E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH - VO140166)

Zusammenfassung des Urteils VO140166: Obergericht des Kantons Zürich

Der Gesuchsteller A. beantragt beim Obergericht des Kantons Zürich unentgeltliche Rechtspflege für ein Schlichtungsverfahren bezüglich einer Klage auf Schadenersatz und Genugtuung gegen C. Das Obergerichtspräsident bewilligt die unentgeltliche Rechtspflege, da A. mittellos ist und sein Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Zudem wird ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bestellt, da die Interessen von A. schwerwiegend betroffen sind und der Fall rechtliche Schwierigkeiten aufweist. Die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege trägt die Gemeinde B.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VO140166

Kanton:ZH
Fallnummer:VO140166
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:Verwaltungskommission
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid VO140166 vom 15.12.2014 (ZH)
Datum:15.12.2014
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
Schlagwörter: Gesuch; Gesuchsteller; Rechtspflege; Schlichtungsverfahren; Rechtsbeistand; Kanton; Obergericht; Rechtsbeistandes; Klage; Schadenersatz; Genugtuung; Gericht; Gesuchstellers; Obergerichts; Verfahren; Bestellung; Entscheid; Kantons; Obergerichtspräsident; Beurteilung; Anspruch; Frist; Gemeinde; Urteil; Schlichtungsverfahrens; Person; Mittellosigkeit; Einkommen; ücksichtigen
Rechtsnorm: Art. 104 ZPO ;Art. 113 ZPO ;Art. 117 ZPO ;Art. 119 ZPO ;Art. 122 ZPO ;Art. 145 ZPO ;Art. 207 ZPO ;Art. 99 ZPO ;
Referenz BGE:69 I 160;
Kommentar:
Sutter-Somm, Hasenböhler, Leuenberger, Schweizer, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich, Art. 117 OR, 2013

Entscheid des Verwaltungsgerichts VO140166

Obergericht des Kantons Zürich

Präsident

Geschäfts-Nr.: VO140166-O/U

Mitwirkend: Der Obergerichtspräsident lic. iur. R. Naef sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Gürber

Urteil vom 15. Dezember 2014

in Sachen

A. ,

Gesuchsteller

betreffend Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege

Erwägungen:

  1. Ausgangslage

    1. A.

      amt B.

      (nachfolgend Gesuchsteller) beabsichtigt, beim Friedensrichterein Schlichtungsgesuch einzureichen betreffend eine Klage auf

      Schadenersatz und Genugtuung gegen C. (act. 2 S. 1 und S. 4).

    2. Mit Eingabe vom 12. Oktober 2012 (Datum Poststempel: 26. November 2014) ersuchte der Gesuchsteller beim Präsidenten des Obergerichts des Kantons Zürich um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Rechtsverbeiständung für das bevorstehende Schlichtungsverfahren (act. 1):

    3. Im Schlichtungsverfahren werden gemäss Art. 113 Abs. 1 ZPO keine Parteientschädigungen gesprochen, weshalb auch eine Sicherheit für die Parteientschädigung i.S.v. Art. 99 ZPO nicht zur Frage steht. Die Gegenpartei ist daher gemäss Art. 119 Abs. 3 ZPO e contrario nicht zwingend anzuhören.

  2. Beurteilung des Gesuches

    1. Für die Beurteilung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege vor Einreichung der Klage bei Gericht ist gemäss § 128 GOG der Obergerichtspräsident im summarischen Verfahren (Art. 119 Abs. 3 ZPO) zuständig. Die unentgeltliche Rechtspflege ist gemäss Art. 119 Abs. 5 ZPO vor jeder Instanz neu zu beantragen, weshalb der Obergerichtspräsident diese bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nur bis zum Abschluss des Schlichtungsverfahrens bewilligen kann.

    2. Die unentgeltliche Rechtspflege wird gewährt, wenn die gesuchstellende Person nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (sog. Mittellosigkeit) und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (Art. 117 ZPO). Ein Anspruch auf die gerichtliche Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes setzt zusätzlich voraus, dass dies zur Wahrung der Rechte notwendig ist (Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO).

    3. Die Mittellosigkeit wird gemeinhin dann bejaht, wenn der Aufwand des notwendigen Lebensunterhalts (sog. zivilprozessualer Notbedarf) das massgebliche Einkommen übersteigt bzw. aus der Differenz nur ein kleiner Überschuss resultiert, welcher es der gesuchstellenden Person nicht erlauben würde, die Prozesskosten innert nützlicher Frist zu bezahlen. Nebst dem Einkommen ist auch das Vermögen zur Bestreitung des Prozessaufwands einzusetzen. Zu berücksichtigen ist vorhandenes Vermögen jeglicher Art, soweit es effektiv verfügbar, realisierbar und sein Verbrauch zumutbar ist. Als Lebensaufwandkosten sind grundsätzlich zu berücksichtigen der Grundbetrag, rechtlich geschuldete Unterhaltsbeiträge, Wohnkosten, obligatorische Versicherungen, Transportkosten zum Arbeitsplatz, Steuern sowie Verpflichtungen gegenüber Dritten, wenn sie tatsächlich erfüllt werden (Emmel, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich/Basel/Genf 2013, N 9 zu Art. 117). Massgebend sind die wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Gesuchstellung (Emmel, a.a.O., N 4 zu Art. 117).

    4. Bei der Beurteilung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege für das Schlichtungsverfahren sind sehr strenge Massstäbe anzulegen: Einerseits sind die in einem Schlichtungsverfahren entstehenden Kosten - anders als vor einer Gerichtsinstanz - äusserst beschränkt und können deshalb bereits bei einem relativ geringen Überschuss des Einkommens über den zivilprozessualen Notbedarf bestritten werden. Anderseits braucht es ganz besondere Umstände, damit man sagen kann, die Bestellung eines Rechtsbeistandes sei im Schlichtungsverfahren gemäss Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO notwendig.

    5. Der Gesuchsteller führte zu seinen finanziellen Verhältnissen aus, er erhalte Sozialhilfe von monatlich Fr. 986.- und seine monatlichen Auslagen (Miete und Krankenkassenprämien KVG) würden direkt durch das Sozialamt bezahlt. Vermögen habe er keines (act. 2 S. 2 und S. 3). Diese Angaben belegt er mit einer

      Abrechnung und einem Budget des Sozialdienstes B.

      vom 14. November

      2014 (act. 4/1). Seine Vermögenslosigkeit ergibt sich sodann aus der Steuererklä- rung 2013 (act. 4/2). Da die monatlichen Einnahmen des Gesuchstellers nicht

      ausreichen, um den Grundbetrag gemäss Kreisschreiben von Fr. 1'200.- zu decken, ist seine Mittellosigkeit hinreichend belegt bzw. glaubhaft gemacht.

    6. Für die Beurteilung der fehlenden Aussichtslosigkeit als zweite Voraussetzung der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist eine gewisse Prozessprognose notwendig, wobei auf den Zeitpunkt der Gesuchseinreichung abzustellen ist. Als aussichtslos sind dabei nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können (vgl. z.B. BGE 69 I 160). Zur Vornahme der Prüfung ist auf die vorhandenen Akten abzustellen (vgl. auch Rüegg, in: Spühler/Tenchio/Infanger [Hrsg.], Basler Kommentar Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Auflage, Basel 2013, N 20 zu Art. 117).

    7. Vorliegend geht es um eine Klage auf Schadenersatz und Genugtuung gegen C. . Im Rahmen einer Auseinandersetzung zwischen dem Gesuchsteller

      und C.

      trat Letzterer die Wohnungstüre des Gesuchstellers ein, setzte sich

      auf den zu Boden gefallenen Gesuchsteller, hielt diesen mit einer Hand am Hals fest und verpasste dem Gesuchsteller mit der anderen Hand, an welcher er einen grossen Ring trug, mehrfach Faustschläge ins Gesicht. Der Gesuchsteller erlitt eine offene Nasenbeinfraktur, vier kleine Rissquetschwunden an der Stirn rechts, am Nasenwurzelbereich rechts sowie jeweils an der Oberund Unterlippe rechts, welche mit Einzelknopfnähten verschlossen werden mussten, multiple Prellungen im Gesicht sowie eine Prellung am linken Knie (act. 4/3). Mit Urteil vom 11. Juli

      2014 wurde C.

      wegen einfacher Körperverletzung und Sachbeschädigung

      zum Nachteil des Gesuchstellers verurteilt, wobei die Schadenersatzund Genugtuungsbegehren des Gesuchstellers auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen wurden (act. 4/4 S. 1 f.). Dieses Urteil ist in Rechtskraft erwachsen (act. 4/4 S. 5). Gestützt auf diese Unterlagen kann die beabsichtigte Klage des Gesuchstellers

      auf Schadenersatz und Genugtuung gegen C.

      nicht als aussichtslos be-

      zeichnet werden. Dem Antrag des Gesuchstellers kann somit entsprochen und

      ihm für das Schlichtungsverfahren vor dem Friedensrichteramt B.

      betreffend Klage auf Schadenersatz und Genugtuung die unentgeltliche Rechtspflege im Sinne von Art. 118 Abs. 1 lit. a und b ZPO erteilt werden.

    8. Der Gesuchsteller beantragte im Weiteren die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes (act. 1 S. 4). Ein Anspruch auf die gerichtliche Bestellung eines Rechtsbeistandes besteht im Wesentlichen dann, wenn dies zur Wahrung der Rechte notwendig ist (Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO). Wie dargelegt, bedarf es ganz besonderer Umstände, damit die Bestellung eines Rechtsbeistandes im Schlichtungsverfahren als notwendig erscheint. Allgemein ausgedrückt hat eine Partei dann einen Anspruch auf Verbeiständung, wenn ihre Interessen in schwerwiegender Weise betroffen sind und der Fall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bietet, die den Beizug eines Rechtsvertreters erforderlich machen (Emmel, a.a.O., N 5 zu Art. 118). Dabei sind neben der Komplexität der Rechtsfragen und der Unübersichtlichkeit des Sachverhaltes auch in der Person des Betroffenen liegende Gründe zu berücksichtigen, so das Alter, die soziale Situation, Sprachkenntnisse sowie allgemein die Fähigkeit, sich im Verfahren zurecht zu finden (Entscheid des Bundesgerichts 1C_339/2008 vom 24. September 2008 E. 2.2.).

    9. Das Erfordernis der Notwendigkeit eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes ist vorliegend ausnahmsweise zu bejahen. Zunächst ist festzuhalten, dass der

      Gesuchsteller durch den Angriff von C.

      nicht unerheblich verletzt wurde in

      diesem Zusammenhang nun Schadenersatz und Genugtuung einklagen will. Solche Prozesse sind erfahrungsgemäss von einer gewissen Komplexität. Sodann dürfte es um eine für den mittellosen Gesuchsteller erhebliche Summe gehen. Zu seinen persönlichen Verhältnissen lässt sich den eingereichten Unterlagen entnehmen, dass der zweiundsechzig Jahre alte Gesuchsteller italienischer Staatsangehöriger und von Beruf Maler ist (act. 2 S. 1). Der Gesuchsteller verfügt mithin über keine juristischen Kenntnisse und sein Wunsch nach einem italienischsprachigen Anwalt lässt sodann darauf schliessen, dass der Gesuchsteller auch in sprachlicher Hinsicht einem Schlichtungsverfahren nicht gewachsen ist. Und schliesslich ist aufgrund des aktenkundigen Vorfalles ohne Weiteres nachvollziehbar, dass der Gesuchsteller C.

      nicht jedenfalls nicht alleine gegenübertreten kann. Damit ist die Notwendigkeit eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes für das Schlichtungsverfahren zu bejahen. Das Gesuch des Gesuchstellers um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes ist deshalb gutzuheissen und es ist der Gesuchsteller aufzufordern, innert Frist einen im Kanton Zürich zugelassenen Rechtsanwalt eine im Kanton Zürich zugelassene Rechtsanwältin zu benennen, andernfalls ihm vom Gericht ein Rechtsanwalt eine Rechtsanwältin bestellt wird.

  3. Kosten der unentgeltliche n Rechtspflege

    Gemäss den einschlägigen Bestimmungen der ZPO werden die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege vom Kanton getragen bzw. wird der unentgeltliche Rechtsbeistand vom Kanton entschädigt (Art. 113 Abs. 1 und Art. 122 ZPO). Der ständigen Praxis des Obergerichts des Kantons Zürich zur schweizerischen Zivilprozessordnung folgend sowie entsprechend der bisherigen zürcherischen Praxis sind die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege für das Verfahren vor der Schlichtungsbehörde von der zuständigen Gemeinde zu tragen, vorliegend somit von der Gemeinde B. . Zu beachten ist indes, dass die Kosten des Schlichtungsverfahrens gemäss Art. 207 Abs. 2 ZPO bei der Einreichung der Klage zur Hauptsache geschlagen werden und das erkennende Gericht somit in der Folge über diese zusammen mit den übrigen Prozesskosten gemäss Art. 104 ff. ZPO zu entscheiden hat. Die Kostenauflage an die Gemeinde B. erfolgt deshalb unter diesem Vorbehalt.

  4. Kosten und Rechtsmittel

    1. Gemäss Art. 119 Abs. 6 ZPO ist das Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege kostenlos.

    2. Die Gegenpartei in der Hauptsache verfügt im vorliegenden Verfahren nicht über Parteistellung. Ihr steht aber gegen den Entscheid betreffend unentgeltliche Rechtspflege die Beschwerde gemäss Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO offen, sofern ihr ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht.

Es wird erkannt:

  1. Dem Gesuchsteller wird für das Schlichtungsverfahren vor dem Friedens-

    richteramt B.

    betreffend Klage auf Schadenersatz und Genugtuung

    gegen C. die unentgeltliche Rechtspflege im Sinne von Art. 118 Abs. 1 lit. a und b ZPO gewährt.

  2. Dem Gesuchsteller wird für das oberwähnte Schlichtungsverfahren ein unentgeltlicher Rechtsbeistand i.S.v. Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO letzter Satz bestellt.

  3. Der Gesuchsteller wird aufgefordert, innert einer Frist von 10 Tagen seit Zustellung dieses Entscheids dem Obergerichtspräsidenten einen von ihm gewünschten, im Kanton Zürich zugelassenen Rechtsanwalt bzw. eine Rechtsanwältin zu benennen, andernfalls ihm vom Gericht ein solcher bzw. eine solche bestellt wird.

  4. Die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege des Schlichtungsverfahrens trägt unter Vorbehalt von Art. 207 Abs. 2 ZPO die Gemeinde B. .

  5. Dieses Verfahren ist kostenlos.

  6. Schriftliche Mitteilung gegen Empfangsschein an

    • den Gesuchsteller, zweifach, für sich und zuhanden des Friedensrichteramtes B.

    • die Gegenpartei in der Hauptsache, C. , [Adresse]

  7. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid kann innert 10 Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids beim Obergericht des Kantons Zürich, Zivilkammern, Postfach 2401, 8021 Zürich, eingereicht werden. In der Beschwerdeschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen. Die gesetzlichen Fristenstillstände gelten nicht (Art. 145 Abs. 2 ZPO).

Zürich, 15. Dezember 2014

OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. A. Gürber

versandt am:

Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.