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Urteil Verwaltungsgericht (SO)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2016.131
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2016.131 vom 29.11.2016 (SO)
Datum:29.11.2016
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Beiträge
Schlagwörter: Beschwerde; Strasse; Gemeinde; Grundstück; Strassen; Grundstücke; Grundeigentümer; Beiträge; Erschliessung; Nunningen; Ausbau; Kanton; Schätzungskommission; Recht; Sondervorteil; Koste; Zullwil; Urteil; Neubau; Kantonsstrasse; Zullwilerstrasse; Verwaltungsgericht; Entscheid; Beschwerdeführer; Bestehende; Beschwerdegegner; Erwägung; Strassenbau; Koffer; Ersatz
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:126 I 180; 132 II 371;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Urteil vom 29. November 2016

Es wirken mit:

Präsidentin Scherrer Reber

Oberrichter Müller

Oberrichter Stöckli

Gerichtsschreiberin Droeser

In Sachen

1. A.___

2. Gemeinde Nunningen,

Beschwerdeführerinnen und Beschwerdegegnerinnen

gegen

1. B.___ vertreten durch Rechtsanwalt Bruno Nüssli,

2. C.___

3. D.___

Beschwerdegegnerinnen

betreffend Erschliessungsbeiträge Zullwilerstrasse


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

I.

1. Der Regierungsrat genehmigte am 8. Dezember 2014 mit Beschluss Nr. 2116 den Kantonalen Erschliessungsplan Zullwilerstrasse (Glasi bis Zullwilerstrasse Nr. 7), der die Sanierung und Umgestaltung des entsprechenden Kantonsstrassenabschnitts in Nunningen zum Inhalt hat. Die Strasse soll bis zum Dorfplatz vollständig ersetzt (Koffer, Tragschicht, Abschlüsse, Entwässerung), inklusive der zwei Bushaltestellen und der Fussgängerstreifen bei der Post mit einer Mittelinsel geschützt werden. Die geschätzten Gesamtkosten belaufen sich auf CHF 1,45 Mio. Daneben werden von der Gemeinde auch die Wasserund Abwasserleitungen ersetzt. An die Kosten des Strassenbaus hat die Gemeinde einen Anteil von 28 %, voraussichtlich CHF 406000, zu bezahlen.

2. Die Einwohnergemeinde Nunningen legte vom 18. Juni bis 17. Juli 2015 einen entsprechenden Beitragsplan «Strassenbau Zullwilerstrasse» öffentlich auf. Nach diesem Plan sollten die im entsprechenden Abschnitt über die Kantonsstrasse erschlossenen Grundstücke 60 % des Gemeindeanteils tragen. Auf die einzelnen Parzellen der Grundeigentümer entfielen Beiträge zwischen ca. CHF 5000 und CHF 35000. B.___ hätte für das Grundstück Nr. [...] CHF 19495.95 zu bezahlen, A.___ für das Grundstück Nr. [...] CHF 35489.91, für die Baulandgrundstücke Nr. [...] und Nr. [...] CHF 24650.40 und CHF 10339.22. Einsprachen der Grundeigentümer lehnte der Gemeinderat mit Entscheiden vom 28. September 2015 ab.

3. A.___ gelangten mit Beschwerde vom 5. Oktober 2015 an die Kantonale Schätzungskommission und stellten den Antrag, «den Beitragsplan auf höchstens 25% des Gemeindeanteils abzuändern». C.___ verlangte in ihrer Beschwerde sinngemäss die Befreiung vom Beitrag, weil ihr Grundstück über keine Zufahrt von der Kantonsstrasse verfüge, D.___ stellte in ihrer Beschwerde vom 8. Oktober den Antrag, den Beitrag für ihr Grundstück aufzuheben oder eventuell erheblich zu reduzieren. Für B.___ verlangte Rechtsanwalt Nüssli am 12. Oktober 2015, es sei auf die Erhebung von Grundeigentümerbeiträgen gänzlich zu verzichten; eventuell seien die Strassenbaukosten auf 40% des Gemeindeanteils zu reduzieren.

4. Die Schätzungskommission erwog in ihrem Urteil vom 23. März 2016, mit dem Bauprojekt würde die Linienführung der Kantonsstrasse nur geringfügig korrigiert, indem die Bushaltestelle etwas verlängert und das Trottoir verschoben werde. Daraus entstünden den Grundstücken keine Sondervorteile, da diese Massnahmen der Allgemeinheit dienten. Kern der Praxis, dass eine wesentliche Verbesserung im Sinne des Gesetzes auch dann vorliege, wenn eine bestehende Strasse abgebrochen und in besserer Qualität neu erstellt werde, sei, dass durch die Baumassnahmen die Wertigkeit der Anlage auch für die angrenzenden Grundeigentümer zunehme. Wenn eine Strasse, die zu einem früheren Zeitpunkt für denselben Zweck und unter den damaligen Normen erstellt worden sei, nach heutigen Normen neu erstellt werde, könne darin kein Mehrwert oder Sondervorteil erblickt werden, vielmehr handle es sich bloss um Unterhalt. Die Schätzungskommission stellte deshalb in Gutheissung der Beschwerden fest, «dass die Grundstücke der Beschwerdeführer (GB Nunningen Nrn. [...]) von der Perimeter-Beitragspflicht auszunehmen sind». Die Verfahrenskosten auferlegte sie der Gemeinde, ebenso eine Parteientschädigung zugunsten B.___.

5. Gegen das Urteil der Schätzungskommission erhoben A.___ am 18. April 2016 Beschwerde mit dem Antrag, auch ihre Grundstücke Nrn. [...] und [...] seien von der Beitragspflicht zu befreien. Mit Beschwerde vom 22. April 2016 erhob auch die Gemeinde Nunningen Beschwerde mit dem sinngemässen Antrag, das Urteil der Schätzungskommission aufzuheben und ihre Einspracheentscheide zu bestätigen.

B.___ liess am 12. Mai 2016 erklären, dass sie sich am Beschwerdeverfahren beteiligen wolle und stellte am 23. Juni 2016 den Antrag, die Beschwerde der Gemeinde sei abzuweisen. C.___ und D.___ verzichteten auf eine aktive Beteiligung am Beschwerdeverfahren vor Verwaltungsgericht.

6. Am 13. Oktober 2016 verlangte der Instruktionsrichter das Einreichen des technischen Berichts zur Strassensanierung. Mit Eingabe vom 11. November 2016 liess sich die private Beschwerdegegnerin dazu vernehmen.

II.

1.1 Die Beschwerde von A.___ ist fristund formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (§ 36 Grundeigentümerbeitragsverordnung [GBV, BGS 711.41] und § 49 Gerichtsorganisationsgesetz [GO, BGS 125.12]). Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Entscheid, der zwei ihrer drei belasteten Grundstücke nicht von Beiträgen befreit, beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf ihre Beschwerde ist einzutreten.

1.2 Gemeinden sind zur Beschwerde legitimiert, wenn sie durch eine Verfügung oder einen Entscheid besonders berührt werden und ein schutzwürdiges kommunales Interesse an deren Aufhebung oder Änderung haben (§ 12 Abs. 2 Verwaltungsrechtspflegegesetz [VRG, BGS 124.11]). Die Gemeinde Nunningen ist durch den angefochtenen Entscheid, der ihre Einspracheentscheide und Beitragsforderungen aufhebt, formell beschwert und in ihren schutzwürdigen kommunalen Interessen als Beitragsgläubigerin betroffen. Sie ist daher ebenfalls zur Beschwerde legitimiert. Auch auf ihre Beschwerde ist einzutreten.

1.3 Da sich beide Beschwerden auf denselben Streitgegenstand beziehen, nämlich die Beitragspflicht an die Kosten des Ausbaus der Zullwilerstrasse in Nunningen, und bereits die Vorinstanz in einem einzigen Urteil über die bei ihr hängigen Beschwerden befunden hat, ist über die Beschwerden in einem einzigen Urteil zu entscheiden. Allfälligen Unterschieden in der Behandlung der einzelnen beitragspflichtigen Grundstücke kann auch so Rechnung getragen werden.

2. Art. 19 Abs. 2 Raumplanungsgesetz (RPG, SR 700) verpflichtet die Kantone zur Erschliessung der Bauzonen nach dem Erschliessungsprogramm und hält sie an, die Beiträge der Grundeigentümer zu regeln. Das kantonale Recht bestimmt im Rahmen dieser Vorgaben den Kreis der durch Kausalabgaben mitzufinanzierenden Erschliessungsanlagen, das Ausmass der Kostenbeteiligung der Grundeigentümer sowie die Art der Abgaben (Walter Haller/Peter Karlen: Raumplanungs-, Bauund Umweltrecht, Zürich 1999, S. 165). Beiträge sind zu erheben für Anlagen, die den Grundeigentümern einen geldwerten Vorteil verschaffen, der über das hinausgeht, was ein Werk der Allgemeinheit bringt. Ein Beitrag muss nach den zu deckenden Kosten bemessen und demjenigen auferlegt werden, der aus der Anlage Nutzen zieht, im Verhältnis zur Bedeutung der ihm entstandenen wirtschaftlichen Sondervorteile (Kostendeckungsund Äquivalenzprinzip, vgl. z.B. André Jomini, in Aemisegger/Moor/Ruch/Tschannen [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über Raumplanung, 2009, Art. 19 Rz. 55).

3.1 Nach § 108 Abs. 1 Planungsund Baugesetz (PBG, BGS 711.1) haben die Gemeinden von den Grundeigentümern angemessene Beiträge an die Kosten von öffentlichen Erschliessungsanlagen zu verlangen, wenn die Anlagen für die Grundstücke Mehrwerte oder Sondervorteile schaffen. Dieser Grundsatz wird von § 6 Abs. 1 GBV präzisiert: Die Grundeigentümer, welche durch den Neubau bei Verkehrsanlagen auch durch Ausbau und Korrektion einer öffentlichen Erschliessungsanlage Mehrwerte oder Sondervorteile erhalten, sind gegenüber der Gemeinde beitragspflichtig.

3.2 Die GBV unterscheidet bei der Beitragserhebung bei Verkehrsanlagen zwischen Neubau, Ausbau und Korrektion. Unter Neubau einer öffentlichen Erschliessungsanlage ist das Erstellen einer neuen Strasse zu verstehen (§ 7 Abs. 1 GBV). Ein Neubau einer Strasse führt zur erstmaligen öffentlichen Erschliessung eines Grundstücks, wie dies bei einem Strassenneubau oder bei der Übernahme einer Privatstrasse oder eines Feldwegs in das öffentliche Strassennetz der Fall ist. Strassenausbau bedeutet dagegen die wesentliche Verbesserung oder Verbreiterung einer bestehenden Strasse, das erstmalige Auftragen eines Hartbelags oder die Erneuerung des Strassenunterbaus (§ 7 Abs. 2 GBV). Unter Korrektion ist die Veränderung der Linienführung der Verkehrsanlage oder die Umgestaltung des Strassenraums zu sehen (§ 7 Abs. 3 GBV). Für ordentliche Unterhaltsarbeiten wie z. B. wiederkehrende Belagserneuerungen werden keine Beiträge erhoben (§ 8 Abs. 1 lit. a GBV).

3.3 Zur Bestimmung der Beitragssätze werden die Strassen im Gemeindegebiet nach § 39 GBV eingeteilt in Erschliessungsstrassen (Feinerschliessung), Sammelstrassen (Groberschliessung) und Hauptverkehrsstrassen (Groberschliessung). Die Beiträge der Grundeigentümer werden nach den Regeln von § 42 GBV erhoben: Die Gesamtheit der Grundeigentümer, deren Grundstücke durch den Neubau einen Mehrwert oder Sondervorteil erhalten, haben an die Erstellungskosten der Gemeinde nach kantonalem Recht mindestens folgende Beiträge zu bezahlen: für Erschliessungsstrassen und Fusswege 80 % der Kosten, für Sammelstrassen 60 % der Kosten und für Hauptverkehrsstrassen 40 % der Kosten. Für den Gemeindeanteil bei Kantonsstrassen richtet sich der Ansatz nach demjenigen für Sammelstrassen. Beim Ausbau und der Korrektion bestehender Strassen kann der Gemeinderat die Ansätze ermässigen. Dabei hat er zu berücksichtigen, ob bereits an den Neubau Beiträge geleistet worden sind.

3.4 Die Gemeinde regelt die Beiträge an Verkehrsanlagen in § 4 ihres Reglements über Grundeigentümerbeiträge und -gebühren vom 28. Oktober 1993, genehmigt vom Regierungsrat mit Beschluss Nr. 1374 vom 2. Mai 1994. Ausser bei den Sammelstrassen hat sie die kantonalen Mindestansätze übernommen. Für den Ausbau und die Korrektion bestehender Strassen werden nach § 4 Abs. 2 des Reglements die gleichen Beiträge erhoben, wobei allfällig bereits geleistete Perimeterzahlungen voll angerechnet werden. Die Strassenkategorie ergibt sich nach § 3 Abs. 2 des Reglements aus dem Anhang im Reglement. In diesem Anhang ist die Zullwilerstrasse als Hauptverkehrsstrasse aufgeführt.

4. Die dargelegten rechtlichen Grundlagen werden von den Beschwerdeführern nicht bestritten. Unbestritten ist auch, dass es sich bei der Zullwilerstrasse um eine Kantonsstrasse handelt, dass der Ausbau der Strasse mit Gesamtkosten von CHF 1.45 Mio. veranschlagt ist und der Gemeindeanteil 28% dieser Kosten oder CHF 406000 beträgt.

5. Die Beschwerdeführer A.___ machen geltend, auch für ihre beiden Grundstück Nr. [...] und Nr. [...] müssten die Erwägungen der Schätzungskommission Geltung haben. Auch diese erlangten durch die neue Strasse keinen Mehrwert oder Sondervorteil. Sie hätten früher zusammen mit dem Grundstück Nr. [...] ihrer Tochter ein einziges Grundstück (unter der Nr. [...]) gebildet. Zudem müssten sie erneut Land abtreten, was zu einer massiven Wertverminderung führe, insbesondere da die Entschädigung weit unter den ortsüblichen Baulandpreisen läge. Der Ausbau mit den neuen Postautohaltestellen diene im Übrigen primär der Öffentlichkeit und dürfe nicht den Grundeigentümern belastet werden.

Genau gleich hatte vor der Vorinstanz D.___ argumentiert, während C.___ dort einen Vorteil bestritten hatte, weil ihr Grundstück keine Zufahrt auf die Hauptstrasse habe.

B.___ macht geltend, alle baulichen Massnahmen dienten dem Allgemeininteresse und führten nicht zu einem Sondervorteil. Berücksichtigt werden dürften nach der Rechtsprechung einzig die Kosten für die neue Fundation der Strasse, welche sich gemäss dem Kostenvoranschlag auf CHF 127000 belaufe. Im Verhältnis zu den gesamten Projektkosten von CHF 2.425 Mio. mache der Ersatz der Kofferung somit lediglich etwas mehr als 5% aus, sodass kein namhafter Anteil vorliege und das Strassenbauprojekt als reiner Unterhalt zu qualifizieren sei.

Die Gemeinde argumentiert in ihrer Beschwerde, die Schätzungskommission habe ein Urteil im Widerspruch zu der von ihr selbst dargestellten Praxis gefällt, und dies, weil sie den Sachverhalt ungenügend abgeklärt habe. Die bestehende Zullwilerstrasse sei ohne genügenden Koffer gebaut gewesen, was schon so im technischen Bericht des Ingenieurbüros stehe und auch einfach festzustellen sei aufgrund der beim Ausbau erstellten Fotos. In den Kosten des Strassenbaus seien im Übrigen nicht sämtliche Tiefbauarbeiten enthalten, sondern nur diejenigen für den Strassenbau. Für die parallel durchgeführten Tiefbauarbeiten der Gemeinde für den Ersatz der Wasserund Abwasserleitungen und den Neubau einer Meteorwasserleitung würden keine Beiträge erhoben. Die Korrektion der Strasse erfordere neue Abschlüsse und Anpassungen, und schon der Aushub und die Entsorgung des alten ungenügenden Koffers koste nach der Offerte CHF 124000.

6.1 Im technischen Bericht vom 28. Oktober 2013 war unter Ziffer 1 «Ausgangslage» davon die Rede, dass eine Sanierung des Fahrbahnbelages mit Erneuerung des gesamten Belagsaufbaus und nötigenfalls des Kieskoffers vorgesehen sei, sodass der Ausbaustandard den kantonalen Richtlinien entspreche. Beim Ausbau zeigte sich, dass der vollständige Ersatz tatsächlich notwendig war. Wie aus den bei den Akten liegenden Fotos klar ersichtlich ist, handelt es sich beim zu ersetzenden Strassenoberbau eindeutig nicht um einen bereits normgemäss erstellten Kieskoffer, sondern um eine alte, völlig ungenügende «Kofferung», die aus einer mehr oder weniger dicken (10 20 cm) Schicht Schroppen besteht und über einem lehmigen Gemisch liegt, teils sogar völlig fehlt. Den Anforderungen an eine auch für die heutigen Fahrzeuge (schwere Lastwagen, landwirtschaftliche Fahrzeuge und Linienbusse) taugliche Strasse kann eine solche Ausführung auf Dauer in keiner Weise genügen; Tragfähigkeit und Frostsicherheit fehlen.

6.2 Beim Ausbau der Zullwilerstrasse, einer Kantonsstrasse, welche von Zullwil her ins Zentrum von Nunningen führt, handelt es sich um einen Totalersatz oder Ersatzneubau der bestehenden Strasse in leicht veränderter Linienführung. Wegen der etwas vergrösserten Bushaltestellen und der neu geplanten Fussgängermittelinsel muss die Strasse in diesem Abschnitt im Verlauf leicht angepasst und zum Teil etwas verbreitert werden. Insgesamt werden dazu gemäss Voranschlag zusätzlich etwa 300 m2 Land beansprucht. Aus dem Kostenvoranschlag kann entnommen werden, dass für den etwa 270 m langen Strassenabschnitt eine Fläche von ca. 3500 m2 gerechnet wird, welche planiert und am Schluss mit Belag versehen werden muss, dass ca. 1750 m3 bestehendes Material ausgebaggert, abgeführt und deponiert werden muss und dass ebensoviel Kiesgemisch 0/45 eingebaut werden soll. Auch daraus ergibt sich, dass die gesamte bestehende Strasse mitsamt Trottoir (ca. 270 m Länge à durchschnittlich etwa 13 m Breite ergibt eine Fläche von rund 3500 m2) ersetzt und von Grund auf neu gebaut wird (3500 m2 Fläche à durchschnittlich 0.5m Kofferstärke ergibt 1750 m3). Von blossem Unterhalt kann ganz offensichtlich keine Rede sein, bleibt doch von der bestehenden Strasse überhaupt nichts. Gegenteils handelt es sich klarerweise um einen Ausbau durch Ersatzneubau mit vollständigem Ersatz des Strassenkoffers und der Fahrbahn, und um eine Korrektion durch eine geänderte Linienführung und eine neue Schutzinsel. Gerade wegen der veränderten Linienführung mit Vergrösserung der Bushaltestellen und der Errichtung einer Mittelinsel beim Fussgängerstreifen war ja auch die Auflage eines Erschliessungsplanes notwendig.

Bereits daraus ergibt sich, dass ein beitragspflichtiger Sachverhalt vorliegt. Auch die Vorinstanz hat dies in Erwägung 3 (S. 5 oben) so festgehalten und dafür auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung verwiesen.

Entgegen den Ausführungen der Beschwerdegegnerin macht allein der Ersatz des Koffers nicht nur einen geringen Betrag aus, sondern kostet gemäss Voranschlag rund CHF 253000, nämlich ca. CHF 126000 für den Aushub und Abtransport des alten Materials und die Vorbereitungsund Fundierungsarbeiten, und ca. CHF 127000 für den neuen Koffer. Der Betrag entspricht mehr als 60 % der Kosten, welche der Gemeinde entstehen, und auch im Verhältnis zu den gesamten Strassenbaukosten von CHF 1.45 Mio. macht dieser Betrag allein schon 17 % aus, was offensichtlich kein geringfügiger Anteil ist.

Mit dem Ausbau der Bushaltestellen auf die heute für die grösseren (längeren) und in grösserer Zahl verkehrenden Postautos notwendigen Masse wird nicht nur das Einund Aussteigen für deren Benutzer verbessert, sondern auch die Sicherheit für die restlichen Strassenbenützer erhöht, da der Raum und die Übersichtlichkeit beim Vorbeifahren und Kreuzen vergrössert und verbessert wird. Die neue Mittelinsel beim Fussgängerstreifen erhöht zudem die Sicherheit der Fussgänger beim Überqueren der Strasse und hat eine geschwindigkeitsdämpfende Wirkung auf den Verkehr im Bereich des Strassenausbaus. Damit wird die Erreichbarkeit ihrer umliegenden Grundstücke für die Beschwerdeführer und -gegner erleichtert und verbessert.

Wie die Gemeinde in ihrer Beschwerde zu Recht schreibt, handelt es sich exakt um eine Situation, welche die Vorinstanz in ihrem Urteil in Erwägung 3 am Ende als Sachverhalt, der zur Beitragspflicht führt, beschreibt, und wie er schon vielen publizierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichts zu Grunde lag (vgl. z.B. SOG 2013 Nr. 33, SOG 1980 Nr. 23, SOG 1988 Nr. 25).

6.3 Dass den durch die Strasse erschlossenen Grundstücken ein Mehrwert erwächst, steht also fest. Diese sind für die nächsten Jahrzehnte mit einer betriebstauglichen, den heutigen und künftigen Anforderungen gewachsenen Erschliessung ihrer Grundstücke versehen; diese erleichtert und verbessert zudem durch die Vergrösserung der Bushaltestellen und die neue Mittelinsel die Erreichbarkeit der von dem Strassenabschnitt erschlossenen Grundstücke. Dass alle in den Plan einbezogenen Grundstücke der Beschwerdeführer in der Bauzone liegen und durch die Zullwilerstrasse strassenmässig erschlossen werden, ist zu Recht nicht bestritten. Dabei ist nicht massgebend, ob die Erschliessung tatsächlich (schon) genutzt wird; entscheidend ist, ob die Grundstücke über die Strasse erschlossen werden können und dürfen.

7.1 Abzuklären ist allerdings das Ausmass dieses Mehrwerts oder Sondervorteils. Erschliessungsbeiträge sind, wie dargelegt, als Vorzugslasten dem Kostendeckungsund dem Äquivalenzprinzip unterworfen. Sie sind also nach den zu deckenden Kosten zu bemessen und auf die Nutzniesser der öffentlichen Anlage nach Massgabe des wirtschaftlichen Sondervorteils zu verlegen, der ihnen daraus erwächst. Dieser allgemeine Grundsatz wird in § 110 Abs. 1 PBG ausdrücklich festgehalten. Die Überwälzung der Kosten auf die einzelnen Grundstücke kann zwar nach einem schematisierten, auf der Durchschnittserfahrung beruhenden Verteilschlüssel erfolgen, ohne dass der tatsächliche wirtschaftliche Vorteil für die einzelnen Grundstücke noch konkret zu bemessen wäre. Die Beiträge müssen sich aber immer im Rahmen und Ausmass der Vorteile, die dem Grundeigentümer tatsächlich entstehen, bewegen (vgl. z.B. BGE 132 II 371 E. 2.1 mit Hinweis auf BGE 126 I 180 E. 3a/aa S. 188; Urteil des Verwaltungsgerichts vom 26. August 2016 i.S. Nuglar-St. Pantaleon; SOG 1990 Nr. 44).

7.2 Wie das Verwaltungsgericht in jahrzehntelanger ständiger Praxis immer wieder entschieden hat, sind die Vorteile, welche aus einem Strassenausbau entstehen, geringer als diejenigen, die aus dem Neubau einer Strasse resultieren, durch welchen Grundstücke erstmals strassenmässig erschlossen werden. Die Gemeinde hat deshalb ihre Beiträge bei einem Strassenausbau bzw. einer korrektion gegenüber den bei einem eigentlichen Neubau verlangten zu reduzieren, auch wenn das in ihrem Reglement nicht vorgesehen oder sogar explizit anders geregelt ist (so z.B. SOG 2013 Nr. 33, SOG 2014 Nr. 20, je mit Hinweisen). Das gilt auch hier. Die entgegenstehende Bestimmung von § 4 Abs. 2 des Gemeindereglements, wonach dieselben Ansätze gelten, einzig früher geleistete Beiträge angerechnet werden, erweist sich als rechtswidrig, da mit dem übergeordneten Recht nicht vereinbar.

7.3 Der Gemeinderat hat also die von den Grundeigentümern verlangten Beiträge gegenüber den bei einem Strassenneubau anfallenden zu ermässigen. Die Kriterien dafür sind in den erwähnten neulich publizierten Grundsatzentscheiden (SOG 2013 Nr. 33 und SOG 2014 Nr. 20) dargelegt. Dass ein erheblicher Teil der Kosten für den Strassenbau bei einer Kantonsstrasse im Unterschied zu einer Gemeindestrasse von der Allgemeinheit zu tragen ist und nicht einen Sondervorteil bildet, ergibt sich schon daraus, dass zum Vornherein nur 60% der Kosten auf die Grundeigentümer verlegt werden. Zu berücksichtigen ist höchstens noch, dass mit den Postautohaltestellen Sonderkosten anfallen, welche nicht vollständig den Grundeigentümern zugerechnet werden können. Berücksichtigt werden darf, dass fast keine Landerwerbskosten anfallen, weshalb die Kosten bei diesem Strassenausbau gegenüber einem Neubau schon um rund CHF 1 Mio. (ca. 3200 m2 à CHF 300.00) geringer ausfallen. Andererseits darf berücksichtigt werden, dass der Kostenanteil der Gemeinde nur 28% beträgt, also relativ tief ist, sodass die Grundeigentümer auch dadurch schon erheblich entlastet werden; ebenso spielt eine Rolle, dass niemand auch nur geltend macht, bereits einmal an die Kantonsstrasse etwas bezahlt zu haben. Dass die Beschwerdeführer A.___ bereits Aufwendungen für die Erschliessung ihrer nicht direkt an die Kantonsstrasse angrenzenden Baugrundstücke hatten, ist durch die Reduktion des Beitragssatzes für Grundstücke in der zweiten Bautiefe berücksichtigt.

7.4 Das Ausmass der zu gewährenden Reduktion kann vom Verwaltungsgericht hier nicht bestimmt werden, verfügt doch die Gemeinde in dieser Beziehung über Autonomie (vgl. die zitierten Entscheide). Festgehalten werden kann einzig, dass bereits eine Reduktion des Beitragssatzes um 20 % zu Beiträgen von durchschnittlich weniger als CHF 21.00 pro Quadratmeter effektiv erschlossener Grundstücksfläche (CHF 243600 x 0.8 / 9327m2 [Total Grundstücksfläche im Beitragsplan] = CHF 20.89/m2), was nach den Erwägungen in den zitierten Entscheiden wohl als minimale Reduktion genügen würde, und dass eine Reduktion um 50 % angesichts der geschilderten Umstände wohl das zulässige Ausmass überschreiten würde.

8. Die Beschwerde der Gemeinde erweist sich somit als dem Grundsatz nach begründet; sie ist teilweise gutzuheissen. Die Beschwerde von A.___ ist ebenso teilweise gutzuheissen, indem in Bezug auf die von ihnen genannten zusätzlichen Grundstücken GB Nunningen Nr. [...] und [...], welche von der Vorinstanz im Dispositiv vergessen wurden, zwar keine vollständige Befreiung von Beiträgen anzuordnen ist, aber die zwingend notwendige Reduktion des Beitragssatzes auch für diese Grundstücke gilt. Im Übrigen sind die Beschwerden abzuweisen. Der Entscheid vom 23. März 2016 der Kantonalen Schätzungskommission ist aufzuheben und die Angelegenheit zur Neufestsetzung des Beitragssatzes im Sinne der Erwägung 7 an die Gemeinde Nunningen zurückzuweisen.

9.1 Bei diesem Ausgang haben die privaten Beschwerdegegner und die Gemeinde je einen Teil der Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 2000.00 zu tragen. Angesichts des Verhältnisses von Obsiegen zu Unterliegen ist der Anteil der Gemeinde auf CHF 500.00 festzulegen, derjenige der Beschwerdegegnerin B.___ auf ebenso CHF 500.00 und der Anteil der Beschwerdegegner A.___ auf CHF 1000.00. Die Beschwerdegegnerinnen D.___ und C.___ sind nicht mit Kosten zu belasten, da sie keinen Antrag gestellt haben. Parteientschädigungen sind keine geschuldet, da die grösstenteils obsiegende Gemeinde nicht durch einen Anwalt vertreten ist, und die Beschwerdegegnerin B.___ infolge ihres Unterliegens keinen Anspruch hat.

9.2 Neu zu verlegen sind auch die vorinstanzlichen Kosten. Angesichts des grossmehrheitlichen Unterliegens und der geforderten Beiträge haben für das Verfahren vor der Schätzungskommission C.___ und D.___ je CHF 200.00 zu bezahlen, B.___ und die Gemeinde Nunningen je CHF 300.00, A.___ zusammen CHF 600.00. Die restlichen Kosten sind vom Staat Solothurn zu tragen. Parteientschädigungen sind keine geschuldet.

Demnach wird erkannt:

1.    Die Beschwerde der Gemeinde Nunningen wird teilweise gutgeheissen: Das Urteil vom 23. März 2016 der Kantonalen Schätzungskommission wird aufgehoben und die Angelegenheit an die Gemeinde Nunningen zurückgewiesen zur Neufestsetzung des Beitragssatzes im Sinne der Erwägungen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2.    Die Beschwerde von A.___ wird im Sinne von Erwägung 8 teilweise gutgeheissen, indem die Beitragsreduktion gemäss Erwägung 7 auch für die Grundstücke Nr. [...] und [...] zu gewähren ist. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

3.    An die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 2000.00 haben B.___ und die Gemeinde Nunningen je CHF 500.00 und A.___ CHF 1000.00 zu bezahlen.

4.    An die Kosten des Verfahrens vor der Kantonalen Schätzungskommission haben C.___ und D.___ je CHF 200.00 zu bezahlen, B.___ und die Gemeinde Nunningen je CHF 300.00, A.___ zusammen 600.00. Die restlichen Kosten sind vom Kanton Solothurn zu tragen.

5.    Parteientschädigungen werden keine ausgerichtet.

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin

Scherrer Reber Droeser



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