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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:VO150077
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:Verwaltungskommission
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid VO150077 vom 04.05.2015 (ZH)
Datum:04.05.2015
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
Schlagwörter: Recht; Unentgeltliche; Schlichtungsverfahren; Rechtspflege; Gesuch; Unentgeltlichen; Verfahren; Winterthur; Obergericht; Kündigung; Person; Entscheid; Obergerichts; Miete; Kanton; Hauptsache; Sigkeit; Stadt; Pacht; Mieter; Klage; Gesuchstellende; Rechtsbeistand; Lebens; Beurteilung; Pachtsachen; Gericht; über
Rechtsnorm: Art. 104 ZPO ; Art. 113 ZPO ; Art. 117 ZPO ; Art. 119 ZPO ; Art. 121 ZPO ; Art. 122 ZPO ; Art. 145 ZPO ; Art. 207 ZPO ; Art. 257f OR ; Art. 99 ZPO ;
Referenz BGE:120 Ia 179; 69 I 160;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

Präsident

Geschäfts-Nr.: VO150077-O/U

Mitwirkend: Der Obergerichtspräsident lic. iur. R. Naef sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Leu

Urteil vom 4. Mai 2015

in Sachen

A. ,

Gesuchstellerin

vertreten durch Rechtsanwältin MLaw X. ,

betreffend Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege

Erwägungen:

  1. Ausgangslage

    1. Mit Eingabe vom 29. April 2015 liess A.

      (nachfolgend: Gesuchstellerin) durch ihre Rechtsvertreterin beim Präsidenten des Obergerichts des Kantons Zürich ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und unentgeltliche Rechtsverbeiständung für ein bei der Schlichtungsbehörde Winterthur hängiges Schlichtungsverfahren stellen (act. 1). Das Schlichtungsverfahren betrifft eine Klage der Gesuchstellerin gegen die Stadt Winterthur betreffend Kündigungsschutz (Verfahren MM150033, act. 3/2).

    2. Im Schlichtungsverfahren werden gemäss Art. 113 Abs. 1 ZPO keine Parteientschädigungen gesprochen, weshalb auch eine Sicherheit für die Parteientschädigung i.S.v. Art. 99 ZPO nicht zur Frage steht. Die Gegenpartei ist daher gemäss Art. 119 Abs. 3 ZPO e contrario nicht zwingend anzuhören.

  2. Beurteilung des Gesuchs

    1. Für die Beurteilung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege vor Einreichung der Klage bei Gericht ist gemäss § 128 GOG der Obergerichtsprä- sident im summarischen Verfahren (Art. 119 Abs. 3 ZPO) zuständig. Die unentgeltliche Rechtspflege ist gemäss Art. 119 Abs. 5 ZPO vor jeder Instanz neu zu beantragen, weshalb der Obergerichtspräsident diese bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nur bis zum Abschluss des Schlichtungsverfahrens bewilligen kann.

    2. Die Gesuchstellerin ersucht insbesondere um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das besagte Schlichtungsverfahren (act. 1). Da Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohnund Geschäftsräumen im Schlichtungsverfahren kostenlos sind (Art. 113 Abs. 2 lit. c ZPO), ist auf diesen Antrag nicht einzutreten.

    3. Ein unentgeltlicher Rechtsbeistand wird sodann bestellt, wenn die gesuchstellende Person nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (sog. Mittello-

      sigkeit oder Bedürftigkeit), ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (Art. 117 ZPO) und die gerichtliche Bestellung zur Wahrung der Rechte der gesuchstellenden Person notwendig ist (Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO).

      Die Mittellosigkeit wird gemeinhin dann bejaht, wenn der Aufwand des notwendigen Lebensunterhalts (sog. zivilprozessualer Notbedarf) das massgebliche Einkommen übersteigt bzw. aus der Differenz nur ein kleiner Überschuss resultiert, welcher es der gesuchstellenden Person nicht erlauben würde, die Prozesskosten innert nützlicher Frist zu bezahlen. Nebst dem Einkommen ist auch das Vermögen zur Bestreitung des Prozessaufwands einzusetzen. Zu berücksichtigen ist vorhandenes Vermögen jeglicher Art, soweit es effektiv verfügbar, realisierbar und sein Verbrauch zumutbar ist. Als Lebensaufwandkosten sind grundsätzlich zu berücksichtigen der Grundbetrag, rechtlich geschuldete Unterhaltsbeiträge, Wohnkosten, obligatorische Versicherungen, Transportkosten zum Arbeitsplatz, Steuern sowie Verpflichtungen gegenüber Dritten, wenn sie tatsächlich erfüllt werden (Emmel in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, SutterSomm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Zürich/Basel/Genf 2013, Art. 117 N 9). Massgebend sind die wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Gesuchstellung (Emmel, a.a.O., Art. 117 N 4).

    4. Die gesuchstellende Person hat gemäss Art. 119 Abs. 2 ZPO die zur Beurteilung ihres Gesuchs relevanten Einkommensund Vermögensverhältnisse umfassend darzulegen - es trifft sie bei der Abklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine umfassende Mitwirkungspflicht. Kommt sie dieser Mitwirkungspflicht nicht oder nur ungenügend nach und kann als Folge davon ihre Bedürftigkeit nicht hinreichend beurteilt werden, ist der Anspruch um unentgeltliche Rechtspflege zu verweigern (BGE 120 Ia 179).

    5. Zu ihren finanziellen Verhältnissen lässt die Gesuchstellerin ausführen, sie werde zurzeit vom Sozialamt unterstützt und belegt dies mittels Bestätigungsschreibens der Sozialen Dienste der Stadt Winterthur (act. 3/2/12) sowie mittels Budgets für den Monat Februar 2015 (act. 3/2/13). Letzterem ist

      zu entnehmen, dass die Gesuchstellerin für den Lebensunterhalt für Nahrung, Kleidung etc., für die Wohnkosten, die obligatorischen Krankenkassenprämien, die zusätzlichen Krankheitskosten sowie für die Stellensuche mit Fr. 2'157.20 unterstützt wird. Ihre Vermögensverhältnisse weist die Gesuchstellerin nicht nach, weshalb sie insofern ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist. Dennoch kann sie bei diesen finanziellen Verhältnissen nicht verpflichtet werden, die im Zusammenhang mit dem Schlichtungsverfahren entstehenden Anwaltskosten selbst zu begleichen, zumal allfälliges Vermögen aufgrund der Unterstützung der Sozialbehörde von geringer Höhe wäre und mit grosser Wahrscheinlichkeit zur Deckung der notwendigen Lebenshaltungskosten eingesetzt werden müsste. Das Erfordernis der Mittellosigkeit der Gesuchstellerin ist damit gegeben.

    6. Für die Beurteilung der fehlenden Aussichtslosigkeit als zweite Voraussetzung der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist eine gewisse Prozessprognose notwendig, wobei auf den Zeitpunkt der Gesuchseinreichung abzustellen ist. Als aussichtslos sind dabei nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können (vgl. z.B. BGE 69 I 160). Zur Vornahme der Prüfung ist auf die vorhandenen Akten abzustellen (vgl. auch BSK ZPO-Rüegg, Art. 117 N 20).

    7. Die Gesuchstellerin lässt zum Begehren in der Hauptsache ausführen, die Kündigung seitens der Vermieterschaft sei ungültig. Die geltend gemachte Pflichtverletzung im Sinne von Art. 257f OR sei nicht begründet worden und werde bestritten. Es seien die übrigen Mieter, welche ihren Mieterpflichten durch Lärmbelästigungen nicht nachkämen. Die Gesuchstellerin habe sich zu Recht dagegen gewehrt. Anfechtbar sei eine Kündigung, wenn der Vermieter mit einer Kündigung reagiere, nachdem sich der Mieter gegenüber einer vertragsoder gesetzeswidrigen Massregelung des Vermieters wehre. Eventualiter sei der Gesuchstellerin insbesondere aufgrund des langjährigen Mietverhältnisses eine Mieterstreckung zu gewähren (act. 3/2).

      Gestützt auf die eingereichten Unterlagen, namentlich den Mietvertrag vom

      18. Dezember 1992 (act. 3/2/2) und die diesbezügliche Abänderung (act. 3/2/3), die Kündigung vom 16. Februar 2015 (act. 3/2/1) sowie die Korrespondenz zwischen der Gesuchstellerin und der Vermieterin (act. 3/2/610) kann die Klage der Gesuchstellerin im jetzigen Zeitpunkt nicht als aussichtslos bezeichnet werden. Damit ist das Erfordernis der fehlenden Aussichtslosigkeit des Begehrens in der Hauptsache gegeben.

    8. Damit die Bestellung eines Rechtsbeistandes im Schlichtungsverfahren schliesslich als notwendig erscheint, bedarf es ganz besonderer Umstände,

      d.h. es sind hohe Anforderungen an die Notwendigkeit eines unentgeltlichen Rechtsvertreters zu stellen. Allgemein ausgedrückt hat eine Partei dann einen Anspruch auf Verbeiständung, wenn ihre Interessen in schwerwiegender Weise betroffen sind und der Fall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bietet, die den Beizug eines Rechtsvertreters erforderlich machen (so Emmel, a.a.O., Art. 118 N 5). Dabei sind neben der Komplexität der Rechtsfragen und der Unübersichtlichkeit des Sachverhaltes auch in der Person des Betroffenen liegende Gründe zu berücksichtigen, so das Alter, die soziale Situation, Sprachkenntnisse sowie allgemein die Fä- higkeit, sich im Verfahren zurecht zu finden (Entscheid des Bundesgerichts 1C_339/2008 vom 24. September 2008 E. 2.2.).

    9. Das Erfordernis der Notwendigkeit einer unentgeltlichen Rechtsbeiständin ist vorliegend zu bejahen. Aufgrund der eingereichten Unterlagen und des geschilderten Sachverhalts ist davon auszugehen, dass die Klage durchaus anspruchsvolle Abklärungen erforderlich machen kann. Insbesondere die Prüfung der Fragen, ob die Kündigung zu Recht ausgesprochen wurde und allenfalls eine Mieterstreckung verlangt werden kann, ist von gewisser Komplexität. Prozesse um wichtige Aspekte des Lebens wie der Wohnung gelten in aller Regel ohnehin als relativ schwere Fälle, welche die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes rechtfertigen. Die sachliche Notwendigkeit der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung im Sinne von Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO ist damit zu bejahen. Folglich ist dem Antrag der Gesuchstellerin um

      Bestellung einer unentgeltlichen Rechtsbeiständin in der Person von

      Rechtsanwältin MLaw X. entsprechen.

      für das besagte Schlichtungsverfahren zu

  3. Kosten der unentgeltliche n Rechtspflege

    Gemäss den einschlägigen Bestimmungen der ZPO wird der unentgeltliche Rechtsbeistand vom Kanton entschädigt (Art. 113 Abs. 1 und Art. 122 ZPO). Die Kosten für den unentgeltlichen Rechtsbeistand für das vorliegende Schlichtungsverfahren in Mietund Pachtsachen sind deshalb dem Kanton Zürich aufzuerlegen. Zu beachten ist indes, dass die Kosten des Schlichtungsverfahrens gemäss Art. 207 Abs. 2 ZPO bei der Einreichung der Klage zur Hauptsache geschlagen werden und das erkennende Gericht somit in der Folge über diese zusammen mit den übrigen Prozesskosten gemäss Art. 104 ff. ZPO zu entscheiden hat. Die Kostenauflage erfolgt deshalb unter diesem Vorbehalt.

  4. Kosten und Rechtsmittel

    1. Gemäss Art. 119 Abs. 6 ZPO ist das Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege kostenlos.

    2. Wird die unentgeltliche Rechtspflege ganz oder teilweise abgelehnt oder entzogen, so kann die gesuchstellende Person den Entscheid mit Beschwerde gemäss Art. 121 ZPO beim Obergericht anfechten. Dass vorliegend der Obergerichtspräsident über das Gesuch befindet, vermag daran nichts zu ändern. Der Obergerichtspräsident fällt in diesem Verfahren einen erstinstanzlichen Entscheid i.S.v. Art. 319 lit. b ZPO und fungiert nicht als obere kantonale Instanz, gegen deren Entscheide lediglich ein Rechtsmittel ans Bundesgericht gegeben wäre.

    3. Die Gegenpartei in der Hauptsache verfügt im vorliegenden Verfahren nicht über Parteistellung. Ihr steht aber gegen den Entscheid betreffend unentgeltliche Rechtspflege die Beschwerde gemäss Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO offen, sofern ihr ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht.

Es wird erkannt:

  1. Auf das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das anhängig gemachte Schlichtungsverfahren vor der Paritätischen Schlichtungsbehörde in Mietund Pachtsachen des Bezirkes Winterthur betreffend Kündigungsschutz gegen die Stadt Winterthur (Verfahren MM150033) wird nicht eingetreten.

  2. Der Gesuchstellerin wird für das anhängig gemachte Schlichtungsverfahren vor der Schlichtungsbehörde in Mietund Pachtsachen des Bezirkes Winterthur betreffend Kündigungsschutz gegen die Stadt Winterthur (Verfahren MM150033) in der Person von Rechtsanwältin MLaw X. , , [Adresse], eine unentgeltliche Rechtsbeiständin i.S.v. Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO bestellt.

  3. Die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege des Schlichtungsverfahrens trägt unter Vorbehalt von Art. 207 Abs. 2 ZPO der Kanton Zürich.

  4. Das obergerichtliche Verfahren ist kostenlos.

  5. Schriftliche Mitteilung an:

    • die Rechtsvertreterin der Gesuchstellerin, zweifach, für sich und zuhanden der Gesuchstellerin, gegen Empfangsschein,

    • an die Schlichtungsbehörde in Mietund Pachtsachen des Bezirkes Winterthur, ad Verfahren MM150033, gegen Empfangsschein,

    • an die Gegenpartei in der Hauptsache, Stadt Winterthur, [Adresse], gegen Empfangsschein.

  6. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid kann innert 10 Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids beim Obergericht des Kantons Zürich, Zivilkammern, Postfach 2401, 8021 Zürich, eingereicht werden. In der Beschwerdeschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen. Die gesetzlichen Fristenstillstände gelten nicht (Art. 145 Abs. 2 ZPO).

Zürich, 4. Mai 2015

OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. A. Leu

versandt am:

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