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Urteil Handelsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:HG.2004.105
Instanz:Handelsgericht
Abteilung:Handelsgericht
Handelsgericht Entscheid HG.2004.105 vom 27.02.2007 (SG)
Datum:27.02.2007
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 23bis BankG (SR 952.0) und Art. 374 OR (SR 220). Die EBK war sachlich zuständig, eine Kontrahierung anzuordnen betreffend eine Fallback-Lösung, sofern eine ordnungsgemässe Migration der IT-Plattform der Bank Y. vom RBA-System IBIS auf avaloq scheitern sollte; der Zivilrichter ist an diesen Entscheid gebunden. Der zwischen den Parteien erzwungende Vertrag ist als Werkvertrag zu qualifizieren. Entschädigung des Aufwandes, der für die Fallback-Sicherung angefallen ist (Handelsgericht, 27. Februar 2007, HG. 2004.105).
Schlagwörter: Fallback; Klagte; System; Beklagten; Kläg; Migration; Parteien; Klage; Aufwand; Austritt; Verfügung; Zeuge; Sicherung; Rechnung; Entschädigung; Recht; Holding; Leistung; Ausbau; RBA-Holding; Stunden; Beweis; Austrittsvereinbarung; Aufgabe; Arbeit; Fallback-Sicherung; Dienstleistung; Daten; Infrastruktur
Rechtsnorm: Art. 101 ZPO ; Art. 102 OR ; Art. 104 OR ; Art. 118 ZPO ; Art. 14 ZPO ; Art. 164 ZPO ; Art. 363 OR ; Art. 374 OR ; Art. 8 ZGB ; Art. 93 ZPO ;
Referenz BGE:129 III 35; 129 III 45; 132 III 83;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
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Entscheid
Art. 23bis BankG (SR 952.0) und Art. 374 OR (SR 220). Die EBK war sachlich zuständig, eine Kontrahierung anzuordnen betreffend eine Fallback-Lösung, sofern eine ordnungsgemässe Migration der IT-Plattform der Bank Y. vom RBA- System IBIS auf avaloq scheitern sollte; der Zivilrichter ist an diesen Entscheid gebunden. Der zwischen den Parteien erzwungende Vertrag ist als Werkvertrag zu qualifizieren. Entschädigung des Aufwandes, der für die Fallback-Sicherung angefallen ist (Handelsgericht, 27. Februar 2007, HG.2004.105).

Erwägungen:

I.

1. Die Beklagte (Y.) ist eine Regionalbank mit Sitz im Kanton St. Gallen. Sie war Aktionärin der RBA-Holding und hatte sich als solche mit den weiteren Aktionären in

einem Pool zusammengeschlossen. Die Details wurden in einem Aktionärbindungsvertrag geregelt. Zweck der RBA-Holding und ihrer Tochtergesellschaften war es, den angeschlossenen Regionalbanken bankspezifische Dienstleistungen anzubieten und die Wettbewerbskraft zu steigern.

Die Klägerin (X.) ist eine Tochtergesellschaft der RBA-Holding. Ihre Aufgabe war es, den Poolmitgliedern eine einheitliche Informatiklösung und die damit zusammenhängenden Dienstleistungen bereitzustellen. Zu diesem Zweck bot sie den Mitgliedern die Informationsverarbeitung IBIS (Integriertes-Banken-Informations- System) an. Die Beklagte hatte sich für diese IT-Lösung entschieden. Sie schloss mit der Klägerin im Frühjahr 2000 einen Servicevertrag.

Die Beklagte schied per Ende 2003 aus dem Aktionärspool aus. In der Austrittsvereinbarung von August 2002 wurde vereinbart, dass sie zwischen dem 30. September 2003 und dem 1. Juli 2004 von der Informatikplattform IBIS auf eine externe IT-Lösung wechselt. Soweit die Datenübertragung (sog. Migration) an das neue System erst nach dem 31. Dezember 2003 erfolge, werde die Beklagte bis zum entsprechenden Zeitpunkt, längstens jedoch bis zum 1. Juli 2004, wie ein Poolmitglied behandelt. Die Parteien versicherten, sich bei der Datenauslieferung gegenseitig zu unterstützen und das Projekt professionell und sorgfältig abzuwickeln.

Die Beklagte legte fest, dass die Migration am Pfingstwochenende 2004, also zwischen dem 29. und 31. Mai 2004, stattfinden soll. Die Revisionsstelle der Beklagten bemängelte mit Bericht vom 10. November 2003, dass für den Fall, dass die Migration auf das neue System avaloq fehlschlage, kein "Fallback-Szenario", also eine Weiterbearbeitung auf der bisherigen IBIS-Plattform, ausgearbeitet und vertraglich fixiert worden sei. Die Parteien konnten sich in der Folge nicht auf eine Fallback- Lösung einigen. Die Beklagte vertrat die Meinung, dass ihr für die Fallback-Lösung keine zusätzlichen Kosten entstehen, weil sie bis 1. Juli 2004 Anspruch auf die Dienstleistungen der Klägerin habe. Die Klägerin hielt entgegen, dass gemäss Austrittsvereinbarung keine Fallback-Lösung geschuldet sei. Sie bestand darauf, für ihre betreffenden Leistungen entschädigt zu werden. Nachdem Vermittlungsversuche der Eidgenössischen Bankenkommission (EBK) gescheitert waren, verfügte diese am

25. Februar 2004:

  1. Die RBA-Holding / X. werden verpflichtet, bei einem Scheitern der ordnungsgemässen Migration der IT-Plattform der Y. vom RBA-System IBIS auf avaloq am 31. Mai 2004 der Y. bis zu einer erfolgreichen Migration die für einen einwandfreien Bankbetrieb erforderlichen IT-Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen.

  2. Die Y. hat die für einen einwandfreien Bankbetrieb erforderlichen IT-Dienstleistungen der RBA-Holding / X. bei einem Scheitern der ordnungsgemässen Migration der IT- Plattform der Y. vom RBA-System IBIS auf avaloq am 31. Mai 2004 bis zu einer erfolgreichen Migration in Anspruch zu nehmen und die RBA-Holding / X. für die Bereithaltung der Kapazitäten und Infrastruktur sowie für den effektiven Aufwand ab Eintritt des Notfalls zu bezahlen.

  3. Die IT-Dienstleistungen sind auch zu erbringen, wenn sich die Parteien über den Preis nicht einigen können. Diesbezügliche Streitigkeiten sind vor dem Zivilrichter oder vor einem von beiden Parteien akzeptierten Schiedsgericht auszutragen.

Die Migration fand am 31. Mai 2004 statt. Die Beklagte bestätigte am 2. Juni 2004 per E-Mail, dass der "Go-Entscheid" getroffen worden sei, dass also die Daten erfolgreich auf das neue System transferiert wurden und von jenem ordnungsgemäss verarbeitet werden. Ein Fallback-Szenario trat nicht ein.

Die Klägerin stellte der Beklagten am 20. August 2004 Rechnung für die "Bereitstellung Fallback für Migration" über gesamthaft Fr. 4'914'077.50. Im Detail verlangte sie für die Erarbeitung und Umsetzung verschiedener Fallbackszenarien Fr. 678'986.50, für den Weiterbetrieb der IT-Umgebung der Beklagten im Fallbackzeitraum Fr. 490'000.–, für die Bereitstellung der Personalressourcen und der Infrastruktur für den Fall des Fallbacks Fr. 3'398'000.– und für Mehrwertsteuern Fr. 347'091.–. Die Beklagte verweigerte die Bezahlung.

  1. Die Klägerin klagte am 17. Dezember 2004 vor Handelsgericht St. Gallen gegen die Beklagte auf Bezahlung von Fr. 4'717'169.50 nebst Zins. Die Beklagte verlangte Abweisung der Klage. Es wurde ein doppelter Schriftenwechsel durchgeführt. Die Parteien hielten an ihren Begehren fest.

  2. Die Klägerin reichte eine nachträgliche Eingabe vom 13. Oktober 2005 ein, die sich auf Ausführungen der Beklagten in ihrer Duplik bezog. Die Beklagte antwortete darauf mit Eingabe vom 27. Oktober 2005.

  3. Die Parteien wurden auf den 26. Februar 2007 zur Hauptverhandlung vorgeladen. Mit Einverständnis der Parteien hörte das Handelsgericht an der Hauptverhandlung verschiedene Zeugen an. Die Parteien konnten an der Beweisaufnahme teilnehmen und sich zum Beweisergebnis vernehmen lassen. Die Beklagte reichte an Schranken ein neues Aktenstück ein.

Auf die Ausführungen der Parteien an der Hauptverhandlung, ihre Rechtsschriften und die Akten wird, soweit notwendig, im nachfolgenden rechtlichen Teil eingegangen.

II.

  1. Die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts ist gegeben. Der Streitwert liegt über Fr. 30'000.– und beide Parteien sind im Schweizerischen Handelsregister eingetragen (Art. 14 Abs. 1 ZPO). Die örtliche Zuständigkeit blieb unbestritten.

  2. Die nachträgliche Eingabe der Klägerin erweist sich gemäss Art. 164 ZPO als zulässig. Sie antwortete darin lediglich auf neue Tatsachenbehauptungen der Beklagten, die jene in der Duplik vorgebracht hatte. Jene hatte sich dort dezidiert zum Verfahren geäussert, das zwischen den Parteien mit umgekehrten Parteirollen vor dem Handelsgericht eines anderen Kantons anhängig ist. Das rechtliche Gehör erforderte, dass die Klägerin zu diesen neuen Ausführungen der Beklagten nach Abschluss des Schriftenwechsels Stellung nehmen konnte (Art. 164 Abs. 1 lit. b ZPO).

    Die nachträgliche Eingabe der Beklagten vom 27. Oktober 2005 ist hingegen nicht zuzulassen. Sie antwortete einzig auf die nachträgliche Eingabe der Klägerin, ohne dass von ihr neue Tatsachenbehauptungen vorgebracht oder Beweismittel genannt wurden und ohne dass das rechtliche Gehör eine weitere Stellungnahme erfordert hätte, zumal sie ihren Standpunkt in der Duplik umfassend darlegen konnte.

    Die von der Beklagten an Schranken neu eingereichte Urkunde datiert vom 18. Januar 2005. Sie legte nicht dar, weshalb sie dieses Dokument nicht schon im Schriftenwechsel ins Recht legte. Die verspätete Einreichung ist damit ohne weitere Auseinandersetzung mit dieser Urkunde unzulässig.

  3. Die Parteien verhandelten erfolglos über einen Vertrag, durch den die Risiken bei einem allfälligen Misslingen der Migration von der IBIS-Plattform auf die avaloq- Informatiklösung abgesichert werden sollten (kläg. act. 22 ff.). Mit Verfügung vom 25. Februar 2004 beendete die EBK den vertragslosen Zustand und verpflichtete die Parteien zur Zusammenarbeit in diesem Bereich (kläg. act. 36). Sie wurden durch Verfügung der EBK zur Kontrahierung verpflichtet. Offen gelassen wurde immerhin eine Einigung über die von der Beklagten der Klägerin zu bezahlende Entschädigung (vgl. Ziff. 3 der Verfügung). Darüber zu entscheiden sollte den Parteien bzw. den Zivilgerichten überlassen bleiben.

    1. Die Beklagte bestreitet, dass sie gestützt auf die Verfügung der EBK zur Kontrahierung verpflichtet war (Klageantwort, S. 43). Das verfängt nicht. Die EBK handelte gestützt auf Art. 23bis BankG (SR 952.0). Sie war sachlich zuständig, die Kontrahierung anzuordnen. Sie hatte in diesem Zusammenhang zutreffend erkannt, dass im vorliegenden Fall nur die Klägerin die notwendige Fallback-Sicherung anbieten konnte (kläg. act. 36, S. 5 f.). Jene habe diesbezüglich gegenüber der Beklagten faktisch eine Monopolstellung inne (kläg. act. 36, S. 6). Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang zutreffend auf BGE 129 III 35 (Klage, S. 37). Eine Kontrahierungspflicht kann sich nebst dem Gesetz auch aus allgemeinen Prinzipien des Privatrechts wie dem Verbot sittenwidrigen Verhaltens ergeben. Bezogen auf eine Dienstleistung ist dies dann der Fall, wenn sie erstens allgemein und öffentlich angeboten wird, wenn sie zweitens zum Normalbedarf des Nachfragers gehört, wenn drittens angesichts der starken Stellung des Anbieters Ausweichmöglichkeiten fehlen und wenn viertens der Anbieter für eine Verweigerung der Leistung keine sachlich gerechtfertigten Gründe anzugeben vermag (BGE 129 III 45 f.). Dafür ist der vorliegende Fall beispielhaft.

      Die Verfügung der EBK erwuchs in Rechtskraft. Nachdem sie als sachlich zuständige öffentlich-rechtliche Behörde im konkreten Fall entschieden hatte, ist der Zivilrichter an diesen Entscheid gebunden. Durch die rechtskräftige Verfügung der EBK wurden die

      Parteien zum Abschluss eines Vertrages mit einem bestimmtem Minimalinhalt verpflichtet. Sie befolgten Ziffer 1 und 2 der Verfügung. Die Migration wurde erfolgreich vollzogen, die zur Absicherung des Risikos verlangten Fallback-Szenarien wurden rechtzeitig ausgearbeitet und die dafür notwendigen Mittel wurden bereitgestellt.

    2. Die Parteien streiten darüber, ob und in welcher Höhe die Klägerin für ihre Leistungen eine Entschädigung beanspruchen kann.

    Die zwischen den Parteien erzwungene Kontrahierung führte zu einem Vertrag, dessen Mindestinhalt durch die Ziffern 1 und 2 der Verfügung definiert ist. Damit gilt als vereinbart, dass die Beklagte die RBA Holding bzw. die Klägerin "… für die Bereithaltung der Kapazitäten und Infrastruktur sowie für den effektiven Aufwand ab Eintritt des Notfalls zu bezahlen" hat. Ziffer 3 der Verfügung der EBK lässt nurmehr die Einigung über die Höhe der Entschädigung offen, nicht aber darüber, ob im Grundsatz eine Entschädigung geschuldet ist.

  4. Die Beklagte macht geltend, die Verpflichtung zur Fallback-Sicherung sei in der Austrittsvereinbarung enthalten gewesen, weshalb die Klägerin dafür kein zusätzliches Entgelt fordern könne (Klageantwort, S. 8).

    1. Im Lichte der Verfügung der EBK stellt sich höchstens die Frage, ob die Entschädigung, welche die Klägerin für die Fallback-Sicherung zugute hat, bereits in einer in der Austrittsvereinbarung (kläg. act. 11) festgelegten Entschädigung mitenthalten ist. Hingegen ist nicht zu prüfen, ob die Klägerin im Grundsatz überhaupt Anspruch auf eine Entschädigung für ihre Leistungen bezüglich der Fallback- Sicherungen hat. Diese Frage wurde durch den von der EBK fixierten Vertragsinhalt zwischen den Parteien bereits bejaht (siehe oben Ziff. 3 lit. b).

    2. Die Beklagte verweist auf Ziff. 5.1 Abs. 2 der Austrittsvereinbarung (kläg. act. 11). Dort heisst es:

      Die Y. und die X. verpflichten sich zur gegenseitigen Unterstützung bei der entsprechenden Datenauslieferung und zur professionellen, sorgfältigen Abwicklung des Projekts. Die Einzelheiten werden zwischen der Y. und der X. direkt geregelt. Insbesondere sind die definitiven Termine unter Berücksichtigung der verfügbaren

      Ressourcen der X. abzustimmen und die nach Aufwand verrechneten Leistungen der X. durch die Y. abzugelten.

      Der Wortlaut spricht klar gegen die Auslegung der Beklagten. Grundsätzlich sind für alle Informatikdienstleistungen, die mit der Datenauslieferung und dem

      (Migration-)Projekt zusammenhängen, "… die nach Aufwand verrechneten Leistungen der X. durch die Y. abzugelten". Zu entschädigen ist ganz allgemein jener "Aufwand" der Klägerin, der "bei der entsprechenden Datenauslieferung" anfällt und zur "professionellen, sorgfältigen Abwicklung des Projekts" gehört (kläg. act. 11, S. 3, Ziff. 5.1). Dass eine Fallback-Sicherung unverzichtbar war und zur professionellen, sorgfältigen Abwicklung gehört, ergibt sich aus dem Bericht der Revisionsstelle der Beklagten (kläg. act. 21, S. 6) und wird auch von der Beklagten behauptet (Klageantwort, S. 8). Zudem wurde die Erfüllung dieser Sicherung von der EBK bindend und unangefochten verlangt (kläg. act. 36). Das hat der Zivilrichter seinem Entscheid zugrunde zu legen. Die Fallback-Sicherung gehörte mithin zu jenen noch nicht näher definierten Aufgaben, die im Zusammenhang mit der Datenauslieferung zu erledigen waren. Ob sie in der Austrittsvereinbarung explizit erwähnt wurde, ist nach dem Gesagten belanglos. Der betreffende Aufwand ist grundsätzlich zu entschädigen.

    3. Die Beklagte behauptet, durch die in der Austrittsvereinbarung festgelegte Entschädigung von Fr. 8'294'363.–, seien auch die Kosten für die Fallback-Sicherung abgegolten (Klagenantwort, S. 25). Auch das ist ohne Grundlage. Die Austrittsentschädigung bestimmte sich gestützt auf Art. 25 des Aktionärbindungsvertrags (kläg. act. 5). Gläubigerin ist diesbezüglich die RBA-Holding und nicht die Klägerin. Die Austrittsentschädigung versteht sich als "… Abgeltung [des ausscheidenden Poolmitglieds] für die Investitionen, die auch in seinem Interesse und im Vertrauen auf seine Beteiligung an der Holding in die zentrale Organisation getätigt wurden und weiterhin erfolgen…". Zwischen dieser und den nach Aufwand zu entschädigenden IT-Dienstleistungen besteht keine Verbindung. Der Zweck der Zahlungen ist gänzlich verschieden. Die Austrittsentschädigung wurde in der Austrittsvereinbarung denn auch unter Art. 2 gesondert festgelegt, ohne dass ein grammatikalischer oder systematischer Bezug zu den Informatikdienstleistungen der Klägerin, die unter Art. 1 Ziff. 1.2 lit. a und Art. 5 geregelt wurden, hergestellt worden wäre.

    4. An diesen Feststellungen ändert entgegen der Meinung der Beklagten (vgl. Klageantwort, S. 8) auch die Saldoklausel in der Austrittsvereinbarung nichts. Wie bereits darlegt wurde (siehe oben lit. b), bleibt laut Art. 5 Ziff. 5.1 Abs. 2 der Austrittsvereinbarung (kläg. act. 11) der mit der Datenauslieferung verbundene Aufwand ausgeklammert. Die für die Datenauslieferung und für die professionelle und sorgfältige Abwicklung des Projekts notwendigen Aufwendungen sind gesondert nach Aufwand zu entschädigen. Die Saldoerklärung (vgl. kläg. act. 11, Art. 8, S. 5), die "vorbehältlich der Erfüllung der vorliegenden Vereinbarung" erfolgt, schliesst damit die für den erbrachten Aufwand letztlich geschuldete Entschädigung an die Klägerin gerade nicht aus.

  5. Die Beklagte hat der Klägerin zusammenfassend jenen Aufwand zu entschädigen, der für die Fallback-Sicherung angefallen ist. Dabei ist insbesondere auch den Kosten der Klägerin, die für die Bereithaltung der Kapazitäten und Infrastruktur entstanden sind, Rechnung zu tragen.

  6. Der zwischen den Parteien erzwungene Vertrag ist als Werkvertrag zu qualifizieren (Art. 363 ff. OR). Dem Vertrag lag ein unkörperliches Werk zugrunde, das durch den bestimmten Arbeitserfolg "Fallback-Sicherung" definiert wurde. Aufgabe der Klägerin war es, diesen bestimmten Arbeitserfolg zu erbringen. Nicht blosse Arbeit sondern der Arbeitserfolg war geschuldet (zu den Voraussetzungen des Werkvertrags im Einzelnen vgl. Zindel/Pulver, Basler Kommentar, 2. A., N 4 zu Vorbemerkungen zu Art. 363 OR).

  7. Die Parteien konnten sich nicht über die Entschädigung der Klägerin einigen. Gemäss der Verfügung der EBK (kläg. act. 36) soll der Bestand des Vertrags davon nicht berührt werden. Die Festlegung der Entschädigung habe im Streitfall auf dem Zivilrechtsweg zu erfolgen. Das ist Gegenstand der vorliegenden Klage.

    Die Klägerin verweist zutreffend auf Art. 374 OR (Klage, S. 38). Diese Bestimmung besagt: Ist bei einem Werkvertrag der Preis zum voraus entweder gar nicht oder nur ungefähr bestimmt worden, so wird er nach Massgabe des Wertes der Arbeit und der Aufwendungen des Unternehmers festgesetzt. Wurde, wie im vorliegenden Fall, gar kein Preis festgesetzt, so richtet sich dieser ausschliesslich nach dem Aufwand des Unternehmers. Jener hat Anspruch auf Ersatz des nötigen Personal-, Sach- und

    übrigen Aufwandes, einem Zuschlag für die Generalunkosten und einem Zuschlag für einen angemessenen Unternehmergewinn (ZINDEL/PULVER, a.a.O., N 12 zu Art. 374 OR; GAUCH, Der Werkvertrag, 4. A., N 946 ff.). Der Unternehmer hat die dem behaupteten Aufwand und den Bemessungsfaktoren zugrunde liegenden Tatsachen zu beweisen (Art. 8 ZGB; ZINDEL/PULVER, a.a.O., N 18 zu Art. 374 OR).

  8. Die Klägerin reichte eine "Expertise aus IT-Sicht zu den Kosten für die Bereitschaftserstellung für die Weiterverarbeitung der Y. im Sinne einer Fallback- Lösung" ein (kläg. act. 54). Als Verfasser werden Prof. K. B. und S. A. genannt. Das Gutachten ist nicht unterzeichnet.

    Es ist zulässig, im Zivilprozess Privatgutachten einzureichen (Art. 118 ZPO). Das Privatgutachten unterliegt der freien Beweiswürdigung. Der Richter entscheidet, ob und inwieweit er auf das Gutachten abstellen kann (LEUENBERGER/UFFER, Kommentar ZPO/SG, N 2a zu Art. 118 ZPO; vgl. allerdings BGE 132 III 83).

    Das vorgelegte Privatgutachten vermag nicht zu überzeugen. Zunächst leidet es an einem formellen Mangel, weil es nicht unterzeichnet ist und die Urheberschaft damit unbestimmt und unverbindlich bleibt. In materieller Hinsicht lässt das Privatgutachten sodann einen zu unkritischen Umgang mit Sachverhaltsschilderungen der Klägerin erkennen. In der Austrittsvereinbarung war der Beklagten zugesichert worden, dass sie bis zur Migration, längstens aber bis 1. Juli 2004, wie ein Poolmitglied behandelt werde (kläg. act. 11, Art. 1 Ziff. 1.2 lit. a). Abzustellen ist auf die jeweils aktuelle Preisliste gemäss Servicevertrag (kläg. act. 8, Ziff. 6.2, S. 7; bekl. act. 24, S. 15). Die Experten haben dem keine Rechnung getragen. Ebenfalls haben sie geleistete Aufwände von Fr. 680'000.– ohne nähere Diskussion als ausgewiesen beurteilt, obwohl darin Anwaltsrechnungen von über Fr. 200'000.– enthalten waren, die nicht ohne nähere Erklärung mit IT-Kosten in Verbindung zu bringen sind. Dasselbe gilt bezüglich der Kosten für zu bereitstellendes Personal über den Migrationszeitpunkt hinaus (kläg. act. 54, Ziff. 3.3, S. 5). Die geltend gemachten Aufwendungen werden als ausgewiesen beurteilt, ohne dass die Namen und Aufgaben der betreffenden Personen offen gelegt wurden (vgl. kläg. act. 51 mit abgedeckten Namen) und ohne dass man der Frage nachgegangen wäre, welche Aufgaben die betreffenden Personen erfüllten, nachdem am 2. Juni 2004 feststand, dass kein Fallback eintritt. Diese sofort erkennbaren Mängel

    lassen das Privatgutachten als derart zweifelhaft erscheinen, dass ihm insgesamt keine Beweiskraft für die von der Klägerin zu beweisenden Tatsachen zukommt. Es wird nicht weiter beachtet.

  9. Die Klägerin macht eine Gesamtentschädigung von Fr. 4'717'169.50 geltend, die sie in der Klage, S. 22, auflistet. Die nachfolgenden Erwägungen folgen dieser Aufstellung:

    a) Erarbeitung und Umsetzung verschiedener Fallbackszenarien (Fr. 678'986.50)

    aa) Aufwand der Klägerin von März bis Mai 2004 über Fr. 205'400.– zzgl. MWSt

    Die Klägerin legte eine Computerliste ins Recht, wonach verschiedene Mitarbeiter insgesamt 790 Stunden für das Projekt aufgewendet hätten (kläg. act. 55). Durch Division mit der geltend gemachten Entschädigung ergibt sich ein Einheitsstundenansatz von Fr. 260.–. Die Beklagte durfte bis zur Migration nicht schlechter behandelt werden als die übrigen Poolmitglieder (vgl. oben Ziff. 8). Die Computerliste als solche ist eine nicht durch Urkunden erhärtete Parteibehauptung. Zur Differenzierung und Verifizierung der Daten wurden die beiden von der Klägerin offerierten Zeugen H. F. und T. S., beide Projektleiter bei der Klägerin, einvernommen.

    Die Zeugen haben übereinstimmend und überzeugend bestätigt, dass die geltend gemachten 790 Stunden tatsächlich geleistet wurden und dass es sich ausschliesslich um die verrechnete Arbeit hochqualifizierter Mitarbeiter handelt. Es besteht kein Grund, an diesen Angaben der Zeugen zu zweifeln. Der Stundenaufwand ist ausgewiesen.

    Was den Stundenansatz betrifft, so machte der Zeuge H. F. deutlich, dass für "Projektleitungen für Poolmitglieder" Fr. 190.– pro Stunde verrechnet werde. Der höhere Stundenansatz von Fr. 260.–, den der Zeuge T. S. nannte, wurde von ihm korrigiert, nachdem er mit der gegensätzlichen Aussage des Zeugen H. F. konfrontiert wurde. Der Zeuge H. F. widersprach der Aussage des Zeugen T. S. in der direkten Konfrontation klar und überzeugend (Einvernahme T. S., S. 6). Es gilt damit als erstellt, dass Poolmitglieder für dieselbe Leistung Fr. 190.– und nicht Fr. 260.– pro Stunden hätten bezahlen müssen. Eine Schlechterstellung der Beklagten gegenüber Poolmitgliedern war unzulässig (vgl. oben Ziff. 8). Mithin kann ihr die Klägerin nur den tieferen Stundenansatz belasten.

    Unter diesem Titel schuldet die Beklagte der Klägerin Fr. 150'100.– (= 790 Stunden à Fr. 190.–).

    bb) Honorare Rechtsberatung (Fr. 226'720.– zzgl. MWSt)

    Die Klägerin legte eine Vorschussrechnung über Fr. 140'000.– und drei Kostennoten von Rechtsanwalt Dr. L. über total Fr. 86'720.– ins Recht (kläg. act. 55). Es ist nicht nachvollziehbar, was diese Kostennoten mit der Ausarbeitung der Fallback-Lösung zu tun haben könnten. Die Klägerin behauptete nur, Rechtsanwalt Dr. L. habe "… im Zusammenhang mit der Bereitstellung der Fallback-Lösung zugunsten der Beklagten erhebliche und notwendige Mühewaltungen…" geleistet (Replik, S. 25). Dabei nannte und belegte sie weder konkrete rechtliche Probleme, die sich stellten, noch Gegenstand, Ort und Zeit seiner Leistungserfüllung, noch seinen Stundensatz. Auch legte sie nicht dar, inwieweit bestimmte anwaltliche Bemühungen in diesem Zusammenhang notwendig waren. Nicht einmal andeutungsweise erläuterte sie schliesslich, inwiefern der Vorschussrechnung des Anwalts über Fr. 140'000.– effektive Honorarforderungen gegenüberstehen. Die Forderung ist mangels Substanzierung abzuweisen.

    cc) Honorare Revisionsstelle (Fr. 168'432.35)

    Die Klägerin legte eine Rechnung der Revisionsstelle über Fr. 168'432.35 ins Recht (kläg. act. 55). Die Revisionsstelle bezeichnet den Gegenstand des Auftrags, welcher der Honorarnote zugrunde lag, als "Informatik-Revision vom 2. Quartal 2004". Die Klägerin hat hierzu keinen passenden Beweisantrag gestellt. Das Handelsgericht beschloss nach Anhören der Parteien gestützt auf Art. 93 Abs. 3 ZPO, R. S., Senior Partner, P., als Zeugen anzuhören.

    Entgegen der Meinung des Zeugen R. S. findet sich kein Beleg dafür, dass der Revisionsauftrag für die Überwachung und Berichterstattung von der EBK erteilt wurde. Der Verfügung der EBK ist zu entnehmen, dass sie sich nur an die heutigen Parteien richtete und von diesen zweimal im Monat Berichterstattung verlangte (kläg. act. 36, S. 8, Dispositiv Ziff. 4). Das ist indes nicht entscheidend. Es erscheint als zweckmässig und den Verhältnissen angepasst, dass sich die Klägerin in diesem Bereich durch ihre

    Revisionsgesellschaft als Supervisorin begleiten liess. Die EBK machte deutlich, dass Fehler bei der Migration bzw. einem allfälligen Fallback gravierende Folgen nicht nur für die Beklagte sondern auch für den Finanzplatz Schweiz haben können. Die Klägerin war somit gewarnt und es ist ihr zuzugestehen, dass sie vor diesem Hintergrund alles vorkehren durfte und musste, was zur sicheren Bewältigung dieser Aufgabe angezeigt schien. Dies trifft namentlich auf die Supervision durch die Revisionsgesellschaft zu. Der Sinn dieser Begleitung durch die Revisionsstelle war es, mögliche Mängel und Fehler in der eigenen Vorgehensweise erkennbar zu machen, sodass darauf rechtzeitig reagiert werden kann. Solches zu erkennen, gelingt dem objektiven externen Betrachter oft besser als dem Projektverantwortlichen, weil seine Nähe zur eigenen Aufgabe naturgemäss ein gewisses Mass an Befangenheit schafft. Die Kosten für die Begleitung durch die Revisionsstelle stellen somit zu entschädigenden Aufwand dar.

    Aus den Stundenaufschrieben der Revisionsstelle lässt sich nicht ersehen, ob die verrechneten Bemühungen nur mit der Fallback-Lösung zusammenhängen oder ob darin auch weitere, den vorliegenden Fall nicht berührende Themen behandelt wurden. Der Zeuge R. S. klärte diesen Punkt. Eine Vermischung mit anderen Aufgaben habe nicht stattgefunden. Auch machte er klar, dass die aufgeführten Stunden- bzw. Tagesansätze üblich waren und von der Klägerin akzeptiert werden mussten.

    Die Forderung erweist sich zusammenfassend als begründet.

    dd) Honorare Privatgutachter (Fr. 49'112.– zzgl. MWSt)

    Die Klägerin legte eine Rechnung der Privatgutachter über Fr. 52'844.50 ins Recht. Die Expertise war zweiteilig erstellt worden. Der erste Teil beurteilte die Stichtagmigration aus IT-Sicht (kläg. act. 45). Diese Expertise hatte die Fallback-Lösung zum Gegenstand. Es wurde die Tauglichkeit und Machbarkeit der geplanten Aufgabenerfüllung geprüft. Das erscheint angesichts der Bedeutung des Vorgangs angemessen und sinnvoll und ist daher zu entschädigen. Hingegen erfolgte der zweite Teil der Expertise, welcher die Prüfung der geltend gemachten Aufwendungen beinhaltete, um der Klägerin den Klageweg zu erleichtern und die geltend gemachte Forderung zu belegen. Das hatte nichts mit den eigentlichen Aufwendungen der Klägerin als Unternehmerin der Fallback-Lösung sondern nur mit der rechtlichen

    Auseinandersetzung zwischen den Parteien zu tun. Diese Aufwendungen dienten insofern nur der Klägerin, nicht aber der Beklagten. Sie sind nicht kausal zu den Aufwendungen, die für die Fallback-Lösung anfielen. Sie können damit nicht zu dem von der Beklagten zu entschädigenden Aufwand der Klägerin gerechnet werden.

    Die Ausscheidung des auf die erste Expertise entfallenden Honoraranteils ist aus den Akten nicht möglich. Die Experten haben für beide Teile der Expertise eine Sammelrechnung gestellt. S. A. wurde zur Klärung entsprechend dem Antrag der Klägerin als Zeuge angehört. Er schätzte, dass nur rund ein Drittel der Rechnung auf den ersten Teil der Expertise entfiel. Der zweite Teil sei bedeutend aufwändiger gewesen. Weitere Angaben der Klägerin zur Quantifizierung fehlen. Damit ist die Forderung im Umfang eines Drittels zu schützen, gerundet Fr. 17'600.–.

    ee) Rechnung der RBA-Holding (Fr. 41'218.85)

    Die Klägerin legte eine Rechnung der RBA-Holding über Fr. 41'218.85 ins Recht (kläg. act. 55). Als Gegenstand der Rechnung wird der "Aufwand betreffend Fallback- Lösung" bezeichnet. Es werden 150 Stunden à Fr. 260.–, mithin Fr. 39'000.–, und Fr. 2'218.85 für Sekretariatsarbeiten und Spesen verlangt. Ohne nähere Erläuterungen wird stichwortartig auf Sitzungen der Geschäftsleitung und des Verwaltungsrates zur Umsetzung von Beschlüssen, Besprechungen mit dem Rechtsvertreter und Besprechungen mit der EBK und ihrem Vertreter verwiesen. Es ist nicht nachvollziehbar, unter welchem Titel die RBA-Holding der Klägerin für diese organisatorischen und leitenden Aufgaben Rechnung hätte stellen dürfen. Die Klägerin äusserte sich nicht zu den Grundlagen.

    Die Beklagte bezahlte eine Austrittsentschädigung an die RBA-Holding von mehr als Fr. 8 Mio. Zweck der Austrittsentschädigung ist die Gewährleistung der "zentralen Organisation" und zwar sowohl bezüglich bereits erfolgter Investitionen als auch solchen, die "weiterhin erfolgen" (kläg. act. 5, Art. 25 Ziff. 25.1 Abs. 1, S. 12). Man darf an dieser Stelle wie von der Beklagten in anderem Zusammenhang zu Recht geltend gemacht davon ausgehen, dass die mit dem Austritt der Beklagten verbundenen Bemühungen der RBA-Holding durch die Austrittsentschädigung abgegolten sind, zumal die Klägerin nichts dartut, was gegen diese Auslegung sprechen würde.

    Weitere Prüfungen können damit unterbleiben. Die Klage ist in diesem Punkt abzuweisen.

    1. Weiterbetrieb der IT-Umgebung der Y. im Fallbackzeitraum (Fr. 490'000.–)

      Die Klägerin macht sinngemäss geltend, es sei am 2. Juni 2004 bekannt geworden, dass kein Fallback notwendig werde. Die Beklagte habe deshalb "… die pauschalen Betriebskosten für den Monat Juni 2004…" zu bezahlen (Replik, S. 31). Die Kosten würden sämtliche Dienstleistungen umfassen, welche der Klägerin anfallen, um den Bankbetrieb der Beklagten während eines Monates IT-mässig zu gewährleisten (Klage,

      S. 26). Die Rechnungsstellung habe sich auch bisher in derselben Höhe bewegt (Klage, S. 26).

      Der Klägerin ist zuzugestehen, dass sie die EBK verpflichtete, sämtliche Infrastruktur und Kapazitäten bis zur erfolgreichen Migration zur Verfügung zu halten (kläg. act. 36,

      S. 8). Es liegt auf der Hand, dass dabei die bereitzuhaltenden Leistungen als Fixkosten nicht schlagartig mit erfolgreicher Migration zu Gunsten der Klägerin frei werden und von ihr verlagert werden können. Sie hatte bis zum definitiven Bescheid, dass die Migration erfolgreich war, mit dem Eintritt eines Fallbacks zu rechnen und die Kapazitäten und Infrastruktur für dieses Ereignis bereitzuhalten. Bis zum Go-Entscheid blieb die Klägerin gebunden und musste für ein No-Go bereit sein. Wäre am Stichtag 2. Juni 2004 ein No-Go-Entscheid gefallen und wäre es zum Fallback gekommen, so hätten mit Sicherheit die Dienstleistungen für den Monat Juni beansprucht werden müssen. Im Falle des Go-Entscheids am 2. Juni 2004 wusste die Klägerin zwar, dass kein Fallback eintreten wird. Ihrerseits bedurfte es aber Zeit, um die freiwerdenden Kapazitäten und Infrastruktur anderweitig einzusetzen und umzulagern. Diese Übergangsphase lässt sich nur schätzen. Das Handelsgericht erachtet in Übereinstimmung mit der Klägerin eine Anpassungsphase von rund einem Monat als angemessen und realistisch. Diese Zeit war zu erwarten, damit die Klägerin betriebsintern umsetzen konnte, dass kein Fallback notwendig wird und die Kapazitäten und die Infrastruktur, die zuvor gebunden waren, anders eingesetzt werden können.

      Die Beklagte widersprach der Klägerin in quantitativer Hinsicht insofern nicht, als in der Vergangenheit pro Monat Betriebskosten von Fr. 490'000.– in Rechnung gestellt und bezahlt worden seien (Klageantwort, S. 32; Duplik, S. 41). Zwar bestritt die Beklagte die Sachdarstellung der Klägerin rundweg. Dass pauschale Betriebskosten in dieser Höhe für Juni 2004 budgetiert wurden, liess sie indessen unwidersprochen im Raum stehen (Duplik, S. 41). Es ist entgegen der Meinung der Beklagten auch nicht zwischen pauschalen und effektiven Betriebskosten zu unterscheiden (Duplik, S. 41). Es ist vielmehr danach zu fragen, welche Betriebskosten zufolge der Bereithaltung von Kapazitäten und Infrastruktur in der Übergangsphase nach erfolgreicher Migration anfallen, bis die Klägerin ihre Verpflichtungen aus der Fallback-Sicherung überwunden hat. Dafür sind die pauschalen Betriebskosten, wie sie für den fraglichen Monat budgetiert wurden, eine passende Grundlage.

      Nach dem Gesagten sind als Entschädigung die budgetierten Betriebskosten für einen weiteren Monat nach erfolgreicher Migration geschuldet. Die Klage ist in diesem Punkt zu schützen.

    2. Personalressourcen (Fr. 510'000.–)

      Die Klägerin schildert, dass sie bei Eintritt des Fallbacks sieben Arbeitskräfte benötigt hätte, um die IT-Leistungen für die Beklagte erbringen zu können. Sie habe dieses Personal nur zur Absicherung dieses Risikos einstellen müssen. Als kein Fallback eingetreten sei, habe sie den sieben Mitarbeitern per Ende September 2004 gekündigt. Es seien ihr dadurch Personalkosten von Fr. 510'000.– erwachsen, welche die Beklagte zu vergüten habe (Klage, S. 28). Sie reichte eine von ihr verfasste Tabelle ein, die aus zwei Halbseiten besteht und in der sie die behaupteten Personalkosten auflistete (kläg. act. 51). Sie nannte indes weder die Namen der fraglichen Mitarbeiter, die sie extra eingestellt haben will, noch reichte sie Belege wie Stelleninserate, Arbeitsverträge, Lohnabrechnungen, Kündigungen u.ä. zur Untermauerung ihrer Behauptungen ein.

      Die Beklagte widersprach der Klägerin mit deutlichen Worten (Klageantwort, S. 35). Sie bezweifelte, dass das Personal überhaupt angestellt wurde. Sie bestritt, dass die Mitarbeiter, sollten sie denn wirklich gearbeitet haben, nicht für andere Aufgaben eingesetzt wurden, nachdem der Fallback nicht eintrat. Sie bestritt die

      Lohnnebenkosten bestehend aus Arbeitsplatz, Ausbildung und Einführung und sie bestritt schliesslich auch die Lohnhöhe (Klageantwort, S. 35). Die Klägerin zeigte sich ungerührt und belegte und substanzierte ihren Anspruch auch danach nicht weitergehend (Replik, S. 34).

      Die von der Klägerin ins Recht gelegte Tabelle ist eine Parteibehauptung ohne Beweiswert (kläg. act. 51). Die von der Beklagten gestellten Fragen drängten sich vor diesem Hintergrund auf. Wenn die Klägerin darauf nicht substanzierend antwortete und ihren Anspruch nicht einmal im Ansatz zu belegen versucht, so spricht das gegen sie. Die von ihr angebotene Parteieinvernahme vermag die Lücke weder bezüglich der fehlenden Behauptungen noch in beweismässiger Hinsicht zu schliessen. Die Klage ist in diesem Punkt abzuweisen.

    3. technische Infrastruktur (Ausbau altes Hostsystem Fr. 1'160'000.–; Abschreibung neue Anlage Fr. 1'030'000.–; Verzinsung Investition Fr. 515'000.–)

    aa) Die Klägerin schildert, dass sie für den Fall des Fallbacks Hardware-Ressourcen ausbauen musste. Zunächst habe sich angeboten, ihr bestehendes System durch Einbau einer zusätzlichen CPU und weiterem Disc-Space auszubauen. Die Anbieterin habe dann aber überrissene Lizenzforderungen gestellt, weil sie die Notlage der Klägerin erkannt habe. Erst als sich die Klägerin stattdessen entschieden habe, ihr altes System vorzeitig durch ein neues zu ersetzen, sodass dieses noch vor dem Fallback- Stichtag zur Verfügung stehen sollte, hätte die Anbieterin nachträglich den Ausbau des alten Systems für den angemessenen Betrag von Fr. 1'160'000.– offeriert. Im Grunde sei die Migration der Klägerin auf ein neues System vor dem Fallback-Stichtag die zweite Variante gewesen, um für den Fallback der Beklagten gerüstet zu sein. Weil die Aufrüstung des alten Systems doch noch zu einem angemessenen Preis möglich geworden sei, habe die Klägerin ihre Migration auf das von ihr vorzeitig neu erworbene System auf einen Zeitpunkt nach dem Fallback-Stichtag verschoben (zum Ganzen Klage, S. 29 ff). Die Beklagte habe für alle Kosten, die in diesem Zusammenhang gesamthaft angefallen seien, aufzukommen. Die Klägerin behauptet für den Ausbau des alten Systems Kosten von Fr. 1'160'000.–. Sodann habe sie in der ersten Hälfte 2004 neue Hardware für Fr. 22'090'197.– angeschafft. Diese Investition hätte eigentlich erst auf Anfang 2005 erfolgen müssen. Die neue Anlage müsse wegen der

    vorgezogenen Inbetriebnahme auch vorzeitig abgeschrieben werden. Der realisierte Buchverlust betrage Fr. 1'030'000.–. Schliesslich habe die vorzeitige Investition in die neue Hardware verzinst werden müssen. Bei einem Zinssatz von 2.8% resultiere daraus eine Zinslast von 515'000.–.

    bb) Es ist nur der vom Unternehmer für die Vertragserfüllung getätigte und für eine sorgfältige Erfüllung notwendige effektive Aufwand zu entschädigen. Für unnötigen Mehraufwand besteht kein Anspruch auf Vergütung (Gauch, a.a.O., N 964).

    Die Klägerin trägt die Beweislast dafür, dass der Ausbau des Systems konkret für das Falllback-Szenario mit der Beklagten notwendig war (Art. 8 ZGB). Der Richter würdigt die Beweise nach freier Überzeugung, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt (Art. 101 Abs. 1 ZPO). Der Beweis muss grundsätzlich zur vollen Überzeugung des Richters erbracht werden. Es muss ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit bestehen, dass vernünftigerweise nicht mehr mit der Möglichkeit des Gegenteils zu rechnen ist bzw. eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit dargetan ist (LEUENBERGER/UFFER, Kommentar ZPO/SG, N 4a zu Art. 101 ZPO).

    Die Darstellung der Klägerin, wonach der Ausbau des Systems notwendig war, um den Fallback zu sichern, ist zweifelhaft. Dies aus zwei Gründen:

    aaa) Der Zeuge T. S. bestätigte, dass das bestehende System auf eine mehr als fünfzehnfache Erhöhung der Rechnerleistung ausgerichtet war, um Belastungsspitzen im Zusammenhang mit dem Halbjahres- und Jahresabschluss verarbeiten zu können (Zeugeneinvernahme T. S., S. 9). Der No-Go-Entscheid nach erfolgter Migration und daraus resultierend der Entscheid zum Fallback wären innert Tagen, längstens nach etwa einer Arbeitswoche, gefallen. Der Fallback hätte vom System im Grunde ohne Ausbau der Rechnerleistung bewältigt werden können, zumal gemäss der Planung kein anderes Grossereignis damit zusammengefallen wäre. Der Fallback als solcher wäre unter dem Monat angefallen. Danach wären die Geschäfte der Beklagten gleich wie die jedes anderen Kunden der Klägerin wieder über die IBIS-Plattform abgewickelt worden. Hätten sich beim Fallback selber Probleme ergeben, so wären diese punktuell in den kommenden Monaten bis zum Jahresende bereinigt worden. Das tangierte die Rechnerleistung als solche nicht unmittelbar, jedenfalls nicht in einem Ausmass, dass

    es für das System, das auf zig-fache Überhöhungen ausgerichtet ist, nachvollziehbar hätte problematisch sein können.

    bbb) Die Klägerin bekundete schon früher Probleme mit ihrem System und seiner Leistungsfähigkeit und Stabilität (bekl. act. 10 bis 13, 19 bis 23). Dies unabhängig von etwaigen Fallback-Szenarien. Die Sicherung des Fallbacks ist daher kaum der wahre Grund für den Ausbau des Systems. Wahrscheinlicher ist es, dass die Klägerin den Ausbau deshalb tätigte, um ihren übrigen Kunden ein stabiles, leistungsfähiges System bieten zu können. Das alte System hatte diesbezüglich anscheinend nicht immer zu genügen vermocht. Vereinfacht gesagt wollte die Klägerin Rechenleistung für die verbleibenden Kunden bereitstellen und diesen reibungslose Abläufe garantieren. Dass das Fallback-Szenario als Grund für den Ausbau herangezogen wurde, ist vor diesem Hintergrund nur zufälliger Natur und es liegt deutlich näher, dies mit dem Zwist zwischen den Parteien als mit einer Notwendigkeit zur Absicherung eines möglichen Fallback-Szenarios zu erklären. Eine Notwendigkeit, wegen dieses Ereignisses einen Ausbau zu tätigen, ist für den Richter nicht erkennbar. Das Interesse der Klägerin zum Ausbau war nach dem Gesagten wohl allgemeiner Natur. Es lässt sich am ehesten mit den Problemen erklären, mit denen die Klägerin schon zuvor zu kämpfen hatte.

    ccc) Nach dem Gesagten konnte die Klägerin den ihr obliegenden Beweis nicht zur

    Überzeugung des Gerichts erbringen. Damit zählen die Kosten, die mit dem Ausbau des alten Systems zusammenhängen, nicht zu den Aufwendungen der Klägerin, für die sie zu entschädigen ist. Diese Kosten können nicht auf die Beklagte überwälzt und damit nicht zum Werklohn der Klägerin gerechnet werden.

    cc) Aus denselben Gründen führten die Pläne der Klägerin, wonach sie, anstatt das alte System auszubauen, selber vorzeitig auf ein neues System migrieren wollte, um den Fallback zu sichern, nicht zu einer Entschädigungspflicht der Beklagten. Die Kapazitäten des bestehenden Systems reichten gemessen am vorgegebenen Zeitfenster zur Bewältigung der Migration bzw. eines allfälligen Fallbacks der Beklagten. Wenn die Klägerin ein neues System anschaffte, welches sie allerdings erst lange nach dem Fallback-Stichtag in Betrieb nahm, dann musste auch dies mit ihren Verpflichtungen zu tun haben, die sie ihren übrigen Kunden gegenüber zu erfüllen

    hatte. Die Anschaffung kann nicht dem Fallback-Szenario als solches angelastet werden. Es lässt sich keine Verbindung zwischen der Anschaffung eines neuen Systems, das im Zeitpunkt der Migration gar nicht zur Verfügung stand, und der Sicherung des möglichen Fallbacks herstellen. Weder war das neue System für die Sicherung des Fallbacks notwendig, noch war es im Zeitpunkt der Migration betriebsbereit.

    dd) Die Klage ist in diesem Punkt abzuweisen.

  10. Der Werklohn der Klägerin setzt sich wie folgt zusammen: Aufwand der Klägerin von März bis Mai 2004 Fr. 150'100.– Honorar Revisionsstelle Fr. 168'432.35

    Honorar IT-Experten Fr. 17'600.–

    Betriebskosten IT-Umgebung Juni 2004 Fr. 490'000.–

    Total Fr. 826'132.35

  11. Die Klägerin fordert 5% Verzugszinse seit 23. September 2004.

    Ist eine Verbindlichkeit fällig, so wird der Schuldner durch Mahnung des Gläubigers in Verzug gesetzt (Art. 102 Abs. 1 OR). Eine blosse Rechnung stellt keine Mahnung dar. Die in einer Rechnung gesetzte Zahlungsfrist könnte nur als befristete Mahnung gelten, wenn sie klar und eindringlich erfolgt wie z.B. "Saldo netto zu bezahlen innert 30 Tagen" (WIEGAND, Basler Kommentar, 2. A., N 9 zu Art. 102 OR). Demgegenüber begründet die Begleitnotiz in der Rechnung der Klägerin "Wir bitten Sie den Betrag … innerhalb 30 Tagen … auf unser Konto … zu überweisen" keine Mahnung (vgl. kläg. act. 58). Eine solche Aufforderung erfolgt nicht auf eine Weise, die dem Schuldner unmissverständlich klar macht, dass er nach Ablauf der Frist mit Verzugsfolgen rechnen muss.

    Nachdem kein anderer Eintritt des Verzugs nachgewiesen wurde, trat dieser mit Erhebung der Leistungsklage gegen die Beklagte, also am 22. Dezember 2004, ein (WIEGAND, a.a.O., N 9 zu Art. 102 OR). Die Beklagte schuldet seit jenem Zeitpunkt 5% Zins (Art. 104 OR), nachdem die Klägerin keinen höheren Zins geltend macht (Art. 104 Abs. 3 OR).

  12. Es hat sich ergeben, dass die Beklagte der Klägerin den Betrag von Fr. 826'132.35 nebst 5% Zins seit 22. Dezember 2004 zu bezahlen hat.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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