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Urteil Verwaltungsgericht (SO)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:ZZ.1983.16
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid ZZ.1983.16 vom 16.12.1983 (SO)
Datum:16.12.1983
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Enteignungsentschädigung, Streifenenteignung
Schlagwörter: Grundstück; Enteignung; Gemeinde; Vorteil; Verwaltungsgericht; Grundstücke; Vorteile; Schätzungskommission; Enteignungsentschädigung; überbauten; Quadratmeter; Praxis; Eigentümer; Grundeigentümer; Strassen; Abtretung; Streifen; Unüberbauten; Grundstücken; Auffassung; Quadratmeterpreis; Urteil; Regel; Abzutreten; Parteien; Vorliegenden; Erschliessungsplan; Quote; Entschädigung; Grundstücks
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Urteil der Schätzungskommission erhoben beide Parteien beim Verwaltungsgericht Beschwerde. Die Einwohnergemeinde beantragte, es seien auch für das Land ab Nr. 1888 und 1889 Fr. 40.-/m2 zu bezahlen; der Eigentümer seinerseits beantragte, es sei auch für das Land ab Grundstück Nr. 1887 der Preis von Fr. 100.-/m2 zu leisten. Das Verwaltungsgericht entschied, dass bezüglich aller drei Grundstücke gleich viel zu bezahlen sei und zwar der volle Baulandpreis, den es auf Fr. 80.-/m2 schätzte. Zur Begründung führte es Folgendes aus:

1. Die Gemeinde macht in erster Linie geltend, es handle sich im vorliegenden Fall um Streifenenteignungen, bei denen der Schaden nicht dem Quadratmeterpreis entspreche, der bei einem Verkauf des ganzen Grundstücks erzielt werden könnte, sondern wesentlich tiefer liege.

Gewiss gibt es Streifenenteignungen, wo die Enteignungsentschädigung nicht einfach auf Grund des Quadratmeterpreises, wie er im betreffenden Gebiet für Bauland gilt, errechnet werden kann (vgl. Luder, Die Praxis des Verwaltungsgerichtes des Kantons Solothurn zur Enteignungsentschädigung, in Festgabe Jeger, S. 107 f).Allein, das Verwaltungsgericht hat in einer bereits langjährigen Praxis festgestellt, dass bei unüberbauten Grundstücken, insbesondere auch bei unüberbauten Industrie-Landflächen, in der Regel die Abtretung eines Streifens einen Schaden verursacht, der dem einschlägigen Quadratmeterpreis multipliziert mit der Anzahl der abgetretenen Quadratmetern entspricht, indem ein Käufer seinen Kaufpreis um den entsprechenden Betrag reduzieren würde (SOG 1974 Nr. 26; vgl. auch SOG 1979 Nr. 17).Es besteht kein Grund, von dieser Praxis abzugehen. Die Gemeinde findet allerdings, das Verwaltungsgericht mache bei den Streifenenteignungen zu Unrecht einen Unterschied zwischen den überbauten und den unüberbauten Grundstücken und sollte seine Praxis überprüfen. Allein, wenn die bisherige Praxis problematisch sein sollte, dann höchstens bezüglich der überbauten Grundstücke; es mag sein, dass hier gewisse Differenzierungen nötig sind. Dagegen besteht kein Anlass, die Praxis bezüglich der unüberbauten Grundstücke zu ändern; die oben dargelegte Regel betreffend die unüberbauten Grundstücke erscheint nach wie vor als richtig.

Die Gemeinde hat nun keine besonderen Umstände dargetan, die für den konkreten Fall eine Ausnahme von der besagten Regel begründen würden. Sie verweist zwar speziell daraufhin, dass für die drei Grundstücke, weil sie in der Industriezone liegen, keine Ausnützungsziffer gelte, und behauptet, dass sich deshalb die Landabtretung nicht als Einschränkung der Überbauungsmöglichkeit auswirke. Es ist indessen nicht einzusehen, wieso dem Umstand, dass in der Industriezone keine Ausnützungsziffer gilt, im vorliegenden Zusammenhang wesentliche Bedeutung zukommt. Eine industrielle Nutzung des Areals verlangt nicht nur Bauten, sondern auch Zufahrtswege, Abstellgelände und dergleichen; wesentlich ist, dass durch die Abtretung der Streifen die Gesamtfläche und damit auch die Gesamtausnutzungsmöglichkeit proportional zur Grösse der abzutretenden Streifen abnimmt (vgl. dazu die Ausführungen in SOG 1974 Nr. 26; ferner auch SOG 1979 Nr. 17 S. 42 unten).

2. Die Vorinstanz ist inbezug auf eines der drei Grundstücke, nämlich inbezug auf Nr. 1887, aus einem ganz speziellen Grund von der in Ziff. 1 behandelten Regel abgewichen. Die Vorinstanz hat festgestellt, dass Herr T. das betreffende Grundstück zu einer Zeit (1982) gekauft hat, wo der Erschliessungsplan Leimen/Riedern von 1981 bereits in Kraft war. Herr T. habe somit beim Kauf des Grundstücks gewusst, dass er die betreffenden Teile des Grundstücks später für den Strassenbau abtreten müsse; die Käufer von Grundstücken wüssten sehr wohl zwischen baulich verwertbarem Land einerseits und Land, das später zum Strassenbau abzutreten ist, andrerseits zu unterscheiden und würden den Kaufpreis entsprechend gestalten. Auf Grund dieser Überlegungen ist die Vorinstanz zum Schluss gekommen, Herr T. habe für die Abtretung ab dem Grundstück Nr. 1887 im Gegensatz zu den Abtretungen ab den Grundstücken Nr. 1888 und 1889 nicht den Quadratmeterpreis zu gut, der gelten würde, wenn das ganze Grundstück verkauft würde, sondern "nach der Praxis der Schätzungskommission" nur 1/4 bis 1/2 davon. - Diese Auffassung der Schätzungskommission ist Gegenstand der Beschwerde des Herrn T.; die Gemeinde ihrerseits erachtet die Auffassung der Schätzungskommission als richtig.

Die Schätzungskommission hat diese Auffassung bereits einmal in einem Fall vertreten, der mit Beschwerde ans Verwaltungsgericht gezogen worden ist. Das Verwaltungsgericht hat damals die Auffassung als unzutreffend bezeichnet (Verwaltungsgerichtsurteil vom 22. Oktober 1982 in Sachen W./Einwohnegemeinde Hägendorf).Es erachtet sie auch heute als falsch, was im Folgenden etwas eingehender begründet werden soll als im erwähnten Urteil von 1982:

Die Enteignung beruht auf dem Erschliessungsplan Leimen/Riedern von 1981, in dem das heute abzutretende Land als Strassengebiet bezeichnet ist (§ 42 Abs. 1 BauG).Es trifft zu, dass dieser Plan, als Herr T. im Jahre 1982 das Grundstück Nr. 1887 kaufte, bereits in Kraft war und dass Herr T. ihn kannte. (Der Kauf erfolgte sogar erst nach Hängigkeit des vorliegenden Schätzungsverfahrens, an welchem Herr T. mit seinen andern Grundstücken von Anfang an beteiligt war, sodass er beim Kauf über alles im Bilde war.) Es ist indessen nicht einzusehen, wieso diese Umstände eine Reduktion der Enteignungsentschädigung, die mit Hilfe einer Schadensberechnung gemäss Ziff. 1 hiervor bestimmt worden ist, rechtfertigen sollen. Wieso soll der Enteigner von der Bezahlung der vollen Entschädigung dispensiert werden, nur weil das betreffende Grundstück nach Inkrafttreten des Enteignungstitels (des Erschliessungsplans) einmal die Hand gewechselt hat? Die Schätzungskommission behauptet, nach ihrer Erfahrung würden bei einer solchen Handänderung die Kaufsparteien im Hinblick auf die im Erschliessungsplan vorgesehene Abtretung den Kaufpreis niedriger ansetzen und es wäre unbillig, wenn dem Enteigner zugemutet würde, mehr zu entschädigen als den Wert, den die Parteien selbst dem Land zumessen. Abgesehen davon, dass es schwierig sein dürfte, eine Kaufspraxis von der behaupteten Art nachzuweisen, verstösst die Argumentation der Schätzungskommission gegen den enteignungsrechtlichen Grundsatz, dass Vorwirkungen der Enteignung (enteignungsbedingte Wertminderungen) nicht preismindernd berücksichtigt werden dürfen (Rudolf Merker, Der Grundsatz der vollen Entschädigung im Enteignungsrecht, S. 25 und 28). Aber gerade um eine solche Vorwirkung würde es sich handeln, wenn ein Grundstück tatsächlich wegen der zu erwartenden Enteignung billiger verkauft würde. Befolgen die Schätzungsbehörden, vorab die kantonale Schätzungskommission, den besagten Grundsatz betreffend Vorwirkungen konsequent, dann haben Parteien, welche am Verkauf eines Grundstücksteils, wie er hier zur Diskussion steht, beteiligt sind, gar keinen Anlass, wegen der zukünftigen Enteignung den Preis herabzusetzen, denn sie können eben darauf vertrauen, dass dannzumal die Abtretung mit dem vollen Verkehrswert entschädigt wird. (Etwas anders ist es, wenn die Parteien - vor allem in Fällen, wo die Enteignung noch in weiter Ferne liegt - wegen des Bauverbots, das nach § 41 Abs. 1 BauG auf der als Strassengebiet ausgeschiedenen Fläche lastet, den Preis reduzieren; aber auch dieser Umstand darf nicht zur Reduktion der Enteignungsentschädigung führen, weil Eigentumsbeschränkungen, die der Vorbereitung der Enteignung dienen, keine Wertminderung bewirken, welche bei der Festsetzung der Enteignungsentschädigung zu berücksichtigen wäre. Dazu RB 1973 Nr. 35 und die dort zit. früheren Urteile des Obergerichts und des Verwaltungsgerichts; SOG 1981 S. 48/49; Imboden/Rhinow, Schweiz. **SOG-1983-16 S.39** Verwaltungsrechtsprechung, 5. A., S. 940 Ziff. 3; Merker, a.a.O. S. 22 bei N 36).

Nach allem ist die Auffassung der Schätzungskommission über die Bedeutung der Handänderung von 1982 unhaltbar, und es bleibt auch für das Grundstück Nr. 1887 dabei, dass nach der in Ziff. 1 hievor erwähnten Regel vorzugehen und die Entschädigung nach dem in der Gegend geltenden Quadratmeterpreis multipliziert mit der Anzahl abzutretender Quadratmeter festzusetzen ist.

3. (In diesem Abschnitt setzte sich das Verwaltungsgericht mit der Frage auseinander, welcher Wert als massgeblicher Baulandwert der betreffenden Gegend anzusehen sei, und kam zum Ergebnis, dass ein Wert von Fr. 80.-/m2 als massgeblich anzusehen und deshalb ein entsprechender Betrag zuzusprechen sei.)

4. Die Gemeinde glaubt nun aber, dass die nach dem Verkehrswert berechnete Entschädigung schliesslich noch deshalb gekürzt werden könne, weil sich der Eigentümer Vorteile anrechnen lassen müsse, nämlich Vorteile, die den Restgrundstücken aus dem Ausbau der Leuzigenstrasse erwachsen. Das neue Reglement der Einwohnergemeinde Grenchen über Erschliessungsbeiträge und -gebühren auferlege beim Ausbau einer Erschliessungsstrasse den Grundeigentümern nur einen Kostenanteil von 50%. Es sei offensichtlich, dass damit die aus dem Ausbau entstehenden Vorteile nicht abgeschöpft würden.

Die Möglichkeit, besondere Vorteile, die dem Eigentümer aus dem Enteignungsunternehmen erwachsen, anzurechnen, ist in § 232 Abs. 2 EGZGB vorgesehen. Bei der Prüfung, ob besondere Vorteile im Sinne dieser Bestimmung bestehen, heisst es aber vor allem im Zusammenhang mit Strassenbauten vorsichtig sein. Darauf hat das Verwaltungsgericht schon seit vielen Jahren immer wieder gewiesen (vgl. Luder, a.a.O., S. 121f).Es hat insbesondere betont, dass es bei Werken, die mehreren Eigentümern Nutzen bringen, nicht angeht, dem Eigentümer, der Land abtreten muss, den Vorteil aus dem Werk anzurechnen, während andere Eigentümer, die ebenfalls Vorteile erfahren, aber nicht enteignet werden, die Vorteile unentgeltlich empfangen dürfen. Dazu kommt nun aber, dass die Abschöpfung von Vorteilen, die den Grundeigentümern durch die Erstellung von öffentlichen Verkehrsanlagen erwachsen, durch das neue solothurnische Baurecht einheitlich geregelt worden ist in den Vorschriften des Baugesetzes und des kantonalen Erschliessungsreglementes. Diese Bestimmungen - die zum Teil Ausführungsrecht zum Bundesrecht darstellen (Art. 19 Abs. 2 des Raumplanungsgesetzes, Art. 6 des Wohnbauund Eigentumsförderungsgesetzes) - schreiben vor, dass die Vorteile durch Grundeigentümerbeiträge abzuschöpfen sind, welche nach einem bestimmten, im kantonalen Erschliessungsreglement näher ausgeführten Perimeter-System zu erheben sind (§§ 108 ff. BauG; §§ 10 ff. KER).Das kantonale Recht gibt an, bis zu welchen minimalen Quoten die Gemeinden die Kosten der Anlagen auf die Grundeigentümer überwälzen müssen; die Gemeinden können die Quoten erhöhen oder aber bis zur Hälfte herabsetzen (§ 110 BauG).Wenn nun eine Gemeinde den Gesamtanteil der Grundeigentümer auf weniger als 100% festsetzt - wie das in Grenchen für sämtliche Arten von Strassen zutrifft -, heisst das, dass der Rest von der Gemeinde aus den allgemeinen Steuermitteln getragen wird. Wenn der kommunale Gesetzgeber entschieden hat, dass für Erschliessungsstrassen 50% der Kosten auf die Grundeigentümer und 50% auf die Gemeinde fallen, kann die Gemeindeverwaltung nicht "durch die Hintertüre" einer Vorteilsanrechnung nach § 232 EGZGB das Grundeigentum doch noch über die Quote von 50% hinaus belasten. Die Meinung, welche früher ab und zu vertreten worden ist (vgl. die bei Luder, a.a.O., S. 120 bei N 66 und 67 angeführten und allerdings schon damals als problematisch bezeichneten Urteile), nämlich dass die Gemeinde bei einer Beitragserhebung von beispielsweise 70% der Kosten immer noch im Rahmen von 30% der Kosten einen Spielraum habe, um bei der Festsetzung von Enteignungsentschädigungen Vorteilsanrechnung zu betreiben, ist unter dem neuen, einheitlichen kantonalen Recht über die Erschliessungsbeiträge unhaltbar. Wenn die Gemeinden mit den von ihnen festgesetzten Beitragsquoten nicht auszukommen glauben, müssen sie eben die Quoten auf dem Gesetzgebungsweg erhöhen, hingegen können sie nicht auf das früher praktizierte Mittel zurückgreifen, sich wenigstens ein Stück weit mit der Festsetzung von zu niedrigen Enteignungsentschädigungen schadlos zu halten (ein Mittel, das, wie schon eingangs gesagt, schon immer problematisch war, weil es gewöhnlich zu rechtsungleicher Behandlung führte, da im Normalfall nicht alle Eigentümer, die aus der öffentlichen Anlage Nutzen ziehen, überhaupt oder gleichviel Land abtreten müssen).Bezüglich der öffentlichen Anlagen, die in den §§ 108 und BauG genannt sind, ist eine Vorteilsanrechnung nach § 232 Abs. 2 EGZGB, wenn überhaupt, nur noch bei ganz speziellen Verhältnissen denkbar. Im vorliegenden Fall kann offensichtlich keine Rede sein von solchen Verhältnissen.

Verwaltungsgericht, Urteil vom 2./16. Dezember 1983



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