrasse 94, 7220 Schiers,
gegen
das Urteil des Bezirksgerichts Prättigau/Davos vom 26. August 2004, mitgeteilt am
21. September 2004, in Sachen des Y., Kläger und Berufungsbeklagter, vertreten
durch lic. iur. Domenic Zinsli, Rechtsanwälte Gadient Zinsli Brüesch,
Werkstrasse 2, 7000 Chur, gegen die Beklagte und Berufungsklägerin,
betreffend Forderung (Haftung nach Art. 193 ZGB),
hat sich ergeben:
2
A.1. Mit Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 7. April 2000
wurde A. X., Ls., als Gesamtschuldner mit S.-B., aus unerlaubter Handlung ge-
mäss § 826 BGB (im Zusammenhang mit Anlegerwerbung) dazu verurteilt, Y.,
Lx./DE, DM 21'000.00 nebst 4% Zinsen seit dem 13. März 1998 zu bezahlen. Die-
ses Urteil wurde am 31. Juli 2000 rechtskräftig.
2.
Aus diesem Titel betrieb Y. in der Folge A. X. in der Schweiz auf Be-
zahlung einer Forderung von Fr. 16'086.00 nebst Zins zu 4% seit dem 13. März
1998. Gegen den am 11. Oktober 2000 zugestellten Zahlungsbefehl des Betrei-
bungsamtes Za. in der Betreibung Nr. 20001731 erhob der Betriebene gleichen-
tags Rechtsvorschlag. Mit Entscheidung vom 9. Januar 2001 erkannte der Be-
zirksgerichtspräsident Prättigau/Davos auf Vollstreckbarkeit des vorerwähnten
Urteils des Hanseatischen Oberlandesgerichts in der Schweiz, beseitigte den
Rechtsvorschlag und erteilte im beantragten Umfang die definitive Rechtsöffnung.
Eine von A. X. dagegen erhobene Rechtsöffnungsbeschwerde wies der Kantons-
gerichtsausschuss von Graubünden mit Urteil vom 21. Februar 2000 ab.
3.
Die von Y. angestrengte Fortsetzung der Zwangsvollstreckung gegen
A. X. endete am 3. Mai 2001 mit einem Verlustschein gemäss Art. 115/149 SchKG
über Fr. 19'942.35.
B.1. In der Folge brachte Y. in Erfahrung, dass A. X. eine vormals auf
seinen Namen im Grundbuch der Gemeinde Za. eingetragene Wohnung (Stock-
werkeinheit Grundbuchblatt-Blatt 54'866, 321000 Miteigentumsanteile an der Lie-
genschaft Parzelle 573 mit Sonderrecht an der 5 ½-Zimmerwohnung im Erdge-
schoss des Hauses C, dortiges Kellerabteil C03 im UG sowie reglementarischem
Benützungsrecht an 2 Autoabstellplatzen) "mit irgendeinem Vertrag vom Februar
2000" in das Alleineigentum seiner Ehefrau B. X. hatte übertragen lassen.
2.
Am 7. Dezember 2001 erhob Y. beim Vermittleramt des Kreises Za.
Klage gegen B. X.. Mangels Streitbeilegung bezog der Kläger am 20. August 2002
den Leitschein mit folgenden Klagebegehren:
"1. Es sei der Eigentumsübertragungsvertrag zwischen A. X., Za., und der
Beklagten betreffend Grundstück GB-Blatt 54866, Eigentumswohnung
Z.-Strasse, Za., vom Februar 2000 (glaublich am 22.02.2000) für an-
fechtbar zu erklären und aufzuheben.
2. Die Beklagte sei zu verpflichten, das vorerwähnte Grundstück in das
Alleineigentum von A. X., Za., zurückzuführen.
3
3. Es ist das Grundbuchamt Za. anzuweisen, auf dem GB-Blatt 54866
beim Eigentum die Beklagte zu löschen und A. X., Za., einzutragen.
4. Eventuell sei die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Fr. 19'942.35
mit Zins zu 5% seit 3. Mai 2001 und zuzüglich Pfändungsverfahrens-
kosten zu bezahlen.
5.
Unter Kostenund Entschädigungsfolge zu Lasten der Beklagten."
C.1. Mit Prozesseingabe vom 9. September 2002 prosequierte der Kläger
den Leitschein mit in der Hauptsache unveränderten Rechtsbegehren an das Be-
zirksgericht Prättigau/Davos. Zur Begründung machte er im Wesentlichen geltend,
er habe eine gerichtlich rechtskräftig erwahrte Forderung gegen A. X., den Ehe-
mann der Beklagten B. X.. Da die Pfändung gegen diesen fruchtlos verlaufen sei,
dieser aber seiner Ehegattin die in Za. belegene Stockwerkeinheit Nr. 54'866 zu
Alleineigentum abgetreten habe, verlange er gestützt auf Art. 285 ff. SchKG die
Anfechtbarerklärung und Aufhebung des zwischen den Eheleuten X. abgeschlos-
senen Rechtsgeschäfts. Die Abtretung der Eigentumswohnung an die Beklagte sei
hauptsächlich gar ausschliesslich in der Absicht erfolgt, diesen Vermögens-
wert den bevorstehenden Zwangsvollstreckungen von Gläubigern des A. X., wo-
runter auch der Kläger, zu entziehen.
2.
Mit Prozessantwort vom 10. Januar 2003 stellte die Beklagte den An-
trag, es sei auf die Klage nicht einzutreten, eventualiter sei sie vollumfänglich ab-
zuweisen. Zur Begründung brachte sie im Wesentlichen vor, sie habe im Zeitpunkt
der Anhängigmachung der Klage keinen Wohnsitz mehr in Za. gehabt. Überdies
sei die Eigentumsübertragung der hier interessierenden Stockwerkeinheit einzig
zum Zweck der teilweisen Begleichung einer langjährigen güterrechtlichen Forde-
rung erfolgt.
3.
Mit Teilurteil in Anwendung von Art. 93 ZPO verwarf das Bezirksge-
richt Prättigau/Davos am 22. Mai 2003 die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit.
Dieser Entscheid erwuchs am 1. Juli 2003 unangefochten in Rechtskraft.
4.
In der Hauptsache wurde mit Beweisverfügung vom 12. September
2003, unter anderem die Tochter der Eheleute X. und C. X., als Zeugin für rele-
vant erklärt. Weil sie dem Vorladungstermin aus Gründen, die das in Deutschland
rechtshilfeweise beauftragte Amtsgericht nicht akzeptierte, fernblieb, wurde sie mit
Verfügung vom 19. Februar 2004 zu einem Ordnungsgeld von 500 Euro sowie in
die durch ihr Ausbleiben entstandenen Kosten verurteilt. Mit Telefax vom 4. April
2004 an das Amtsgericht NI. teilte die als Zeugin neuerlich vorgeladene C. X. mit,
4
es sei zu prüfen, ob ihre Aussage überhaupt noch benötigt werde, "da die Prozes-
se schon verloren" seien und die Zwangsversteigerung der Wohnung, um die es
gehe, bereits in der Zeitung veröffentlicht worden sei. Mit Telefax vom 21. April
2004 an das Amtsgericht NI. hielt die Beklagte folgendes fest: "Ich verzichte hier-
mit auf die Aussage meiner Tochter C. X., da es mir nicht so scheint, als ob sie
überhaupt noch benötigt wird, da die Prozesse schon verloren sind, und die
Zwangsversteigerung der Wohnung um die es geht, bereits in der Zeitung veröf-
fentlicht wurde". Am 26. April 2004 verfügte der Bezirksgerichtspräsident Prät-
tigau/Davos den Verzicht auf eine rechtshilfeweise Einvernahme von C. X..
5.a. An der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht vom 26. August
2004 liess der Kläger vortragen, es sei heute nicht bekannt, ob die hier interessie-
rende Wohnung tatsächlich versteigert worden sei. Aufgrund der eingelegten be-
weismittel und Behauptungen sei in diesem Prozess davon auszugehen, dass die
Wohnung noch im Eigentum der Beklagten sei. Andernfalls würde das klägerische
Rechtsbegehren Ziff. 2 wegfallen. Zum Rechtlichen wurde unter Berufung auf
BGE 127 III 1 ausgeführt, es sei vorweg zu prüfen, ob die Voraussetzungen des
Art. 193 ZGB erfüllt seien. Erst wenn dies verneint werde, sei zu prüfen, ob die
Voraussetzungen der Art. 285 ff. SchKG gegeben seien. Die Tatbestandsmerkma-
le des Art. 193 ZGB und der Absichtsanfechtung nach Art. 288 SchKG seien ge-
geben. So anders stehe fest, dass die Beklagte für die Schulden ihres Ehe-
mannes hafte.
b.
Die Beklagte machte geltend, die hier interessierende Stockwerkein-
heit sei aus dem Alleineigentum des Schuldners ins Alleineigentum von dessen
Ehefrau "zufolge Verrechnung mit güterrechtlichen Forderungen" überführt wor-
den, wie sich nicht nur aus dem Titel des öffentlich beurkundeten Abtretungsver-
trages, sondern auch aus den Ausführungen zum Abtretungswert auf Seite 5 des
Vertrages ergebe. Somit handle es sich um ein Rechtsgeschäft, welches von Art.
193 ZGB erfasst werde. Die Prozesseingabe könne nicht als Widerspruchsklage
aufgefasst werden, da sie eindeutig als Anfechtungsklage gemäss Art. 285 ff.
SchKG betitelt und diese nicht innert der 20-tägigen peremptorischen Frist seit
Zustellung der Pfändungsurkunde, wie es eine Widerspruchsklage erfordere, ein-
gereicht worden sei. Unter diesen Umständen könne auch auf das Eventualbegeh-
ren des Klägers, welches die Verpflichtung zur Bezahlung einer Geldsumme vor-
sehe, nicht eingetreten werden.
5
6.
Am 26. August 2004 erkannte das Bezirksgericht Prättigau/Davos in
der Hauptsache wie folgt:
1. Auf die Rechtsbegehren des Y. gemäss Prozesseingabe Ziff. 1 und 2
wird nicht eingetreten. In Gutheissung des klägerischen Rechtsbegeh-
rens Ziff. 3 der Prozesseingabe wird B. X. verpflichtet, Y. Fr.
19'942.35, zuzüglich Zins zu 5% seit 3. Mai 2001, zu bezahlen.
2. Die Kosten des Kreisamtes Za. in Höhe von Fr. 200.00 sowie die Kos-
ten des Bezirksgerichts Prättigau/Davos von Fr. 4'091.00, bestehend
aus einer Gerichtsgebühr von Fr. 3'500.00, Schreibgebühren von Fr.
456.00 und Barauslagen von Fr. 135.00, gehen je hälftig zulasten des
Y. und der B. X.. ( ..).
3.
Die ausseramtlichen Kosten werden wettgeschlagen.
4. ..(Rechtsmittelbelehrung).
5. ..(Mitteilung)."
D.1. Gegen das am 21. September 2004 mitgeteilte Urteil liess B. X. mit
Schriftsatz vom 12. Oktober 2004 Berufung an das Kantonsgericht einlegen. Sie
stellt folgende Anträge:
1. Ziffer 1, 2. Satz sowie Ziffern 2 und 3 des Urteilsdispositivs des Be-
zirksgerichts Prättigau/Davos vom 26.08./21.09.2004 seien aufzuhe-
ben.
2. Ziffer 3 der Anfechtungsklage von Y. (Eventualbegehren) sei abzuwei-
sen, soweit darauf eingetreten werden kann.
3. Die Kosten des Kreisamtes Za. von Fr. 200.— sowie die Kosten des
Bezirksgerichts Prättigau/Davos von insgesamt Fr. 4'091.— seien Y.
aufzuerlegen.
4. Y. sei zu verpflichten, für das Verfahren vor dem Bezirksgericht Prät-
tigau/Davos B. X. ausseramtlich zu entschädigen.
5. Unter Kostenund Entschädigungsfolge (inkl. 7.6% MWSt) zu Lasten
des Berufungsbeklagten."
2.
Nachdem mittels Verfügung vom 22. November 2004 die Durchfüh-
rung der Berufung im schriftlichen Verfahren gemäss Art. 224 Abs. 2 ZPO ange-
ordnet worden war, erstattete die Berufungsklägerin am 18. Januar 2005 die
schriftliche Berufungsbegründung mit den identischen Rechtsbegehren wie in ihrer
Berufungserklärung vom 12. Oktober 2004.
3.
Mit Berufungsantwort vom 28. Februar 2005 schliesst der Kläger und
Berufungsbeklagte Y. auf Abweisung der Berufung, unter voller Kostenund Ent-
schädigungsfolge zu Lasten der Berufungsklägerin.
6
4.
Das Bezirksgericht Prättigau verzichtete, unter Hinweis auf die Er-
wägungen im angefochtenen Urteil, auf eine Vernehmlassung.
5.
Auf die Begründungen der Berufungsanträge, die Erwägungen im
angefochtenen Urteil sowie auf das weitere Beweisergebnis ist, soweit sachdien-
lich, nachfolgend einzugehen.
Die Zivilkammer zieht in Erwägung :
1.a. Die vermögensrechtliche Streitigkeit ist angesichts ihres Streitwerts
von Fr. 19'942.35.— berufungsfähig (Art. 19 Ziff. 1, Art. 218 ZPO, Art. 51 Abs. 1 lit.
a OG). Auf die fristgemäss eingelegte, die ausformulierten Anträge auf Abände-
rung des angefochtenen Urteils enthaltende und bei der zuständigen Instanz ein-
gereichte Berufung ist einzutreten.
b.
Nach Erstattung der Berufungsantwort durch den Berufungsbeklag-
ten hat die Berufungsklägerin als Antwort darauf einen Schriftsatz eingereicht. Ei-
nen weiteren Schriftenwechsel hat der Prozessleiter indessen nicht angeordnet.
Gegenteils wurde der Berufungsklägerin die Berufungsantwort der Gegenpartei
lediglich zur Kenntnis und Vervollständigung der Akten sowie unter dem ausdrück-
lichen Hinweis zugestellt, dass der Schriftenwechsel damit abgeschlossen sei. Die
Berufungsklägerin behauptet und begründet nicht, dass sie, ungeachtet des ge-
schlossenen Schriftenwechsels, als Ausfluss des rechtlichen Gehörs Anspruch auf
eine Entgegnung zu neuen Ausführungen in der Berufungsantwort habe. Auf ihre
Ausführungen im Schriftsatz vom 31. März 2005 ist mithin nicht einzutreten.
2.
Es ist unbestritten, dass durch den Vertrag zwischen den Ehegatten
A. X. und B. X. vom 19./22. Februar 2000 die Tatbestandsmerkmale der güter-
rechtlichen Auseinandersetzung, eines verwertbaren Vermögensstücks, des
Übergangs und des Haftungsentzugs im Sinne von Art. 193 Abs. 1 ZGB gegeben
sind. Ebenso ist erstellt, dass der Kläger eine rechtskräftig beurteilte Forderung
gegen den Ehemann A. X. hat und diese Forderung seit 1994, also bereits lange
vor dem Zeitpunkt der güterrechtlichen Auseinandersetzung zwischen den Eheleu-
ten Wagner, Bestand hatte. Schliesslich ist erwiesen, dass eine Vorausklage ge-
gen A. X. mit einem Verlustschein geendet hat.
3.
Art. 285 ff. SchKG und Art. 193 ZGB sind Haftungsnormen. Jener,
der aufgrund eines anrüchigen (paulianae) eines an sich unbedenklichen
7
(ehegüterrechtliche Auseinandersetzung) Rechtsgeschäfts einen Vermögenswert
empfängt, haftet unter Umständen dem Gläubiger des Begebenden. Die Rechts-
natur dieser Haftungstatbestände liegt darin, dass sie dem Gläubiger gestatten,
kraft Gesetzes das Vermögen eines Dritten zur Erfüllung seiner Forderung gegen
den Schuldner heranzuziehen (BGE 131 III 49 E. 2.3). Beiden Instituten gemein-
sam ist, dass die zivilrechtliche Gültigkeit des Rechtsgeschäfts zwischen dem Be-
gebenden und dem Empfangenden als solches nicht tangiert wird. Die Rechtswir-
kung bejahter Haftungen nach Art. 288 SchKG und Art. 193 ZGB beschränkt sich
im Kern darauf, dass der Gläubiger gegen den empfangenden Dritten vorgehen
und so aus dem entsprechenden Vermögenswert Befriedigung erlangen kann -
bei den Art. 285 ff. SchKG mit Inzidenzwirkung für ein gegen den Urschuldner be-
reits laufendes Vollstreckungsverfahren, bei Art. 193 ZGB mit direkter Wirkung
gegen den Dritten. Das die Haftungsbasis des Gläubigers schmälernde Rechtsge-
schäft zwischen dem begebenden Schuldner und dem empfangenden Dritten als
solches wird jedoch nicht rückabgewickelt; die durch das fragliche Rechtsgeschäft
geänderte zivilrechtliche Berechtigung am Haftungssubstrat wird nicht aufgehoben
(Urteil Zivilkammer vom 18. Januar 2000 i.S. U.S. vs. G.P., ZF 99 78 (bestätigt
durch BGE 127 III 1); PKG 1995 Nr. 41, 1990 Nr. 46 E. 1; BGE 127 III 1 E. 2a).
Insofern, das heisst soweit er sich auf die rechtliche Zuordnung des Haftungssub-
strats zum Empfangenden bezieht, muss der Rechtsbegriff "Anfechtungsklage" bei
Art. 285 ff. SchKG als irreführend bezeichnet werden. Die Anfechtungsklagen ge-
mäss Art. 285 ff. SchKG beschränken sich darauf, Vermögensgegenstände, wel-
che durch an sich rechtsgültige Akte des Schuldners ausgeschieden, bezie-
hungsweise vor Konkurseröffnung dem Konkursbeschlag entzogen wurden, dem
allgemeinen Beschlagsrecht der Gläubiger wieder zuzuführen. Die erfolgreiche
Anfechtungsklage hat keine Ungültigkeit des gesamten angefochtenen Rechtsge-
schäfts zur Folge, weder eine absolute noch eine relative; sie hat keine dingliche,
sondern nur obligatorische Wirkung. Hat ein Dritter -paulianisch anfechtbarVer-
mögensgegenstände erworben, so bleibt er deren Eigentümer; die Vermögens-
werte sind lediglich mit einem Beschlagsrecht belastet. Der Eigentumsübergang
auf den Erwerber wird durch die paulianische Anfechtung nicht schlechthin ver-
nichtet, er wird lediglich den erfolgreichen Anfechtungsklägern gegenüber nicht
beachtet, und die Gegenstände können zugunsten der Anfechtungskläger
zwangsweise verwertet werden (vgl. zum Ganzen: Kurt Amonn, Grundriss des
Schuldbetreibungsund Konkursrechts, 5. Aufl., Bern 1993, § 52 N. 2-4; Fritz-
sche/Walder, Schuldbetreibung und Konkurs nach Schweizerischem Recht, Zürich
1993, Band II, § 65 Rz 1, 6 und 8; BGE 115 III 141; PKG 1995 Nr. 41 E. 2). Dringt
der anfechtende Gläubiger durch, wird also der betreffende Vermögensgegen-
8
stand, obwohl nach wie vor dem Anfechtungsgegner gehörend, einfach zum Ver-
wertungssubstrat des Schuldners gezogen. Auch die Wendung "kann der Haftung
nicht entzogen werden" von Art. 193 Abs. 1 ZGB bedeutet mitnichten, dass der
empfangende Ehegatte nicht verfügungsberechtigter Eigentümer werden kann.
Die Meinung der gesetzlichen Anordnung ist einzig und allein, dass dem Gläubiger
trotz solcher Verschiebungen das Haftungssubstrat erhalten bleibt. Vor diesem
Hintergrund ist offensichtlich, dass auf die Klagebegehren Ziffern 1 und 2 gemäss
Prozesseingabe beziehungsweise Ziffern 1-3 gemäss Leitschein -unbesehen da-
von, ob eine der genannten Haftungsgrundlagen und welche in Betracht kommt-
nicht einzutreten war.
4.
In
seiner
Prozesseingabe stützte sich der Kläger auf die Art. 285 ff.
SchKG als Haftungsgrundlage. Vor Schranken plädierte sein Rechtsvertreter da-
für, der vorliegende Sachverhalt sei unter den Tatbestand von Art. 193 ZGB zu
subsumieren, bloss eventualiter unter die Absichtspauliana von Art. 288 SchKG
(act. 03.2.II.13). Der Richter wendet das Recht von Amtes wegen an. Es schaden
allenfalls unzutreffende rechtliche Erörterungen in den Prozesseingaben nicht. Die
Vorschriften des Hauptverfahrens (Art. 82 Abs. 3 ZPO -für die Replik in Verbin-
dung mit Art. 87 Abs. 3 ZPO)sehen denn auch ausdrücklich vor, dass Hinweise
auf die anzuwendenden Gesetzesbestimmungen zulässig seien, jedoch eine ab-
weichende rechtliche Beurteilung nicht ausschliessen. Unerlässlich ist, dass in den
Rechtsschriften all jene Tatsachen behauptet und nachfolgend bewiesen werden,
welche eine Subsumption unter den Tatbestand des Art. 193 ZGB erfordert. Es
erübrigt sich somit auf die Ausführungen der Berufungsklägerin einzugehen, wo-
nach im konkreten Fall die paulianische Anfechtung eine untaugliche Klage dar-
stelle. Die Parteien und die Vorinstanz gehen übereinstimmend und zutreffend
davon aus, dass bei der Anwendung der aus Sicht des Gläubigerschutzes konkur-
rierenden Normen Art. 193 ZGB Vorrang vor Art. 285 ff. SchKG geniesst (vgl. BGE
127 III 1 E. 2a mit zahlreichen Hinweisen).
5.a. Gemäss Art. 193 ZGB kann ein Vermögen durch Begründung
Änderung des Güterstandes durch güterrechtliche Auseinandersetzungen,
aus dem bis anhin die Gläubiger eines Ehegatten der Gemeinschaft Befriedi-
gung verlangen konnten, dieser Haftung nicht entzogen werden (Abs. 1). Ist ein
solches Vermögen auf einen Ehegatten übergegangen, so hat er die Schulden zu
bezahlen, kann sich aber von dieser Haftung so weit befreien, als er nachweist,
dass das empfangene Vermögen hiezu nicht ausreicht (Abs. 2).
9
b.
Die Berufungsklägerin vertritt die Auffassung, das Bezirksgericht hät-
te auf das Eventualklagebegehren um Zusprechung von Fr. 19'942.35 (Leitschein,
act. 03.2.II.1, Ziff. 4; Prozesseingabe, act. 03.2.II.2, Ziff. 3) nicht eintreten dürfen.
Der Kläger hätte seinen Anspruch zwingend im Widerspruchsverfahren nach Art.
108 SchKG i.V.m. Art. 193 ZGB geltend machen müssen. Die Anwendung von Art.
193 ZGB durch die Vorinstanz, ohne dass vorgängig ein Widerspruchsverfahren in
der Betreibung gegen A. X. durchgeführt worden sei, sei widerrechtlich. Art. 193
ZGB sei ausschliesslich im Widerspruchsverfahren gemäss Art. 108 SchKG an-
wendbar. Bereits dem Sachverhalt von BGE 127 III 3 lasse sich entnehmen, dass
der Anspruch gemäss Art. 193 ZGB ausschliesslich im Rahmen des Wider-
spruchsverfahrens geltend gemacht werden könne. Im Hinblick auf die Gleichstel-
lung aller Gläubiger müsse das Vorgehen nach Art. 193 ZGB zwingend im Rah-
men einer Betreibung gegen den Hauptschuldner, das heisst dort im Wider-
spruchsverfahren, geltend gemacht werden. Ansonsten wären die Gläubiger, wel-
che die Versteigerung der Wohnung veranlasst hätten und aus dem Versteige-
rungserlös befriedigt worden wären, schlechter gestellt wären als diejenigen, wel-
che ihre Forderungen später geltend machten. Die Ersten würden nämlich -je
nach der Höhe des Verwertungserlösesnur eine anteilsmässige Begleichung der
Forderung erzielen. Die Letzteren würden hingegen aufgrund der persönlichen
Haftung des Ehegatten die vollständige Tilgung der geltend gemachten Forderung
erzielen können. Es leuchte ein, dass ein solches Resultat in jeder Hinsicht unan-
gemessen und rechtsmissbräuchlich wäre. Y. hätte deshalb -wie die anderen
Gläubiger von A. X.sofort ein Betreibungsund Pfändungsbegehren gegen den
Ehemann der Beklagten stellen müssen, sobald er von der Übertragung hätte
Kenntnis erhalten können. Er wäre damit ins Widerspruchsverfahren verwiesen
worden und hätte seine Ansprüche anschliessend direkt im Verwertungsverfahren
geltend machen können. Andere Gläubiger von A. X. hätten richtigerweise diesen
Weg beschritten. Die fragliche Wohnung sei nämlich bereits am 15./18. Juni 2001
von anderen Gläubigern eingepfändet worden und der zuständige Betreibungsbe-
amte habe den erwähnten Gläubigern jeweils eine Frist von 20 Tagen angesetzt,
um Klage beim zuständigen Gericht auf Aberkennung des Anspruchs der Beru-
fungsklägerin anzuheben, was die anderen Gläubiger in der Folge denn auch ge-
tan hätten.
Des Weiteren sei die Geltendmachung des Anspruchs gemäss Art. 193
ZGB anlässlich der Hauptverhandlung vom 26. August 2004 zu spät erfolgt. Zu
diesem Zeitpunkt sei die Berufungsklägerin nämlich nicht mehr Eigentümerin der
fraglichen Wohnung gewesen. Die fragliche Wohnung sei bereits zuvor am 11.
10
Juni 2004 in Klosters zwangsversteigert und der Erlös vollumfänglich zwischen
den beteiligten Gläubiger verteilt worden. B. X. habe nichts aus dieser Versteige-
rung erhalten. Am 26. August 2004 sei die Geltendmachung des Anspruchs ge-
mäss Art. 193 ZGB nicht mehr möglich. Auch aus diesen Gründen könne auf das
Eventualbegehren nicht eingetreten werden.
c.
Das Kantonsgericht kann sich der Argumentation der Berufungsklä-
gerin aus mehreren Gründen nicht anschliessen. Vorab kann hierzu in Anwendung
von Art. 229 Abs. 3 ZPO auf die Erwägungen im angefochtenen Urteil (act. 03.1,
S. 15 f.) verwiesen werden. Dass die Berufungsklägerin von einem prozessual
nicht relevanten Sachverhalt (Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren; an-
derweitige Verteilung des gesamten Steigerungserlöses) ausgeht, wird nachfol-
gend (Erw. 6.d.) zu zeigen sein.
d.
Für ihre These, Art. 193 ZGB könne nur in einem Widerspruchsver-
fahren gemäss Art. 108 ff. SchKG geltend gemacht werden, stützt sich die Beru-
fungsklägerin ohne Veranlassung auf BGE 127 III 1. Diese Entscheidung ist die
bundesgerichtliche Überprüfung des vorerwähnten Urteils der Zivilkammer vom
18. Januar 2000 (i.S. U.S. vs. G.P., ZF 99 78). Diesem Fall lag in der Tat der
Sachverhalt zu Grunde, dass ein Ehemann seiner Ehefrau aus güterrechtlicher
Auseinandersetzung eine Wohnung übertragen hatte und diese Wohnung im Zeit-
punkt der Geltendmachung des Gläubigerschutzes gemäss Art. 193 ZGB noch im
Eigentum der Ehefrau stand. Eine Gläubigerin setzte zunächst im Zwangsverwer-
tungsverfahren gegen den Schuldner (Ehemann) die Pfändung der auf den Na-
men von dessen Ehefrau eingetragenen Wohnung durch (Urteil Kantonsgerichts-
ausschuss vom 9. März 1999 i.S. G.P. vs. C.S. und U.S., SKA 98 61 (=PKG 1999
Nr. 30) und dazu das Urteil der Schuldbetreibungsund Konkurskammer des Bun-
desgerichts 7B.71/1999 vom 14. April 1999) und obsiegte anschliessend mit einer
Klage gegen die Ehefrau im Widerspruchsverfahren nach Art. 108 SchKG, mit
dem Effekt, dass die im Eigentum der Ehefrau stehende Wohnung in dem gegen
den Ehemann laufenden Vollstreckungsverfahren zu dessen Pfändungssubstrat
gezogen und dort verwertet wurde. Indessen kann dem höchstrichterlichen Ent-
scheid in jener Sache nicht ansatzweise entnommen werden, dass dies der einzig
gangbare Weg für den Gläubiger sein soll. Der Sachverhalt, dass die Wohnung
immer noch im Eigentum der empfangenden Ehefrau stand, war vollkommen un-
bestritten, sodass sich dort die Frage des Rechtsweges, wie ihn die Beklagte im
vorliegenden Fall zum Prozessthema gemacht hat, gar nicht stellte.
11
e.
Gemäss Hausheer (Basler Kommentar, N 19 zu Art. 193 ZGB) soll
der Abs. 1 dieser Bestimmung insofern den Ersatz einer personenbezogenen
durch eine "Sachhaftung" bewirken, als bisherige Vermögenswerte und deren
(vermögensrechtlichen) Surrogate ungeachtet des Wechsels der Rechtsträger-
schaft für bestimmte Schulden einzustehen haben. Ob diese Auslegung -
gegenständliche Beschränkung auf eine "Sachhaftung" mit dem übertragenen
Vermögenswertwelche zu einem wesentlichen Unterschied der beiden Absätze
dieser Bestimmung führen soll, richtig ist, muss bezweifelt werden. Die Norm un-
terscheidet die beiden Sachverhaltsvarianten nicht. Die wertmässige Haftungsbe-
schränkung gemäss Abs. 2 (2. Halbsatz) bezieht sich auf beide Fälle. Implizite
geht dies auch aus Hausheer/Reusser/Geiser, Berner Kommentar, 1992, N 42 zu
Art. 193 ZGB, hervor, wenn dort ausgeführt wird, dass dem empfangenden Ehe-
gatten die Erschöpfungseinrede auch im Falle des Abs. 1 von Art. 193 ZGB zu-
steht, und in jenem Fall, da er die Gläubigerforderung freiwillig aus seinem übrigen
Vermögen, das heisst nicht aus dem übertragenen Vermögenswert, tilgt. Auch aus
der Wendung von Art. 193 Abs. 1 ZGB, "ein Vermögen der Haftung nicht entzie-
hen", kann nicht geschlossen werden, der Gläubiger sei stets zumindest in
jenem Fall, in welchem der Vermögenswert in seiner übertragenen Form noch
vorhanden ist, auf den Weg der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldnerehe-
gatten beschränkt, und es könne nur in diesem Verfahren -das heisst inzidenter im
Widerspruchsverfahrendie Haftung des empfangenden Ehegatten geklärt wer-
den. Dieser Weg ist zweifellos gegeben, aber es kann kein Zwang hierzu aus Art.
193 Abs. 1 ZGB abgeleitet werden. Der Gläubiger kann diesen Weg beschreiten
(Hausheer/Reusser/Geiser, a.a.O., N 38 zu Art. 193 ZGB), womit gesagt ist, dass
er es nicht muss (vgl. auch Beat Denzler, Der Anwendungsbereich des Wider-
spruchsverfahrens, Diss. Zürich 1986, S. 196 lit. b.aa; Lemp, Berner Kommentar
1963, N 64 f. zu aArt. 188 ZGB, mit Hinweis auf BGE 66 II 4). Jene Gläubiger,
welche sich nicht einem tatsächlich laufenden Vollstreckungsverfahren gegen den
hauptschuldnerischen Ehegatten mit Einbezug des umstrittenen Haftungssub-
strats anschliessen -sei es aus tatsächlicher Unkenntnis dieses Verfahrens, sei es
aus rechtlicher Unkenntnis der Haftungsbeschränkung gemäss Art. 193 Abs. 2
ZGBsetzen sich einfach dem Risiko aus, dass der haftende Ehegatte ihnen ge-
genüber später mit Erfolg die Erschöpfungseinrede erhebt. Es ist aus Art. 193
ZGB indessen weder nach Wortlaut, Systematik und Zweck ersichtlich, dass dem
Gläubiger verwehrt sein soll, den empfangenden Ehegatten direkt anzusprechen,
sei es nun, dass der übertragene Vermögenswert noch in der ursprünglichen Form
zur Zeit seiner Übertragung, namentlich als Sache vorhanden und im Eigentum
des empfangenden Ehegatten sich befindet, sei es, dass er dort in anderer Form
12
vorhanden mit dem übrigen Vermögen des empfangenden Ehegatten sich
vermischt hat. Aus der Sicht des Gläubigerschutzes ist nicht angebracht, einen
unterschiedlichen Rechtsweg vom Zufall abhängig zu machen, ob eine güterrecht-
liche Auseinandersetzung durch Geldüberweisung anderweitig nicht mehr
individualisierbare Mittel durch eine Sachübereignung erfolgt ist. Die gegen-
teilige Ansicht hätte beispielsweise zur Folge, dass bei einer güterrechtlichen Aus-
einandersetzung, welche solchermassen unterschiedliche Vermögensstücke um-
fasst, der Gläubiger für dieselbe Forderung auf der gleichen Rechtsgrundlage (Art.
193 ZGB) zwei unterschiedliche Rechtswege beschreiten müsste. Es liegt nicht
auf der Hand, dass die Gläubigerschutzbestimmung von Art. 193 ZGB dies mit
einer (entbehrlichen) Unterscheidung zwischen noch vorhandenen und unterge-
gangenen/vermischten Vermögenswerten in Kauf nimmt. Forderung und Schuld
sind nicht quasi-dinglich mit dem verschobenen Vermögenswert verknüpft. Es ist
nicht einzusehen, warum es die Haftung sein soll. Die zentrale Wertvorstellung ist,
dass dem Gläubiger wertmässig nur -aber immerhindas weiterhaften soll, was
zwischen den Eheleuten verschoben worden und beim Empfangenden (gutgläu-
big) noch vorhanden ist. Im Übrigen will das Gesetz dem empfangenden und haf-
tenden Ehegatten mit Art. 193 ZGB selbstredend keine Vorschriften machen, wie,
respektive aus welchem seiner Vermögensbestandteile er den Gläubiger befriedi-
gen will. Andererseits kann es dem Gläubiger vollkommen gleichgültig sein, aus
welchem Vermögensbestandteil des empfangenden Ehegatten seine Geldforde-
rung befriedigt wird (Hausheer/Reusser/Geiser, a.a.O., N 42 zu Art. 193 ZGB).
Aus dem unbestimmten Rechtsbegriff "der Haftung nicht entziehen" von Art. 193
As. 1 ZGB kann kaum eine gesetzliche Beschränkung auf eine "Sachhaftung" da-
hin abgeleitet werden, dass ausschliesslich der übertragene Gegenstand für die
Befriedigung der Gläubiger -freiwillig zwangsweisezu verwerten ist. Auch
bei gutgeheissener Widerspruchsklage wird das betroffene Vermögensstück nicht
ins Eigentum des Schuldnerehegatten zurückgeführt. Es wird nur so getan, als ob.
Sobald der Vermögensübergang stattgefunden hat, haftet der empfangende Ehe-
gatte auch bei Abs. 1 von Art. 193 ZGB persönlich, denn er ist und bleibt ja der
neue Eigentümer des der Haftung entzogenen Vermögenswerts, sei dies nun in
der übertragenen Form, als Surrogat als freiwilliger erzwungener Ver-
wertungserlös. Das ist in jedem Fall eine persönliche Ansprache und kann als sol-
che geltend gemacht werden.
f.
Das in diesem Zusammenhang vorgebrachte Argument, im Hinblick
auf die Gleichstellung aller Gläubiger müsse das Vorgehen nach Art. 193 ZGB
zwingend im Rahmen einer Betreibung gegen den Hauptschuldner, das heisst dort
13
im Widerspruchsverfahren, geltend gemacht werden, ist unerspriesslich. Art. 193
ZGB kann nicht entnommen werden, dass die Norm dies bezweckt beziehungs-
weise der empfangende Ehegatte bei seiner Tilgung der Schulden des anderen
Ehegatten für eine Gleichbehandlung aller Gläubiger zu sorgen hätte. Im Verhält-
nis zwischen den Gläubigern, welche Befriedigung auf dem Weg einer Zwangs-
vollstreckung gegen den hauptschuldnerischen Ehegatten suchen und jenen, die
gegen den empfangenden Ehegatten vorgehen, sowie innerhalb der Gruppe jener
Gläubiger, die gegen den empfangenden Ehegatten vorgehen, gilt das Prinzip
"Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" (vgl. dazu Egger, a.a.O., N 13 zu aArt. 188 ZGB;
Hausheer/Reusser/Geiser, a.a.O., N 53 zu Art. 193 ZGB; Lemp, a.a.O., N 55 zu
aArt. 188 ZGB).
g.
Nach anderer Auffassung bezieht sich Art. 193 Abs. 1 ZGB grund-
sätzlich nur auf solche güterrechtliche Auseinandersetzungen, bei denen gar kein
Vermögensübergang erfolgt. Die beiden Möglichkeiten von Abs. 1 und 2 schlies-
sen sich gegenseitig aus. Geht Vermögen an den anderen Ehegatten über, kann
der Gläubiger nur noch nach Abs. 2 vorgehen, sofern nicht schon vorher der be-
treffende Vermögenswert in der Betreibung gegen den hauptschuldnerischen
Ehegatten gepfändet worden ist (Egger, Zürcher Kommentar 1936, N 6 und 16 zu
Art. 188 ZGB; Denzler, a.a.O., S. 195), womit Abs. 1 vorliegend nicht zur Anwen-
dung kommt, da unbestreitbar ein Vermögensstück auf die Beklagte übergegan-
gen ist. Wie zu zeigen sein wird, stellt die Einschränkung, dass vorher keine (defi-
nitive) Pfändung des übertragenen Vermögensstücks in der Betreibung gegen den
hauptschuldnerischen Ehegatten erfolgt ist, vorliegend keine für die Beurteilung zu
berücksichtigende Sachverhaltsgrundlage dar. Sollte dennoch davon auszugehen
sein, dass eine definitive Pfändung und namentlich die Verwertung (Zuschlag an
einen Ersteigerer) erfolgt sind, ist darauf hinzuweisen, dass "quant à l'obligation
personnelle accessoire de l'art. 188 al. 2 CC, elle présentera un intérêt pratique
pour les créanciers surtout dans le cas où l'époux attributaire aura, de son côté,
déjà aliéné les biens transmis" (BGE 65 II 105 E. 1; Charles Knapp in ZBJV 78 S.
356). Entgegen der Berufungsklägerin spricht demnach die selbst behauptete Tat-
sache, dass sie nicht mehr Eigentümerin der fraglichen Wohnung ist, nicht für,
sondern gegen die Geltendmachung im Widerspruchsverfahren. Bei einer erfolg-
ten Zwangsverwertung verhält es sich diesbezüglich nicht anders als bei einer pri-
vaten Veräusserung. Die Vorstellung der Berufungsklägerin, nach einer erfolgten
Zwangsversteigerung des Haftungsgegenstandes sei die Geltendmachung des
Anspruchs gemäss Art. 193 ZGB generell nicht mehr möglich beziehungsweise
verspätet, ist irrig. Das Interesse des Gläubigers an einer Direktklage ist grund-
14
sätzlich auch bei einer Zwangsversteigerung gegeben, da ein allenfalls resultie-
render Verwertungsüberschuss dem empfangenden Ehegatten als Eigentümer
zufliesst und insoweit Haftungssubstrat im Sinne von Art. 193 ZGB bildet.
h.
Die Frage des Verhältnisses der Absätze 1 und 2 von Art. 193 ZGB
und welche Konsequenzen sich allenfalls für den Rechtsweg daraus ergeben,
kann im Speziellen offen bleiben. Die Beklagte macht selbst geltend, die 5 ½-
Zimmerwohnung sei nicht mehr -weder in der Form der ursprünglich übertrage-
nen Sache, noch als Surrogatin ihrem Eigentum sondern versilbert worden.
Dannzumal kommt in jedem Fall nur eine Bereicherungshaftung nach Abs. 2 der
genannten Bestimmung in Betracht. Es ist offensichtlich, dass diese Bereiche-
rungshaftung nicht in einem Zwischenverfahren in der Zwangsvollstreckung gegen
den übertragenden Ehegatten sondern nur in einer direkten persönlichen Anspra-
che gegen den, das Haftungssubstrat empfangenden Ehegatten (hier die Beklag-
te) geltend gemacht werden kann.
6.a. Die Haftung nach Art. 193 Abs. 2 ZGB ist eine persönliche, akzesso-
rische, subsidiäre und beschränkte. Die umfangmässige Beschränkung ergibt sich
aus dem zweiten Halbsatz von Absatz 2, wonach sich der empfangende Ehegatte
von dieser Haftung so weit befreien kann, als er nachweist, dass das empfangene
Vermögen hiezu nicht ausreicht. Es steht ihm die so genannte Erschöpfungsein-
rede zu. Für das Ausmass der Haftung im Zeitpunkt des Vermögensübergangs ist
der Verkehrswert des Vermögens im gleichen Zeitpunkt bestimmend. Das Vermö-
gen macht jedoch anschliessend alle Wertschwankungen mit, also auch konjunk-
turelle Wertverminderungen und -vermehrungen (Heinz Hausheer, Basler Kom-
mentar, N 23 zu Art. 193 ZGB; Hausheer/Reusser/Geiser, a.a.O., N 52 zu Art. 193
ZGB). Eine zu berücksichtigende Minderung des Haftungssubstrats tritt sodann in
dem Umfang ein, in welchem der empfangende Ehegatte im Rahmen von Art. 193
ZGB andere Gläubiger -unter Vorbehalt von Art. 287/288 SchKGbefriedigt hat
(Hausheer, a.a.O., N 30 zu Art. 193 ZGB). Bei der Erschöpfungseinrede handelt
es sich um ein Recht des empfangenden und haftenden Ehegatten. Er muss
rechtzeitig die Einrede erheben und die entsprechenden Tatsachengrundlagen
behaupten und beweisen (Hausheer/Reusser/Geiser, a.a.O., N 60 zu Art. 193
ZGB).
b.
Die Vorinstanz hat zum Sachverhalt ausgeführt, die hier interessie-
rende Stockwerkeinheit der Beklagten sei mittlerweile auf Betreibungen anderer
Gläubiger hin provisorisch gepfändet worden, wie sich aus einem edierten Grund-
15
buchauszug ergebe. Gemäss einem von Amtes wegen beigezogenen Auszug aus
dem Amtsblatt des Kantons Graubünden Nr. 13 vom 1. April 2004, S. 1344 f., sei
die Versteigerung des Grundstücks auf den 11. Juni 2004 in Za. anberaumt wor-
den und laut Ausführungen der beklagtischen Rechtsvertreterin vor Schranken
habe die Versteigerung damals tatsächlich stattgefunden, wobei "nicht einmal alle
Gläubiger hätten befriedigt werden können und die Beklagte aus der Versteige-
rung der Wohnung selbstverständlich nichts erhalten habe". An der Richtigkeit
dieser Ausführungen zu zweifeln, bestehe, zumal auch mit Blick auf den edierten
Grundbuchauszug kein Anlass. Es sei somit davon auszugehen, die Stockwer-
keinheit sei am 11. Juni 2004 versteigert und der Steigerungserlös mittlerweile
vollumfänglich an diese anderen Gläubiger verteilt worden. Die Vorinstanz hat
demnach als Tatsache festgestellt, dass das Haftungssubstrat restlos aufge-
braucht ist und in Anwendung von Art. 193 Abs. 2 ZGB die Rechtsfolge abgeord-
net, dass die Beklagte hafte.
c.
Es ist der Berufungsklägerin zuzustimmen, dass darin eine offen-
sichtlich falsche Rechtsanwendung liegt, denn der empfangende Ehegatte haftet
zwar persönlich und mit seinem ganzen Vermögen (Hausheer/Reusser/Geiser,
a.a.O., N 50 zu Art. 193 ZGB; Hausheer, Basler Kommentar, a.a.O., N 28 zu Art.
193 ZGB; Egger, a.a.O., N 10 zu aArt. 188 ZGB), jedoch nicht unbeschränkt. Die
Haftung "mit dem ganzen Vermögen" bedeutet lediglich, dass er sich durch Er-
werb von Ersatzstücken sowie Versilberung des erhaltenen Vermögensstücks und
Vermischung mit seinem übrigen Vermögen einer Haftung nicht entledigen kann.
Im Übrigen haftet er aber stets nur im Ausmass der bei ihm noch vorhandenen
Bereicherung, es sei denn, er habe sich des Haftungssubstrats im Sinne der
SchKG-Anfechtungstatbestände entledigt (vgl. Hausheer/Reusser/Geiser, a.a.O.,
N 52 f. zu Art. 193 ZGB; Hausheer, Basler Kommentar, a.a.O., N 29 zu Art. 193
ZGB; Egger, a.a.O., N 13 zu aArt. 188 ZGB; Denzler, a.a.O., S. 195). Die Vo-
rinstanz konnte nicht einerseits in tatsächlicher Hinsicht feststellen, dass das Haf-
tungssubstrat, um welches es hier geht, als solches bei der Beklagten nicht mehr
vorhanden beziehungsweise wertmässig vollständig erschöpft ist, indem die Woh-
nung bereits versteigert und der gesamte Steigerungserlös unter den Pfändungs-
gläubigern verteilt worden ist, und andererseits in rechtlicher Hinsicht, dass die
Beklagte dessen ungeachtet stets noch dem Kläger aus Art. 193 Abs. 2 ZGB haf-
te.
d.aa. Dieser Rechtsanwendungsfehler hilft der Berufungsklägerin im Spe-
ziellen indessen nicht. Entgegen der Berufungsklägerin kann keine Rede davon
16
sein, es sei unbestritten geblieben, dass zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung der
Erlös aus der Versteigerung bereits vollständig an Drittgläubiger verteilt worden
war und sie daraus nichts erhalten habe. Es ist festzustellen, dass sich die Vo-
rinstanz zunächst grundlos mit diesen verspätet in den Prozess eingeführten Tat-
sachenbehauptungen beschäftigt und darüberhinaus dieselben, lediglich behaup-
teten und von der Gegenpartei bestrittenen Umstände als erwiesene Tatsachen
hingestellt hat. Die "Tatsachen" der Zwangsversteigerung und die vollständige
Verwendung des Haftungssubstrats zu Gunsten anderer Gläubiger sollen sich -
nach abgeschlossenem Schriftenwechsel im vorinstanzlichen Verfahrenam 11.
Juni 2004, beziehungsweise am 26. Juni 2004 verwirklicht haben. Sie waren der
Berufungsklägerin als der betroffenen Grundeigentümerin und Pfändungsschuld-
nerin jeweils ohne Umschweife bekannt. Falls sie daraus im vorliegenden Prozess
Rechte (Erschöpfungseinrede) ableiten wollte, war sie gehalten, diese Tatsachen
ungesäumt in den laufenden Prozess einzuführen. Das hat sie nicht getan. Wenn
die Berufungsklägerin in diesem Zusammenhang ausführen lässt, der Kläger hätte
wissen können, dass die Wohnung bereits durch andere Gläubiger gepfändet war
und danach handeln müssen, ist dies eine Umkehrung der Dinge. Es ist nicht der
Kläger sondern die Beklagte, welche aus den genannten Umständen materielle
(Erschöpfungseinrede) und prozessuale Rechte (Einwendung des unzulässigen
Rechtsweges) ableiten will.
bb. Die Behauptungslast und die Substantiierungspflicht sind Institute
des kantonalen Prozessrechts. Indessen entscheidet sich nicht nach kantonalem
Prozessrecht, sondern nach materiellem Bundesrecht, ob ein danach zu beur-
teilender Anspruch durch die Sachvorbringen einer Partei ausreichend sub-
stantiiert ist. Dies folgt aus dem umgeschriebenen Grundsatz des materiellen
Bundesrechts, dass jede sich darauf gründende Rechtsbehauptung bei hinrei-
chendem Interesse zum Urteil zuzulassen sei, weshalb Bundesrecht auch darüber
entscheidet, ob die formund fristgemäss vorgebrachten Tatsachenbehauptungen
erlauben, die Rechtsbehauptung einer Partei zu beurteilen (PKG 1987 9 52 mit
zahlreichen Hinweisen; BGE 108 II 339). Wenn sich die Beklagte für ihre Weige-
rung zu zahlen, auf den bundesrechtlichen Rechtssatz von Art. 193 Abs. 2 ZGB
(2. Halbsatz: kann sich aber von dieser Haftung so weit befreien, als er nach-
weist, dass das empfangene Vermögen hiezu nicht ausreicht) stützen wollte
(Rechtsbehauptung), kann dies von einem Richter nur unter der Voraussetzung
geprüft werden, dass sie in tatsächlicher Hinsicht behauptet hat, das übertragene
Haftungsvermögen sei ganz teilweise aufgebraucht. Ohne diese Tatsachen-
17
behauptung ist es nicht möglich die Rechtsbehauptung der Beklagten zu beurtei-
len.
Während bei einem bundesrechtlichen Anspruch die inhaltliche Zulänglich-
keit der Behauptung und Substantiierung auch aufgrund des Bundesrechts zu be-
stimmen ist, bleibt es den Kantonen vorbehalten, in ihren Prozessrechten Regeln
über die Form und Frist, bis zu welchem Zeitpunkt im Prozess solche Vorbringen
eingebracht werden können, aufzustellen. Es ist -soweit sich aus dem Bundes-
recht nichts anderes ergibtSache der Kantone, ob sie überhaupt die Verhand-
lungsund Eventualmaxime einführen sich zur Offizialmaxime bekennen wol-
len. Sodann können die kantonalen Prozessrechte aber auch die Verhandlungs-
und Eventualmaxime unterschiedlich, das heisst strenger milder ausgestalten
(Hans Schmid, Basler Kommentar, N 31 zu Art. 8 ZGB mit Hinweisen), wobei die
Handhabung dieser Prozessmaximen die Durchsetzung des materiellen Bundes-
rechts nicht verunmöglichen übermässig erschweren darf. Dies schliesst je-
doch nicht aus, dass nach der im kantonalen Prozessrecht geltenden Verhand-
lungsund Eventualmaxime eine nachlässige Prozessführung den Verlust des
materiellen Anspruchs nach sich zieht.
Für den bündnerischen Zivilprozess legt Art. 118 ZPO die Verhandlungsma-
xime fest mit der Formulierung, es sei Sache der Parteien, dem Gericht das Tat-
sächliche des Rechtsstreits darzulegen. Dies besagt nichts anderes, als dass die
Parteien alle für ihre Rechtsposition erheblichen Tatsachen zu behaupten und für
Behauptetes nötigenfalls den Beweis anzutreten haben. Oder mit anderen Worten:
Was nicht behauptet ist, darf vom Richter nicht berücksichtigt werden und kann
auch nicht zum Beweis gestellt werden (Schmid, a.a.O., N 31 zu Art. 8 ZGB). Im
zweiten Satz der gleichen Bestimmung wird zudem auf die ebenfalls geltende
Eventualmaxime verwiesen, indem statuiert wird, das Gericht lege seinem Verfah-
ren nur rechtzeitig geltend gemachte Tatsachen zugrunde. Rechtzeitig im Sinne
von Art. 118 ZPO heisst in den Rechtsschriften (Art. 82 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO, 87 Abs.
3 ZPO; PKG 1987 Nr. 9). In einem späteren Zeitpunkt sind neue Behauptungen
ausgeschlossen. Lediglich neue Beweismittel können unter den besonderen Vo-
raussetzungen von Art. 98 und Art. 108 ZPO noch später zugelassen werden, in-
dessen nur insoweit, als damit tatsächliche, bereits in den Rechtsschriften enthal-
tene Behauptungen bewiesen werden sollen (vgl. auch Art. 226 ZPO für das Beru-
fungsverfahren). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ergibt sich aus Art. 223
ZPO in Verbindung mit Art. 117 Abs. 1 ZPO. Demgemäss ist dem Urteil -unter
Vorbehalt rechtzeitiger Geltendmachungderjenige Sachverhalt zugrundezulegen,
18
wie er im Urteilszeitpunkt besteht. Dadurch wird die strenge Eventualmaxime da-
hingehend eingeschränkt, dass Tatsachen, welche nach Abschluss des Rechts-
schriftenwechsels eintreten, nachträglich behauptet und bewiesen werden dürfen.
Denn solche nachträglich eingetretene Tatsachen konnten von den Parteien aus
objektiven, von ihnen nicht zu verantwortenden Gründen im Rahmen der Rechts-
schriften gar nicht geltend gemacht werden (Urteil Zivilkammer vom 22. März 1995
i.S. C. AG vs. W., ZF 58/92; Urteil Zivilkammer vom 4. Januar 1999 i.S. W.N. vs.
A.B. AG, ZF 98 84; Walder, Zivilprozessrecht, 4. A., Zürich 1996, § 19 N 15).
cc.
Die öffentliche Zwangsversteigerung der Stockwerkeinheit 54'866 ist
scheinbar am 1. April 2004 im kantonalen Amtsblatt publiziert (act. 03.2.VII.25),
am 11. Juni 2004 durchgeführt und das Steigerungsergebnis vom Betreibungsamt
Za. am 26. Juni 2004 (act. 02.6) abgerechnet worden. Es kann ohne in Willkür zu
verfallen angenommen werden, dass diese Tatsachen der Beklagten als der be-
troffenen (Dritt)Eigentümerin der gepfändeten StWE jeweils sofort zur Kenntnis
gelangt sind und für sie im vorliegenden Prozess ohne Verzug und leicht behaupt-
und beweisbar gewesen wären. Die Beklagte hat jedoch erstmals im Plädoyer an
der Hauptverhandlung vom 26. August 2004 -mithin 2 Monate danachdie ent-
sprechenden Tatsachen, auf welche sie ihre Erschöpfungseinrede stützte, be-
hauptet (act. 03.2.II.14, S. 5). Beweisurkunden reichte sie, trotz entsprechender
Fristansetzung gemäss Art. 98 ZPO vom 3. August 2004 (act. 03.2.VII.27) nicht
ein. Auch an der drei Wochen später durchgeführten vorinstanzlichen Hauptver-
handlung legte sie im Rahmen von Art. 108 ZPO weder diesbezügliche Urkunden
ein noch stellte sie Beweisanträge (act. 03.2.II.16 Ziff. 23 und 24). Dessen unge-
achtet hat die Vorinstanz, nach eigenen Angaben "von Amtes wegen" das Be-
weisergebnis durch den Beizug der im Amtsblatt erfolgten betreibungsamtlichen
Steigerungspublikation ergänzt. Zu welchem Zeitpunkt dies erfolgt ist, und ob das
Ergebnis parteiöffentlich gemacht wurde, ist nicht ersichtlich; das "Beweismittel"
liegt bei der Gerichtskorrespondenz (act. 03.2.VII. 25). Was die Vorinstanz, in ei-
ner vollständig der Dispositionsmaxime unterliegenden und mit voller Behaup-
tungsund Beweislast gemäss Art. 8 ZGB behafteten Streitigkeit zur Beweiser-
gänzung von Amtes wegen bewog, ist ebenso wenig ersichtlich.
Unter dem hier geltenden Regime der Verhandlungsmaxime darf der Rich-
ter den Sachverhalt nicht von Amtes wegen ergänzen berichtigen (Max Gul-
dener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, Zürich 1979, S. 159 f.). Aus dem in Ver-
letzung dieses Grundsatzes hergestellten Beweisergebnis, dass die Versteige-
rungstermin im Amtsblatt publiziert worden ist, kann sodann naturgemäss nicht
19
geschlossen werden, der Steigerungsgegenstand sei einem Erwerber zugeschla-
gen worden, und erst recht kann daraus nicht auf eine bestimmte Verteilung des
(unbekannten) Steigerungserlöses geschlossen werden. Das sind alles prozessual
unerlaubte Spekulationen. Die Vorinstanz hat hier ausschliesslich auf die unbe-
wiesenen Behauptungen der Beklagten an der Hauptverhandlung abgestellt. An-
gesichts der Bestreitung durch den Kläger (act. 03.2.II.13), ist dies unzulässig.
Der Berufungserklärung der Beklagten vom 12. Oktober 2004 lässt sich
nichts über unerledigte Beweisfragen entnehmen und ein Revisionsgesuch hat sie
nicht gestellt. Sie hat erstmals am 12. Oktober 2004, im Rahmen ihres Gesuchs
um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Berufungsverfahren, den
Beweis für den vollständigen Verbrauch des gegenständlichen Haftungssubstrats
offeriert (act. 02.6). Der Berufungsbeklagte ist einerseits nicht Partei dieses Ne-
benverfahrens zur Berufung und hat andererseits stets bestritten, dass das Haf-
tungssubstrat erschöpft sei.
Dem Urteil wird unter Vorbehalt rechtzeitiger Geltendmachung der Sach-
verhalt zu Grunde gelegt, wie er in diesem Zeitpunkt besteht (Art. 117 Abs. 1
ZPO). Rechtzeitige Geltendmachung heisst, dass die Tatsachen in den Rechts-
schriften zu behaupten sind (Art. 82 Abs. Ziff. 3, Art. 98 Ingress ZPO). Im Verhält-
nis zur letzten Rechtsschrift der Beklagten (Prozessantwort vom 10. Januar 2003,
act. 03.2.II.3) handelte es sich bei der Verteilung des Steigerungserlöses indessen
um ein echtes und wie gesehen relevantes novum. Tritt solches nach Abschluss
des Schriftenwechsels ein, ist jede Partei gehalten, das neue Material ungesäumt
zum Prozessstoff zu machen; gegebenenfalls ist Antrag auf Verschiebung einer
bereits angesetzten Hauptverhandlung zu stellen. Wollte man zu Gunsten der Be-
klagten annehmen, sie habe bis zur Hauptverhandlung vor Bezirksgericht keine
Veranlassung gehabt, die Erschöpfungseinrede nach Art. 193 Abs. 2 ZGB zu er-
heben -was angesichts von Ziff. 4 des vermittelten Klagebegehrens (act. 03.2.II.1)
allerdings schwer fällthätte sie ein Revisionsgesuch bei hängiger Berufung im
Sinne von Art. 250/243 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO einreichen müssen. Das hat sie weder
mit der Berufungserklärung noch mit der schriftlichen Berufungsbegründung ge-
tan, wobei Letzteres angesichts der relativen Frist von 3 Monaten gemäss Art. 246
Abs. 2 (2. Satz) ZPO ohnehin verspätet wäre. Schliesslich ist auch absehbar, dass
der Berufungsklägerin der Revisionsgrund von Art. 243 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO nicht
hätte zugebilligt werden können, da es ihr sehr wohl möglich war, die neuen er-
heblichen Tatsachen und entscheidenden Beweismittel rechtzeitig im erstinstanz-
lichen Verfahren zu behaupten und beizubringen. Es ist erwiesen, dass ihr diese
20
Tatsachen und Beweismittel zwei Monate vor der erstinstanzlichen Hauptverhand-
lung bekannt und zugänglich waren. Es führt somit kein Weg an der Feststellung
vorbei, dass ein Verhalten nach Treu und Glauben im Prozess der Beschwerde-
führerin dringend geboten hätte, die zur Wahrung ihrer Rechte (wirksame Erhe-
bung der Erschöpfungseinrede) notwendigen ergänzenden Sachverhaltsbehaup-
tungen und Beweisanträge sofort nach deren Verwirklichung/Kenntnisnahme in
den erstinstanzlichen Prozess einzubringen. Indem die Berufungsklägerin von den
ihr dort offen stehenden und sich aufdrängenden prozessualen Möglichkeiten kei-
nen Gebrauch gemacht hat, hat sie ihren prozessualen Sorgfaltspflichten nicht
genügt.
e.
Zusammenfassend mangelt es somit an der prozessrelevanten Tat-
sachengrundlage, auf welcher die Beklagte die Einrede des erschöpften Haf-
tungssubstrats nach Art. 193 Abs. 2 ZGB hätte wirksam erheben können. Soweit
es die Tatsachen anbelangt, hätte im Rahmen dieses Prozesses bereits die Vo-
rinstanz davon ausgehen müssen und muss auch die Rechtsmittelinstanz nolens
volens davon ausgehen, dass das Haftungssubstrat noch vorhanden ist. Aufgrund
der von der Beklagten rechtzeitig aufgestellten, beachtlichen Tatsachenbe-
hauptungen und den von ihr dazu gelieferten Beweisen, lässt sich ihre Rechtsbe-
hauptung des erschöpften Haftungssubstrats nicht beurteilen. Es kann der Einrede
somit auch keine Rechtsfolge gegeben werden, womit es im Resultat beim Urteil
der Vorinstanz bleibt. Der als Folge davon eingetretene materielle Rechtsverlust
mag hart erscheinen, kann aber nicht mehr korrigiert werden.
7.
Ist die Berufung von B. X. abzuweisen, trägt sie die Verfahrenskos-
ten (Art. 223 ZPO in Verbindung mit Art. 122 Abs. 1 ZPO), welche in Anwendung
von Art. 5 lit. a (Gerichtsgebühr) und Art. 8 Abs. 1 (Schreibgebühr Fr. 15.— pro
Urteilsseite) des Kostentarifs im Zivilverfahren auf Fr. 2'330.— (Gerichtsgebühr Fr.
2'000.-, Schreibgebühr Fr. 330.—) festzusetzen sind.
b.
Gemäss Art. 122 Abs. 2 ZPO hat die unterlegene Berufungsklägerin
ausserdem nach dem gleichem Grundsatz den obsiegenden Berufungsbeklagten
für dessen notwendigen Umtriebe im Berufungsverfahren voll zu entschädigen.
Eine Honorarnote für seine Aufwendungen im Berufungsverfahren hat der
Rechtsvertreter des Berufungsbeklagten nicht eingereicht, so dass die Zivilkam-
mer die Prozessentschädigung nach pflichtgemässem Ermessen durch Schät-
zung, unter Berücksichtigung der tatsächlich getätigten und für eine sachgerechte
21
Rechtsvertretung notwendigen Aufwendungen, festsetzt. Ein mündlicher Vortritt
fand nicht statt. Der effektiv getätigte Aufwand für die Berufungsantwort war ver-
gleichsweise bescheiden, äussert sich der 3-seitige Schriftsatz doch im Wesentli-
chen nur zum Sachverhalt und prozessrechtlichen Fragen bezüglich seiner Fest-
stellung. Eine Verfahrenentschädigung von 500 Franken erscheint unter diesen
Umständen als angemessen.
22
Demnach erkennt die Zivilkammer :
1.
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Bezirksgerichts Prät-
tigau/Davos vom 26. August 2004 wird bestätigt.
2.
Die Kosten des Berufungsverfahrens von Fr. 2'330.— (Gerichtsgebühr Fr.
2'000.—; Schreibgebühr Fr. 330.—) gehen zu Lasten von B. X..
3.
B. X. ist verpflichtet, Y. für das Berufungsverfahren eine Prozessentschädi-
gung von 500 Franken zu bezahlen.
4. Mitteilung
an:
__
Für die Zivilkammer des Kantonsgerichts von Graubünden
Der Präsident:
Der Aktuar:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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