Zusammenfassung des Urteils VO120192: Obergericht des Kantons Zürich
Das Obergericht des Kantons Zürich hat am 21. Dezember 2012 entschieden, ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abzulehnen, das von den Gesuchstellern A., B. und C. eingereicht wurde. Die Gesuchsteller hatten um finanzielle Unterstützung für ein Schlichtungsverfahren bezüglich Unterhaltsbeiträgen gebeten. Das Gericht entschied, dass die Gesuchsteller nicht ausreichend nachgewiesen haben, dass sie bedürftig sind, und wies das Gesuch daher ab. Die Kosten des Verfahrens trägt die Gegenpartei.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VO120192 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | Verwaltungskommission |
Datum: | 21.12.2012 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Gesuch unentgeltliche Prozessführung |
Schlagwörter: | Gesuch; Rechtspflege; Gesuchs; Obergericht; Gesuchstellerinnen; Einkommen; Unterhaltspflicht; Beurteilung; Entscheid; Obergerichtspräsident; Schlichtungsverfahren; Verfahren; Person; Anspruch; Verhältnisse; Mitwirkungspflicht; Eltern; Friedensrichteramt; Gericht; Mittellosigkeit; Bedürftigkeit; Einkommens; Mündigkeit; Ausbildung; Kantons; Frist; Abschluss; Emmel |
Rechtsnorm: | Art. 113 ZPO ;Art. 117 ZPO ;Art. 119 ZPO ;Art. 121 ZPO ;Art. 145 ZPO ;Art. 276 ZGB ;Art. 277 ZGB ;Art. 99 ZPO ; |
Referenz BGE: | 114 II 205; 120 Ia 179; 127 I 202; 131 I 113; 69 I 160; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
Präsident
Geschäfts-Nr.: VO120192-O/U
Mitwirkend: der Obergerichtspräsident lic. iur. R. Naef sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Leu
Urteil vom 21. Dezember 2012
in Sachen
1, 2, 3 vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X.
betreffend Gesuch unentgeltliche Rechtspflege
Erwägungen:
Ausgangslage
Am 29. Oktober 2012 liessen A.
(nachfolgend: Gesuchstellerin 1),
B.
(nachfolgend: Gesuchstellerin 2) und C.
(nachfolgend: Gesuchstellerin 3) durch ihren Rechtsvertreter beim Friedensrichteramt
ein Schlichtungsgesuch betreffend Unterhaltsbeiträge gegen
einreichen (act. 2). Gleichzeitig liessen sie ein Gesuch um Gewäh- rung der unentgeltlichen Rechtspflege stellen (act. 2 S. 2). Die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes liessen sie nicht beantragen. In der Folge setzte das Friedensrichteramt den Gesuchstellerinnen eine Frist zur Leistung eines Kostenvorschusses in der Höhe von Fr. 350.- an, welcher geleistet wurde (act. 1). Mit Eingabe vom 10. Dezember 2012 ersuchten die Gesuchstellerinnen erneut um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Schlichtungsverfahren und um Rückerstattung des geleisteten Kostenvorschusses (act. 4). Nach der Durchführung der Schlichtungsverhandlung am 12. Dezember 2012 und der Ausstellung der Klagebewilligung am 13. Dezember 2012 (act. 5) überwies das Friedensrichteramt D. das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege mit Schreiben vom 14. Dezember 2012 dem Obergericht des Kantons Zürich zur Behandlung (act. 1).
Im Schlichtungsverfahren werden gemäss Art. 113 Abs. 1 ZPO keine Parteientschädigungen gesprochen, weshalb auch eine Sicherheit für die Parteientschädigung i.S.v. Art. 99 ZPO nicht zur Frage steht. Die Gegenpartei ist daher gemäss Art. 119 Abs. 3 ZPO e contrario nicht zwingend anzuhören.
Beurteilung des Gesuchs
Für die Beurteilung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege vor der Einreichung der Klage bei Gericht ist gemäss § 128 GOG der Obergerichtspräsident im summarischen Verfahren (Art. 119 Abs. 3 ZPO) zuständig. Die unentgeltliche Rechtspflege ist gemäss Art. 119 Abs. 5 ZPO vor jeder Instanz neu zu beantragen, weshalb der Obergerichtspräsident diese bei Vor-
liegen der Anspruchsvoraussetzungen nur bis zum Abschluss des Schlichtungsverfahrens bewilligen kann.
Eine Person hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie einerseits nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (sog. Mittellosigkeit Bedürftigkeit) und andererseits ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (Art. 117 ZPO).
Die Mittellosigkeit wird gemeinhin dann bejaht, wenn der Aufwand des notwendigen Lebensunterhalts (sog. zivilprozessualer Notbedarf) das massgebliche Einkommen übersteigt bzw. aus der Differenz nur ein kleiner Überschuss resultiert, welcher es der gesuchstellenden Person nicht erlauben würde, die Prozesskosten innert nützlicher Frist zu bezahlen. Nebst dem Einkommen ist auch das Vermögen zur Bestreitung des Prozessaufwands einzusetzen. Zu berücksichtigen ist vorhandenes Vermögen jeglicher Art, soweit es effektiv verfügbar, realisierbar und sein Verbrauch zumutbar ist. Sind ausreichend liquide Mittel wie bspw. Bankkonten Wertpapiere vorhanden, sind diese zur Bezahlung des Prozesses zu verwenden, es sei denn, sie werden mangels ausreichenden Einkommens für den laufenden Lebensunterhalt benötigt (BSK ZPO-Rüegg, Art. 117 N 15). Als Lebensaufwandkosten sind grundsätzlich zu berücksichtigen der Grundbetrag, rechtlich geschuldete Unterhaltsbeiträge, Wohnkosten, obligatorische Versicherungen, Transportkosten zum Arbeitsplatz, Steuern sowie Verpflichtungen gegenüber Dritten, wenn sie tatsächlich erfüllt werden (Emmel in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Zürich/Basel/Genf 2010, Art. 117 N 9). Massgebend sind die wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Gesuchstellung (Emmel, a.a.O., Art. 117 N 4).
Bei der Beurteilung der Bedürftigkeit bei Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege für das Schlichtungsverfahren sind sehr strenge Massstäbe anzulegen: Die in einem Schlichtungsverfahren entstehenden Kosten sind - anders als vor einer Gerichtsinstanz - sehr beschränkt und können deshalb
bereits bei einem relativ geringen Überschuss des Einkommens und Vermö- gens über den zivilprozessualen Notbedarf bestritten werden.
Die gesuchstellende Person hat gemäss Art. 119 Abs. 2 ZPO die zur Beurteilung ihres Gesuchs relevanten Einkommensund Vermögensverhältnisse umfassend darzulegen - es trifft sie bei der Abklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine umfassende Mitwirkungspflicht. Kommt sie dieser Mitwirkungspflicht nicht nur ungenügend nach und kann als Folge davon ihre Bedürftigkeit nicht hinreichend beurteilt werden, ist der Anspruch um unentgeltliche Rechtspflege zu verweigern (BGE 120 Ia 179).
Dem Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege gehen allfällige gesetzliche Unterhaltspflichten wie bspw. die Unterhaltspflicht der Eltern für ihre Kinder gemäss Art. 276 ff. ZGB vor (vgl. BGE 127 I 202). Da die Unterhaltspflicht der Eltern nach der Mündigkeit des Kindes grundsätzlich bis zum Abschluss einer ordentlichen Ausbildung weiterdauert (Art. 277 Abs. 2 ZGB), ist vorliegend insbesondere zu prüfen, ob die Gesuchstellerinnen nicht auf der Grundlage solcher Verpflichtungen die nötigen finanziellen Mittel erhältlich machen können. Konkret sind deshalb die finanziellen Verhältnisse der Mutter der Gesuchstellerinnen in die Beurteilung ihrer Mittellosigkeit einzubeziehen.
Die Gesuchstellerin 1 lässt ausführen, sie absolviere zurzeit ein Studium (act. 2 S. 1). Ihr steuerbares Einkommen von Fr. 966.70 pro Monat sowie ihr steuerbares Vermögen von Fr. 0.- belegt sie mittels Steuerausweis vom 1.
November 2012 der Gemeinde D.
(act. 4). Die Gesuchstellerin 2 ist
Lernende und hat gemäss Steuerausweis der Gemeinde D.
vom 1.
November 2012 weder steuerbares Einkommen noch steuerbares Vermö- gen (act. 4). Die finanziellen Verhältnisse der Gesuchstellerin 3, welche noch in die Schule geht (act. 2 S. 1), sind nicht bekannt. Im Gesuch wird einzig ausgeführt, sie sei ebenfalls mittellos (act. 4).
Wie erwogen ist, es Aufgabe der gesuchstellenden Person, den Nachweis der Mittellosigkeit zu erbringen und damit die Einkommensund Vermö-
gensverhältnisse sowie die notwendigen Lebenshaltungskosten offenzulegen und zu belegen (Entscheid des Bundesgerichts 4A_87/2007 E. 2.1; Emmel, a.a.O., Art. 119 N 6). Diese Mitwirkungspflicht ist umfassend und gilt auch für die finanziellen Verhältnisse der Mutter, welche, wie dargelegt, aufgrund der Dauer der Unterhaltspflicht über die Mündigkeit hinaus in die Beurteilung des Gesuchs miteinzubeziehen sind. Die Leistung von Prozesskostenvorschüssen gehört ebenfalls zur Unterhaltspflicht (BSK ZGB I- Breitschmid, Art. 276 N 26) und besteht unabhängig von weiteren Unterhaltsleistungen. Die rechtskundig vertretenen Gesuchstellerinnen haben davon abgesehen, sich zum Einkommen, Vermögen und zu den notwendigen Lebenshaltungskosten der Mutter zu äussern und diese - auch nicht im Schlichtungsverfahren - zu belegen. Damit sind sie ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen, weshalb es dem Obergerichtspräsidenten nicht mög- lich ist, die Bedürftigkeit hinreichend zu beurteilen. Das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung ist daher abzuweisen.
Für die Beurteilung der zweiten Voraussetzung der fehlenden Aussichtslosigkeit ist sodann eine gewisse Prozessprognose notwendig, wobei auf den Zeitpunkt der Gesuchseinreichung abzustellen ist. Als aussichtslos sind dabei nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden kön- nen (vgl. z.B. BGE 69 I 160). Zu prüfen ist, ob der geltend gemachte Anspruch aus den behaupteten Tatsachen rechtlich begründet ist. Die Prozesschancen sind in vorläufiger und summarischer Prüfung der Sachund Rechtslage aufgrund des jeweiligen Aktenstandes zu beurteilen (BGE 131 I 113 E. 3.7.3). Zur Vornahme der Prüfung ist damit auf die vorhandenen Akten abzustellen (vgl. auch BSK ZPO-Rüegg, Art. 117 N 20).
Die Unterhaltspflicht der Eltern dauert auch nach der Mündigkeit des Kindes grundsätzlich bis zum Abschluss einer ordentlichen Ausbildung weiter (Art. 277 Abs. 2 ZGB). Als ordentliche Ausbildung gilt insbesondere die Absolvierung eines Studiums (vgl. zum Ganzen BGE 114 II 205; BGE 111 II
413 S. 417; BSK ZGB I-Breitschmid, Art. 277 N 12 und 22; Hegnauer in: BKZGB, Bd. II/2/2/1, Die Gemeinschaft der Eltern und Kinder, Die Unterhaltspflicht der Eltern, Art. 270 - 295 ZGB, Bern 1997, Art. 277 N 67 ff.). Die Gesuchstellerinnen haben davon abgesehen, ihre Behauptung, sie befänden sich noch in Ausbildungen, weshalb die Unterhaltspflicht auch nach Eintritt der Mündigkeit weiterbestehe, glaubhaft darzulegen. Blosse Behauptungen reichen für die Begründung des Erfordernisses der fehlenden Aussichtslosigkeit nicht aus. Damit sind die Gesuchstellerinnen ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen, weshalb das Gesuch auch aus diesem Grunde abzuweisen ist.
Kosten und Rechtsmittel
Gemäss Art. 119 Abs. 6 ZPO ist das Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege kostenlos.
Wird die unentgeltliche Rechtspflege ganz teilweise abgelehnt entzogen, so kann die gesuchstellende Person den Entscheid mit Beschwerde gemäss Art. 121 ZPO beim Obergericht anfechten. Dass vorliegend der Obergerichtspräsident über das Gesuch befindet, vermag daran nichts zu ändern. Der Obergerichtspräsident fällt in diesem Verfahren einen erstinstanzlichen Entscheid i.S.v. Art. 319 lit. b ZPO und fungiert nicht als obere kantonale Instanz, gegen deren Entscheide lediglich ein Rechtsmittel ans Bundesgericht gegeben wäre.
Die Gegenpartei in der Hauptsache verfügt im vorliegenden Verfahren nicht über Parteistellung. Ihr steht aber gegen den Entscheid betreffend unentgeltliche Rechtspflege die Beschwerde gemäss Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO offen, sofern ihr ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht.
Es wird erkannt:
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen.
Das obergerichtliche Verfahren ist kostenlos.
Schriftliche Mitteilung, je gegen Empfangsschein, an:
den Rechtsvertreter der Gesuchstellerinnen, vierfach, für sich und die Gesuchstellerinnen,
das Friedensrichteramt D. ,
die Gegenpartei in der Hauptsache, E. , [Adresse].
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid kann innert 10 Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids beim Obergericht des Kantons Zürich, Zivilkammern, Postfach 2401, 8021 Zürich, eingereicht werden. In der Beschwerdeschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen. Die gesetzlichen Fristenstillstände gelten nicht (Art. 145 Abs. 2 ZPO).
Zürich, 21. Dezember 2012
OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Leu
versandt am:
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