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Bundesverwaltungsgericht Urteil E-7445/2009

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung V
Dossiernummer:E-7445/2009
Datum:27.03.2012
Leitsatz/Stichwort:Asyl und Wegweisung
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdeführer; Kosovo; Serbien; Wegweisung; Recht; Schutz; Zumutbar; Bundesverwaltungsgericht; Staat; Serbisch; Norden; Schweiz; Vollzug; Verfügung; Beschwerdeführers; Serbe; Serbische; Ausländer; Kosovos; Vorinstanz; Verfahren; Behörde; Serben; Glaubhaft; Gefährdung; Über; Sicherheitskräfte; Flüchtlingseigenschaft; Heimatstaat
Rechtsnorm: Art. 65 VwVG ; Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung V E-7445/2009

U r t e i l  v o m  2 7.  M ä r z  2 0 1 2

Besetzung Einzelrichterin Gabriela Freihofer,

mit Zustimmung von Richter François Badoud; Gerichtsschreiber Simon Thurnheer.

Parteien A. , geboren am ( ), Kosovo und Serbien,

( ),

Beschwerdeführer,

gegen

Bundesamt für Migration (BFM), Quellenweg 6, 3003 Bern, Vorinstanz.

Gegenstand Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom 30. Oktober 2009 / N ( ).

Sachverhalt:

A.

Der Beschwerdeführer - ethnischer Serbe aus Gnjilane, einer serbischsprachigen Enklave im Kosovo - verliess eigenen Angaben zufolge am

27. September 2009 den Kosovo und reiste am darauf folgenden Tag in der Schweiz ein, wo er am selben Tag ein Asylgesuch stellte.

Zur Begründung seines Gesuchs machte er anlässlich der Kurzbefragung im Empfangsund Verfahrenszentrum (EVZ) B. vom 9. Oktober 2009 und der Anhörung vom 22. Oktober 2009 im Wesentlichen Folgendes geltend: Er habe von seiner Geburt an bis zu seiner Ausreise am

27. September 2009 bei seinen Eltern in Gnjilane gelebt. Vor der albanischsprachigen Mehrheit sei er nicht sicher gewesen und er sei, wenn er die Enklave verlassen habe, regelmässig Beschimpfungen und Drohungen ausgesetzt gewesen. 1998 und 2001 sei er jeweils von unbekannten Albanern angegriffen worden. Im Juni 2009 seien er und sein Vater, als sie im Wald gewesen seien, von zwei unbekannten Albanern, die von ihnen dabei erwischt worden seien, ihr Holz zu stehlen, beschimpft und bedroht worden. Sie hätten am selben Tag bei der Polizei Anzeige erstattet, welche fünf Tage später vorbeigekommen sei und ihnen versichert habe, sich um die Angelegenheit zu kümmern. Zwanzig Tage später seien weitere Polizisten vorbeigekommen, die sie im Zusammenhang mit dem Diebstahl einer Motorsäge und der Tötung eines Pferdes verhört hätten. Dabei habe er erfahren, dass er von einem Albaner, vermutlich einem der beiden vom Vorfall im Wald, verdächtigt worden sei, die Motorsäge gestohlen und das Pferd getötet zu haben. Kurz darauf hätten sie von einem Nachbarn erfahren, dass jener Albaner, welcher ihn beschuldigt habe, eine Todesdrohung gegen ihn ausgestossen habe. Anstatt sich an die zuständigen Behörden zu wenden, sei er darauf aus dem Kosovo ausgereist.

B.

Mit Verfügung vom 30. Oktober 2009 (am selben Tag eröffnet) stellte das BFM fest, dass der Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle, wies sein Asylgesuch ab und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz sowie den Vollzug der Wegweisung an.

C.

Mit Eingabe vom 29. November 2009 reichte der Beschwerdeführer gegen diese Verfügung beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde ein und beantragte, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben, es sei die

Flüchtlingseigenschaft anzuerkennen und von einer Wegweisung sei abzusehen. In prozessualer Hinsicht beantragte er die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Der Beschwerde legte er eine Fürsorgebestätigung, die Fotokopie einer Identitätskarte und zahlreiche Medienberichte zur allgemeinen Lage im Kosovo und in Serbien bei.

D.

Mit Zwischenverfügung vom 4. Dezember 2009 stellte das Gericht fest, dass der Beschwerdeführer den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abwarten darf, verzichtete auf die Erhebung eines Kostenvorschusses, verwies die Behandlung des Gesuchs um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege auf einen späteren Zeitpunkt und lud die Vorinstanz zu einem Schriftenwechsel ein.

E.

In seiner Vernehmlassung vom 9. Dezember 2009 führte das BFM aus, die Beschwerdeschrift enthalte keine neuen erheblichen Tatsachen oder Beweismittel, die eine Änderung seines Standpunktes rechtfertigen könnten. Daran vermöchten auch die vom Beschwerdeführer eingereichten öffentlich zugänglichen Medienberichte über die allgemeine Lage im Kosovo und in Serbien nichts zu ändern. Es hielt vollumfänglich an seiner Verfügung fest und beantragte die Beschwerdeabweisung. Die Vernehmlassung wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 15. Dezember 2009 zur Kenntnis gebracht.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom

      20. Dezember 1968 (VwVG, SR 172.021). Das BFM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG, SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes

      vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.

    2. Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).

    3. Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und Art. 108 Abs. 1 AsylG, Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).

3.

Über offensichtlich unbegründete Beschwerden wird in einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise einer zweiten Richterin entschieden (Art. 111 Bst. e AsylG). Wie nachstehend aufgezeigt, handelt es sich vorliegend um eine solche, weshalb der Beschwerdeentscheid nur summarisch zu begründen ist (Art. 111a Abs. 2 AsylG).

4.

    1. Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 AsylG).

      Verfolgung der oben beschriebenen Art ist asylbeachtlich, wenn sie vom Staat ausgeht; nichtstaatliche Verfolgung ist dagegen nur dann asylbeachtlich, wenn der Staat zur Verfolgung anregt, sie sich in anderer Weise zurechnen lassen muss oder wenn er weder gewillt noch in der Lage ist, vor Verfolgung ausreichend Schutz zu bieten.

    2. Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).

5.

Das BFM führt zur Begründung seines Entscheides an, die Vorbringen des Beschwerdeführers beträfen Übergriffe Dritter, welche lediglich dann asylrelevant seien, wenn der Staat seiner Schutzpflicht nicht nachkomme oder nicht in der Lage sei, Schutz zu gewähren. Dem BFM sei zwar bekannt, dass vereinzelte schwerwiegende Übergriffe auf ethnische Minderheiten, insbesondere Serben, stattgefunden hätten, jedoch sei nicht von allgemeinen Vertreibungen auszugehen. Nach der Unabhängigkeitserklärung vom 17. Februar 2008 sei im Kosovo weiterhin eine internationale zivile als auch militärische Präsenz vorgesehen. Die UNO-Verwaltung (UNMIK) soll sukzessive von der EU-Mission (EULEX) abgelöst werden. Internationale Sicherheitskräfte sowie der Kosovo Police Service (KPS) garantierten die Sicherheit. Auch in den serbischen Siedlungsgebieten garantierten internationale Sicherheitskräfte sowie teilweise serbische Angehörige der KPS die Sicherheit. Die Verfassung des Kosovo, die am

  1. Juni 2008 in Kraft getreten sei, garantiere den ethnischen Minderheiten umfassende Rechte. Die internationalen Sicherheitskräfte sowie die KPS seien in der Lage, die ethnischen Minderheiten zu schützen. Ihre Präsenz sei sichtbar und flächendeckend. Strafgerichtsbarkeit sowie Strafvollzug funktionierten grösstenteils. Bei Übergriffen reagierten die Sicherheitskräfte regelmässig und Straftaten gegen Angehörige von Minderheiten würden geahndet. Vom Schutzwillen und der weitgehenden Schutzfähigkeit der Sicherheitskräfte sei daher auszugehen. Vor diesem Hintergrund vermöge das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach die Polizei nichts unternehme, nicht zu überzeugen. Im Gegenteil sei der Beschwerdeführer gemäss eigenen Angaben zum Vorfall im Wald von der Polizei befragt worden, die ihm versichert habe, sich um die Angelegenheit zu kümmern. Im Hinblick auf die jüngsten Drohungen habe er es unterlassen, den Schutz der zuständigen Behörden in Anspruch zu nehmen,

    und es stattdessen vorgezogen, den Kosovo zu verlassen. Damit habe er dem Staat keine Möglichkeit gegeben, seinem Schutzwillen und seiner Schutzpflicht nachzukommen. Da aber mit dem überwiegend serbisch besiedelten Norden des Kosovo eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe, erübrige sich eine weitergehende Auseinandersetzung mit der Frage, ob Serben im Süden des Landes einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt seien.

    6.

    Das Gericht teilt die Auffassung der Vorinstanz, dass die zuständigen Sicherheitskräfte am Herkunftsort des Beschwerdeführers sowohl schutzwillig als auch schutzfähig sind (vgl. dazu auch das Urteil des Bundesverwaltungsgericht E-4139/2009 vom 6. März 2012 E. 6.1. und 6.2.) und dass der Beschwerdeführer selber das Verhalten schutzwilliger Behörden beschrieben und er bezüglich der jüngsten Drohungen den zuständigen Behörden gar nicht die Gelegenheit gegeben hat, ihrer Schutzaufgabe nachzukommen. Diesbezüglich ist auf die zutreffenden Ausführungen des BFM zu verweisen. An dieser Einschätzung vermögen mit Blick auf die Praxis des Bundesverwaltungsgerichts auch die allgemeinen Ausführungen des Beschwerdeführers zur Lage im Kosovo und die entsprechenden Beweismittel nichts zu ändern. Damit halten die Vorbringen des Beschwerdeführers, wie das BFM zu Recht festgestellt hat, den Anforderungen an die Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 AsylG nicht stand. Das BFM hat das Asylgesuch zu Recht abgewiesen. Ob das BFM zu Recht festgestellt hat, dass mit dem Norden des Kosovo eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe, kann somit offengelassen werden.

    7.

    Lehnt das Bundesamt das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie (Art. 44 Abs. 1 AsylG). Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (vgl. BVGE 2009/50 E. 9 S. 733 m.H.a. Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2001 Nr. 21).

    8.

      1. Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das Bundesamt das Anwesenheitsverhältnis nach

        den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme von Ausländern (Art. 44 Abs. 2 AsylG; Art. 83 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom

  2. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG, SR 142.20]).

Bezüglich der Geltendmachung von Wegweisungshindernissen gilt gemäss ständiger Praxis des Bundesverwaltungsgerichts und seiner Vorgängerorganisation ARK der gleiche Beweisstandard wie bei der Flüchtlingseigenschaft, das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. WALTER STÖCKLI, Asyl, in: Uebersax/Rudin/Hugi Yar/Geiser [Hrsg.], Ausländerrecht, 2. Aufl., Basel 2009, Rz. 11.148).

    1. Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunftsoder einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AuG).

      So darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden (Art. 5 Abs. 1 AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]).

      Gemäss Art. 25 Abs. 3 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101), Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

      Die Vorinstanz wies in ihrer angefochtenen Verfügung zutreffend darauf hin, dass das Prinzip des flüchtlingsrechtlichen Non-Refoulement nur Personen schützt, die die Flüchtlingseigenschaft erfüllen. Da es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine asylrechtlich erhebliche Gefährdung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, kann der in Art. 5 AsylG verankerte Grundsatz der Nichtrückschiebung im vorliegenden Verfahren keine Anwendung finden. Eine Rückkehr des

      Beschwerdeführers in den Heimatstaat ist demnach unter dem Aspekt von Art. 5 AsylG rechtmässig.

      Sodann ergeben sich weder aus den Aussagen des Beschwerdeführers noch aus den Akten Anhaltspunkte dafür, dass er für den Fall einer Ausschaffung in den Heimatstaat dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Gemäss der Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie jener des UN-AntiFolterausschusses müsste der Beschwerdeführer eine konkrete Gefahr ("real risk") nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihm im Fall einer Rückschiebung Folter oder unmenschliche Behandlung drohen würde (vgl. EGMR [Grosse Kammer], Saadi gegen Italien, Urteil vom

      28. Februar 2008, Beschwerde Nr. 37201/06, §§ 124 - 127, mit weiteren Hinweisen). Auch die allgemeine Menschenrechtssituation im Heimatstaat lässt den Wegweisungsvollzug zum heutigen Zeitpunkt nicht als unzulässig erscheinen. Nach dem Gesagten ist der Vollzug der Wegweisung sowohl im Sinne der asylals auch der völkerrechtlichen Bestimmungen zulässig.

    2. Gemäss Art. 83 Abs. 4 AuG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimatoder Herkunftsstaat auf Grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine konkrete Gefährdung festgestellt, ist - unter Vorbehalt von Art. 83 Abs. 7 AuG - die vorläufige Aufnahme zu gewähren.

      Das BFM führte diesbezüglich aus, weder die im Heimatstaat herrschende politische Situation noch andere Gründe sprächen gegen die Zumutbarkeit der Rückführung dorthin. In Kosovo habe sich die Sicherheitslage in den vergangenen Jahren verbessert oder zumindest stabilisiert. Die Wahrscheinlichkeit einer konkreten Gefährdung könne jedoch für Serben, zu deren Ethnie der Beschwerdeführer gehöre, ausserhalb ihrer Enklaven weiterhin nicht ausgeschlossen werden. Eine Rückkehr nach Kosovo werde demnach in der Regel als unzumutbar erachtet.

      Eine Ausnahme bilde der Norden Kosovos. Für Serben mit letztem Wohnsitz im Norden Kosovos sei die Rückkehr dorthin zumutbar. Der Beschwerdeführer stamme aus Gnjilane, wo eine konkrete Gefährdung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit noch nicht ausgeschlossen werden könne. Es bestehe jedoch für ihn im Norden Kosovos eine innerstaatliche

      Aufenthaltsalternative. Es könne davon ausgegangen werden, dass es ihm möglich sein werde, sich allenfalls im Norden Kosovos eine Existenzgrundlage aufzubauen. Der Vollzug der Wegweisung in den Norden Kosovos sei demnach in der Regel als zumutbar zu erachten.

      Überdies bestehe für Serben aus dem Kosovo grundsätzlich eine Aufenthaltsalternative in Serbien. Gemäss serbischer Verfassung von 2006 sei Kosovo nämlich integraler Bestandteil Serbiens, weshalb Serben aus dem Kosovo auch nach der Unabhängigkeit als serbische Staatsangehörige betrachtet würden und auf den diplomatischen Vertretungen in der Schweiz serbische Reisepapiere erhielten, mit denen sie nach Serbien einreisen könnten.

      Beim Beschwerdeführer handle es sich um einen gesunden, jungen Mann mit einer guten Schulbildung und Arbeitserfahrung. Die Inanspruchnahme der Aufenthaltsalternative in Serbien, wo er der Mehrheitsethnie angehöre und über Verwandte verfüge, sei somit ebenfalls zumutbar.

      Vom Beschwerdeführer könne somit erwartet werden, dass er sich entweder im Norden Kosovos oder in Serbien um den Aufbau einer neuen Existenz bemühe, zumal die Voraussetzungen hierfür auf Grund des Gesagten nicht von vornherein aussichtslos erschienen. Rein soziale und wirtschaftliche Schwierigkeiten, von welchen die ansässige Bevölkerung betroffen sei, stellten im Übrigen keine existenzbedrohende Situation dar, welche den Wegweisungsvollzug des Beschwerdeführers in den Norden Kosovos oder nach Serbien als unzumutbar erscheinen liessen.

    3. Der Beschwerdeführer ist auf Grund der Aktenlage einerseits als Staatsangehöriger der Republik Kosovo zu betrachten, anderseits verfügt er infolge seiner serbischen Abstammung und seiner Geburt auf (ehemaligem) Staatsgebiet der Republik Serbien gemäss dem serbischen Gesetz über die Staatsbürgerschaft Nr. 135/04 vom 21. Dezember 2004 auch über die serbische Staatsangehörigkeit (vgl. BVGE 2010/41 E. 6.4.2).

      Zu prüfen ist daher die Zumutbarkeit einer Wohnsitzalternative in Serbien. In BVGE 2010/41 E. 8.3.3. hat sich das Bundesverwaltungsgericht eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen der Wegweisungsvollzug nach Serbien für Kosovo-Serben zumutbar ist. In E. 8.3.3.6 hat es die dabei massgeblichen Kriterien festgelegt, nämlich

      Sicherung des Existenzminimums ("l'assurance d'un minimum vital sur le plan économique"), Bezug zu Serbien und soziale Integration (persönliche Umstände wie Geschlecht, Alter, Zivilstrand oder Gesundheit).

      Gemäss den Akten handelt es sich beim Beschwerdeführer um einen gesunden jungen alleinstehenden Man mit solider Schulbildung (acht Jahre Grundschule und vier Jahre Gymnasium), der über mehrjährige Berufserfahrung sowohl als (...) als auch (...)verfügt. Zwar hat er nach eigenen Angaben zu keiner Zeit in Serbien gewohnt oder gearbeitet; er verfügt aber über Angehörige ([ ]) in Serbien (vgl. A 8, S. 3), um deren Unterstützung er sich bemühen könnte. In der Gesamtwürdigung scheint er die persönlichen Voraussetzungen für eine erfolgreiche wirtschaftliche und soziale Integration in Serbien optimal zu erfüllen. Dem BFM ist darin zuzustimmen, dass von ihm erwartet werden kann, die entsprechenden Schritte zum Aufbau einer Existenz in Serbien zu unternehmen. Sollte er dabei der finanziellen Unterstützung bedürfen, kann er sich an seine Angehörigen oder an die dafür zuständigen sozialen Einrichtungen in Serbien wenden. An dieser Stelle ist zudem auf das Rückkehrhilfeprogramm der Schweiz zu verweisen (vgl. Art. 62 ff. der Asylverordnung 2 über Finanzierungsfragen vom 11. August 1999 [AsylV 2, SR 142.312), von welchem die Beschwerdeführer profitieren könnten.

      Nach dem Gesagten erweist sich der Vollzug der Wegweisung auch als zumutbar. Die Frage, ob das BFM den Wegweisungsvollzug in den Norden des Kosovo zu Recht für zumutbar befunden hat, kann demnach offengelassen werden.

    4. Schliesslich obliegt es dem Beschwerdeführer, sich bei der zuständigen Vertretung des Heimatstaates die für eine Rückkehr notwendigen Reisedokumente zu beschaffen (vgl. Art. 8 Abs. 4 AsylG und dazu auch BVGE 2008/34 E. 12 S. 513 - 515), weshalb der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen ist (Art. 83 Abs. 2 AuG).

    5. Zusammenfassend hat die Vorinstanz den Wegweisungsvollzug zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich erachtet. Nach dem Gesagten fällt eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1 - 4 AuG).

9.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig und

vollständig feststellt und angemessen ist (Art. 106 AsylG). Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen.

10.

Die Bedürftigkeit des Beschwerdeführers im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG wird durch die eingereichte Fürsorgebestätigung belegt. Die in der Beschwerde formulierten Begehren erschienen zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung auf Grund der damals ungewissen Lage im Kosovo und in Serbien nicht aussichtslos. Deshalb ist das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG gutzuheissen. Dem Beschwerdeführer sind somit keine Verfahrenskosten aufzuerlegen.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird gutgeheissen. Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.

3.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das BFM und die zuständige kantonale Behörde.

Die Einzelrichterin: Der Gerichtsschreiber:

Gabriela Freihofer Simon Thurnheer

Versand:

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