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Urteil Obergericht (BE)

Kopfdaten
Kanton:BE
Fallnummer:BK 2014 197
Instanz:Obergericht
Abteilung:-
Obergericht Entscheid BK 2014 197 vom 24.06.2014 (BE)
Datum:24.06.2014
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Frist staatsanwaltschaftliche Haftbeschwerde (Leitentscheid)
Schlagwörter : Beschwerde; Staatsanwalt; Zwangsmassnahmengericht; Einvernahme; Staatsanwaltschaft; Beschuldigte; Entscheid; Unverzüglich; Untersuchungshaft; Beschuldigten; Ankündigung; Haftentscheid; Einreichen; Unverzügliche; Stunden; Verfahren; Ankündigen; Beschwerderecht; Haftentscheids; Beantragen; Mitgeteilt; Zwangsmassnahmengerichts; Frist; Zeitpunkt; Mitteilung; Ergebnis; Oberrichter; Eröffnung; Telefonisch
Rechtsnorm: Art. 10 BV ; Art. 226 StPO ; Art. 388 StPO ;
Referenz BGE:138 IV 148; 138 IV 92;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
BK 2014 197 - Frist staatsanwaltschaftliche Haftbeschwerde (Leitentscheid)
BK 2014 197
Beschluss der Beschwerdekammer in Strafsachen
Oberrichterin Schnell (Präsidentin), Oberrichter Trenkel, Oberrichter Stucki
Gerichtsschreiberin Kurt


vom 3. Juni 2014


in der Strafsache gegen


A.
amtlich vertreten durch Rechtsanwalt X.
Beschuldigter


Regionale Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland

Beschwerdeführerin


wegen mehrfacher Vergewaltigung, evtl. mehrfacher Schändung, evtl. mehrfacher sexueller Nötigungen etc. / Verlängerung der Untersuchungshaft


Regeste
Die Staatsanwaltschaft muss innert drei Stunden seit Kenntnisnahme des abschlägigen Haftentscheids eine Beschwerde einreichen. Andernfalls ist ihr Beschwerderecht verwirkt.


Redaktionelle Vorbemerkungen
Mit Entscheid des Kantonalen Zwangsmassnahmengerichts vom 28. Mai 2014 wurde das Haftverlängerungsgesuch der Regionalen Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland im schriftlichen Verfahren abgewiesen und der Beschuldigte zuhanden des Migrationsdienstes des Kantons Bern aus der Untersuchungshaft entlassen. Dagegen kündigte die Staatsanwaltschaft um 14.10 Uhr Beschwerde an und überbrachte diese um 16.50 Uhr dem Kantonalen Zwangsmassnahmengericht. Die Staatsanwaltschaft beantragte in ihrer Beschwerde, über den Beschuldigten sei im Sinne des Haftverlängerungsantrages vom 23. Mai 2014 die Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr für drei Monate anzuordnen, eventualiter sei der Entscheid aufzuheben und zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen und bis zum Entscheid über diese Beschwerde sei vorab die provisorische Fortdauer der Untersuchungshaft anzuordnen. Mit Verfügung vom 28. Mai 2014 wies die Verfahrensleiterin das Gesuch um aufschiebende Wirkung bzw. Anordnung der provisorischen Fortdauer der Untersuchungshaft ab und entliess den Beschuldigten unverzüglich aus der Untersuchungshaft.


Auszug aus den Erwägungen:
[...]
2. Vor dem Hintergrund des Anspruchs des Beschuldigten auf unverzügliche Freilassung gemäss Art. 226 Abs. 5 StPO muss die Staatsanwaltschaft ihre Beschwerde vor dem Zwangsmassnahmengericht unmittelbar nach Kenntnis des Haftentlassungsentscheids ankündigen und im Anschluss daran schriftlich einreichen. In der Beschwerde sind auch die notwendigen und unaufschiebbaren verfahrensleitenden und vorsorglichen Massnahmen zu beantragen (Art. 388 StPO). Um dem Erfordernis der unverzüglichen Beschwerdeerhebung im Anschluss an die Ankündigung nachzukommen, muss die Staatsanwaltschaft spätestens drei Stunden nach der Ankündigung beim Zwangsmassnahmengericht eine (wenigstens kurz) begründete Beschwerdeschrift einreichen und darin die Aufrechterhaltung der Haft beantragen. Diesfalls ist das Zwangsmassnahmengericht gehalten, den Beschuldigten weiter in Haft zu belassen und die Beschwerde mit dem Dossier und seiner allfälligen Stellungnahme verzugslos der Beschwerdeinstanz zu übermitteln (BGE 138 IV 92 E. 3.3). Das Bundesgericht hat im Zusammenhang mit einer telefonischen Mitteilung des Haftentscheids an die Staatsanwaltschaft festgehalten, dass die Staatsanwaltschaft auch bei einem solchen Vorgehen spätestens drei Stunden nach der (mündlichen) Eröffnung des Entscheids gegenüber der beschuldigten Person beim Zwangsmassnahmengericht eine (wenigstens kurz) begründete Beschwerdeschrift einreichen und darin die Aufrechterhaltung der Haft beantragen muss (BGE 138 IV 148 E. 3.3).
3. Der Haftentscheid wurde Staatsanwalt B gleichentags um 13.07 Uhr mittels Fax eröffnet. Staatsanwalt B führt in seiner Beschwerde aus, er sei zur Zeit der Eröffnung noch mit der Einvernahme der Privatklägerin (Opfer) im Verfahren gegen den Beschuldigten beschäftigt gewesen. Vom Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts habe er erst nach Beendigung dieser Einvernahme (13.56 Uhr) Kenntnis genommen. Die Ankündigung der Beschwerde sei somit unverzüglich erfolgt. Dem Zwangsmassnahmengericht sei mitgeteilt worden, dass am 28. Mai 2014 die erwähnte Einvernahme stattfinden werde und dem Zwangsmassnahmengericht das Ergebnis dieser Einvernahme augenblicklich mitgeteilt werde. Am 27. Mai 2014 habe der Zwangsmassnahmenrichter ihm telefonisch in Aussicht gestellt, dass eine Haftentlassung des Beschuldigten mangels genügenden Tatverdachts nicht auszuschliessen sei. Er habe ihm hierauf mitgeteilt, dass die Einvernahme wohl bis in den Mittag hinein gehen werde. Dem Zwangsmassnahmenrichter sei versprochen worden, dass das Zwangsmassnahmengericht unmittelbar nach Beendigung der Einvernahme das entsprechende Protokoll erhalte, so dass die Ergebnisse dieser Einvernahme in den Entscheid miteinfliessen könnten. Das Einvernahmeprotokoll sei dem Zwangsmassnahmengericht mit einem Begleitschreiben, in welchem am Haftverlängerungsantrag festgehalten worden sei, nach der Einvernahme überbracht worden. Es könne somit festgestellt werden, dass das Zwangsmassnahmengericht während noch laufender und bis zum 30. Mai 2014 gutzuheissender Haftdauer - ohne irgendwelche zeitliche Dringlichkeiten - einen Haftentlassungsentscheid getroffen habe und dieser Entscheid getroffen worden sei, ohne die Ergebnisse der Einvernahme abzuwarten.
Selbst wenn dies nicht in Abrede gestellt werden sollte, stehen die Ausführungen im Zusammenhang mit dem Zeitpunkt der Eröffnung des Haftentscheids im Widerspruch zu den Angaben des Staatsanwaltes in seinem von ihm ebenfalls erwähnten Schreiben vom 28. Mai 2014 an das Zwangsmassnahmengericht, welches diesem um 14.35 Uhr zugegangen ist. Der Staatsanwalt führt darin aus, die Einvernahme sei um 13.25 Uhr beendet gewesen. Zudem gibt er an, er habe während der Einvernahme Kenntnis vom Haftentscheid erhalten. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung hätte der Staatsanwalt damit die Einvernahme unterbrechen müssen, um die Beschwerde unverzüglich ankündigen zu können. Massgebend für die Frist von drei Stunden ist nicht die effektiv erfolgte Ankündigung der Beschwerde, sondern der Zeitpunkt der Kenntnisnahme, da damit die unverzügliche Ankündigung verbunden ist. Dies zeigt das Beispiel in BGE 138 IV 148 E. 3.3, wo die Staatsanwaltschaft während der telefonischen Mitteilung die Beschwerde ankündigen musste bzw. die Frist ab Telefonanruf zu laufen begonnen hat. Andernfalls würde es die Staatsanwaltschaft in der Hand haben, mit dem Zuwarten der Ankündigung die dreistündige Beschwerdefrist zu verlängern. Der genaue Zeitpunkt der Mitteilung während der Einvernahme ist nicht aktenkundig. Ausgehend vom Eintreffen des Faxes mit dem Haftentscheid um 13.07 Uhr, musste der Staatsanwalt aber kurz darauf informiert gewesen sein. Wenn er zudem angab, die Einvernahme sei um 13.25 Uhr beendet gewesen, hätte die Beschwerde spätestens um 16.30 Uhr beim Zwangsmassnahmengericht eingehen müssen. Mit Eingang um 16.50 Uhr hat der Staatsanwalt - unabhängig vom beanstandeten Vorgehen des Zwangsmassnahmengerichts - sein Beschwerderecht verwirkt. Diese Formstrenge ist in Anbetracht des Rechts auf unverzügliche Freilassung gestützt auf Art. 226 Abs. 5 sowie Art. 10 Abs. 2 BV angezeigt. Das Beschwerderecht der Staatsanwaltschaft war gewährleistet und weitere Einschränkungen des Grundrechts der persönlichen Freiheit nicht gerechtfertigt.
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten.
[...]
Quelle: https://www.zsg-entscheide.apps.be.ch/tribunapublikation/
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