Zusammenfassung des Urteils STBER.2022.82: Verwaltungsgericht
Das Obergericht hat am 28. November 2023 in einem Strafverfahren über Diebstahl, Hausfriedensbruch, sexuelle Handlungen mit einem Kind und mehrfache Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes entschieden. Die Staatsanwaltschaft forderte eine Freiheitsstrafe von 13 Monaten, eine Geldstrafe und weitere Massnahmen, während der Verteidiger auf Freispruch plädierte. Der Beschuldigte wurde schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt, mit weiteren Massnahmen wie Landesverweis und Berufsverbot. Der Richter war männlich.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | STBER.2022.82 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Strafkammer |
Datum: | 28.11.2023 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Beschuldigte; Beschuldigten; Täter; Urteil; Massnahme; Staat; Recht; Handlung; Solothurn; Beweis; Schweiz; Freiheit; Über; Gericht; Staatsanwalt; Polizei; Freiheitsstrafe; Recht; Beruf; Staatsanwaltschaft; Berufung; Schuld; Täters; Geldstrafe |
Rechtsnorm: | Art. 10 StPO ;Art. 106 StGB ;Art. 135 StPO ;Art. 186 StGB ;Art. 187 StGB ;Art. 19a BetmG;Art. 218 StPO ;Art. 22 StGB ;Art. 391 StPO ;Art. 42 StGB ;Art. 426 StPO ;Art. 43 StGB ;Art. 44 StGB ;Art. 46 StGB ;Art. 47 StGB ;Art. 49 StGB ;Art. 5 BV ;Art. 50 StGB ;Art. 56 StGB ;Art. 59 StGB ;Art. 63 StGB ;Art. 63a StGB ;Art. 63b StGB ;Art. 65 StGB ;Art. 66a StGB ;Art. 8 EMRK ;Art. 9 BV ; |
Referenz BGE: | 100 IV 158; 103 IV 163; 104 IV 158; 105 IV 225; 107 IV 12; 110 IV 84; 112 IV 11; 112 IV 33; 114 IV 136; 115 IV 106; 115 IV 286; 117 IV 7; 118 IV 152; 118 IV 170; 120 Ia 36; 121 IV 202; 121 IV 25; 127 I 40; 127 IV 1; 128 I 81; 129 I 49; 129 IV 227; 130 I 337; 132 II 257; 132 IV 108; 133 I 33; 133 II 384; 134 IV 132; 134 IV 1; 136 II 539; 136 IV 156; 136 IV 1; 136 IV 55; 138 IV 120; 141 IV 369; 142 IV 265; 142 IV 309; 143 IV 1; 143 IV 361; 144 II 1; 144 IV 113; 144 IV 217; 144 IV 332; 145 IV 167; |
Kommentar: | -, Kommentar StPO, Art. 82 StPO, 2020 |
Geschäftsnummer: | STBER.2022.82 |
Instanz: | Strafkammer |
Entscheiddatum: | 28.11.2023 |
FindInfo-Nummer: | O_ST.2024.4 |
Titel: | Diebstahl, Hausfriedensbruch, sexuelle Handlungen mit einem Kind, etc. sowie Widerrufsverfahren |
Resümee: |
Obergericht Strafkammer
Urteil vom 28. November 2023 Es wirken mit: Oberrichter von Felten Oberrichterin Hunkeler Gerichtsschreiber Wiedmer In Sachen Staatsanwaltschaft, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn
Anschlussberufungsklägerin
A.___, amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Dominik Probst,
Beschuldigter und Berufungskläger
betreffend Diebstahl, Hausfriedensbruch, sexuelle Handlungen mit einem Kind, etc. sowie Widerrufsverfahren Es erscheinen zur Verhandlung vor Obergericht vom 28. November 2023: 1. Staatsanwalt B.___, für die Staatsanwaltschaft als Anschlussberufungsklägerin; 2. A.___, Beschuldigter und Berufungskläger; 3. Rechtsanwalt Dominik Probst, amtlicher Verteidiger des Beschuldigten; 4. C.___ als Sachverständiger; 5. D.___ als Zeuge; 6. E.___ als Zeuge.
Zudem erscheint eine Zuhörerin.
Es stellen und begründen folgende Anträge: Staatsanwalt B.___ (Aktenseite Berufungsverfahren [ASB] 132):
1. Der Beschuldigte sei wegen Diebstahls, Hausfriedensbruchs, sexueller Handlungen mit einem Kind sowie wegen mehrfacher Übertretung des BetmG schuldig zu sprechen. 2. Der Beschuldigte sei zu verurteilen zu a) einer Freiheitsstrafe von 13 Monaten und b) einer Busse von CHF 400.00, bei Nichtbezahlung zu 4 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe. 3. An die Freiheitsstrafe seien 6 Tage Polizeigewahrsam anzurechnen. 4. Der dem Beschuldigten mit Urteil der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 28. Januar 2019 bedingt gewährte Vollzug für eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je CHF 30.00 sei zu widerrufen und die Geldstrafe sei für vollstreckbar zu erklären. 5. Der Beschuldigte sei für 7 Jahre des Landes zu verweisen, unter Vornahme einer entsprechenden Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung im SIS. 6. Gegen der Beschuldigten sei ein lebenslängliches Verbot für jede berufliche organisierte ausserberufliche Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt mit Minderjährigen umfasst, auszusprechen. 7. Die beim Beschuldigten sichergestellten Betäubungsmittel (1 Minigrip mit Marihuana) seien einzuziehen und zu vernichten. 8. Das bei dem Beschuldigte sichergestellte Bargeld sei zu Gunsten des Staates Solothurn einzuziehen. 9. Die übrigen sichergestellten Gegenstände seien durch die Polizei Kanton Solothurn nach Eintritt der Rechtskraft dieses Entscheids zu vernichten. 10. Über die Kostennote des amtlichen Verteidigers sei von Amtes wegen zu entscheiden, wobei ein Rückforderungsvorbehalt gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO anzubringen sei. 11. Der Beschuldigte sei zur Bezahlung der gesamten Verfahrenskosten zu verpflichten.
Der amtliche Verteidiger Dominik Probst (ASB 133 ff.):
1. Das vorinstanzliche Urteil vom 12. Juli 2022 (SLSPR.2020.109) sei, unter Ausschluss der Einstellungen sowie der Ziffern 2 d – f, aufzuheben. 2. In Gutheissung der Berufung sei der Berufungskläger freizusprechen von den Vorwürfen des Diebstahls, des Hausfriedensbruchs, der sexuellen Handlungen mit einem Kind und der mehrfachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes. 3. Für die bisher ausgestandene Haft sei der Beschuldigte angemessen zu entschädigen. 4. Von der Landesverweisung sowie einem Widerruf der bedingten Strafe sei abzusehen. 5. Die beschlagnahmten Gegenstände seien einzuziehen. 6. Die Zivilforderungen seien abzuweisen bzw. auf den Zivilweg zu verweisen. 7. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.
Damit endet der öffentliche Teil der Berufungsverhandlung und das Gericht zieht sich zur geheimen Urteilsberatung zurück.
Es erscheinen gleichentags zur mündlichen Urteilseröffnung:
1. Staatsanwalt B.___, für die Staatsanwaltschaft als Anschlussberufungsklägerin; 2. A.___, Beschuldigter und Berufungskläger; 3. Rechtsanwalt Dominik Probst, amtlicher Verteidiger des Beschuldigten.
Zudem erscheinen zwei Zuhörer.
Das Verfahrensprotokoll wurde separat abgefasst und zu den Akten genommen (ASB 100 ff.). Die Strafkammer des Obergerichts zieht in Erwägung: I. Prozessgeschichte
1. Am 24. Februar 2019 um 03:00 Uhr meldete F.___ via Alarmzentrale, dass es zu einem Zwischenfall im Kofmel gekommen sei, als A.___ (nachfolgend: Beschuldigter) sich geweigert habe, den Anweisungen vom Sicherheitspersonal Folge zu leisten. Nach Hinzukommen der Stadtpolizei Solothurn (nachfolgend: Stadtpolizei) und der Weigerung des Beschuldigten, zu kooperieren, erstatte diese Strafanzeige wegen Trunkenheit und unanständigen Benehmens (Aktenseite Staatsanwaltschaft [AS] 158 ff.).
2. Am 13. April 2019 um 06:28 Uhr wurde die Kantonspolizei Solothurn (nachfolgend: Polizei) durch G.___ informiert, dass in der Liegenschaft [Adresse] in Solothurn ein Einbrecher habe angehalten werden können. Die Polizei traf um 06:45 Uhr vor Ort ein. Im Eingangsbereich der Liegenschaft konnten die Auskunftspersonen D.___ und H.___ sowie der Beschuldigte angetroffen werden (AS 011 ff.). Der Beschuldigte wurde in der Folge arretiert und vorläufig festgenommen (AS 193 f.). Die Staatsanwaltschaft Kanton Solothurn (nachfolgend: Staatsanwaltschaft) eröffnete gleichentags eine Strafuntersuchung wegen Diebstahls, Hausfriedensbruchs sowie Widerhandlungen gegen das BetmG (AS 185).
3. Am 14. April 2019 wurde der Beschuldigte aus dem Untersuchungsgefängnis entlassen (AS 179).
4. Am 21. Juli 2019 um 22:07 Uhr meldete die Mutter von I.___ bei der Alarmzentrale in Solothurn telefonisch, dass der Beschuldigte am Vortag seinen Penis vor ihrer Tochter entblösst und gerieben habe. In der Folge erstattete die Polizei Strafanzeige (AS 086 ff.) und die Staatsanwaltschaft dehnte die Strafuntersuchung am 25. Juli 2019 betreffend die Tatbestände der sexuellen Handlungen mit einem Kind, eventualiter Exhibitionismus, Trunkenheit und unanständigen Benehmens sowie Ungehorsams gegen die Polizei aus (AS 187).
5. Am 20. Oktober 2019 kam es zu einem weiteren Vorfall, als gestützt auf eine Meldung, wonach es am Bahnhof Solothurn zu einer tätlichen Auseinandersetzung gekommen sei, die Polizei ausrückte und den Beschuldigten zwecks Ausnüchterung in das Untersuchungsgefängnis Solothurn verbrachte. In der Folge erstatte die Polizei Strafanzeige wegen Trunkenheit und unanständigen Benehmens (AS 161 f.). Die Staatsanwaltschaft dehnte das Verfahren mit Verfügung vom 14. November 2019 auf die genannten Straftatbestände aus (AS 188).
6. Am 21. Dezember 2019 schliesslich wurde der Beschuldigte von der Polizei angehalten, als dieser von J.___ mit einer angeblich gestohlenen Jacke gesehen worden war. Gemäss Strafanzeige (AS 134 ff.) begab sich die Patrouille mit dem Beschuldigten zwecks Ausnüchterung ins Untersuchungsgefängnis Solothurn (Polizeigewahrsam). Der Beschuldigte sei verbal aggressiv gewesen und habe keine Gewähr geboten, sich fortan anständig zu verhalten (AS 209 f.).
7. Am 12. Februar 2020 verfügte die Staatsanwaltschaft die Nichtanhandnahme hinsichtlich des angeblichen Diebstahls vom 21. Dezember 2019 (vgl. Ziffer I / 6 hiervor). Die Verfügung erwuchs in Rechtskraft.
8. Mit Anklageschrift vom 5. Oktober 2020 (AS 001 ff.) erhob die Staatsanwaltschaft gegen den Beschuldigten beim Richteramt Solothurn-Lebern Anklage wegen Diebstahls (Art. 139 Ziff. 1 StGB), eventualiter versuchten Diebstahls (Art. 139 Ziff. 1 StGB i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB), Hausfriedensbruchs (Art. 186 StGB), sexueller Handlungen mit einem Kind (Art. 187 Ziff. 1 StGB), Ungehorsams gegen die Polizei (§ 31 EG StGB), mehrfacher Trunkenheit und unanständigen Benehmens (§ 23 Abs. 2 EG StGB), eventualiter Verunreinigung von fremden Eigentums (§ 8 Abs. 1 EG StGB) sowie wegen mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes (Art. 19a Ziff. 1 BetmG).
9. Mit Verfügung der Amtsgerichtspräsidentin des Richteramts Solothurn-Lebern vom 2. März 2021 wurde die Hauptverhandlung auf den 23. August 2021 angesetzt (Aktenseite Richteramt Solothurn-Lebern [SL 0007 f.).
10. Am 23. August 2021 fand die Hauptverhandlung vor der Amtsgerichtspräsidentin von Solothurn-Lebern statt, in deren Rahmen der Antrag der Verteidigung gutgeheissen wurde, die forensisch-psychiatrische Begutachtung des Beschuldigten anzuordnen. In der Folge wurde die Verhandlung abgebrochen (SL 0254 ff.).
11. Mit Verfügung vom 16. September 2021 wurde das Gutachten bei Dr. med. C.___, MBA, Chefarzt und Leiter Forensische Psychiatrie, angeordnet (SL 0037 f., SL 0056 ff.). Das Gutachten ging am 17. Dezember 2021 ein (SL 0157 ff.).
12. Mit Verfügung vom 4. Januar 2022 wurde die zweite Hauptverhandlung auf den 11. Juli 2022 angesetzt (SL 0216 f.).
13. Am 11. Juli 2022 fand diese vor der Amtsgerichtspräsidentin von Solothurn-Lebern statt (SL 0267 ff.). Am 12. Juli 2022 fällte sie das folgende Urteil (SL 0325 ff.):
1. Das Strafverfahren gegen A.___ wird bezüglich folgender Vorhalte zufolge Verjährung eingestellt: a) Ungehorsam gegen die Polizei, angeblich begangen am 24. Februar 2019, b) mehrfache Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes, angeblich begangen vor dem 12. Juli 2019. 2. A.___ hat sich wie folgt schuldig gemacht: a) Diebstahl, begangen am 13. April 2019, b) Hausfriedensbruch, begangen am 13. April 2019, c) sexuelle Handlungen mit einem Kind, begangen am 20. Juli 2019, d) Trunkenheit und unanständiges Benehmen, begangen am 20. Oktober 2019, e) Verunreinigung von fremdem Eigentum, begangen am 21. Dezember 2019, f) mehrfache Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes, begangen in der Zeit vom 12. Juli 2019 bis am 22. Juli 2020. 3. A.___ wird verurteilt zu: a) einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, b) einer Busse von CHF 400.00, ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von 4 Tagen, als Zusatzstrafe zum Urteil der Staatsanwaltschaft vom 3. Januar 2022. 4. A.___ werden 6 Tage Haft an die Freiheitsstrafe angerechnet. 5. Der A.___ mit Urteil der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 28. Januar 2019 für eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je CHF 30.00 gewährte bedingte Vollzug wird widerrufen. 6. A.___ wird für die Dauer von 5 Jahren des Landes verwiesen. Die Landesverweisung wird im Schengener Informationssystem (SIS) ausgeschrieben. 7. A.___ wird lebenslänglich jede berufliche und jede organisierte ausserberufliche Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt zu Minderjährigen umfasst, verboten. 8. Die bei A.___ sichergestellten Betäubungsmittel (1 Minigrip mit Marihuana; aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, FV Asservate) werden eingezogen und sind nach Rechtskraft des Urteils durch die Polizei zu vernichten. 9. Das bei A.___ sichergestellte Bargeld im Betrag von insgesamt CHF 7.50 (aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, FV Asservate) wird eingezogen und fällt in die Staatskasse. 10. Folgende im Verfahren gegen A.___ beschlagnahmten Gegenstände (aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, FV Asservate) werden eingezogen und sind nach Rechtskraft des Urteils durch die Polizei zu vernichten bzw. zu verwerten, wobei ein allfälliger Netto-Verwertungserlös (nach Abzug der Aufbewahrungs- und Verwertungskosten) in die Staatskasse fällt: a) 1 Notizblock b) 1 Parfum c) 1 Bitsatz «pro one» (Werkzeug) d) 1 Zigarettenpapier e) 1 Packung Zigaretten (angeraucht) f) 3 Feuerzeuge g) 1 Taschentuchpackung h) 1 Schlüssel i) 1 Rucksack «Exped» j) 1 Regenschutz k) 1 Damenjacke «Luna Design» l) 2 Stulpen / Gamaschen m) 1 Kletterhelm n) 2 Kletterseile o) 1 Klettergurt p) Bergsportausrüstung (Expresshaken, Karabinerhaken, Bremse, etc.) q) 1 Kamm 11. Die Zivilforderungen von H.___ und I.___ gegenüber A.___ werden auf den Zivilweg verwiesen. 12. Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt Dominik Probst, wird auf CHF 12'695.15 (Honorar CHF 10'737.00, Auslagen CHF 1'050.50, 7,7 % MwSt. CHF 907.65) festgesetzt und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat zu zahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten erlauben. 13. A.___ hat die Kosten des Verfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 2'200.00, total CHF 12'936.00, zu bezahlen. Wird kein Rechtsmittel ergriffen und verlangt keine Partei ausdrücklich eine schriftliche Begründung des Urteils, so reduziert sich die Urteilsgebühr um CHF 600.00, womit die gesamten Kosten CHF 12'336.00 betragen.
14. Am 18. Juli 2022 liess der Beschuldigte Berufung anmelden (SL 0336).
15. Nach Zustellung des schriftlich begründeten Urteils erklärte der Beschuldigte am 3. Oktober 2022 die Berufung (ASB 001 ff.). Diese richtet sich gegen das gesamte Urteil der Vorinstanz, mit Ausnahme der Einstellungen gemäss Ziffer 1. Der Beschuldigte beantragt einen Freispruch von den Vorhalten des Diebstahls, des Hausfriedensbruchs, der sexuellen Handlungen mit einem Kind und der mehrfachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes. Ausserdem sei auf die Anordnung eines Landesverweises zu verzichten.
16. Mit Eingabe vom 24. Oktober 2022 erklärte die Staatsanwaltschaft die Anschlussberufung (ASB 014). Sie beantragt die Ausfällung einer höheren Freiheitsstrafe und die Anordnung einer längeren Landesverweisung.
17. Am 19. Juni 2023 wurden die Parteien, Dr. C.___ als Sachverständiger sowie D.___ als Zeuge zur Berufungsverhandlung auf den 28. November 2023 vorgeladen (ASB 030 f.).
18. Anlässlich der Berufungsverhandlung führte der amtliche Verteidiger aus, dass die von der Vorinstanz ausgefällten Schuldsprüche gemäss den Ziffern 2 d), 2 e) und 2 f) anerkannt würden.
II. Gegenstand des Berufungsverfahrens
1. In Rechtskraft erwachsen sind die Einstellungen zufolge Verjährung gemäss Ziffer 1 des vorinstanzlichen Urteils in Bezug auf die Vorhalte - Ungehorsam gegen die Polizei, angeblich begangen am 24. Februar 2019, sowie - mehrfache Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes, angeblich begangen vor dem 12. Juli 2019.
Infolge Rückzugs (siehe Ziffer I / 18 hiervor) sind auch die Ziffern 2 d), 2 e) und 2 f) des erstinstanzlichen Urteils, mithin die Schuldsprüche wegen Trunkenheit und unanständigen Benehmens, wegen Verunreinigung von fremdem Eigentum und hinsichtlich der Übertretungen des Betäubungsmittelgesetzes, in Rechtskraft erwachsen.
2. Die übrigen Ziffern sind Gegenstand des berufungsgerichtlichen Verfahrens.
3. Mit Blick auf die Prozessökonomie erlaubt Art. 82 Abs. 4 Schweizerische Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0) den Rechtsmittelinstanzen, für die tatsächliche und rechtliche Würdigung des in Frage stehenden Sachverhalts auf die Begründung der Vorinstanz zu verweisen, wenn sie dieser beipflichten. Hingegen ist auf neue tatsächliche Vorbringen und rechtliche Argumente einzugehen, die erst im Rechtsmittelverfahren vorgetragen werden (Brüschweiler, SK-Schulthess Kommentar StPO, 3. Auflage, 2020, Art. 82 N 10).
III. Sachverhalt und Beweiswürdigung
1. Allgemeines zur Beweiswürdigung
1.1 Gemäss der in Art. 32 Abs. 1 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV, SR 101) und Art. 6 Ziff. 2 Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) sowie Art. 10 Abs. 3 StPO verankerten Maxime „in dubio pro reo“ ist bis zum Nachweis der Schuld zu vermuten, dass die einer Straftat angeklagte Person unschuldig ist: es gilt demnach die Unschuldsvermutung. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 120 Ia 36 ff., BGE 127 I 40 f.) betrifft der Grundsatz der Unschuldsvermutung sowohl die Verteilung der Beweislast als auch die Würdigung der Beweise. Als Beweislastregel bedeutet die Maxime, dass es Sache des Staates ist, die Schuld des Angeklagten zu beweisen und nicht dieser seine Unschuld nachweisen muss. Als Beweiswürdigungsregel ist der Grundsatz „in dubio pro reo“ verletzt, wenn sich der Strafrichter von der Existenz eines für den Beschuldigten ungünstigen Sachverhaltes überzeugt erklärt, obschon bei objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, dass sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Dabei sind bloss abstrakte und theoretische Zweifel nicht massgebend, da solche immer möglich sind. Obwohl für die Urteilsfindung die materielle Wahrheit wegleitend ist, kann absolute Gewissheit bzw. Wahrheit nicht verlangt werden, da diese der menschlichen Erkenntnis bei ihrer Unvollkommenheit überhaupt verschlossen ist. Mit Zweifeln ist deshalb nicht die entfernteste Möglichkeit des Andersseins gemeint. Erforderlich sind vielmehr erhebliche und schlechthin nicht zu unterdrückende Zweifel, die sich nach der objektiven Sachlage aufdrängen. Bei mehreren möglichen Sachverhaltsversionen hat der Richter auf die für den Beschuldigten günstigste abzustellen.
Eine Verurteilung darf somit nur erfolgen, wenn die Schuld des Verdächtigten mit hinreichender Sicherheit erwiesen ist, d.h. wenn Beweise dafür vorliegen, dass der Täter mit seinem Verhalten objektiv und subjektiv den ihm vorgeworfenen Sachverhalt verwirklicht hat. Voraussetzung dafür ist, dass der Richter einerseits persönlich von der Tatschuld überzeugt ist und andererseits die Beweise die Schuld des Verdächtigen in einer vernünftige Zweifel ausschliessenden Weise stützen. Der Richter hat demzufolge nach seiner persönlichen Überzeugung aufgrund gewissenhafter Prüfung der vorliegenden Beweise darüber zu entscheiden, ob er eine Tatsache für bewiesen hält nicht (vgl. zum Ganzen: BGE 115 IV 286).
1.2 Das Gericht folgt bei seiner Beweisführung dem Grundsatz der freien Beweis-würdigung (Art. 10 Abs. 2 StPO): es würdigt die Beweise frei nach seiner aus dem gesamten Verfahren gewonnenen Überzeugung und ist damit bei der Wahrheitsfindung nicht an die Standpunkte und Beweisführungen der Prozessparteien gebunden. Unterschieden wird je nach Art des Beweismittels in persönliche (Personen, welche die von ihnen wahrgenommenen Tatsachen bekannt geben: Aussagen von Zeugen, Auskunftspersonen und Beschuldigten) und sachliche Beweismittel (Augenschein und Beweisobjekte wie Urkunden Tatspuren). Dabei kommt es nicht auf die Zahl Art der Beweismittel an, sondern auf deren Überzeugungskraft Beweiskraft. Das Gericht entscheidet nach der persönlichen Überzeugung, ob eine Tatsache bewiesen ist nicht.
1.3 Dabei kann sich der Richter auch auf Indizien stützen. Indizien (Anzeichen) sind Hilfstatsachen, die, wenn selber bewiesen, auf eine andere, unmittelbar rechtserhebliche Tatsache schliessen lassen. Der erfolgreiche Indizienbeweis begründet eine der Lebenserfahrung entsprechende Vermutung, dass die nicht bewiesene Tatsache gegeben ist. Für sich allein betrachtet deuten Indizien jeweils nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf eine bestimmte Tatsache hin. Auf das – einzelne Indiz ist der In-dubio-Grundsatz denn auch nicht anwendbar. Gemeinsam – einander ergänzend und verstärkend – können Indizien aber zum Schluss führen, dass die rechtserhebliche Tatsache nach der allgemeinen Lebenserfahrung gegeben sein muss. Der Indizienbeweis ist dem direkten Beweis gleichgestellt (vgl. Urteile des Bundesgerichts 6B_360/2016 vom 1. Juni 2017 E. 2.4, nicht publ. in: BGE 143 IV 361 sowie Urteil 6B_332/2009 vom 4. August 2009 E. 2.3; je mit Hinweisen).
1.4 Im Rahmen der Beweiswürdigung ist die Aussage auf Glaubhaftigkeitsmerkmale bzw. Lügensignale hin zu analysieren. Die Aussage ist gestützt auf eine Vielzahl von inhaltlichen Realkennzeichen zu beurteilen, wobei zwischen inhaltlichen Merkmalen (Aussagedetails, Individualität, Verflechtung), strukturellen Merkmalen (Strukturgleichheit, Nichtsteuerung, Widerspruchsfreiheit bzw. Homogenität) sowie Wiederholungsmerkmalen (Konstanz, Erweiterung) unterschieden wird. Das Vorliegen von Realitätskriterien bedeutet, dass die betreffende Person mit hoher Wahrscheinlichkeit über erlebnisfundierte Geschehnisse berichtet. Zwar besitzt jedes Realitätskriterium für sich allein betrachtet meist nur eine geringe Validität, die Gesamtschau aller Indikatoren kann jedoch einen wesentlich höheren Indizwert für die Glaubhaftigkeit der Aussage haben, wobei sie in der Regel in solchen mit realem Erlebnishintergrund signifikanter und ausgeprägter vorkommen als in solchen ohne. Zunächst wird davon ausgegangen, dass die Aussage gerade nicht realitätsbegründet ist, und erst, wenn sich diese Annahme (Nullhypothese) aufgrund der festgestellten Realitätskriterien nicht mehr halten lässt, wird geschlossen, dass die Aussage einem wirklichen Erleben entspricht und wahr ist (BGE 133 I 33 E. 4.3). Im Bereich rechtfertigender Tatsachen trifft den Beschuldigten eine gewisse Beweislast. Seine Behauptungen müssen plausibel sein; es muss ihnen eine gewisse Überzeugungskraft zukommen. Zumindest bedarf die Behauptung des Beschuldigten gewisser Anhaltspunkte, sei es in Form konkreter Indizien einer natürlichen Vermutung für seine Darstellung, damit sie als Entlastungstatsache dem Urteil zugrunde gelegt wird. Wenn die belastenden Beweise nach einer Erklärung rufen, welche der Beschuldigte geben können müsste, dies jedoch nicht tut, darf nach Massgabe des gesunden Menschenverstandes der Schluss gezogen werden, es gebe keine mögliche Erklärung und er sei schuldig. Nichts Anderes kann gelten, wenn er zwar eine Erklärung gibt, diese aber unglaubhaft gar widerlegt ist. Der Grundsatz «in dubio pro reo» zwingt somit nicht dazu, jede entlastende Angabe des Beschuldigten, für deren Richtigkeit Unrichtigkeit kein spezifischer Beweis vorhanden ist, als unwiderlegt zu betrachten. Nicht jede aus der Luft gegriffene Schutzbehauptung braucht durch einen hieb- und stichfesten Beweis widerlegt zu werden (vgl. Urteile des Bundesgerichts 6B_453/2011 vom 20. Dezember 2011 E. 1.6 und 6B_562/2010 vom 28. Oktober 2010 E. 2.1).
2. Anklageschrift
Das Berufungsgericht hat folgende Vorhalte gemäss Anklageschrift (nachfolgend: AnklS) vom 5. Oktober 2020 zu beurteilen (AS 001 ff.):
« Diebstahl (Art. 139 Ziff. 1 StGB), eventualiter versuchter Diebstahl (Art. 139 Ziff. 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB)
begangen in den frühen Morgenstunden des 13. April 2019, bis längstens ca. 06:28 Uhr, eventualiter schon in den Abendstunden des 12. April 2019, in Solothurn, [Adresse] Geschäftsliegenschaft K.___ AG, zum Nachteil der K.___ AG (nunmehr L.___ AG), damals vertreten durch G.___, sowie zum Nachteil von D.___ und H.___.
Der Beschuldigte nahm in der Absicht, sich unrechtmässig zu bereichern, diverse Vermögenswerte und Gegenstände im Gesamtwert von ca. CHF 2'222.00 aus den Garderoben-/ Lager- und Büroräumlichkeiten im 1. OG, beziehungsweise aus dortigen Spinden von Mitarbeitern, zur Aneignung weg, mithin fremde bewegliche Sachen, so namentlich - 1 Postcard lautend auf D.___, bzw. zu dessen Nachteil, im Wert von ca. CHF 30.00; - 1 Identitätskarte lautend auf D.___, bzw. zu dessen Nachteil, im Wert von ca. CHF 75.00; - 1 Führerausweis lautend auf D.___, bzw. zu dessen Nachteil, im Wert von ca. CHF 50.00; - 1 Swisspass lautend auf D.___, bzw. zu dessen Nachteil, im Wert von ca. CHF 50.00; - 1 Hausschlüssel zum Nachteil von D.___ im Wert von ca. CHF 50.00; - 1 Mobiltelefon Huawei zum Nachteil von D.___ im Wert von ca. CHF 400.00; - 1 Mobiltelefon Apple iPhone 8 plus zum Nachteil von H.___ im Wert von ca. CHF 800.00; - 1 Portemonnaie Leder zum Nachteil von H.___ im Wert von ca. CHF 40.00; - 1 Führerausweis lautend auf H.___, bzw. zu dessen Nachteil, im Wert von ca. CHF 50.00; - 1 Identitätskarte lautend auf H.___, bzw. zu dessen Nachteil, im Wert von ca. CHF 75.00; - 1 roter Rucksack (Textil) zum Nachteil von H.___ im Wert von ca. CHF 10.00; - 1 Hausschlüssel zum Nachteil von H.___ im Wert von ca. CHF 50.00; - 1 roter Regenschirm zum Nachteil von H.___ im Wert von ca. CHF 20.00; - 1 Deo zum Nachteil von H.___ im Wert von ca. CHF 3.00; - 1 Pomadenstift zum Nachteil der K.___ AG im Wert von ca. CHF 2.00; - 1 schwarzes Taschenmesser zum Nachteil der K.___ AG im Wert von ca. CHF 10.00; - 1 Vorhängeschloss inkl. Schlüssel zum Nachteil der K.___ AG im Wert von ca. CHF 5.00; - 4 Schlüssel zum Nachteil der K.___ AG im Wert von ca. CHF 50.00; - 1 Tintenpatrone zum Nachteil der K.___ AG im Wert von CHF 30.00; - 1 Schutzhülle bedruckt mit […]-Logo / Plastikfolien zum Nachteil der K.___ AG im Wert von ca. CHF 20.00; - 1 Namensschild zum Nachteil der K.___ AG im Wert von ca. CHF 2.00; - 1 Hut zum Nachteil von D.___ im Wert von ca. CHF 50.00; - 1 Servierportemonnaie zum Nachteil der K.___ AG im Wert von CHF 100.00; - 2 Schlüssel zum Nachteil der K.___ AG im Wert von ca. CHF 50.00 - 1 Sweatshirt (grau / grün) zum Nachteil von D.___ im Wert von ca. CHF 50.00; - 1 weiss-schwarze Herren-Arbeitshose zum Nachteil von D.___ im Wert von ca. CHF 50.00; - 1 schwarze Herrenjacke (The North Face) zum Nachteil von D.___ im Wert von ca. CHF 100.00).
Der Vorsatz des Beschuldigten richtete sich auf einen möglichst hohen Deliktsbetrag. Er konnte den Tatort nicht verlassen, weil er durch D.___ daran gehindert worden war, was nichts daran ändert, dass der Diebstahl vollendet ist. Für den Fall, dass das Gericht den Gewahrsamsbruch nicht als eingetreten erachten sollte, wird eventualiter Anklage wegen versuchten Diebstahls erhoben.
Hausfriedensbruch (Art. 186 StGB)
begangen in den frühen Morgenstunden des 13. April 2019, bis längstens ca. 6:28 Uhr, eventualiter schon in den Abendstunden des am 12. April 2019, in Solothurn, [Adresse], Geschäftsliegenschaft K.___, zum Nachteil der K.___ AG (nunmehr L.___ AG), damals vertreten durch G.___.
Der Beschuldigte verschaffte sich durch den unverschlossenen Hintereingang, vom Hof her, via Liegenschaft [Adresse], Zutritt in die Geschäftsliegenschaft der K.___ und schlich sich in die dortigen Räumlichkeiten erkennbar gegen den Willen der berechtigten Personen ein. In der Folge verweilte er bis zu seiner Anhaltung dort, wobei er vorsätzlich handelte.
Sexuelle Handlungen mit einem Kind (Art. 187 Ziff. 1 StGB)
begangen am 20. Juli 2019, zwischen ca. 11.00 Uhr und ca. 11.30 Uhr, allenfalls auch etwas später, in Biberist, Region [Adresse], im Bereich des Treppenabgangs zur Einstellhalle der Überbauung, zum Nachteil von I.___. Der Beschuldigte bezog das ihm bekannte und damals etwas mehr als acht Jahre alte Opfer (geb. […]) vorsätzlich in eine sexuelle Handlung ein und beging damit vorsätzlich eine sexuelle Handlung mit einem Kind unter 16 Jahren.
Der Beschuldigte, welcher beim Treppenabgang der Tiefgarage am Boden – mit Blick zum Treppenaufgang – sass, rief dem erkennbar minderjährigen Opfer, welches auf dem Spielplatz oberhalb der Tiefgarage spielte, «I.___, chum» zu. Daraufhin näherte sich das Opfer dem Beschuldigten, befand sich aber noch neben dem oberen Bereich der Treppe. Der Beschuldigte entblösste seinen Penis und onanierte, was das Opfer als Auf- und Abbewegung mit der Hand am Geschlechtsorgan wahrnahm, wobei dieses erigiert war. Er forderte das Mädchen nochmals auf, zu ihm herunterzukommen. Das Opfer erschrak beim Anblick des Penis des Beschuldigten, schrie «wäh» und rannte weg.
Indem der Beschuldigte das Opfer zuerst zu sich rief und anschliessend seinen Penis auspackte und onanierte, machte er das Opfer gezielt zum Zeugen seiner sexuellen Handlungen. Sein Vorsatz war darauf gerichtet, dass das Opfer die Vornahme der sexuellen Handlung wahrnimmt.»
3. Beweismittel
3.1 Aussagen des Beschuldigten
3.1.1 Der Beschuldigte wurde im Vorverfahren mehrfach befragt, so am 14. April 2019 (AS 059 ff.), 13. August 2019 (AS 127 ff.), 21. Dezember 2019, (AS 152 ff.) sowie am 22. Juli 2020 (AS 163 ff.).
3.1.1.1 Hinsichtlich des Einschleichdiebstahls führte er aus, er wisse nur noch, dass er festgenommen worden sei. Das letzte, woran er sich erinnere, sei, dass er am Aaremürli gewesen sei. Er habe wegen des Drogenkonsums keine Erinnerungen mehr (zum Ganzen: AS 059 ff.).
3.1.1.2 Am 13. August 2019 wurde er zum Vorhalt der sexuellen Handlungen mit einem Kind befragt. Dabei gab er an, dass die Geschädigte I.___ seine Nachbarin sei. An den konkreten Vorfall könne er sich nicht erinnern. Er habe I.___ an diesem Tag vor der Liegenschaft getroffen. Das sei aber später gewesen. Am Vortag habe er ziemlich viel getrunken. Er habe bis am Morgen durchgetrunken. Er habe I.___ im Treppenhaus der Liegenschaft […] gesehen. Zu diesem Zeitpunkt seien ihr Vater und ihr Bruder dabei gewesen. (Auf Frage) Er wisse nicht mehr, wann das zeitlich gewesen sei. Er habe ziemlich viel getrunken. Daraufhin schilderte der Beschuldigte, woran er sich noch erinnern könne: «Ich habe vom Freitag, 19.07.2019, auf Samstag, 20.07.2019 durchgetrunken. Ich habe mit Kollegen getrunken. Ich trank bis am Morgen. Ich habe mich von den Kollegen verabschiedet und ging nach Hause. Ich habe ein Blackout. Ich weiss nur noch, dass ich mit der BLS nach Thun fuhr und wieder zurück. Ich ging nach Hause. Als ich zu Hause durch das Treppenhaus ging kamen mir, wie bereits gesagt, der Vater von I.___, und ihr Bruder entgegen. Ihr Bruder hat mich angesprochen und gesagt, «du hesch är I.___ di Penis zeigt». Ich kann mich aber nicht daran erinnern. Unsere Wohnungen liegen gegenüber. Als ich vor den Wohnungen war, hat mich auch die Mutter von I.___ darauf angesprochen.» (Auf Frage) Die Mutter von I.___ habe ihn gefragt, warum er seinen Penis gezeigt habe. Er habe ihr gesagt, dass er sich nicht daran erinnern könne. Viele Fragen beantwortete er sodann damit, dass er es nicht mehr wisse (zum Ganzen: AS 127 ff.).
3.1.1.3 In der Schlusseinvernahme wurde er erneut mit den Vorwürfen konfrontiert. Zum Einschleichdiebstahl führte er aus, dass er sich nicht erinnere. Er habe am Vorabend ziemlich viel getrunken und Drogen konsumiert. Soweit er sich erinnern könne, sei er auf den Kopf gefallen und dann sei er wieder zu sich gekommen, ohne zu wissen, wie er in die Räumlichkeiten gekommen sei. Er wisse gar nichts mehr. Betreffend den Vorhalt der sexuellen Handlung mit Kind verwies er auf seine letzten Aussagen. Er könne sich nicht mehr an den Vorfall erinnern, weil er am Vorabend ziemlich viel getrunken habe (zum Ganzen: AS 163 ff.).
3.1.2 Anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlungen vom 23. August 2021 und vom 11. Juli 2022 bestätigte der Beschuldigte seine Aussagen. Er brachte im Wesentlichen vor, er könne sich nicht mehr an die Vorfälle erinnern (SL 260 ff., 271 ff.).
3.1.3 Vor Obergericht führte er hinsichtlich des Einschleichdiebstahls aus, er könne sich erinnern, dass D.___ ihn angesprochen habe. Er habe dann langsam realisiert, was er gemacht habe. Er habe sich daraufhin entschuldigt. Er könne nicht mehr sagen, warum er vor Ort gewesen sei. Er könne sich erinnern, dass er von einer hohen Kante zirka 2 bis 2.5 Meter runtergefallen sei. Er sei mit dem Kopf auf den Boden aufgeschlagen. Ab diesem Moment habe er einen Filmriss. Er könne sich nicht erinnern, dass er in das Gebäude gegangen sei. (Auf Frage) Den Sturz habe er in der Solobar in Solothurn auf dem WC gehabt. Er habe da konsumiert und sei dann aus dem Fenster gefallen. (Auf Frage) Der Sturz und der Alkohol zusammen hätten zum Filmriss geführt. Er wisse nicht mehr, was er in den Räumlichkeiten der K.___ gewollt habe. Er wisse noch, wie er ins Zimmer gegangen sei. D.___ habe ihn konfrontiert. Da sei er langsam zu sich gekommen und habe realisiert, was er mache. D.___ habe ihn gefragt, was er hier mache. Er habe zu D.___ gesagt, dass er es nicht wisse. Dann habe dieser die Polizei gerufen. (Auf Frage) Er könne sich nicht erinnern, welche Gegenstände D.___ von ihm weggenommen habe. Er wisse nur noch, dass ihm Gegenstände aus den Hosen genommen worden seien (zum Ganzen: ASB 117 f.).
Zum Vorhalt der sexuellen Handlung mit Kind führte er aus, dass er sich nicht mehr daran erinnern könne. Das letzte, woran er sich erinnern könne, sei, dass er zwei Tage zuvor ziemlich viel Kokain und Alkohol konsumiert habe. Er habe Bilder im Kopf, wie er in einem Zug gewesen sei. Die Mutter von I.___ habe ihn im Block auf den Vorfall angesprochen. Er habe ihr gesagt, er wisse nicht, wovon sie rede. Sie habe den Alkohol gerochen und gesagt, er sehe nicht gut aus. (Auf Frage) Der Zug sei ein BLS-Zug gewesen, Thun hin und zurück. Er sei allein unterwegs gewesen (zum Ganzen: ASB 119).
3.2 Aussagen Dritter
3.2.1 D.___
3.2.1.1 D.___ – damaliger Mitarbeiter der K.___ – wurde am 13. April 2019 zum Einschleichdiebstahl befragt. Er gab an, er habe im 1. Stock bemerkt, dass alle Garderobenschränke offen gewesen und diverse Gegenstände am Boden gelegen seien. Auch sei eine grössere Holzkiste, welche sich normalerweise auf den Garderoben befinde, am Boden gelegen. Die Scharniere der Holzkiste seien abgerissen gewesen. Er habe in den Gang geblickt und einen Mann gesehen, den er noch nie zuvor gesehen habe. Dieser sei aus dem Büro gekommen. Er habe ihn laut gefragt, was er hier mache. Der Unbekannte habe geantwortet, er arbeite hier. Dann habe er gesehen, dass der Mann zwei Mobiltelefone im Hosenbund eingesteckt hatte. Bei einem Telefon habe es sich um seines gehandelt und beim anderen um jenes eines Arbeitskollegen. Des Weiteren habe er gesehen, dass der Unbekannte ein Serviceportemonnaie auf sich getragen habe. Ebenfalls habe der Mann seinen Zylinderhut sowie seinen Pulli getragen. Er habe ihm (dem Beschuldigten) die beiden Telefone, das Serviceportemonnaie sowie den Hut sofort weggenommen. Der Beschuldigte habe immer wieder gesagt, dass es ihm leidtue und er verwirrt sei. Er habe den Mann dann am Kragen gepackt und sich mit ihm ins Erdgeschoss begeben. Dort habe er seinen Arbeitskollegen gerufen, welcher ihn bis zum Eintreffen der Polizei unterstützt habe (AS 055).
3.2.1.2 Vor Obergericht führte er aus, er habe damals gearbeitet. Er sei in die Wohnung oberhalb der Bäckerei gegangen. Da sei eine Wohnung, in der sich das Personal umziehe und sich das Büro befinde. Er habe jemanden im Büro im Dunkeln stehen sehen. Er habe zuerst gedacht, es sei seine Chefin. Dann sei der Beschuldigte aus dem Büro gekommen. Er habe den Beschuldigten gefragt, was er hier mache. Der Beschuldigte habe ihm gesagt, er arbeite hier. Er habe dann zum Beschuldigten gesagt, das stimme nicht. Er habe gesehen, dass der Beschuldigte das Handy des Mitarbeiters und sein Handy in der Hose eingesteckt gehabt habe. Da habe er festgestellt, dass der Beschuldigte geklaut habe. Er habe seiner Chefin zugerufen, sie solle die Polizei benachrichtigen. Er sei da gestanden mit dem Arbeitskollegen und sie hätten beide auf die Polizei gewartet. Der Beschuldigte habe eine Tasche gehabt, in der sich gestohlene Sachen befunden hätten. Der Beschuldigte habe auch einen Kinderrucksack dabeigehabt. Er habe dem Beschuldigten die Sachen weggenommen und diese auf den Briefkasten gelegt (ASB 107 f.).
3.2.2 I.___
3.2.2.1 Die Geschädigte I.___ wurde am 21. Juli 2019 zum Vorfall vom 20. Juli 2019 befragt. Sie gab zu Protokoll, dass sie um ca. 11:00 Uhr aus der Wohnung gegangen sei, um zu ihrer Kollegin zu gehen, die in der Nähe des Kindergartens wohne. Der Weg betrage ca. fünf Minuten zu Fuss. Da diese nicht zu Hause gewesen sei, sei sie wieder umgekehrt. Sie sei alleine unterwegs gewesen. Sie habe dann bei der Tiefgarage auf dem Rasen mit einem Ball gespielt. Plötzlich sei der Nachbar an ihr vorbeigegangen in Richtung Tiefgarage. Es habe nichts zu ihr gesagt. Es sei dann bei der Tiefgarage stehen geblieben. Dann habe er ihren Namen gerufen. Er habe zu ihr gesagt: «Chum abe.» Sie habe gesehen, dass er die Hosen offen gehabt und in der Hand seinen Penis gehalten habe. Der Penis sei lang gewesen. Sie habe Angst bekommen und sei sofort davongerannt (zum Ganzen: AS 106).
3.2.2.2 Am 13. August 2019 erfolgte eine Videoeinvernahme mit I.___. Zusammengefasst sagte sie aus, sie habe draussen mit ihrer Kollegin spielen wollen. Diese sei aber an einem Geburtstag gewesen. Also habe sie alleine draussen in der Nähe der Garage gespielt. Dann sei ein Mann an ihr vorbei die Garage runtergegangen. Dann habe er ihren Namen gerufen, woraufhin sie gefragt habe: «was isch?» Sie habe dann nachgeschaut und gesehen, dass der Mann ihr seinen Penis gezeigt habe. Sie sei weggelaufen, zu einem Kollegen gegangen und habe diesen gefragt, ob er rauskomme, um zu spielen. Dieser habe aber keine Lust zum Spielen gehabt. Deshalb sei sie nach Hause gegangen. Sie kenne den Mann, der ihr seinen Penis gezeigt habe. Es sei der Nachbar. Sie wohne in einem Block an der [Adresse] in Biberist. Der Block habe vier Stockwerke und sie wohne im Dritten. Sie wohne rechts und der Nachbar, der ihr den Penis gezeigt habe, wohne links. Sie kenne seinen Vornamen nicht, jedoch glaube sie, dass er A.___ heisse. Sie habe auch schon mit ihm gesprochen. (Auf Frage) Ihr Nachbar sei unterhalb der Treppe bei dem «Zeichen» (Zeichen: Wenn es brenne und man die Treppe rauflaufen müsse) gesessen und habe ihr dort den Penis gezeigt. Er habe ihr nichts gesagt und sie habe ihrem Nachbarn auch nichts gesagt. Als er ihr den Penis gezeigt habe, sei der Penis senkrecht gestanden. Als sie das gesehen habe, sei sie weggelaufen und habe sich kurz versteckt, ehe sie dann später nach Hause gegangen sei. Am Tag danach habe sie es ihrer Mutter erzählt. (Auf Frage) Sie wisse nicht mehr genau, was für Kleider der Nachbar getragen habe, sie wisse nur noch, dass er kurze Hosen getragen und den Penis einfach rausgenommen habe (zeigt mit der Hand die Bewegung). Er habe einfach in die Hose reingefasst und den Penis rausgenommen. Ebenfalls habe er «hin und her gemacht» mit dem Penis (zeigt mit der rechten Hand die Auf- und Abbewegungen vor). Sie habe jedoch nicht gesehen, dass beim Penis etwas rausgekommen sei. (Auf Frage) Wie der Nachbar genau mit der Hand gemacht habe, zeigte I.___ erneut die Handbewegung rauf und runter. Dabei habe er runter zum Penis geschaut, als er das gemacht habe. Sie habe dann weggeschaut. Auf die Frage hin, ob sie etwas habe machen müssen, verneinte diese. Der Nachbar habe ihr gesagt «chum abe», als er den Penis gezeigt habe und sie habe mit «nein» geantwortet. Der Nachbar habe sie nicht angefasst und sie habe den Nachbarn auch nicht angefasst (zum Ganzen: AS 108 ff.).
4. Beweiswürdigung
4.1 Einschleichdiebstahl
4.1.1 Der Beschuldigte wurde von D.___ in flagranti beim Einschleichdiebstahl erwischt. Er konnte den Tatort nicht verlassen, weil er durch diesen daran gehindert worden ist. Der Strafanzeige kann entnommen werden, welche Gegenstände der Beschuldigte bei seiner Anhaltung auf sich trug und die ihm sofort durch D.___ abgenommen wurden. Bei dem Zeugen D.___ ist keine Interessenlage zur Falschaussage ersichtlich. Er fiel keineswegs durch Belastungseifer auf: So hat er während seinen Aussagen nicht stark emotional agiert bzw. tendenziöse Sichtweisen wiedergegeben und auch nicht versucht, den Beschuldigten in ein schlechtes Licht zu rücken, ohne dabei zum eigentlichen Tatvorwurf etwas beizutragen und damit mit unnötigen und deshalb verräterischen Seitenhieben nicht sachdienlich zu sein. Im Gegenteil: So sagte er aus, der Beschuldigte habe immer wieder gesagt, es tue ihm leid, habe sich nicht gewehrt und sei situationsbedingt ruhig gewesen (ASB 108 f.). Seine Aussagen sind sehr glaubhaft, zumal sie sich auch mit den fotografischen Aufnahmen bzw. den Feststellungen der Polizei decken. Auf seine Aussagen kann mithin ohne weiteres abgestellt werden.
4.1.2 Auf der anderen Seite ist die vom Beschuldigten geltend gemachte Amnesie («black out») als reine Schutzbehauptung zu qualifizieren: Der Gutachter kam in seiner Expertise überzeugend zum Schluss, dass sich keine Auffälligkeiten feststellen liessen, die auf einen forensisch bedeutsamen Intoxikationszustand, also auf einen Rauschzustand besonderer Schwere weisen könnten. Auch verweist der kurz nach der Festnahme gemessene Wert von 0.77 mg/l auf einen mittleren Rauschzustand, dies wird insbesondere bei einer in hohem Masse an Alkohol gewöhnten Person gut toleriert. Auch ergibt sich aus der Interaktion mit D.___, dass der Beschuldigte in ruhiger Stimmung angetroffen wurde und keine affektiven Auffälligkeiten bestanden haben. Seine Interaktion war sinngerecht und nachvollziehbar, ohne Hinweise auf formelle inhaltliche Denkstörungen. Auch gibt es keine Hinweise auf Probleme in der Motorik, welche sich z.B. in einem Lallen einem schwankenden Gang gezeigt hätten.
4.1.3 Der angeklagte Sachverhalt gilt als erstellt.
4.2 Sexuelle Handlung
4.2.1 I.___ wirkte anlässlich der Video-Befragung vom 13. August 2019 völlig natürlich und altersentsprechend. Sie folgte der Befragung aufmerksam und konzentriert. Sie sagte klar, altersgerecht und differenziert aus. I.___ belastete den Beschuldigten nicht bei jeder Gelegenheit. Sie warf ihm nie vor, dass er sie angefasst habe sie ihn habe anfassen müssen. Diese Umstände und die detaillierten Aussagen zum Geschehen an sich sowie die Umstände vor und nach der Tat, weisen darauf hin, dass die Aussagen von I.___ in hohem Masse glaubhaft sind. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass einzelne Aussagen nicht der Wahrheit entsprechen könnten und von ihr erfunden sind. Auf ihre Aussagen ist ohne weiteres abzustellen.
4.2.2 Auch betreffend diesen Vorhalt macht der Beschuldigte eine angebliche Amnesie geltend, die wiederum als Schutzbehauptung zu qualifizieren ist. Auch hier kommt der Gutachter überzeugend zum Schluss, dass es keine Hinweise gebe auf deutliche motorische neurologische Symptome sowie auf eine gestörte Affektivität. Auch liegen keine Hinweise aus der Interaktion des Beschuldigten mit der Geschädigten später mit anderen Personen vor, dass formelle inhaltliche Denkstörungen vorgelegen haben könnten. Ein Verhalten, welches auf eine bedeutsame Enthemmung hinweist und welches auch keine Überlegungen hinsichtlich Entdeckungswahrscheinlichkeit Verschleierung des Tathandelns erkennen lässt, liegt nicht vor. Es gibt auch keinerlei Hinweise dafür, dass der Beschuldigte allenfalls in einem psychotischen desorientierten Zustand gewesen sein könnte.
Unglaubhaft ist auch das Vorbingen des Beschuldigten, dass er bei der damals geherrschten Dunkelheit per Zufall beim onanieren erwischt worden sein soll. Dies widerspricht diametral dem detaillierten und glaubhaften Geschehensablauf der Geschädigten.
4.2.3 Der angeklagte Sachverhalt gilt nach dem Gesagten ebenfalls als erstellt.
IV. Rechtliche Würdigung
1. Allgemeine Ausführungen zu den Straftatbeständen
1.1 Diebstahl
Den Grundtatbestand von Art. 139 Ziff. 1 Schweizerisches Strafgesetzbuch (StGB, SR 311.0) erfüllt, wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich einen andern damit unrechtmässig zu bereichern.
Wegnahme ist Bruch fremden und Begründung neuen (meist eigenen) Gewahrsams. Gewahrsam ist Herrschaftsmacht mit Herrschaftswillen (vgl. BGE 115 IV 106, BGE 112 IV 11, BGE 110 IV 84, BGE 100 IV 158, BGE 97 IV 196). Der Gewahrsamsinhaber (durchaus nicht notwendigerweise auch Eigentümer) muss faktisch die Möglichkeit haben, über die Sache zu verfügen; auch der Dieb erlangt über die gestohlene Sache faktisch Gewahrsam. Der Diebstahl ist vollendet mit der Herstellung eines neuen, nicht notwendigerweise eigenen Gewahrsams nach dem Willen des Täters. Ob es dazu gekommen ist, bestimmt sich «nach den allgemeinen Anschauungen und den Regeln des sozialen Lebens» (BGE 132 IV 108 E. 2.1). Nach der herrschenden Apprehensionstheorie ist dies der Fall, sobald der Täter die Sache ergriffen hat. Beendet ist der Diebstahl, wenn der Täter das Diebesgut fortgeschafft, sich angeeignet, die Bereicherung erlangt hat (vgl. BGE 107 IV 12, BGE 98 IV 85; Trechsel/Crameri, Praxiskommentar zum Schweizerischen Strafgesetzbuch, 3. Auflage, 2018, Art. 139 N 3 ff.).
«Aneignung» ist Verschiebung des Eigentums und bedeutet, dass der Täter die fremde Sache den Sachwert wirtschaftlich seinem eigenen Vermögen einverleibt (BGE 104 IV 158 E. 1b), sei es, um sie zu behalten zu verbrauchen, sei es, um sie an einen andern zu veräussern (Urteil 6B_827/2010 E. 5.5, BGE 114 IV 136 E. 2a, BGE 85 IV 19 E. 2) bzw. dass er wie ein Eigentümer über die Sache verfügt, ohne diese Eigenschaft zu haben (vgl. BGE 95 IV 4, BGE 81 IV 234). Entscheidend ist die Verschiebung der tatsächlichen Nutzungs- und Herrschaftsmöglichkeit. Der Täter muss also den Willen manifestieren, das Opfer endgültig bzw. dauernd (vgl. BGE 129 IV 227, BGE 121 IV 25, BGE 118 IV 152) aus der Eigentümerstellung zu verdrängen. Die Aneignung setzt sich zusammen aus a) dem «Aneignungswillen» und b) der «Willensbetätigung». Die zivilrechtliche Wirkungslosigkeit solchen Tuns – die «Aneignung» begründet kein zivilrechtliches Eigentum – ist ohne Belang (vgl. BGE 95 IV 5), die Lehre spricht von Quasi-Eigentum (se ut dominus gerere); entscheidend ist die manifestierte Aneignungsabsicht, wodurch der Täter die eigentümerähnliche Herrschaft über eine für ihn zivilrechtlich fremde Sache erlangt. Unrechtmässig ist die Aneignung insbesondere, wenn das als Aneignung zu qualifizierende Verhalten gegen den Willen des Eigentümers verstösst (vgl. zum Ganzen: BGE 129 IV 227).
Mit dem Erfordernis der Absicht ungerechtfertigter Bereicherung soll das im Volke lebende Rechtsbewusstsein befriedigt werden, wonach nur der als Dieb Unterschlagungstäter gilt, der sich auf Kosten anderer Vermögensvorteile verschaffen will. Bereicherung ist jeder Vermögensvorteil, auch der bloss vorübergehende (vgl. BGE 91 IV 133, BGE 77 IV 13). Die Bereicherung muss der Vermögensverschiebung entsprechen – Prinzip der Stoffgleichheit. Vom Erfordernis der Stoffgleichheit wird vor allem i.V.m. Betrug gesprochen, es muss aber auch für Aneignungsdelikte gelten (Trechsel/Crameri, a.a.O., Art. 137 N 6 ff.).
Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende tritt der zu Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern (Art. 22 Abs. 1 StGB).
1.2 Hausfriedensbruch
Gemäss Art. 186 StGB wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe bestraft, wer gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus, in eine Wohnung, in einen abgeschlossenen Raum eines Hauses in einen unmittelbar zu einem Hause gehörenden umfriedeten Platz, Hof, Garten Werkplatz unrechtmässig eindringt, oder, trotz der Aufforderung eines Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt.
Art. 186 StGB schützt die Freiheit des Berechtigten, darüber zu entscheiden, wer sich in bestimmten Räumen (i.w.S.) aufhalten darf und wer nicht (vgl. BGE 103 IV 163, BGE 90 IV 76, BGE 87 IV 121, BGE 83 IV 156); geschütztes Rechtsgut ist also das Hausrecht, die Befugnis, über einen bestimmten Raum ungestört zu herrschen und darin den eigenen Willen frei zu betätigen (vgl. BGE 112 IV 33), als Element der Privatsphäre (vgl. BGE 118 IV 49). Täterhandlung ist zunächst das Eindringen bzw. Betreten (vgl. BGE 87 IV 122). Inhaber des Haurechts ist derjenige, dem die Verfügungsgewalt über das Haus zusteht, gleichgültig, ob sie auf einem dinglichen obligatorischen auf einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis beruht (vgl. BGE 118 IV 170, BGE 112 IV 33, BGE 103 IV 163, BGE 90 IV 76, BGE 83 IV 156).
1.3 Sexuelle Handlungen mit einem Kind
Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, es zu einer solchen Handlung verleitet es in eine sexuelle Handlung einbezieht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren Geldstrafe bestraft (Art. 187 Ziff. 1 StGB). Mit Einbeziehen sind diejenigen sexuellen Handlungen des Täters gemeint, die er vor dem Kind vornimmt, wobei es aber zu keinen körperlichen Berührungen zwischen dem Täter und dem Opfer kommt. Das Kind wird bei dieser Tatbestandsvariante durch gezieltes Verhalten als Zuschauer in die sexuelle Handlung einbezogen und auf diese Weise zum Sexualobjekt gemacht. Unter sexueller Handlung ist grundsätzlich jede körperliche Betätigung zu verstehen, die nach ihrem äusseren Erscheinungsbild vom Standpunkt eines objektiven Beobachters aus betrachtet eindeutig sexualbezogen ist. In Abgrenzung zu den anderen beiden Tatvarianten der Vornahme der Verleitung ist bei der Tatbestandsvariante des Einbeziehens die normale Entwicklung des Kindes weit weniger gefährdet, als wenn es selbst körperlich beeinträchtigt würde. Bezüglich der sexuellen Handlung ist somit eine gewisse Erheblichkeit vonnöten. Die Verhaltensweise des Beschuldigten erfordert eine ähnlich intensive Beteiligung des Kindes wie bei den anderen beiden Tatvarianten. Zu beachten ist, dass das Opfer den äusseren Vorgang der sexuellen Handlung als Ganzes unmittelbar sinnlich wahrnehmen muss (vgl. Maier, Basler Kommentar Strafrecht II, 2. Auflage, Art. 187 N 14 f.; Trechsel, Praxiskommentar, Art. 187 N 9; Donatsch/Flachsmann/Hug/Weder, StGB-Kommentar, 18. Auflage, Art. 187 N. 5 ff.).
2. Subsumtion
2.1 Der Beschuldigte ist in die Geschäftsliegenschaft K.___ eingedrungen und hat mehrere Sachen weggenommen, die er in der Liegenschaft auf sich trug. Durch dieses Vorgehen brach der Beschuldigte fremden Gewahrsam am Deliktsgut und begründete neuen, eigenen Gewahrsam daran. Er hatte also die Herrschaftsmacht und den Herrschaftswillen. Dabei handelte er mit Aneignungsabsicht und erlangte eine Quasi-Eigentümer-Stellung. Es ging ihm darum, sich vorsätzlich unrechtmässig zu bereichern, war ihm doch bewusst, keinerlei Anspruch auf das Deliktsgut zu haben. Er wurde auf frischer Tat mit dem ergriffenen Deliktsgut erwischt und von D.___ bis zum Eintreffen der Polizei rechtmässig festgehalten (Art. 218 StPO), weshalb das Delikt gemäss Apprehensionstheorie als vollendet gilt und nicht als blosser Versuch. Der Beschuldigte gelangte durch den unverschlossenen Hintereingang (hofseitig) in die Liegenschaft, ohne Berechtigung, sich darin aufzuhalten. Dass ein solches Eindringen einen Hausfriedensbruch darstellt, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Ein gültiger Strafantrag liegt vor (AS 025 f.).
Demnach hat der Beschuldigte objektiv und subjektiv die Tatbestände von Art. 139 Ziff. 1 sowie Art. 186 StGB erfüllt und ist des Diebstahls und des Hausfriedensbruchs schuldig zu sprechen.
2.2 Das Verhalten des Beschuldigten am 20. Juli 2019 ist als Masturbation (Auf- und Abbewegung am erigierten Penis) und damit offensichtlich als sexuelle Handlung i.S. von Art. 187 StGB zu qualifizieren. Er hat die Geschädigte zu sich gerufen und damit auf sich aufmerksam gemacht. Damit hat er die Geschädigte während der Selbstbefriedigung fixiert, so dass diese es auch bemerkte. Indem der Beschuldigte bewusst vor I.___ masturbiert hat, und damit vor einem Kind mit allen Zeichen sexuelle Erregung demonstriert hat, hat er diese in die sexuelle Handlung miteinbezogen (vgl. Jenny, Kommentar zum Schweizerischen Strafrecht, 4. Band: Delikte gegen die sexuelle Integrität und gegen die Familie, Art. 187 StGB N. 21; Stratenwerth/Jenny, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 6. Aufl., § 7 N. 16).
Der Beschuldigte hat objektiv und subjektiv den Tatbestand von Art. 187 Ziff. 1 StGB erfüllt und ist der sexuellen Handlung mit Kindern schuldig zu sprechen.
V. Strafzumessung
1. Allgemeine Ausführungen
1.1 Gemäss Art. 47 Abs. 1 StGB misst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters. Die Bewertung des Verschuldens wird in Art. 47 Abs. 2 StGB dahingehend präzisiert, dass dieses nach der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt wird, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden. Nach Art. 50 StGB hat das Gericht die für die Zumessung der Strafe erheblichen Umstände und deren Gewichtung festzuhalten.
Der Begriff des Verschuldens muss sich auf den gesamten Unrechts- und Schuld-gehalt der konkreten Straftat beziehen. Innerhalb der Kategorie der realen Straf-zumessungsgründe ist zwischen der Tatkomponente, welche in Art. 47 Abs. 2 StGB näher umschrieben wird, und der in Abs. 1 aufgeführten Täterkomponente zu unterscheiden (vgl. Trechsel/Thommen in Trechsel/Pieth [Hrsg.], Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Auflage 2018, Art. 47 N 16, mit Hinweisen auf die bundesgerichtliche Praxis).
1.2 Bei der Tatkomponente können fünf verschiedene objektive und subjektive Momente unterschieden werden. Beim Aspekt der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsgutes (Ausmass des verschuldeten Erfolgs) geht es sowohl um den Rang des beeinträchtigten Rechtsguts und das Ausmass seiner Beeinträchtigung als auch um das Mass der Abweichung von einer allgemeinen Verhaltensnorm. Auch die Verwerflichkeit des Handelns (Art und Weise der Herbeiführung des Erfolgs) ist als objektives Kriterium für das Mass des Verschuldens zu berücksichtigen. Auf der subjektiven Seite ist die Intensität des deliktischen Willens (Willensrichtung des Täters) zu beachten. Dabei sprechen für die Stärke des deliktischen Willens insbesondere Umstände wie die der Wiederholung Dauer des strafbaren Verhaltens auch der Hartnäckigkeit, die der Täter mit erneuter Delinquenz trotz mehrfacher Vorverurteilungen sogar während einer laufenden Strafuntersuchung bezeugt. Hier sind auch die Skrupellosigkeit und umgekehrt der strafmindernde Einfluss, den es haben kann, wenn ein V-Mann bei seiner Einwirkung auf den Verdächtigen die Schranken des zulässigen Verhaltens überschreitet, zu beachten. Hinsichtlich der Willensrichtung dürfte es richtig sein, dem direkten Vorsatz grösseres Gewicht beizumessen als dem Eventualdolus, während sich mit der Unterscheidung von bewusster und unbewusster Fahrlässigkeit keine prinzipielle Differenz der Schwere des Unrechts der Schuld verbindet. Die Grösse des Verschuldens hängt im Weiteren von den Beweggründen und Zielen des Täters ab. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Delinquenz umso schwerer wiegt, je grösser das Missverhältnis zwischen dem vom Täter verfolgten und dem von ihm dafür aufgeopferten Interesse ist. Schliesslich ist unter dem Aspekt der Tatkomponente die Frage zu stellen, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden. Hier geht es um den Freiheitsraum, welchen der Täter hatte. Je leichter es für ihn gewesen wäre, die Norm zu respektieren, desto schwerer wiegt die Entscheidung gegen sie und damit seine Schuld (BGE 117 IV 7 E. 3aa). Innere Umstände, die den Täter einengen können, sind unter anderem psychische Störungen mit einer Verminderung der Schuldfähigkeit, aber auch unterhalb dieser Schwelle, wie Affekte, die nicht entschuldbar, aber doch von Einfluss sind, Konflikte, die sich aus der Bindung an eine andere Kultur ergeben, Alkohol- Drogenabhängigkeit, subjektiv erlebte Ausweglosigkeit Verzweiflung usw. Auch äussere Umstände betreffen die Schuld nur, wenn sie die psychische Befindlichkeit des Täters berühren.
1.3 Die verminderte Schuldfähigkeit bezieht sich auf die Tat, weshalb die Tatkomponenten einem vermindert schuldfähigen Täter nur nach Massgabe der noch vorhandenen Rest-Schuldfähigkeit zugerechnet werden können. Dagegen bleibt die strafzumessungsrechtliche Relevanz der Täterkomponenten von der Verminderung der Schuldfähigkeit unberührt. Der Richter hat deshalb allein die sich aus den Tatkomponenten resultierende (hypothetische) Strafe nach Massgabe der Verminderung der Schuldfähigkeit zu reduzieren (BGE 134 IV 132 E. 6.1.).
Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist der Richter nicht gehalten, bei einer verminderten Zurechnungsfähigkeit in leichtem, mittlerem schweren Grad eine lineare Reduktion der Strafe um 25%, 50% 75% vorzunehmen. Er hat jedoch die Verminderung der Schuldfähigkeit im ganzen Ausmass zu berücksichtigen (BGE 134 IV 132 E. 6.2.). Das Bundesgericht hat klargestellt, dass das Gericht nicht gehalten sei, in Zahlen Prozenten auszudrücken, wie es die einzelnen Strafzumessungskriterien berücksichtigt. Der Nachweis und die Einstufung der verminderten Schuldfähigkeit lasse sich nicht mit exakten naturwissenschaftlichen Methoden objektivieren. Vielmehr mache der Gutachter, welcher den Grad der Verminderung der Schuldfähigkeit beurteile, von einem grossen und subjektiven Ermessen Gebrauch. Es handle sich bei seiner Einschätzung um einen Ausgangspunkt, der für die Strafzumessung auf Grund der Besonderheiten des Falles zu verfeinern sei. Der Richter müsse das Gutachten rechtlich würdigen und entscheiden, wie sich die festgestellte Einschränkung der Schuldfähigkeit unter Würdigung aller Umstände auf die subjektive Verschuldensbewertung auswirkt. Dabei liege es nahe, folgendes übliche Abstufungsmuster anzuwenden: Ein objektiv sehr schweres Tatverschulden kann sich wegen einer leichten Verminderung der Schuldfähigkeit auf ein schweres bis sehr schweres Verschulden reduzieren, bei einer mittelgradigen Beeinträchtigung auf ein mittelschweres bis schweres und bei einer schweren Einschränkung auf ein leichtes bis mittelschweres. Gestützt auf diese grobe Einschätzung hat der Richter unter Berücksichtigung der weiteren Strafzumessungsgründe innerhalb des ihm zur Verfügung stehenden Strafrahmens die Strafe auszufällen, wobei ihm wiederum ein erhebliches Ermessen zusteht. Bei der Strafzumessung sei somit in Abänderung der bisherigen Rechtsprechung wie folgt vorzugehen:
In einem ersten Schritt ist auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des Gutachters zu entscheiden, in welchem Umfang die Schuldfähigkeit des Täters in rechtlicher Hinsicht eingeschränkt ist und wie sich dies insgesamt auf die Einschätzung des Tatverschuldens auswirke. Das Gesamtverschulden sei zu qualifizieren und mit Blick auf Art. 50 StGB im Urteil ausdrücklich zu benennen, wobei von einer Skala denkbarer Abstufungen nach Schweregrad auszugehen ist. Hierauf ist in einem zweiten Schritt innerhalb des zur Verfügung stehenden Strafrahmens die (hypothetische) Strafe zu bestimmen, die diesem Verschulden entspricht. Die so ermittelte Strafe kann dann gegebenenfalls in einem dritten Schritt auf Grund wesentlicher Täterkomponenten verändert werden. Eine rein mathematische Reduktion einer (hypothetischen) Einsatzstrafe, ist dagegen systemwidrig (Urteil 6B_238/2009 vom 8.3.2010 E. 5.6).
1.4 Bei der Täterkomponente sind einerseits das Vorleben, bei dem vor allem Vor-strafen, auch betr. im Ausland begangene Straftaten (BGE 105 IV 225 E. 2), ins Gewicht fallen – Vorstrafenlosigkeit wird neutral behandelt und bei der Strafzumessung nur berücksichtigt, wenn die Straffreiheit auf aussergewöhnliche Gesetzestreue hinweist (vgl. BGE 136 IV 1) – und andererseits die persönlichen Verhältnisse (Lebensumstände des Täters im Zeitpunkt der Tat), wie Alter, Gesundheitszustand, Vorbildung, Stellung im Beruf und intellektuelle Fähigkeiten zu berücksichtigen. Des Weiteren zählen zur Täterkomponente auch das Verhalten des Täters nach der Tat und im Strafverfahren, also Umstände wie, ob er einsichtig ist, Reue gezeigt, ein Geständnis abgelegt bei den behördlichen Ermittlungen mitgewirkt hat, wie auch die Strafempfindlichkeit des Täters.
Nach der Rechtsprechung kann ein Geständnis bei der Beurteilung des Nachtatverhaltens im Rahmen der Strafzumessung zugunsten des Täters berücksichtigt werden, wenn es auf Einsicht in das begangene Unrecht auf Reue schliessen lässt der Täter dadurch zur Tataufdeckung über den eigenen Tatanteil beiträgt (vgl. BGE 121 IV 202 E. 2d/cc).
1.5 Das Gesamtverschulden ist zu qualifizieren und mit Blick auf Art. 50 StGB im Urteil ausdrücklich zu benennen, wobei von einer Skala denkbarer Abstufungen nach Schweregrad auszugehen ist. Hierauf ist in einem zweiten Schritt innerhalb des zur Verfügung stehenden Strafrahmens die (hypothetische) Strafe zu bestimmen, die diesem Verschulden entspricht (BGE 136 IV 55 E. 5.7). Das Bundesgericht drängt in seiner jüngeren Praxis vermehrt darauf, dass Formulierung des Verschuldens und Festsetzung des Strafmasses auch begrifflich im Einklang stehen (Urteile 6B_1096/2010 vom 7. Juli 2011 E. 4.2; 6B_1048/2010 vom 6. Juni 2011 E. 3.2 und 6B_763/2010 vom 26. April 2011 E. 4.1).
1.6 Hat der Täter durch eine mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen und ist an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden (Art. 49 Abs. 1 StGB). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist die Bildung einer Gesamtstrafe in Anwendung des Asperationsprinzips nach Art. 49 Abs. 1 StGB nur möglich, wenn das Gericht im konkreten Fall für jeden einzelnen Normverstoss gleichartige Strafen ausfällt (sog. «konkrete Methode»). Dass die anzuwendenden Strafbestimmungen abstrakt gleichartige Strafen androhen, genügt nicht. Geldstrafe und Freiheitsstrafe sind keine gleichartigen Strafen im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB (BGE 142 IV 265 E. 2.3.2; BGE 138 IV 120 E. 5.2 S. 122). Die Bildung einer sog. «Einheitsstrafe» bei engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang verschiedener Delikte ist nach neuerer bundesgerichtlicher Rechtsprechung grundsätzlich nicht mehr zulässig. Ebenso ist es nicht zulässig, für einzelne Delikte eine Freiheitsstrafe statt einer Geldstrafe auszusprechen, nur, weil die maximale Höhe der Geldstrafe von 180 Tagessätzen zufolge Asperation mehrerer Geldstrafen überschritten würde. Diesfalls bleibt es bei der Ausfällung einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen, auch wenn diese insgesamt für alle mit Geldstrafe zu sanktionierenden Delikte nicht mehr schuldangemessen ist (BGE 144 IV 217 E. 3.6).
Bei der Bildung der Gesamtstrafe gemäss Art. 49 Abs. 1 StGB ist nach der Rechtsprechung vorab der Strafrahmen für die schwerste Straftat zu bestimmen und alsdann die Einsatzstrafe für die schwerste Tat innerhalb dieses Strafrahmens festzusetzen. Schliesslich ist die Einsatzstrafe unter Einbezug der anderen Straftaten in Anwendung des Asperationsprinzips angemessen zu erhöhen. Aus dem Urteil muss hervorgehen, welche Einzelstrafen für die verschiedenen Straftaten festgesetzt werden und welche Strafzumessungsgründe für jede Einzelstrafe massgebend waren.
1.7 Gemäss Art. 42 Abs. 1 StGB schiebt das Gericht den Vollzug einer Geldstrafe einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen Vergehen abzuhalten. In subjektiver Hinsicht relevantes Prognosekriterium ist insbesondere die strafrechtliche Vorbelastung (ausführlich BGE 134 IV 1 E. 4.2.1). Für den bedingten Vollzug genügt das Fehlen einer ungünstigen Prognose, d.h. die Abwesenheit der Befürchtung, der Täter werde sich nicht bewähren (BGE 134 IV 1 E. 4.2.2). Bereits in der bisherigen Praxis spielte die kriminelle Vorbelastung die grösste Rolle bei der Prognose künftigen Legalverhaltens (Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II, Strafen und Massnahmen, 2. Auflage, Bern 2006, § 5 N 27). Allerdings schliessen einschlägige Vorstrafen den bedingten Vollzug nicht notwendigerweise aus (Schneider/Garré, in: Niggli/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Strafrecht I, 4. Auflage, Basel 2019, Art. 42 StGB N 61).
Der Strafaufschub nach Art. 42 Abs. 1 StGB wird lediglich bei einer klaren Schlechtprognose verwehrt. Dabei kommt es auf die Persönlichkeit des Verurteilten an. Diese erschliesst sich aus den Tatumständen, dem Vorleben, insbesondere Vortaten und Leumund, wobei auch das Nachtatverhalten miteinzubeziehen ist, ebenso die vermutete Wirkung der Strafe auf den Täter. Das Gericht hat eine Gesamtwürdigung aller prognoserelevanten Kriterien vorzunehmen und deren einseitige Berücksichtigung zu vermeiden. Dies gilt auch für das Prognosekriterium Vorstrafen. Dieses dürfte zwar ein durchaus gewichtiges Kriterium darstellen, was aber, wie erwähnt, nicht heisst, dass Vorstrafen die Gewährung des bedingten Strafvollzuges generell ausschliessen. Dies hat allerdings auch im Umkehrschluss zu gelten: das Fehlen von Vorstrafen führt nicht zwingend zur Gewährung des bedingten Strafvollzuges, wenn sämtliche übrigen Prognosekriterien das klare Bild einer Schlechtprognose zu begründen vermögen. Allerdings ist doch wohl davon auszugehen, dass Ersttätern im Allgemeinen der bedingte Strafvollzug zu gewähren ist.
Unter dem Aspekt des Nachtatverhaltens spricht etwa die weitere Delinquenz während laufendem Strafverfahren gegen die Gewährung des bedingten Strafvollzuges. Ungünstig wirkt sich auch ein weiteres gleichartiges Delikt aus, wenn zwar das Strafverfahren wegen des ersten Vorfalles noch nicht eröffnet wurde, der Täter jedoch weiss, dass er ein solches zu erwarten hat (sog. kriminologischer Rückfall). Grundsätzlich sind Einsicht und Reue Voraussetzung für eine gute Prognose. Die bedingte Strafe wird abgelehnt für Überzeugungstäter. Gegen eine günstige Prognose spricht ferner die Verdrängungs- und Bagatellisierungstendenz des Täters. Von besonderem Interesse ist das Verhalten im Strafverfahren, wobei blosses Bestreiten der Tat die Aussageverweigerung kein Grund zur Verweigerung des bedingten Strafvollzuges darstellen, da solches Verhalten andere Gründe als mangelnde Einsicht haben kann (Scham, Angst, Sorge um die Familie). Die Nutzung der Verteidigungsrechte darf nicht sanktioniert werden. Anders kann dies indessen beurteilt werden, wenn der Täter ein ganzes Lügengebäude auftischt. Bei der Prognosestellung ist die ganze Wirkung des Urteils zu berücksichtigen. Ein wesentlicher Faktor der Prognosebildung ist die Bewährung am Arbeitsplatz. Unzulässig ist die Verweigerung des bedingten Vollzuges allein wegen der Art Schwere der Tat (Trechsel/Pieth, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Auflage, 2017, Art. 42 N 8 ff., mit zahlreichen Hinweisen).
2. Konkrete Strafzumessung
2.1 Gutachten von Dr. med. C.___
2.1.1 Dem psychiatrischen Gutachten vom 17. Dezember 2021 (SL 0157 ff.) kann entnommen werden, dass beim Exploranden im Hinblick auf seine Entwicklungsgeschichte unterschiedliche Belastungen erkennbar seien, die einer gesunden Entwicklung entgegenstünden. Der Gutachter nahm die folgende diagnostische Beurteilung vor:
2.1.1.1 Zum einen berichte der Beschuldigte darüber, die ersten Jahre praktisch ohne Vater aufgewachsen zu sein, bis er vierjährig im Familiennachzug in die Schweiz gekommen sei, wo der Vater schon zuvor gelebt und gearbeitet habe. Es sei ihm nie gelungen, ein gutes Verhältnis und eine gute Beziehung zum Vater aufzubauen. Einerseits sei dieser sehr wortkarg, andererseits habe er nicht mit der Stotterstörung seines Sohnes umgehen können, habe ihn unter Druck gesetzt, sei leicht wütend geworden und habe ihn auch wiederholt geschlagen. Als Belastung auf mütterlicher Seite berichte er davon, dass seine Mutter einen schweren Verkehrsunfall erlitten habe, als er im Jugendalter gewesen sei, unter deren körperlichen Folgen sie heute noch leide. Seine Stotterstörung (ICD-10: F98.5) habe über seine Schulzeit hinweg den Kontakt zu anderen Kindern belastet, so das angegebene Erleben des Exploranden. Er habe grosse Probleme gehabt, Anschluss zu finden, er habe sich oftmals einsam und ausgeschlossen gefühlt und manches Mal habe er den Klassenclown gespielt. Die soziale Integration sei ihm schwergefallen und wenn er heute zurückblicke, dann fühlte er sich von Kollegen wiederholt getäuscht und hintergangen. Von Stotterstörungen wisse man, dass sie häufig der Entwicklung eines gesunden Selbstwerterlebens entgegenstünden. Ursächlich werde hier von einem Zusammenfallen genetischer, konstitutioneller und psychologischer Gründe ausgegangen. Ungewöhnlich sei, dass es nie zu einem Therapieversuch gekommen sei.
2.1.1.2 Weiter sei erkennbar, dass der Explorand schon verhältnismässig früh deliktisch in Erscheinung getreten sei. Zu sprechen sei hier von einer dissozialen Verhaltensbereitschaft, die diagnostisch beim Jugendlichen als Störung im Sozialverhalten anzusprechen sei und sich bedeutsam auch durch das unmittelbare Folgen von momentanen Einfällen, ein Handeln aus dem Moment heraus, ohne grösser die Folgen zu bedenken, auszeichne. Dies alles schon zu einem Zeitpunkt, als eine Konsumproblematik beim Exploranden noch gar nicht vorhanden gewesen sei bzw. sich erst entwickelt habe. Zu sehen sei auch, dass der Explorand Regeln und Normen wenig integriert habe und diese auch wiederholt nicht handlungsleitend wirkten. Weiter sei eine verminderte Frustrationstoleranz und Probleme in emotionaler Selbstwahrnehmung und Steuerung erkennbar, die wohl auch einen Boden gelegt hätten für die sich später manifestierende Sucht- und insbesondere Alkoholproblematik. Festzuhalten an überdauernden Auffälligkeiten sei auch eine verminderte Vertrauensfähigkeit und im Kontakt mit anderen eine erhöhte Schüchternheit und Ungeschicklichkeit. Beim Vorliegen von erheblichen und überdauernden Auffälligkeiten im Bereich der Kognitionen, der Affekte und der Beziehungsgestaltung zu anderen Menschen, die sich als starr und überdauernd zeigen und ihren Beginn in Kindheit und Jugend haben, liessen sich die Kriterien einer allgemeinen Persönlichkeitsstörung beim Exploranden als erfüllt erkennen. Es könne damit zusammenfassend am treffendsten die Diagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F61) mit dissozialen, unreifen und erhöht selbstunsicheren Anteilen gestellt werden.
2.1.1.3 Wende man sich dem Konsumbereich zu, so sei zum einen ein langjähriger, rund 10 Jahre betriebener, intensiver und in den letzten Jahren kaum noch kontrollierter bzw. von ihm nicht mehr kontrollierbarer Alkoholkonsum ersichtlich. Der Explorand halte sich meist zurück, genauere Mengenangaben zu machen, das Gesamtbild, seine Angaben, aber auch das, was aus Krankenunterlagen hervorgehe, liessen erkennen, dass schon einige Jahre ein deutlicher Kontrollverlust über den Konsum, Beginn, Höhe und Ende, bestehe. Es bestehe ein starker Wunsch, ein starkes Verlangen nach Alkoholkonsum, dem der Explorand sich auch wiederholt wie ausgeliefert fühle. Hohe Trinkmengen wiesen auf eine deutliche Toleranzentwicklung hin. Zu sehen sei letztlich die Fortsetzung des (hohen) Konsums, auch in der Erkenntnis des Exploranden, dass dieser für ihn sozial und körperlich schädliche Folgen habe und andere Ziele (z.B. Erwerb Führerausweis) verunmögliche. Nicht zuletzt belegten die wiederholten Notfallbehandlungen der letzten Jahre auch den wiederholten Kontrollverlust und die Schwere der vorliegenden Problematik. Zu diagnostizieren sei mithin ein Alkoholabhängigkeitssyndrom (ICD-10: F10.2). Angesichts seines (relativ jungen) Alter und Ausprägung sei es als schwer zu klassifizieren.
Bezüglich Kokain wiesen jahrelanger und hoher Konsum, körperliche Schädigungen (wie Nasenbluten und Nasenscheidewanddefekt), ein fortgesetzter Konsum auch trotz erheblicher Kosten dieser Droge auf eine klinisch bedeutsame Problematik hin. Die Abhängigkeitskriterien wie ein sehr starkes Verlangen nach dem Konsum, Kontrollverlust über den Konsum und Fortsetzung des Konsums trotz schädlicher Folgen seien zu bejahen. Es sei damit für den Tatzeitraum und auch heute noch ein Kokainabhängigkeitssyndrom (ICD10: F12.2) zu diagnostizieren.
2.1.2 Zur Frage der Schuldfähigkeit führte der Gutachter aus, die Delikte stünden erkennbar vor allem in engem Zusammenhang mit der tiefgreifenden Persönlichkeitsproblematik. Es sei aber nicht zu erkennen, dass der Explorand allenfalls aufgrund der vorhandenen Störung eines ggf. tatzeitaktuellen akuten Alkohol-, vielleicht auch Drogeneinflusses, nicht mehr in der Lage gewesen sei, zu erkennen, dass sein Handeln regelwidrig und verboten sei. Es sei damit für die Delikte vom Vorliegen einer vollen Einsichtsfähigkeit zu sprechen. Blicke man auf die Interaktion des Exploranden mit anderen während des Tatzeitraumes, so lägen keine Hinweise dafür vor, dass er allenfalls in einem psychotischen desorientierten Zustand gewesen sein könnte, der zu anderen Schlüssen berechtige. Im Bereich der Steuerungsfähigkeit zeigten sich beim Exploranden überdauernde Probleme in der Verhaltenssteuerung, die sich dann auch in verschiedenen Lebensbereichen zeigten und Folgen im Lebensvollzug für ihn hätten. Seine Entscheidungen würden oft aus dem Moment heraus gefällt. Sie seien häufig konsum- und stimulusgerichtet. Sie unterlägen meist keiner längerfristigen Planung und die Folgen und Konsequenzen würden nicht gross bedacht wenn doch, dann gleich wieder ausgeblendet. Die damit in Zusammenhang stehende Dissozialität unterscheide ihn aber nicht bedeutsam vom durchschnittlichen Täter vergleichbarer Handlungen. Zusammenfassend und mit Blick auf die Kombination von Persönlichkeitsstörung, Suchterkrankung und tatzeitaktuellem Substanzeinfluss geht der Gutachter für beide Hauptdelikte davon aus, dass der Explorand aufgrund der bei ihm bestehenden Störungen in seiner Steuerungsfähigkeit doch soweit beeinträchtigt gewesen sei, dass die Annahme einer in einem leichten Masse verminderten Schuldfähigkeit durchaus angenommen werden könne. Gleiches lasse sich für die Nebendelikte sagen. Für die Annahme einer in einem höheren Masse verminderten Schuldfähigkeit lägen keine Hinweise vor.
2.1.3 Zur Frage der Legalprognose hält der Gutachter das Folgende fest:
2.1.3.1 Mittels Psychopathy-Checkliste (PLC-R) sei das Vorliegen von Psychopathy beim Beschuldigten geprüft worden. Mit 26 erreichten Punkten liege der Explorand in einer dimensionalen Näherung wahrscheinlich im Bereich einer hohen Ausprägung von Psychopathy.
2.1.3.2 Mit dem etablierten Instrument STATIC-99 sei das Risikoprofil des Beschuldigten für sexuelle und gewalttätige Rückfälle erfasst worden. Der Explorand erreiche in diesem Instrument sieben Punkte. Gemäss den aktuellen Interpretationsregeln (2019) falle der Explorand damit in die höchste von 5 Risikogruppen (Risikogruppe IV b), dies entspreche einem weit überdurchschnittlichen Risiko. Für diese Gruppe von Sexualstraftätern habe man in der Gesamtgruppe für einen 5 Jahreszeitraum eine Rückfallrate von 34.78% beobachtet (zum Vergleich: Die durchschnittliche Rückfallrate der Sexualstraftäter betrug 5.36 %). Auch aufgrund der Auswertung mittels STABLE-2007, einem strukturierten Element zur Erfassung sogenannter stabil dynamischer Risikofaktoren für erwachsene männliche Sexualstraftäter, das in Ergänzung des STATIC-99 angewendet wurde, gehöre der Beschuldigte mit einem Summenwert von 12 in die Gruppe der Straftäter mit einem hohen Kontroll- und Behandlungsbedarf. Unter Kombination der beiden Verfahren zeige sich gemäss Handbuch eine hohe Dringlichkeit von Betreuung und Kontrolle.
2.1.3.3 Als klinisches und einzelfallorientiertes strukturiertes Prognoseinstrument wendete der Gutachter die Basler Liste von Herrn Prof. Dittmann an. Die individualprognostische Beurteilung ergab, dass sich vorliegend ein ganzes Bündel von bedeutsamen legalprognostisch ungünstigen Faktoren erkennen liessen. Insbesondere seien die vorliegenden psychischen Störungen, die bedeutsame Persönlichkeitsproblematik und die erheblich schwere Alkoholkrankheit im Zusammenspiel mit einer Kokainabhängigkeit belastend. Die statistischen Instrumente zeigten alle auf eine sehr hohe Rückfallwahrscheinlichkeit sowohl im Bereich der Gewalt- als auch der Sexualdelinquenz. Schaue man sich das bisherige Delinquenzspektrum an, müsse man wohl auch von einer sehr hohen Rückfallwahrscheinlichkeit für alle Deliktgruppen sprechen, mit denen der Explorand bislang in Erscheinung getreten sei, also auch im Bereich der Verkehrs-, Betäubungsmittel- und auch leichteren Gewaltdelinquenz. Der Explorand sei aber bislang nicht mit sehr schweren Gewalt- Sexualdelikten in Erscheinung getreten. Für sehr schwere Gewalt- und Sexualdelikte bestehe daher nur ein leicht erhöhtes Risiko, für leichte Gewaltdelikte wie Tätlichkeiten Drohungen hingegen ein sehr hohes Risiko. Auch das Risiko für erneute Sexualdelikte werde in den Prognoseinstrumenten als sehr hoch angegeben. Vor allem dürfte an erneuten Exhibitionismus vor Kindern zu denken sein. Da aber keine eigenständige sexuelle Devianz zu diagnostizieren sei, dürfte aus klinischer Sicht das Risiko etwas tiefer, also bei mittel bis hoch, zu verorten sein.
2.1.4 Vor dem Berufungsgericht bestätigte der Gutachter seine Diagnosen. Er hält weiter fest, dass der Beschuldigte offenbar realisiert habe, dass er mit seinen Vorerkrankungen ziemlich am Ende sei. Es sei gut, dass er diesen Weg eingeschlagen habe. Es sei noch ein sehr langer Weg und er stehe auch erst am Anfang. Wenn man bedenke, wie er in den letzten 10 Jahren Drogen konsumiert habe, dann werde klar, dass es viel Arbeit, Therapie und Kontrolle brauche. Im Bereich der Delikte seien die Schritte, die er initiiert habe, und die Therapie diesbezüglich sehr erfreulich. Offenbar werde auch die Persönlichkeitsstörung angegangen, allerdings nicht so explizit wie die Suchtthematik. Er müsse die Therapie weiterführen. Idealerweise sei ein Setting mit Bewährungshilfe anzuordnen. Dazu gehörten Selbsthilfegruppen, Konsumproben, z.B. Haarproben alle drei Monate, und wöchentliche Psychotherapie. (Auf Frage, was er damals bei der Begutachtung für einen Eindruck hinterlassen habe) Es sei auffällig gewesen, dass der prognostische Eindruck aus der Diagnose nicht so negativ gewesen sei, wie die Ergebnisse aus den Prognoseinstrumenten. Es sei unklar gewesen, wie er so viele Punkte habe erzielen können (zum Ganzen: ASB 129 f.).
2.1.5 Der Beweiswert des psychiatrischen Gutachtens
2.1.5.1 Zieht das Gericht mangels eigener Fachkenntnis eine sachverständige Person bei, ist es bei der Würdigung des Gutachtens grundsätzlich frei. Ob das Gericht die in einem Gutachten enthaltenen Erörterungen für überzeugend hält nicht und ob es dementsprechend den Schlussfolgerungen der Experten folgen will, ist mithin eine Frage der Beweiswürdigung. Die Beweiswürdigung und die Beantwortung der sich stellenden Rechtsfragen ist Aufgabe des Richters. Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung entscheiden die Organe der Strafrechtspflege frei von Beweisregeln und nur nach ihrer persönlichen Ansicht aufgrund gewissenhafter Prüfung darüber, ob sie eine Tatsache für erwiesen halten (vgl. Art. 10 Abs. 2 StPO). Das Gericht ist somit nicht an den Befund die Stellungnahme des Sachverständigen gebunden. Es hat vielmehr zu prüfen, ob sich aufgrund der übrigen Beweismittel und der Vorbringen der Parteien ernsthafte Einwände gegen die Schlüssigkeit der gutachterlichen Darlegungen aufdrängen. Auch wenn das gerichtlich eingeholte Gutachten grundsätzlich der freien Beweiswürdigung unterliegt, darf das Gericht in Fachfragen nicht ohne triftige Gründe von ihm abrücken und muss Abweichungen begründen (BGE 141 IV 369 E. 6.1).
Auf der anderen Seite kann das Abstellen auf eine nicht schlüssige Expertise bzw. der Verzicht auf die gebotenen zusätzlichen Beweiserhebungen gegen das Verbot willkürlicher Beweiswürdigung (Art. 9 BV) verstossen (BGE 136 II 539 E. 3.2; BGE 133 II 384 E. 4.2.3; BGE 132 II 257 E. 4.4.1; BGE 130 I 337 E. 5.4.2; BGE 129 I 49 E. 4; BGE 128 I 81 E. 2). Erscheint dem Gericht die Schlüssigkeit eines Gutachtens in wesentlichen Punkten zweifelhaft, hat es nötigenfalls ergänzende Beweise zur Klärung dieser Zweifel zu erheben. Ein Gutachten stellt namentlich dann keine rechtsgenügliche Grundlage dar, wenn gewichtige, zuverlässig begründete Tatsachen Indizien die Überzeugungskraft des Gutachtens ernstlich erschüttern. Das trifft etwa zu, wenn der Sachverständige die an ihn gestellten Fragen nicht beantwortet, seine Erkenntnisse und Schlussfolgerungen nicht begründet diese in sich widersprüchlich sind die Expertise sonst wie an Mängeln krankt, die derart offensichtlich sind, dass sie auch ohne spezielles Fachwissen erkennbar sind (BGE 141 IV 369 E. 6.1; 6B_829/2013 vom 6.5.2014 E. 4.1).
2.1.5.2 Dr. med. C.___ ist Chefarzt Forensische Psychiatrie der Psychiatrischen Dienste der Solothurner Spitäler AG, der über eine breite fachspezifische Ausbildung verfügt. Das Gutachten beruht auf sämtlichen Vorakten, einlässlichen Explorationen des Beschuldigten, testpsychologischen Untersuchungen sowie auf Drittauskünften über den Beschuldigten. Die Ausführungen des Gutachters sind schlüssig und in jeder Hinsicht gut nachvollziehbar. Der Gutachter legt in nachvollziehbarer und differenzierter Weise gesondert für jeden Vorhalt die Einschränkung der Steuerungsfähigkeit fest. Das Gutachten enthält keinerlei Widersprüche und es liegen keine anderen ärztlichen Stellungnahmen vor, welche die Schlussfolgerungen des Gutachters in Frage stellen würden. Auf das psychiatrische Gutachten vom 17. Dezember 2021 ist deshalb abzustellen, es kommt ihm voller Beweiswert zu.
2.2 Strafart
Im vorliegenden Fall kann für diejenigen Delikte, für welche das Gesetz eine Freiheits- Geldstrafe vorsieht, nur die Ausfällung einer Freiheitsstrafe in Frage kommen. Die Geldstrafe stellt zwar nach der Konzeption des StGB die Hauptsanktion dar und es soll eine Freiheitsstrafe nur verhängt werden, wenn der Staat keine anderen Mittel hat, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten (Urteil 6B_341/2007 vom 17. März 2008 E. 4.2.2). Diese Situation ist vorliegend gegeben: Der Beschuldigte wurde in verhältnismässig kurzer Zeit vor der hier zu beurteilenden Delinquenz von der Staatsanwaltschaft mit Strafbefehlen vom 6. Februar 2017, 20. Februar 2018 und 28. Januar 2019 zu (teils bedingten) Geldstrafen sowie Bussen verurteilt. Trotz dieser Urteile wurde der Beschuldigte erneut straffällig und mit Strafbefehl vom 3. Januar 2022 zu einer weiteren Geldstrafe verurteilt. Die Vergangenheit hat daher eindrücklich gezeigt, dass sich der Beschuldigte ganz offensichtlich durch eine Geldstrafe nicht von einer weiteren Delinquenz abhalten liess. Die Wahl einer milderen Sanktion als eine Freiheitsstrafe kann daher nicht in Frage kommen.
2.3 Schwerstes Delikt
Die sexuelle Handlung unter Einbezug der Geschädigten wird als schwerste Tat eingestuft. Art. 187 StGB will Kinder unter 16 Jahren vor verfrühten sexuellen Erfahrungen schützen, weil sie deren körperliche und seelische Entwicklung schädigen könnten (Trechsel/Bertossa, a.a.O., Art. 187 StGB N 1). Der Strafrahmen lautet auf Geldstrafe Freiheitsstrafe bis fünf Jahre.
2.4 Tatkomponenten
2.4.1 In der Bandbreite der möglichen sexuellen Handlungen handelte es sich vorliegend um eine wenig intensive Handlung. Der Beschuldigte legte nicht Hand an bei der Geschädigten und sie musste auch ihn nicht berühren. Er unternahm auch nichts, um das wegrennende Kind zurückzuhalten. Die sexuelle Handlung, wie sie der Beschuldigte vornahm, liegt innerhalb der Bandbreite von möglichen sexuellen Handlungen mit Kindern im untersten Bereich.
2.4.2 Der Beschuldigte fing beim Treppenabgang der Tiefgarage der Überbauung, in der er wohnte, unvermittelt an, in der unmittelbaren Nähe der Geschädigten zu masturbieren. Indem der Beschuldigte die Geschädigte zu sich rief, legte er es darauf an, von ihr bemerkt und beobachtet zu werden. Hinsichtlich ihres Einbezugs in die sexuelle Handlung handelte er mit direktem Vorsatz, was allerdings deliktsimmanent ist.
2.4.3 Der Beschuldigte hatte egoistische Beweggründe. Offensichtlich empfand er sexuelle Lust, wenn er von der Geschädigten beim Masturbieren beobachtet wurde. Diese sexuelle Lust stellte er über das Interesse des Kindes, nicht ungewollt mit einer derartigen Situation konfrontiert zu werden.
2.4.5 Das Verschulden ist als leicht zu qualifizieren. Unter Berücksichtigung der gemäss Gutachten in leichtem Masse eingeschränkten Steuerungs- und damit Schuldfähigkeit ist das Tatverschulden als sehr leicht bis leicht zu qualifizieren. Die Einsatzstrafe ist vor diesem Hintergrund auf sieben Monate Freiheitsstrafe festzulegen.
2.5 Asperation
2.5.1 In Bezug auf den Diebstahl und den Hausfriedensbruch zum Nachteil der damaligen K.___ AG wiegt das Verschulden ebenfalls leicht. Es ist vorab zu beachten, dass es sich nicht um einen Einbruchdiebstahl, sondern um einen Einschleichdiebstahl handelt. Entsprechend wurde kein Sachschaden angerichtet. Des Weiteren handelte es sich nicht um eine Privatliegenschaft, sondern eine Geschäftsliegenschaft. Allerdings musste der Beschuldigte bereits zu dieser frühen Morgenzeit mit einer Konfrontation mit Bäckereimitarbeitern rechnen. Es wurden Vermögenswerte und Gegenstände im Gesamtwert von ca. CHF 2'222.00 entwendet. Der Deliktsbetrag ist damit zwar nicht mehr klein, dennoch sind innerhalb der Bandbreite von möglichen Diebstählen viel höhere Deliktsbeträge denkbar. Der Modus Operandi zeugt von einer plumpen und spontanen Aktion, nicht von besonderer Raffinesse. Seine Beweggründe dürften auch hier egoistischer und monetärer Natur gewesen sein.
2.5.2 Auch in Bezug auf diesen Tatkomplex wiegt das Verschulden leicht. Auch hier ist eine leichte Verminderung der Steuerungsfähigkeit zu berücksichtigen und von einem sehr leichten bis leichten Tatverschulden auszugehen. Sieben Monate für den Diebstahl und einen Monat für den Hausfriedensbruch, nach Berücksichtigung der Asperation vier Monate Freiheitsstrafe, erscheinen zur Abgeltung dieser Tatbestände angemessen.
2.5.3 Unter ausschliesslicher Berücksichtigung der Tatkomponenten ergibt sich damit eine Freiheitsstrafe von insgesamt elf Monaten Freiheitsstrafe.
2.6 Täterkomponenten
2.6.1 Betreffend Vorleben und persönliche Verhältnisse des Beschuldigten kann auf die umfassenden Ausführungen in Ziffer VIII. nachstehend verwiesen werden. Diese Komponenten wirken sich insgesamt neutral aus.
2.6.2 Der Beschuldigte hat diverse Vorstrafen:
- Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu CHF 30.00, bedingt erlassen bei einer Probezeit von zwei Jahren, sowie Busse von CHF 650.00 wegen Gewalt Drohung gegen Behörden Beamte, passive Teilnahme an Zusammenrottung (teilweiser Versuch), mehrfacher Gewalt Drohung gegen Behörden Beamte, mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes sowie Verletzung der Verkehrsregeln i.S. des Strassenverkehrsgesetzes (Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 6. Februar 2017, Widerrufen mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 20. Februar 2018); - Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu CHF 30.00 sowie Busse von CHF 800.00 wegen Hinderung einer Amtshandlung, Gewalt Drohung gegen Behörden Beamte, mehrfacher Tätlichkeiten, Verletzung der Verkehrsregeln i.S. des Strassenverkehrsgesetzes, mehrfacher Beschimpfung, mehrfacher Sachbeschädigung sowie einfachen Diebstahls (Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 20. Februar 2018, Gesamtstrafe zum Grundurteil vom 6. Februar 2017); - Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu CHF 30.00, bedingt erlassen bei einer Probezeit von drei Jahren, sowie Busse von CHF 900.00 wegen Führens eines Motorfahrzeugs ohne erforderlichen Führerausweis i.S. des Strassenverkehrsgesetzes, Fahrens eines Motorfahrzeugs in fahrunfähigem Zustand i.S. des Strassenverkehrsgesetzes, mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes, Fahrens eines Motorfahrzeugs in angetrunkenem Zustand mit qualifizierter Atemalkohol- Blutalkoholkonzentration i.S. des Strassenverkehrsgesetzes, Alkoholgehalt 0.74 Milligramm sowie Entwendung eines Motorfahrzeugs zum Gebrauch i.S. des Strassenverkehrsgesetzes (Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 28. Januar 2019, Nichtwiderruf mit Verlängerung der Probezeit um ein Jahr mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 3. Januar 2022); - Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu CHF 90.00 sowie Busse von CHF 600.00 wegen mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes sowie einfachen Diebstahls (Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 3. Januar 2022); - Gegen den Beschuldigten läuft seit 12. April 2022 ein Verfahren wegen rechtswidrigen Aufenthalts i.S. des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration.
2.6.3 Die Täterkomponenten wirken sich angesichts der einschlägigen Vorstrafen des Beschuldigten sowie der Delinquenz während des laufenden Strafverfahrens straferhöhend aus. Das Strafmass ist um drei Monate zu erhöhen.
2.7 Ergebnis
In Anbetracht sämtlicher relevanter Strafzumessungskriterien erscheint demnach eine Freiheitsstrafe von 14 Monaten als schuldangemessene Sanktion.
2.8 Vollzugsform
Der Beschuldigte wird zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt. Mithin ist sowohl angesichts der Strafhöhe als auch der Strafart die Gewährung des bedingten teilbedingten Strafvollzugs möglich (vgl. Art. 42 Abs. 1 und Art. 43 Abs. 1 StGB).
Die persönliche Situation des Beschuldigten hat sich im Vergleich zur erstinstanzlichen Hauptverhandlung vor einem Jahr erheblich verändert: Dies gilt für seine soziale Einbettung, seine persönliche Entwicklung, seine Krankheitseinsicht und die Drogen- und Alkoholabstinenz (siehe hierzu die Ausführungen unter Ziffer VIII / 3.1.3 hernach). Es bedarf keiner weitgreifenden Erörterungen, um darzulegen, dass der Beschuldigte mit einer unbedingten Ausfällung der Freiheitsstrafe abrupt aus dieser nunmehr günstigen Entwicklung und sozialen Einbettung herausgerissen würde.
Mithin wird dem Beschuldigten der bedingte Vollzug gewährt, dies bei einer Probezeit von fünf Jahren.
2.9 Anrechnung der Haft
Der Beschuldigte war im Verlauf des Strafverfahrens insgesamt sechs Tage in Polizeigewahrsam, welche ihm im Erstehungsfall an die Freiheitsstrafe anzurechnen sind.
2.10 Busse
2.10.1 Für die Schuldsprüche wegen Trunkenheit, unanständigen Benehmens, Verunreinigung von fremdem Eigentum sowie Übertretungen gegen das Betäubungsmittelgesetz ist eine Busse auszusprechen.
2.10.2 Es liegt aufgrund des Strafbefehls vom 3. Januar 2022 ein Fall von retrospektiver Konkurrenz vor, da bezüglich sämtlicher Übertretungen bei beiden Urteilen auf die gleiche Strafart, nämlich Busse, zu erkennen ist (Art. 49 Abs. 2 StGB).
2.10.3 Es stellt sich daher die Frage, welche Strafe ausgefällt worden wäre, wenn sämtliche Übertretungen gleichzeitig beurteilt worden wären. Unter Berücksichtigung aller relevanten Strafzumessungsfaktoren wiegt das Verschulden insgesamt leicht. Damit ist die Strafe im untersten Bereich des Strafrahmens anzusiedeln. Unter Berücksichtigung der schlechten finanziellen Verhältnisse des Beschuldigten erscheint eine Gesamtbusse von CHF 1'000.00, wie sie die Vorinstanz festgesetzt hat, als angemessen. Wird von dieser Gesamtstrafe die mit Urteil vom 3. Januar 2022 ausgefällte Busse von CHF 600.00 abgezogen, resultiert eine Zusatzstrafe von CHF 400.00.
2.11 Widerruf
2.11.1 Der Beschuldigte wurde mit Strafbefehl vom 28. Januar 2019 von der Staatsanwaltschaft wegen Führens eines Motorfahrzeugs ohne erforderlichen Führerausweis i.S. des Strassenverkehrsgesetzes, Fahrens eines Motorfahrzeugs in fahrunfähigem Zustand i.S. des Strassenverkehrsgesetzes, mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes, Fahrens eines Motorfahrzeugs in angetrunkenem Zustand mit qualifizierter Atemalkohol- Blutalkoholkonzentration i.S. des Strassenverkehrsgesetzes, Alkoholgehalt 0.74 Milligramm sowie Entwendung eines Motorfahrzeugs zum Gebrauch i.S. des Strassenverkehrsgesetzes zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je CHF 30.00, unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges mit einer Probezeit von 3 Jahren, sowie zu einer Busse von CHF 900.00 verurteilt. Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft vom 3. Januar 2022 wurde die Probezeit um ein Jahr verlängert.
2.11.2 Der Beschuldigte hat während der Probezeit mehrere Vergehen verübt. Ausserdem wurde die Probezeit bereits einmal verlängert. Die Voraussetzungen gemäss Art. 46 Abs. 1 StGB sind deshalb gegeben und es wird der am 28. Januar 2019 gewährte bedingte Vollzug für die ausgesprochene Geldstrafe widerrufen.
2.11.3 Da die widerrufene und die neue Strafe nicht gleicher Art sind, kann keine Gesamtstrafe gebildet werden (Art. 46 Abs. 5 StGB).
VI. Massnahme
1. Allgemeine Ausführungen
1.1 Gemäss Art. 56 Abs. 1 StGB ist eine Massnahme anzuordnen, wenn eine Strafe allein nicht geeignet ist, der Gefahr weiterer Straftaten des Täters zu begegnen (lit. a), ein Behandlungsbedürfnis des Täters besteht die öffentliche Sicherheit dies erfordert (lit. b), und die Voraussetzungen der Artikel 59 - 61, 63 64 erfüllt sind (lit. c).
Die Anordnung einer Massnahme setzt voraus, dass der mit ihr verbundene Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Täters im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit und Schwere weiterer Straftaten nicht unverhältnismässig ist (Abs. 2).
Das Gericht stützt sich beim Entscheid über die Anordnung einer Massnahme nach den Artikeln 59 - 61, 63 und 64 sowie bei der Änderung der Sanktion nach Artikel 65 auf eine sachverständige Begutachtung. Diese äussert sich über die Notwendigkeit und die Erfolgsaussichten einer Behandlung des Täters (lit. a), die Art und die Wahrscheinlichkeit weiterer möglicher Straftaten (lit. b) und die Möglichkeiten des Vollzugs der Massnahme (lit. c) (Abs. 3).
1.2 Ambulante Behandlung
Die Anordnung einer ambulanten Behandlung nach Art. 63 StGB erfordert eine schwere psychische Störung und deren Zusammenhang mit der Straftat (Abs. 1 lit. a) sowie die Erwartung, mit der Behandlung lasse sich der Gefahr weiterer Taten begegnen (Abs. 1 lit. b). Im Gegensatz zur stationären Massnahme reicht bei einer ambulanten Behandlung als Anlasstat neben Verbrechen Vergehen auch eine Übertretung aus. Die ambulante Behandlung dauert längstens fünf Jahre (mit der Möglichkeit der Verlängerung um jeweils bis fünf Jahre, Abs. 4).
1.3 Stationäre Behandlung
1.3.1 Gemäss Art. 59 Abs. 1 StGB kann das Gericht bei einem psychisch schwer gestörten Täter eine stationäre Behandlung anordnen, wenn der Täter ein Verbrechen Vergehen begangen hat, das mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang steht (lit. a), und zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang stehender Taten begegnen (lit. b).
Die stationäre Behandlung erfolgt in einer geeigneten psychiatrischen Einrichtung einer Massnahmenvollzugseinrichtung (Abs. 2).
Solange die Gefahr besteht, dass der Täter flieht weitere Straftaten begeht, wird er in einer geschlossenen Einrichtung behandelt. Er kann auch in einer Strafanstalt behandelt werden, sofern die nötige therapeutische Behandlung durch Fachpersonal gewährleistet ist (Abs. 3).
Der mit der stationären Behandlung verbundene Freiheitsentzug beträgt in der Regel höchstens fünf Jahre. Sind die Voraussetzungen für die bedingte Entlassung nach fünf Jahren noch nicht gegeben und ist zu erwarten, durch die Fortführung der Massnahme lasse sich der Gefahr weiterer mit der psychischen Störung des Täters in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen begegnen, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Verlängerung der Massnahme um jeweils höchstens fünf Jahre anordnen (Abs. 4).
1.3.2 Ob eine psychische Störung besteht und welcher Art sie ist, muss das Gericht wie erwähnt einem psychiatrischen, allenfalls psychologischen Gutachten entnehmen (Art. 56 Abs. 3 StGB).
1.3.3 Zur Schwere der psychischen Störung
Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung zu dem bis am 31. Dezember 2006 in Kraft gewesenen Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB kann eine stationäre Massnahme nicht schon angeordnet werden, wenn der Geisteszustand des Täters ärztliche Behandlung besondere Pflege erfordert. Der Geisteszustand des Täters muss vielmehr als geistige Abnormität qualifiziert werden. Nur bestimmte, relativ schwerwiegende Arten und Formen geistiger Anomalien im medizinischen Sinne können als geistige Abnormität im rechtlichen Sinne qualifiziert werden (Urteil 6S.427/2005 vom 6. April 2006 E. 2.3). Vom Vorliegen einer geistigen Abnormität ist auszugehen bei Schwachsinnszuständen, Psychopathien, psychogenen Fehlentwicklungen mit Einschluss der Neurosen und bei chronischen und phasischen Geisteskrankheiten (Heer/ Habermeyer, Basler Kommentar StGB I, Art. 59 StGB N 12). In seiner neuesten Rechtsprechung bekennt sich das Bundesgericht zur funktionalen Natur des Begriffes der schweren psychischen Störung (Urteil 6B_933/2018 vom 3. Oktober 2019, bestätigt in 6B_229/2020 vom 29. April 2020, je mit zahlreichen Hinweisen). Demnach richtet sich das Kriterium der schweren psychischen Störung nach dem Zweck der Massnahme. Dieser liegt in der Reduktion der Rückfallgefahr und nicht in der Heilung des Täters. Eine Verbesserung des Gesundheitszustandes des Täters interessiert das Strafrecht somit grundsätzlich nur insoweit, wie es der Deliktsprävention dient. Die Schwere der psychischen Störung entspricht im Prinzip dem Ausmass, in welchem sich die Störung in der Tat spiegelt (Deliktrelevanz). Die Störung muss (gegebenenfalls im Zusammenwirken mit anderen «kriminogenen» Faktoren, z.B. akzentuierten, aber nicht pathologischen Persönlichkeitszügen) als vorherrschende Ursache der Delinquenz erscheinen. Die rechtlich geforderte Schwere ergibt sich mit anderen Worten aus der Intensität des Zusammenhangs zwischen der (nach medizinischen Kriterien erheblich ausgeprägten, vorab zweifelsfrei festgestellten) Störung und der Straftat.
1.3.4 Zu den Erfolgsaussichten einer stationären Massnahme
Gemäss Art. 59 Abs. 1 lit. b StGB erfordert die Anordnung einer stationären Massnahme die Aussicht auf eine Verringerung der Rückfallgefahr. Das Bundesgericht hat sich in einem Entscheid, in welchem es sich mit der Abgrenzung zwischen den Voraussetzungen von Verwahrung und stationärer Massnahme auseinandersetzte, zum Ausmass des zu erwartenden Therapieerfolges bei der Anordnung einer stationären Massnahme geäussert; es hat festgehalten, dass die vage Möglichkeit einer Verringerung der Rückfallgefahr nicht ausreiche. Vielmehr müsse im Zeitpunkt des Entscheides die hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen, dass sich die Gefahr weiterer Straftaten durch die Anordnung einer stationären Massnahme über die Dauer von fünf Jahren deutlich verringern lasse. Es sei jedoch nicht erforderlich, dass nach einer stationären Behandlung von fünf Jahren ein Zustand erreicht sei, welcher eine bedingte Entlassung aus der Massnahme rechtfertigen würde. Es genüge, dass in dieser Zeit eine deutliche Verringerung der Gefahr weiterer Straftaten erreicht werde. Das Gericht habe nach Ablauf von fünf Jahren die Möglichkeit, beim unveränderten Vorliegen von Erfolgsaussichten eine Verlängerung der Massnahme anzuordnen (Art. 59 Abs. 4 Satz 2 StGB). Eine stationäre Massnahme sei beim Vorliegen von Erfolgsaussichten auch anzuordnen, wenn vom Täter im Zeitpunkt des Entscheids eine Gefahr ausgehe. Dieser Gefährlichkeit des Täters sei dadurch Rechnung zu tragen, dass die Massnahme gemäss Art. 59 Abs. 3 StGB in einer geschlossenen Vollzugseinrichtung durchgeführt werde (Urteil 6B_263/2008 vom 10. Oktober 2008).
1.4 Verhältnismässigkeit
Art. 56 Abs. 2 StGB verlangt, dass die Anordnung einer Massnahme im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit und Schwere weiterer Straftaten nicht unverhältnismässig ist.
Das Verhältnismässigkeitsprinzip umfasst drei Teilaspekte: Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismässigkeit im engeren Sinne (Urteil 6B_343/2015 vom 2. Februar 2016 E.2.2.2). Anzuordnen ist von mehreren geeigneten Massnahmen die mildeste. Abzuwägen sind weiter die Schwere des Eingriffs in die Freiheitsrechte des Betroffenen einerseits und sein Behandlungsbedürfnis sowie die Schwere und Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten andererseits. Im Sinne der umgekehrten Proportionalität gilt: Je schwerer die zu befürchtenden Delikte wiegen, desto geringer kann die Wahrscheinlichkeit, dass sie begangen werden, sein, um eine Massnahme zu rechtfertigen. Umgekehrt bedarf es einer hohen Wahrscheinlichkeit weniger schwerer Taten zur Rechtfertigung einer freiheitsentziehenden Massnahme (vgl. BGE 127 IV 1). Dabei kommt der Anlasstat eine erhebliche prognostische Bedeutung zu: Einerseits wird dem Täter keine grössere Gefährlichkeit zugeschrieben werden dürfen, als die, welche sich in der Anlasstat manifestiert hat; andererseits muss die Anlasstat Indizcharakter haben, als «typisch» erscheinen und nicht blosse Gelegenheitstat sein.
Die Schwere des Eingriffs in die Freiheitsrechte des Täters ergibt sich in erster Linie aus der Dauer der Massnahme sowie daraus, dass diese nicht klar begrenzt ist und Verlängerungen möglich sind. Es gilt ein «Übermassverbot», indem die Dauer und Eingriffsintensität im Verhältnis zur aufgeschobenen Strafe nicht unverhältnismässig schwerwiegend sein dürfen; die Anordnung einer Massnahme ist nicht statthaft, wenn von einem Täter in Zukunft blosse Übertretungen andere Delikte von weniger grosser Tragweite zu erwarten sind (Heer, Basler Kommentar StGB I, Art. 56 StGB N 37). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung vermag nur ein gewichtiges Risiko der erneuten Begehung erheblicher Verbrechen Vergehen die Anordnung einer stationären Massnahme zu rechtfertigen. Anlasstaten, welche Vergehen darstellen und von relativ geringfügigem Charakter sind, rechtfertigen für sich allein die Anordnung einer stationären Massnahme nicht (Urteil 6P.37/2006 vom 29. Mai 2006 E. 3.1 und 3.3).
2. Gutachten von Dr. med. C.___
Zur Frage der Anordnung einer Massnahme führte der Gutachter aus, dass beim Exploranden bedeutsame psychische Störungen bestünden, die auch einen Zusammenhang zum Tathandeln zeigten. Die Legalprognose sei sehr belastet, allerdings weniger für sehr schwere Delinquenz, sondern für Delinquenz im eher unteren Schwerebereich. Aufgrund der deutlichen Belastung der Legalprognose und der vorliegenden Komorbidität bei schon recht langjähriger schwerer Suchterkrankung erscheine eine rein ambulante Behandlung nicht intensiv genug und damit auch nicht erfolgsversprechend. Die Angebote für stationäre Suchtmassnahmen erschienen im vorliegenden Fall, gerade auch im Besonderen wegen der Kombination der vorliegenden Störung, eher nicht geeignet. Zu sehen sei weiter, dass nicht die Suchtstörung, sondern vielmehr die schwerwiegende Persönlichkeitsproblematik wesentliche Anteile am Motivationsgeschehen trage. Solche Aspekte würden in üblichen Suchteinrichtungen selten einmal vertieft behandelt. Aus forensischer Sicht werde man vor allem im Bereich der Persönlichkeitsstörung mit dem Exploranden arbeiten müssen, als nur (oder überwiegend) im Bereich der Suchterkrankung. Eine stationäre Massnahme für Suchtkranke könne er daher nicht empfehlen. Nicht zuletzt brauche es hier deutlich mehr (gefestigte) Eigenmotivation. Zur Diskussion könne weiter eine stationäre Massnahme für Erwachsene Art. 59 StGB stehen. In den hier vorhandenen Einrichtungen, wie z.B. Massnahmenzentrum St. Johannsen werde sehr gut mit den Problematiken – wie sie hier vorlägen – gearbeitet und der Explorand scheine insgesamt empfänglich zu sein für ein kombiniert therapeutisches, sozialpädagogisches und arbeitsagogisches Bemühen. Die Massnahmefähigkeit sei zu bejahen. Zu sehen sei hingegen nicht, dass er für eine solche Massnahme motiviert sei. Allerdings sei ein Teil der Massnahme auch immer die Motivationsarbeit. Sollte allerdings das Strafmass und die Länge einer solchen Massnahme (5 Jahre) deutlich auseinandergehen, so sei erfahrungsgemäss eine wirksame Motivationsarbeit nicht möglich und es trete oft eine Verweigerungshaltung ein, in der die Betroffenen abwarteten, bis die Massnahme wegen Aussichtslosigkeit aufgehoben werde.
3. Verschlechterungsverbot
3.1 Die Vorinstanz hat auf die Anordnung einer Massnahme verzichtet.
3.2 Nach Art. 391 Abs. 2 StPO darf die Rechtsmittelinstanz Entscheide nicht zum Nachteil der beschuldigten verurteilten Person abändern, wenn das Rechtsmittel nur zu deren Gunsten ergriffen worden ist (Verschlechterungsverbot, «reformatio in peius»). Vorbehalten bleibt eine strengere Bestrafung aufgrund von Tatsachen, die dem erstinstanzlichen Gericht nicht bekannt sein konnten. Für die Frage, ob eine unzulässige reformatio in peius vorliegt, ist das Dispositiv massgebend (BGE 147 IV 167 E. 1.5.2; BGE 142 IV 129 E. 4.5; BGE 139 IV 282 E. 2.6). Wird eine Anschlussberufung ergriffen, hebt diese im Umfang ihrer Anträge (Art. 401 Abs. 1 i.V.m. Art. 399 Abs. 3 lit. a i.V.m. Art. 399 Abs. 4 lit. c StPO) das Verschlechterungsverbot auf (vgl. BGE 147 IV 167 E. 1.5.2 f.; Urteil 6B_1385/2019 vom 27. Februar 2020 E. 5.2.2; je mit Hinweisen). Die Rechtsprechung hat eine Verletzung des Verschlechterungsverbots bei der Umwandlung einer ambulanten in eine stationäre Massnahme im Berufungsverfahren verneint (BGE 144 IV 113 E. 4.3; Urteil 6B_805/2018 vom 6. Juni 2019 E. 1.3.2; je mit Hinweisen).
3.3 Im publizierten Leitentscheid vom 12. Januar 2022 (BGE 148 IV 89) hat das Bundesgericht die Frage geklärt, ob eine erstmalige Anordnung einer ambulanten Massnahme im Berufungsverfahren zulässig ist, wenn erstinstanzlich darauf verzichtet wurde. Es führte aus (E. 4.4):
«Vorliegend hatte das Kriminalgericht entgegen dem Antrag der Staatsanwaltschaft von der Anordnung einer ambulanten Massnahme abgesehen. Diese verzichtete in ihrer Anschlussberufung darauf, erneut die Anordnung zu beantragen. Die Vorinstanz ordnete dennoch eine vollzugsbegleitende ambulante Massnahme nach Art. 63 StGB an. Die Situation präsentiert sich vorliegend anders als bei der Umwandlung von einer ambulanten in eine stationäre Massnahme, die nicht gegen das Verschlechterungsverbot verstösst (BGE 144 IV 113 E. 4.3; Urteil 6B_805/2018 vom 6. Juni 2019 E. 1.3.2; je mit Hinweisen). Eine einmal angeordnete ambulante Massnahme wird nur unter bestimmten Voraussetzungen wieder aufgehoben, nämlich zufolge erfolgreichen Abschlusses, Aussichtslosigkeit, Erreichen der gesetzlichen Höchstdauer Erfolgslosigkeit (vgl. Art. 63a Abs. 2 und 3 StGB). Eine Aufhebung alleine auf Wunsch des Täters, wie dies im Rahmen einer freiwilligen Therapie grundsätzlich möglich ist, ist ausgeschlossen. Zudem kann eine aufgehobene ambulante Massnahme in eine andere ambulante Massnahme (BGE 143 IV 1 E. 5.4) in eine stationäre therapeutische Massnahme nach den Art. 59-61 StGB (Art. 63b Abs. 5 StGB) umgewandelt werden. Eine Umwandlung ist unter strengen Voraussetzungen selbst nach vollständiger Verbüssung der Strafe noch möglich (BGE 136 IV 156 E. 2 mit Hinweisen; Urteil 6B_805/2018 vom 6. Juni 2019 E. 1.3.1). Bei einer freiwilligen Therapie, wie sie sich der Beschwerdeführer nach dem erstinstanzlichen Urteil unterzogen hat, ist eine Umwandlung ausgeschlossen. Hier besteht einzig die Möglichkeit der nachträglichen Anordnung einer stationären Massnahme durch das Gericht, welches die Strafe ausgesprochen hat (Art. 65 Abs. 1 StGB). Für die (nachträgliche) Anordnung und die Umwandlung von Massnahmen sind sowohl unterschiedliche Verfahren als auch unterschiedliche Voraussetzungen vorgesehen (vgl. BGE 145 IV 167 E. 1.6 f. mit Hinweisen). Die nachträgliche Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme anstelle einer reinen Strafe erfordert in jedem Fall, dass sich vor während des Vollzugs der Freiheitsstrafe – und damit nach der Rechtskraft des Urteils – neue Tatsachen Beweismittel ergeben haben, welche die Voraussetzungen einer Massnahme begründen können (BGE 142 IV 309 E. 2.3 mit Hinweisen). Nur der Täter, gegen den bereits erstinstanzlich eine therapeutische Massnahme angeordnet wurde, trägt von vornherein das Risiko einer nachträglichen Anpassung bzw. Umwandlung der angeordneten Massnahme. Die erstmalige Anordnung der ambulanten Massnahme im Berufungsverfahren verletzt daher das Verschlechterungsverbot nach Art. 391 Abs. 2 StPO.»
3.4 Die schlüssigen und überzeugenden gutachterlichen Ausführungen indizierten eine Massnahme. Eine vollzugsbegleitende ambulante Massnahme nach Art. 63 StGB hätte sich aufgrund der Umstände aufgedrängt. Die Voraussetzungen wären erfüllt. Nachdem die Vorinstanz aber von einer therapeutischen Massnahme abgesehen hat, ist der Berufungsinstanz deren (erstmalige) Anordnung aufgrund des Verschlechterungsverbots verwehrt.
VII. Bewährungshilfe / Weisungen
Auch wenn dem Berufungsgericht verwehrt ist, eine Massnahme anzuordnen, so können gemäss Art. 44 Abs. 2 StGB, wenn – wie vorliegend – das Gericht den Vollzug der Strafe bedingt aufschiebt, für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet und Weisungen erteilt werden.
Der Gutachter führte – wie bereits erwähnt – anlässlich der Berufungsverhandlung aus, dass für den Beschuldigten idealerweise ein Setting mit Bewährungshilfe anzuordnen sei. Dazu gehörten Selbsthilfegruppen, Konsumproben, z.B. Haarproben alle drei Monate, und wöchentliche Psychotherapie.
Für die Dauer der Probezeit wird gestützt auf die Ausführungen des Gutachters und die Erwägungen in Ziffer VI hiervor Bewährungshilfe angeordnet und dem Beschuldigten die Weisungen erteilt, sich von Drogen und Alkohol abstinent zu halten, was mit geeigneten Kontrollen zu überprüfen ist, und sich einer ambulanten Psychotherapie zu unterziehen, so lange es die Fachperson für nötig erachtet.
VIII. Landesverweisung / Ausschreibung im SIS
1. Allgemeine Ausführungen
1.1 Nach Art. 66a Abs. 1 StGB hat das Gericht eine Person ausländischer Staatsangehörigkeit aus der Schweiz zu verweisen, wenn diese wegen einer der in den lit. a bis lit. o abschliessend aufgezählten Katalogtaten verurteilt wird; dies unabhängig von der verhängten Strafhöhe. Zu diesen Katalogtaten gehören unter anderem der Diebstahl in Verbindung mit Hausfriedensbruch (lit. d) und sexuelle Handlungen mit Kindern (lit. h). Die Dauer der Landesverweisung beträgt mindestens fünf und maximal 15 Jahre. Die konkrete Bemessung der Dauer liegt – unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit – im richterlichen Ermessen.
Ausländer sind alle Personen, die im Zeitpunkt der Tat nicht über das schweizerische Bürgerrecht verfügen. Auf den ausländerrechtlichen Status kommt es demgemäss nicht an. Irrelevant ist auch, ob der Ausländer zu einer unbedingten, bedingten teilbedingten Strafe verurteilt wird. Auch auf die Strafart kommt es grundsätzlich nicht an. Die Verurteilung bloss zu einer bedingten Geldstrafe schliesst die Landesverweisung nicht aus. Zu prüfen ist im Falle des Beschuldigten somit lediglich, ob gestützt auf Art. 66a Abs. 2 StGB ausnahmsweise von der obligatorischen Landesverweisung abgesehen werden kann. Voraussetzung dafür ist, dass die Landesverweisung für den Beschuldigten einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber seinen privaten Interessen am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Dabei ist der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren aufgewachsen sind.
1.2 Die Härtefallklausel dient der Umsetzung des Verhältnismässigkeitsprinzips (vgl. Art. 5 Abs. 2 BV; BGE 145 IV 364 E. 3.2; BGE 144 IV 332 E. 3.1.2; je mit Hinweisen). Sie ist restriktiv anzuwenden (BGE 144 IV 332 E. 3.3.1). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung lässt sich zur kriteriengeleiteten Prüfung des Härtefalls im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB der Kriterienkatalog der Bestimmung über den «schwerwiegenden persönlichen Härtefall» in Art. 31 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.201) heranziehen. Zu berücksichtigen sind namentlich der Grad der (persönlichen und wirtschaftlichen) Integration, einschliesslich familiärer Bindungen des Ausländers in der Schweiz bzw. in der Heimat, Aufenthaltsdauer und Resozialisierungschancen. Ebenso ist der Rückfallgefahr und wiederholter Delinquenz Rechnung zu tragen. Das Gericht darf auch vor dem Inkrafttreten von Art. 66a StGB begangene Straftaten berücksichtigen (BGE 146 IV 105 E. 3.4.1; BGE 144 IV 332 E. 3.3.2). Die Sachfrage entscheidet sich mithin in einer Interessenabwägung nach Massgabe der «öffentlichen Interessen an der Landesverweisung». Nach der gesetzlichen Systematik ist die obligatorische Landesverweisung anzuordnen, wenn die Katalogtaten einen Schweregrad erreichen, sodass die Landesverweisung zur Wahrung der inneren Sicherheit notwendig erscheint. Diese Beurteilung lässt sich strafrechtlich nur in der Weise vornehmen, dass massgebend auf die verschuldensmässige Natur und Schwere der Tatbegehung, die sich darin manifestierende Gefährlichkeit des Täters für die öffentliche Sicherheit und auf die Legalprognose abgestellt wird (Urteile 6B_742/2019 vom 23. Juni 2020 E. 1.1.2; 6B_627/2018 vom 22. März 2019 E. 1.6.2; je mit Hinweisen).
1.3 Das Bundesgericht hat sich in BGE 146 IV 105 vom 4. Dezember 2019 in grundlegender Weise mit der Frage auseinandergesetzt, wann im Sinne von Art. 66a Abs. 2 Satz 2 StGB von einer in der Schweiz aufgewachsenen Person gesprochen werden kann. Dabei hat das Bundesgericht der in der Lehre teilweise vertretenen Ansicht, in Anlehnung an die im schweizerischen Migrationsrecht geltenden Fristen für den Nachzug von Kindern sei von einem Aufwachsen in der Schweiz dann auszugehen, wenn die Einreise in die Schweiz vor Abschluss des zwölften Altersjahrs erfolgt sei, eine Absage erteilt. Es befand, die Anwendung von starren Altersvorgaben sowie die automatische Annahme eines Härtefalles ab einer bestimmten Anwesenheitsdauer fände keine Stütze im StGB. Die Härtefallprüfung sei vielmehr in jedem Fall anhand der gängigen Integrationskriterien vorzunehmen. Der besonderen Situation von in der Schweiz geborenen aufgewachsenen ausländischen Personen werde dabei Rechnung getragen, indem eine längere Aufenthaltsdauer, zusammen mit einer guten Integration – beispielsweise aufgrund eines Schulbesuchs in der Schweiz – in aller Regel als starkes Indiz für das Vorliegen von genügend starken privaten Interessen und damit für die Bejahung eines Härtefalls zu werten sei (1. kumulative Voraussetzung). Bei der allenfalls anschliessend vorzunehmenden Interessenabwägung (2. kumulative Voraussetzung) sei der betroffenen Person mit zunehmender Anwesenheitsdauer ein gewichtigeres privates Interesse an einem Verbleib in der Schweiz zuzubilligen. Hingegen könne davon ausgegangen werden, dass die in der Schweiz verbrachte Zeit umso weniger prägend war, je kürzer der Aufenthalt und die in der Schweiz absolvierte Schulzeit waren, weshalb auch das private Interesse an einem Verbleib in der Schweiz weniger stark zu gewichten sei (E. 3.4.4).
1.4 Art. 8 EMRK verschafft praxisgemäss keinen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt auf einen Aufenthaltstitel. Er hindert Konventionsstaaten nicht daran, die Anwesenheit auf ihrem Staatsgebiet zu regeln und den Aufenthalt ausländischer Personen unter Beachtung überwiegender Interessen des Familien- und Privatlebens gegebenenfalls auch wieder zu beenden. Dennoch kann das in Art. 8 Ziff. 1 EMRK verankerte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens berührt sein, wenn einer ausländischen Person mit in der Schweiz aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen das Zusammenleben verunmöglicht wird. Art. 8 EMRK ist berührt, wenn eine staatliche Entfernungs- Fernhaltemassnahme eine nahe, echte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung einer in der Schweiz gefestigt anwesenheitsberechtigten Person beeinträchtigt, ohne dass es dieser ohne weiteres möglich bzw. zumutbar wäre, ihr Familienleben andernorts zu pflegen. Der sich hier aufhaltende Familienangehörige muss nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht verfügen, was praxisgemäss der Fall ist, wenn er das Schweizer Bürgerrecht besitzt, ihm die Niederlassungsbewilligung gewährt wurde er über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt, die ihrerseits auf einem gefestigten Rechtsanspruch beruht. Zum geschützten Familienkreis gehört in erster Linie die Kernfamilie, d.h. die Gemeinschaft der Ehegatten mit ihren minderjährigen Kindern. In den Schutzbereich von Art. 8 EMRK fallen aber auch andere familiäre Verhältnisse, sofern eine genügend nahe, echte und tatsächlich gelebte Beziehung besteht. Hinweise für solche Beziehungen sind das Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt, eine finanzielle Abhängigkeit, speziell enge familiäre Bande, regelmässige Kontakte die Übernahme von Verantwortung für eine andere Person (BGE 144 II 1, E. 6.1).
1.5 In Bezug auf gesundheitliche Beeinträchtigungen hält das Bundesgericht fest, ein aussergewöhnlicher Fall, in dem eine aufenthaltsbeendende Massnahme unter Verbringung einer gesundheitlich angeschlagenen Person in ihren Heimatstaat Art. 3 EMRK verletzt, liegt vor, wenn für diese im Fall der Rückschiebung die konkrete Gefahr besteht, dass sie aufgrund fehlender angemessener Behandlungsmöglichkeiten fehlenden Zugangs zu Behandlungen, einer ernsthaften, rapiden und irreversiblen Verschlechterung des Gesundheitszustands ausgesetzt wird, die intensives Leiden eine wesentliche Verringerung der Lebenserwartung nach sich zieht. Es geht nicht darum, dass der gleiche Behandlungsstandard im Ausland garantiert wird wie in der Schweiz (Urteil 6B_1111/2019 vom 25. November 2019 E, 4.3, mit Verweis auf Urteil 2D_14/2018 vom 13. August 2018 E. 4.2 f.).
2. Lebensgeschichte des Beschuldigten
2.1 Der Beschuldigte wurde am […] in Pastasellë (Kosovo) geboren. Im Rahmen des Familiennachzugs ist er am 20. Dezember 2000 mit seiner Mutter und seinen Geschwistern zu seinem Vater in die Schweiz eingereist, woraufhin ihm im Kanton Solothurn am 12. März 2001 die Niederlassungsbewilligung erteilt worden ist (AS 322). Aus den Kantonalen Migrationsakten bzw. dem Zentralen Migrationsinformationssystem (ZEMIS) geht weiter hervor, dass der Beschuldigte ledig ist und keine Kinder hat. Er hat vier Schwestern, die alle ebenfalls im Besitz von Niederlassungsbewilligungen sind. Der Beschuldigte gab an, dass sein Vater aus Rakovic stamme und sechs Geschwister habe, die mit einer Ausnahme alle im Kosovo lebten. Seine Mutter sei Hausfrau, die nur wenig deutsch rede. Sie habe ebenfalls sechs Geschwister, eine habe sich suizidiert, einer wohne in Zürich und die anderen lebten im Kosovo (AS 174).
2.2 In beruflicher Hinsicht hat der Beschuldigte nach der obligatorischen Schulzeit bei der Firma M.___ eine dreijährige Ausbildung als Gipser absolviert. Er gab an, dass er anschliessend für ca. sechs Monate arbeitslos gewesen sei, bevor er über das Temporär-Büro N.___ wieder angefangen habe zu arbeiten. Er habe dort über längere Zeit immer wieder kurze Einsätze auf dem Bau gehabt. Seit 2017 habe er keine Arbeit mehr. Seit 2018 sei er beim Sozialamt angemeldet und werde finanziell unterstützt (AS 264 ff.).
2.3 Hinsichtlich der Krankengeschichte kann vollumfänglich auf die diagnostische Beurteilung im Gutachten von Dr. C.___ gemäss den Ziffern V / 2.1 ff. hiervor verwiesen werden.
2.4.1 Der Beschuldigte ist am 23. August 2022 aus Eigeninitiative in die Klink im Hasel zur stationären Therapie eingetreten. Zuvor war er während eines Monats bei den psychiatrischen Diensten Solothurn zur stationären Entwöhnungstherapie. Am 10. Januar 2023 wurde er entlassen.
2.4.2 Der Beschuldigte befindet sich seit dem 16. Januar 2023 in der […] und lebe gemäss Bericht vom 6. November 2023 (ASB 69 ff.) seither abstinent. Er wohne seit Juni 2023 in der Aussenwohnung der […] im Nachbarsdorf und komme täglich zur Arbeit und Therapie in die […]. Er kaufe ein, koche und führe seinen Haushalt selbständig. Er erscheine pünktlich zum Arbeits- bzw. Therapiebeginn. Die Wohnung halte er normalerweise in einem sauberen und ordentlichen Zustand. Die bevorstehende Gerichtsverhandlung, Konflikte mit der Partnerin, das Alleinsein in der Aussenwohnung, der Alkoholkonsum in der Nachbarswohnung und Rückschläge bei der Arbeitssuche seien Belastungen gewesen, die gelegentlich zu Konsumwünschen geführt hätten. Der Beschuldigte habe es jedoch stets geschafft, darüber zu reden, Strategien zur Konsumvermeidung anzuwenden und den Konsum so zu verhindern. Er wirke zunehmend ruhiger und sicherer. Auch in Gruppentherapien rede er mehr über sich, bringe berechtigte Kritik an und könne es aushalten, von anderen kritisiert zu werden. Schwierigkeiten in der Partnerschaft Zukunftsängste griffen ihn mitunter stark an. Er sei noch nicht routiniert darin, solche Gefühle nüchtern auszuhalten. Schnell reagiere er mit Schlaflosigkeit, leichter depressiver Verstimmung und Suchtdruck. Auch die Ungewissheit in Bezug auf Arbeit und Wohnung, sowie die bevorstehende Gerichtsverhandlung machten ihm schwer zu schaffen. Er lerne aber, Schwieriges ohne Drogen zu bewältigen und finde mehr und mehr eine Sprache, um sich darüber auszutauschen. Man habe mit ihm einige Male über traumatisierende Geschehnisse geredet. Es sei dem Beschuldigten gelungen, diese Geschehnisse als Ereignisse der Vergangenheit einzuordnen, sie bewusster wahrzunehmen und die persönlichen Verflechtungen etwas zu lösen. Der Beschuldigte habe einige Gespräche mit potentiellen Arbeitgebern, auch bei der SBB, gehabt, jedoch bisher ohne Erfolg. Eine Stelle sei nun noch im Entscheidungsprozess bei der SBB. Sollte es zu einer Absage kommen, werde versucht, eine Anstellung als Lagermitarbeiter bei einer Spedition zu finden.
2.4.3 Anlässlich der Berufungsverhandlung bestätigten der fallführende Therapeut, O.___, sowie der Beschuldigte mit ihren Aussagen die Angaben im Bericht vom 6. November 2023 (ASB 110 ff.; ASB 117 ff.).
3. Subsumtion
3.1.1 Bei der Prüfung, ob im konkreten Fall ein schwerer persönlicher Härtefall vorliegt, sind insbesondere die Anwesenheitsdauer, die familiären Verhältnisse, die Arbeits- und Ausbildungssituation, die Persönlichkeitsentwicklung, der Grad der Integration und die Resozialisierungschancen zu beachten. Bei sämtlichen Aspekten ist der Fokus einerseits auf die Situation in der Schweiz und andererseits auf die Situation im Heimatland zu legen. Ein schwerer persönlicher Härtefall ist dann anzunehmen, wenn die Summe aller Schwierigkeiten den Betroffenen derart hart trifft, dass ein Verlassen der Schweiz bei objektiver Betrachtung zu einem nicht hinnehmbaren Eingriff in seine Daseinsbedingungen führt. Für das Vorliegen eines Härtefalls spricht vorliegend sicherlich die lange Aufenthaltsdauer in der Schweiz. Der Beschuldigte wurde zwar nicht in der Schweiz geboren, reiste jedoch im Rahmen des Familiennachzuges im Alter von vier Jahren in die Schweiz ein, wo ihm kurze Zeit später die Niederlassungsbewilligung erteilt wurde. Heute ist der Beschuldigte 27 Jahre alt, lebt mithin schon über 20 Jahre in der Schweiz. Allein diese lange Aufenthaltsdauer muss jedoch noch nicht zur Annahme eines Härtefalls führen (oben erwähnter BGE 146 IV 105). Entsprechend sind im Nachfolgenden auch die übrigen Kriterien einer genaueren Prüfung zu unterziehen.
3.1.2 Dabei kann vorweg festgehalten werden, dass sich die persönliche Situation des Beschuldigten im Vergleich zur erstinstanzlichen Hauptverhandlung vor einem Jahr erheblich verändert hat: Dies gilt für seine soziale Einbettung, seine persönliche Entwicklung, seine Krankheitseinsicht und die Drogen- und Alkoholabstinenz. In Bezug auf die familiären Verhältnisse kann festgehalten werden, dass keine engen Familienangehörigen des Beschuldigten im Kosovo leben. Zu seinen Tanten und Onkeln vor Ort hat der Beschuldigte keinen Kontakt.
3.1.3 Der Beschuldigte ist am 23. August 2022 aus Eigeninitiative in die Klink im Hasel zur stationären Therapie eingetreten. Zuvor war er während eines Monats bei den psychiatrischen Diensten Solothurn zur stationären Entwöhnungstherapie. Am 10. Januar 2023 wurde er entlassen und trat daraufhin – wiederum freiwillig – in die [...] ein. Diese Veränderung der Lebensumstände verbunden mit der Alkohol- und Drogenabstinenz kann dabei nicht als berechnende Handlungen des Beschuldigten qualifiziert werden: Es wäre dem Beschuldigten angesichts seiner Persönlichkeitsstruktur kaum möglich, sich einzig im Hinblick auf die Frage der Landesverweisung ganz anders zu verhalten und auf Alkohol und Drogen zu verzichten. Selbstverständlich ist die seit rund 16 Monaten anhaltende Veränderung in den Lebensverhältnissen des Beschuldigten noch fragil, aber er konnte erstmals seit langer Zeit wieder kleine Wurzeln schlagen. Die erstinstanzliche Verurteilung zur einer unbedingten Freiheitsstrafe war offenkundig eine Zäsur, die sich bisher für die Entwicklung des Beschuldigten als ausgesprochen günstig erwiesen hat. Dies bestätigen sowohl die Berichte der [...] als auch die eindrücklichen Aussagen des fallführenden Therapeuten, O.___, die durchwegs ein positives Bild zeigen: Er geht täglich zur Arbeit und Therapie, kauft ein, kocht und führt seinen Haushalt selbständig. Er hat es geschafft, über seine Probleme zu reden, Strategien zur Konsumvermeidung anzuwenden und den Konsum so zu vermeiden. Herr O.___ führte hierzu aus, dass die Entwicklung des Beschuldigten eher ungewöhnlich sei. Vor dem Hintergrund der Geschichte, die er mitgebracht habe, liege eine positive Abweichung von der Norm vor und er habe sich stark verändert. Er habe sich dahintergeklemmt (ASB 112). Auch die eingehende Befragung des Beschuldigten anlässlich der Berufungsverhandlung und die dabei von ihm gemachten Aussagen manifestierten den positiven persönlichen Eindruck (zum Ganzen: ASB 120 ff.).
3.1.4 Es bedarf keiner weitgreifenden Erörterungen, um darzulegen, dass der Beschuldigte mit einer Landesverweisung abrupt aus dieser nunmehr günstigen Entwicklung und sozialen Einbettung herausgerissen würde. Im Gegensatz zur Situation vor dem Eintritt in die [...] bestehen nun in der Schweiz klare Strukturen und ein tragfähiges soziales Netz für den Beschuldigten. Die Landesverweisung würde für den Beschuldigte in der heutigen Situation zweifellos eine schwere persönliche Härte darstellen.
3.2 Im Rahmen der vorzunehmenden Verhältnismässigkeitsprüfung sind die dargestellten Interessen des Beschuldigten am Verbleiben in der Schweiz gestützt auf die obigen Ausführungen als vergleichsweise gross einzustufen. Auf Seiten der öffentlichen Interessen lässt sich in Bezug auf die Art der begangenen Delikte festhalten, dass diese einzeln betrachtet nicht besonders schwer wiegen und sich auch keine Delikte gegen Leib und Leben darunter befinden, obwohl der Schuldspruch wegen sexuellen Handlungen mit Kindern keineswegs zu bagatellisieren ist. Der Beschuldigte hat sich ausserdem des Diebstahls und Hausfriedensbruchs schuldig gemacht. Zudem ist er mehrfach vorbestraft wegen leichteren Verkehrs-, Betäubungsmittel- und Gewaltdelikten. Der Gutachter attestierte dem Beschuldigten denn auch eine ungünstige Legalprognose in Bezug auf diese Deliktskategorien sowie Sexualdelinquenz. Grossen Einfluss hatte hierbei insbesondere die fehlende Einsicht in seine Drogen- und Alkoholproblematik, die Ausgangspunkt seiner Delinquenz darstellt, aber auch in seine Persönlichkeitsstörung. Durch eine entsprechende Therapie hätte es der Beschuldigte gemäss Gutachten in der Hand gehabt, seine Legalprognose deutlich zu verbessern. Hier ist die Situation heute gänzlich anders: der Beschuldigte geht einer regelmässigen Arbeit im [...] nach, hat eine betreute Wohnmöglichkeit und lässt sich zuverlässig stationär psychotherapeutisch behandeln. Dies alles wirkt sich zusammen mit seiner Alkohol- und Drogenabstinenz positiv aus. Um den Beschuldigten auf dem eingeschlagenen, günstigen Pfad zu unterstützen, wird Bewährungshilfe angeordnet und Weisungen erteilt (vgl. Ziffer VII hiervor), womit sich der Beschuldigte anlässlich der Berufungsverhandlung auch einverstanden erklärte (ASB 128). Positiv zu werten ist zudem, dass der Beschuldigte bisher noch nie ausländerrechtlich verwarnt wurde.
Die erheblichen persönlichen Interessen des Beschuldigten überwiegen die öffentlichen Interessen an dessen Wegweisung unter diesen Umständen.
3.3 Zusammenfassend ist somit auf die Anordnung einer Landesverweisung ausnahmsweise zu verzichten.
Damit erübrigt sich die Frage nach der Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS).
IX. Übrige Nebenpunkte
Hinsichtlich Tätigkeitsverbot, Entscheid über die beschlagnahmten Gegenstände sowie die Zivilforderungen ist der vorinstanzliche Entscheid zu bestätigen und es kann vollumfänglich auf die zutreffenden Erwägungen verwiesen werden (Urteilsseite [US] 45 ff.).
X. Kosten und Entschädigung
1. Bei diesem Verfahrensausgang ist der erstinstanzliche Kosten- und Entschädigungsentscheid zu bestätigen.
2. Die Berufung war in Bezug auf die Landesverweisung erfolgreich. Gleichzeitig war die Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft in Bezug auf die höhere Freiheitsstrafe und damit in geringem Ausmass erfolgreich, wobei diese lediglich einen überschaubaren zusätzlichen Aufwand verursachte. Es rechtfertigt sich deshalb, die Kosten für das Berufungsverfahren mit einer Urteilsgebühr von CHF 4'000.00, total CHF 5'877.80, dem Beschuldigten im Umfang von 70%, ausmachend CHF 4'114.50, aufzuerlegen. Im Übrigen gehen sie zu Lasten des Staates.
3. Nach Art. 135 Abs. 1 StPO wird die amtliche Verteidigung nach dem Anwaltstarif desjenigen Kantons entschädigt, in dem das Strafverfahren geführt wurde. Die Staatsanwaltschaft das urteilende Gericht legen die Entschädigung am Ende des Verfahrens fest (Art. 135 Abs. 2 StPO). Wird die beschuldigte Person zu den Verfahrenskosten verurteilt (Art. 426 Abs. 1 StPO), so ist diese, sobald es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben, nach Art. 135 Abs. 4 StPO verpflichtet, dem Kanton die Entschädigung zurückzuzahlen. Gemäss § 158 Abs. 1 des kantonalen Gebührentarifs (GT) setzt der Richter die Entschädigung nach dem Aufwand fest, welcher für eine sorgfältige und pflichtgemässe Vertretung erforderlich ist.
4. Der amtliche Verteidiger des Beschuldigten, Rechtsanwalt Dominik Probst, macht für das Berufungsverfahren eine Entschädigung von CHF 5'884.60 (inkl. Auslagen und MwSt.) geltend, was angemessen erscheint. Die Entschädigung wird in diesem Umfang festgesetzt, vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates. Demnach wird in Anwendung von Art. 139 Ziff. 1 StGB, Art. 186 StGB, Art. 187 Ziff. 1 StGB, Art. 19a BetmG, § 23 Abs. 2 EG StGB, § 8 Abs. 1 EG StGB; Art. 19 Abs. 2, Art. 40, Art. 42 Abs. 1, Art. 44 Abs. 1 und 2, Art. 47, Art. 49 Abs. 1 und 2, Art. 51, Art. 66a Abs. 2, Art. 67 Abs. 3, Art. 69, Art. 70, Art. 106 StGB; Art. 126 Abs. 2 lit. b, Art. 135, Art. 267, Art. 335 ff., Art. 398 ff., Art. 416 ff. StPO erkannt: 1. Das Strafverfahren gegen A.___ wird gemäss rechtskräftiger Ziffer 1 des Urteils der Amtsgerichtspräsidentin von Solothurn-Lebern vom 12. Juli 2022 (nachfolgend: erstinstanzliches Urteil) bezüglich folgender Vorhalte zufolge Verjährung eingestellt: a. Ungehorsam gegen die Polizei, angeblich begangen am 24. Februar 2019; b. mehrfache Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes, angeblich begangen vor dem 12. Juli 2019.
2. A.___ hat sich gemäss teilweise rechtskräftiger Ziffer 2 des erstinstanzlichen Urteils wie folgt schuldig gemacht: a. Trunkenheit und unanständiges Benehmen, begangen am 20. Oktober 2019; b. Verunreinigung von fremdem Eigentum, begangen am 21. Dezember 2019; c. mehrfache Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes, begangen in der Zeit vom 12. Juli 2019 bis am 22. Juli 2020.
3. A.___ hat sich zudem wie folgt schuldig gemacht: a. Diebstahl, begangen am 13. April 2019; b. Hausfriedensbruch, begangen am 13. April 2019; c. sexuelle Handlungen mit einem Kind, begangen am 20. Juli 2019.
4. A.___ wird verurteilt zu: a) einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von 5 Jahren; b) einer Busse von CHF 400.00, ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von 4 Tagen, als Zusatzstrafe zum Urteil der Staatsanwaltschaft vom 3. Januar 2022.
5. Für die Dauer der Probezeit wird für A.___ Bewährungshilfe angeordnet.
6. Für die Dauer der Probezeit werden A.___ die folgenden Weisungen erteilt: a. A.___ hat sich von Drogen und Alkohol abstinent zu halten, was mit geeigneten Kontrollen zu überprüfen ist; b. A.___ hat sich einer ambulanten Psychotherapie zu unterziehen, so lange es die Fachperson für nötig erachtet.
7. A.___ werden im Erstehungsfall 6 Tage Haft an die Freiheitsstrafe angerechnet.
8. Der A.___ mit Urteil der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 28. Januar 2019 für eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je CHF 30.00 gewährte bedingte Vollzug wird widerrufen.
9. Von der Anordnung einer Landesverweisung wird abgesehen.
10. A.___ wird lebenslänglich jede berufliche und jede organisierte ausserberufliche Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt zu Minderjährigen umfasst, verboten.
11. Die bei A.___ sichergestellten Betäubungsmittel (1 Minigrip mit Marihuana; aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, FV Asservate) werden eingezogen und sind nach Rechtskraft des Urteils durch die Polizei zu vernichten.
12. Das bei A.___ sichergestellte Bargeld im Betrag von insgesamt CHF 7.50 (aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, FV Asservate) wird eingezogen und fällt in die Staatskasse.
13. Folgende im Verfahren gegen A.___ beschlagnahmten Gegenstände (aufbewahrt bei der Polizei Kanton Solothurn, FV Asservate) werden eingezogen und sind nach Rechtskraft des Urteils durch die Polizei zu vernichten bzw. zu verwerten, wobei ein allfälliger Netto-Verwertungserlös (nach Abzug der Aufbewahrungs- und Verwertungskosten) in die Staatskasse fällt: a) 1 Notizblock b) 1 Parfum c) 1 Bitsatz «pro one» (Werkzeug) d) 1 Zigarettenpapier e) 1 Packung Zigaretten (angeraucht) f) 3 Feuerzeuge g) 1 Taschentuchpackung h) 1 Schlüssel i) 1 Rucksack «Exped» j) 1 Regenschutz k) 1 Damenjacke «Luna Design» l) 2 Stulpen / Gamaschen m) 1 Kletterhelm n) 2 Kletterseile o) 1 Klettergurt p) Bergsportausrüstung (Expresshaken, Karabinerhaken, Bremse, etc.) q) 1 Kamm
14. Die Zivilforderungen von H.___ und I.___ gegenüber A.___ werden auf den Zivilweg verwiesen.
15. Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt Dominik Probst, wird für das erstinstanzliche Verfahren auf CHF 12'695.15 (Honorar CHF 10'737.00, Auslagen CHF 1'050.50, 7,7 % MwSt. CHF 907.65) festgesetzt und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat zu zahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten erlauben.
16. Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von A.___, Rechtsanwalt Dominik Probst, wird für das Berufungsverfahren auf CHF 5'884.60 (Honorar CHF 5'382.00, Auslagen CHF 81.90, 7,7 % MwSt. CHF 420.70) festgesetzt und ist zufolge amtlicher Verteidigung vom Staat zu zahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren im Umfang von 70%, ausmachend CHF 4'119.20, sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten erlauben.
17. A.___ hat die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 2'200.00, total CHF 12'936.00, zu bezahlen.
18. A.___ hat die Kosten des Berufungsverfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 4’000.00, total CHF 5'877.80, im Umfang von 70%, ausmachend CHF 4'114.50, zu bezahlen. Im Übrigen gehen sie zu Lasten des Staates.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich. Gegen den Entscheid betreffend Entschädigung der amtlichen Verteidigung (Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) und der unentgeltlichen Rechtsbeistandschaft im Rechtsmittelverfahren (Art. 138 Abs. 1 i.V.m. Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO) kann innert 10 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesstrafgericht Beschwerde eingereicht werden (Adresse: Postfach 2720, 6501 Bellinzona). Im Namen der Strafkammer des Obergerichts Der Präsident Der Gerichtsschreiber Werner Wiedmer |
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