Zusammenfassung des Urteils VO110157: Obergericht des Kantons Zürich
Die Gesuchstellerin A. hat beim Obergericht des Kantons Zürich um unentgeltliche Rechtspflege für eine Unterhaltsklage gegen D. ersucht. Das Gericht prüfte die finanzielle Situation der Gesuchstellerin und entschied, dass sie bedürftig ist und die Klage nicht aussichtslos ist. Daher wurde ihr die unentgeltliche Rechtspflege gewährt. Die Kosten trägt die Stadt C. Die Entscheidung kann innerhalb von 10 Tagen angefochten werden.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VO110157 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | Verwaltungskommission |
Datum: | 22.12.2011 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege |
Schlagwörter: | Rechtspflege; Gesuch; Schlichtungsverfahren; Obergericht; Einkommen; Beistand; Beurteilung; Kanton; Gericht; Verfahren; Kantons; Rechtsbeistand; Friedensrichteramt; Unterhaltsklage; Gesuchs; Anspruch; Mittellosigkeit; Verhältnisse; Unterhaltspflicht; Obergerichts; Gewährung; Schlichtungsverfahrens; Person; Bedürftigkeit; Notbedarf; Prozesskosten; Einkommens; Mitwirkungspflicht; Mutter |
Rechtsnorm: | Art. 104 ZPO ;Art. 113 ZPO ;Art. 117 ZPO ;Art. 119 ZPO ;Art. 122 ZPO ;Art. 145 ZPO ;Art. 207 ZPO ;Art. 276 ZGB ;Art. 99 ZPO ; |
Referenz BGE: | 110 IA 87; 120 Ia 179; 127 I 202; 69 I 160; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
Präsident
Geschäfts-Nr.: VO110157-O/U
Mitwirkend: Der Obergerichtspräsident Dr. H.A. Müller sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Leu-Zweifel
Urteil vom 22. Dezember 2011
in Sachen
Gesuchstellerin
vertreten durch Inhaberin der elterlichen Sorge B. vertreten durch Beistand lic. iur. X. , Jugendsekretariat C.
betreffend Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
Erwägungen:
Ausgangslage
Mit Eingabe vom 13. Dezember 2011 liess A. (nachfolgend: Gesuchstellerin) durch ihren Rechtsbeistand beim Friedensrichteramt C.
ein
Schlichtungsgesuch betreffend Unterhaltsklage gegen D.
einreichen.
Gleichzeitig liess sie in prozessualer Hinsicht die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege beantragen (act. 2/7).
Ebenfalls mit Eingabe vom 13. Dezember 2011 liess die Gesuchstellerin sodann durch ihren Beistand beim Obergericht des Kantons Zürich um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege nach Art. 117 ZPO ersuchen (act. 1).
Im Schlichtungsverfahren werden gemäss Art. 113 Abs. 1 ZPO keine Parteientschädigungen gesprochen, weshalb auch eine Sicherheit für die Parteientschädigung i.S.v. Art. 99 ZPO nicht zur Frage steht. Die Gegenpartei ist daher gemäss Art. 119 Abs. 3 ZPO e contrario nicht zwingend anzuhören.
Beurteilung des Gesuchs
Für die Beurteilung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege vor Einreichung der Klage bei Gericht ist gemäss § 128 GOG der Obergerichtsprä- sident im summarischen Verfahren (Art. 119 Abs. 3 ZPO) zuständig. Die unentgeltliche Rechtspflege ist gemäss Art. 119 Abs. 5 ZPO vor jeder Instanz neu zu beantragen, weshalb der Obergerichtspräsident diese bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nur bis zum Abschluss des Schlichtungsverfahrens bewilligen kann.
Eine Person hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie einerseits nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (sog. Mittellosigkeit Bedürftigkeit) und andererseits ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (Art. 117 ZPO).
Die Mittellosigkeit wird gemeinhin dann bejaht, wenn der Aufwand des notwendigen Lebensunterhalts (sog. zivilprozessualer Notbedarf) das massgebliche Einkommen übersteigt bzw. aus der Differenz nur ein kleiner Überschuss resultiert, welcher es der gesuchstellenden Person nicht erlauben würde, die Prozesskosten innert nützlicher Frist zu bezahlen. Nebst dem Einkommen ist auch das Vermögen zur Bestreitung des Prozessaufwands einzusetzen. Zu berücksichtigen ist vorhandenes Vermögen jeglicher Art, soweit es effektiv verfügbar, realisierbar und sein Verbrauch zumutbar ist. Als Lebensaufwandkosten sind zu berücksichtigen der Grundbetrag, rechtlich geschuldete Unterhaltsbeiträge, Wohnkosten, obligatorische Versicherungen, Transportkosten zum Arbeitsplatz, Steuern sowie Verpflichtungen gegenüber Dritten, wenn sie tatsächlich erfüllt werden (Emmel in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Zürich/Basel/Genf 2010, Art. 117 N 9). Massgebend sind die wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Gesuchstellung (Emmel, a.a.O., Art. 117 N 4).
Bei der Beurteilung der Bedürftigkeit bei Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege für das Schlichtungsverfahren sind sehr strenge Massstäbe anzulegen. Die in einem Schlichtungsverfahren entstehenden Kosten sind - anders als vor einer Gerichtsinstanz - sehr beschränkt und können deshalb bereits bei einem relativ geringen Überschuss des Einkommens und Vermö- gens über den zivilprozessualen Notbedarf bestritten werden.
Die gesuchstellende Person hat gemäss Art. 119 Abs. 2 ZPO die zur Beurteilung ihres Gesuchs relevanten Einkommensund Vermögensverhältnisse umfassend darzulegen - es trifft sie bei der Abklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine umfassende Mitwirkungspflicht. Kommt sie dieser Mitwirkungspflicht nicht nur ungenügend nach und kann als Folge davon ihre Bedürftigkeit nicht hinreichend beurteilt werden, ist der Anspruch um unentgeltliche Rechtspflege zu verweigern (BGE 120 Ia 179).
Dem Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege gehen allfällige gesetzliche Unterhaltspflichten wie bspw. die Unterhaltspflicht der Eltern für ihre Kinder
gemäss Art. 276 ff. ZGB vor (vgl. BGE 127 I 202), weshalb vorliegend insbesondere zu prüfen ist, ob die Gesuchstellerin nicht auf der Grundlage solcher Verpflichtungen die nötigen finanziellen Mittel erhältlich machen kann. Konkret sind deshalb die finanziellen Verhältnisse der Mutter der Gesuchstellerin in die Beurteilung ihrer Mittellosigkeit einzubeziehen.
Die rund zwei Jahre alte Gesuchstellerin verfügt gemäss den glaubhaften Ausführungen im Gesuch weder über ein Einkommen noch über Vermögen (act. 1 S. 2). Die Kindsmutter arbeitet seit kurzem stundenweise als Raumpflegerin ohne Arbeitsvertrag, hat bis heute aber noch keinen Lohn erhalten. Unterhaltsbeiträge aus der geschiedenen Ehe mit E. erhält sie eigenen Angaben zufolge keine. Ebenso wenig verfügt sie den Angaben im Gesuch zufolge über Vermögen (act. 1 S. 2). Zu den notwendigen Lebenshaltungskosten lässt die Gesuchstellerin ausführen, sie lebe zurzeit mit ihrer Mutter bei einem Bekannten in F. , welcher für ihren Lebensunterhalt (Wohnung, Verpflegung, Taschengeld, Kindesunterhalt etc.) freiwillig und ohne rechtliche Verpflichtung aufkomme (act. 1 S. 2). Der Bekannte bestä- tigte dies mit Schreiben vom 7. Dezember 2011 (act. 2/6). Weiter lässt die Gesuchstellerin ausführen, die Krankenkassenbeiträge würden (wohl) vom Kindsvater bezahlt (act. 1 S. 2).
Grundsätzlich wäre es der Gesuchstellerin bzw. ihrem Beistand zumutbar, sich nach der Höhe des der Mutter zustehenden Erwerbseinkommens zu erkundigen und dieses mittels Beleg nachzuweisen. Insoweit ist die Gesuchstellerin ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. Bei den gegebenen Verhältnissen muss jedoch davon ausgegangen werden, dass die Kindsmutter selbst bei Kenntnis der konkreten Einkommenshöhe nicht angehalten werden könnte, gestützt auf die familienrechtliche Unterhaltspflicht einen Prozesskostenvorschuss zu leisten. Die vermögenslose Kindsmutter arbeitet stundenweise als Raumpflegerin. Einkommen aus solchen stundenweise nachgegangenen Erwerbstätigkeiten reichen in aller Regel nicht aus, um den Notbedarf für sich und ein Kind zu decken. Das Erfordernis der Mittellosigkeit der Gesuchstellerin ist damit gegeben.
Für die Beurteilung der fehlenden Aussichtslosigkeit als zweite Voraussetzung der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist eine gewisse Prozessprognose notwendig, wobei auf den Zeitpunkt der Gesuchseinreichung abzustellen ist. Als aussichtslos sind dabei nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können (vgl. z.B. BGE 69 I 160). Zur Vornahme der Prüfung ist auf die vorhandenen Akten abzustellen (vgl. auch BSK ZPO-Rüegg, Art. 117 N 20).
Die rechtshängig gemachte Unterhaltsklage gegen D. kann aus heutiger Perspektive nicht als aussichtslos bezeichnet werden, da er die Gesuchstellerin am 28. April 2010 in C. als sein Kind anerkannt hat (act. 2/2). Folglich kann dem Antrag der Gesuchstellerin entsprochen werden und ist ihr für das Schlichtungsverfahren vor dem Friedensrichteramt C. betreffend oberwähnte Unterhaltsklage die unentgeltliche Rechtspflege zu erteilen.
Einen Antrag um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes stellt die Gesuchstellerin nicht. Einem solchen wäre auch nicht stattzugeben, da gemäss ständiger kantonaler und bundesgerichtlicher Rechtsprechung die Bestellung eines solchen nicht notwendig erscheint, wenn die bedürftige Partei über einen Beistand verfügt, welcher in der Lage ist, die Interessen des Vertretenen zu wahren (ZR 83 [1984] S. 271; BGE 110 IA 87). Dies ist
vorliegend der Fall. Die Vormundschaftsbehörde C.
hat lic. iur.
X. mit Beschluss vom 26. April 2011 zum Beistand der Gesuchstellerin u.a. mit dem Auftrag ernannt, für eine angemessene Regelung der Unterhaltspflicht zu sorgen, wozu ihm eine Prozessvollmacht mit Substitutionsrecht erteilt wurde (act. 2/3). Damit ist die rechtskundige Vertretung der Gesuchstellerin gewährt.
Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege
Gemäss den einschlägigen Bestimmungen der ZPO werden die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege vom Kanton getragen bzw. wird der unentgeltliche Rechtsbeistand vom Kanton entschädigt (Art. 113 Abs. 1 und Art. 122 ZPO). Der ständigen Praxis des Obergerichts des Kantons Zürich zur Schweizerischen Zivilprozessordnung folgend sowie entsprechend der bisherigen zürcherischen Praxis sind die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege für das Verfahren vor der Schlichtungsbehörde von der zuständigen Gemeinde zu tragen, vorliegend somit von der Stadt C. . Zu beachten ist indes, dass die Kosten des Schlichtungsverfahrens gemäss Art. 207 Abs. 2 ZPO bei der Einreichung der Klage zur Hauptsache geschlagen werden und das erkennende Gericht somit in der Folge über diese zusammen mit den übrigen Prozesskosten gemäss Art. 104 ff. ZPO zu entscheiden hat. Die Kostenauflage an die Gemeinde erfolgt deshalb unter diesem Vorbehalt.
Kosten und Rechtsmittel
Gemäss Art. 119 Abs. 6 ZPO ist das Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege kostenlos.
Die Gegenpartei in der Hauptsache verfügt im vorliegenden Verfahren nicht über Parteistellung. Ihr steht aber gegen den Entscheid betreffend unentgeltliche Rechtspflege die Beschwerde gemäss Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO offen, sofern ihr ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht.
Es wird erkannt:
Der Gesuchstellerin wird für das Schlichtungsverfahren vor dem Friedensrichteramt C. betreffend Unterhaltsklage gegen D. die unentgeltliche Rechtspflege gewährt. Ein unentgeltlicher Rechtsbeistand wird nicht bestellt.
Die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege des Schlichtungsverfahrens trägt unter Vorbehalt von Art. 207 Abs. 2 ZPO die Stadt C. .
Das obergerichtliche Verfahren ist kostenlos.
Schriftliche Mitteilung an den Beistand der Gesuchstellerin, an das Friedensrichteramt C. sowie an die Gegenpartei in der Hauptsache, Herr
D. , [Adresse], je gegen Empfangsschein.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid kann innert 10 Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids beim Obergericht des Kantons Zürich, Zivilkammern, Postfach 2401, 8021 Zürich, eingereicht werden. In der Beschwerdeschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen. Die gesetzlichen Fristenstillstände gelten nicht (Art. 145 Abs. 2 ZPO).
Zürich, 22. Dezember 2011
OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Leu-Zweifel
versandt am:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.