1. Mit Dekret vom 21. März 1994 bewilligte der Grosse Rat einen Sonderkredit für die Einführung der delegierten Herzchirurgie am Kantonsspital Luzern. Das Dekret des Grossen Rates wurde am 26. März 1994 im Kantonsblatt veröffentlicht. Es unterlag dem fakultativen Referendum. Dagegen reichte ein Komitee am 27. Mai 1994 die erforderlichen Unterschriften für das Referendum ein. Mit Beschluss vom 17. Juni 1994 erklärte der Regierungsrat das Referendum gegen das Dekret über einen Sonderkredit für die Einführung der delegierten Herzchirurgie am Kantonsspital Luzern als zustande gekommen. Am 5. Juli 1994 ordnete er die Abstimmung darüber auf den 25. September 1994 an. Die Anordnung der kantonalen Volksabstimmung wurde am 9. Juli 1994 im Kantonsblatt veröffentlicht. Die Abstimmungsvorlage wurde den Stimmberechtigten zusammen mit einem Bericht des Regierungsrates drei Wochen vor dem Abstimmungstag zugestellt. Am 16. September 1994 reichte die Partei X des Kantons Luzern beim Regierungsrat Stimmrechtsbeschwerde ein und beantragte die Absage der kantonalen Volksabstimmung vom 25. September 1994 über die Einführung der delegierten Herzchirurgie, eventualiter sei das Abstimmungsergebnis aufzuheben. Zur Begründung machte sie im wesentlichen geltend, der Bericht des Regierungsrates an die Stimmberechtigten betreffend die Einführung der delegierten Herzchirurgie sei teilweise falsch, unvollständig und irreführend. Der Regierungsrat verletze damit seine Pflicht zur sachlichen Information. Zudem rügte sie die Nichtübereinstimmung von Muster und effektivem Stimmzettel. Die auf dem Stimmzettel vorgenommene Hervorhebung des Wortes "Herzchirurgie" durch Fettdruck sei geeignet, die Stimmberechtigten zu täuschen.
2. Die Partei X rügt im wesentlichen eine Verletzung der Pflicht zur objektiven und sachlichen Information sowie die Nichtübereinstimmung von Muster und effektivem Stimmzettel. Sinngemäss macht sie damit Unregelmässigkeiten bei der Vorbereitung der kantonalen Volksabstimmung vom 25. September 1994 geltend. Sie bezeichnet ihre Eingabe als Stimmrechtsbeschwerde. Einem allgemeinen Grundsatz folgend muss die entscheidende Behörde von Amtes wegen prüfen, wie eine Eingabe zu qualifizieren ist. Dabei ist der Inhalt und nicht der Titel der Beschwerdeschrift massgebend.
Gemäss § 161 des Stimmrechtsgesetzes vom 25. Oktober 1988 (StRG) kann beim Regierungsrat gegen Massnahmen, die er bei Wahlen und Abstimmungen vor dem Abstimmungstag anordnet (§ 149), Einsprache erhoben werden. Aus dem Verweis auf § 149 StRG ergibt sich, dass sich die Einsprachemöglichkeit auf Verfahrensmängel oder andere Unregelmässigkeiten bei der Vorbereitung von Wahlen und Abstimmungen oder im Zusammenhang mit Volksbegehren beschränkt. Gegen Massnahmen des Regierungsrates im Zusammenhang mit Abstimmungen ist damit im vorliegenden Fall grundsätzlich eine Einsprache zulässig. Für Einsprachen gelten die Vorschriften über die Stimmrechtsbeschwerde bei Wahlen und Abstimmungen sinngemäss (§ 161 Absatz 2 StRG). Einspracheinstanz ist der Regierungsrat (§ 158 StRG). Als im Kreis der Abstimmung organisierte politische Partei ist die Einsprecherin zur Einspracheerhebung legitimiert (§ 160 Absatz 4 StRG).
3. Die Eingabe datiert vom 16. September 1994. Die Einsprecherin macht geltend, erst anlässlich eines Treffens am 14. September 1994 von den gerügten Mängeln Kenntnis erhalten zu haben. Die Beschwerdefrist sei deshalb gewahrt. Dies ist im folgenden näher zu prüfen.
a. Tritt der Einsprachegrund vor dem Abstimmungstag ein, ist die Einsprache innert drei Tagen seit der Entdeckung einzureichen. Ist diese Frist am Abstimmungstag noch nicht abgelaufen, wird sie bis zum 10. Tag nach dem Abstimmungstag verlängert (§ 160 Absatz 2 StRG). Diese kurze Beschwerdefrist bezweckt, mangelhafte Abstimmungsanordnungen schon vor der Abstimmung zu korrigieren. Nur so kann vermieden werden, das Volk notfalls nochmals in der gleichen Angelegenheit bemühen zu müssen. Zu den sofort zu rügenden Mängeln bei der Vorbereitung einer Volksabstimmung gehören insbesondere auch Vorwürfe, bei der Drucklegung von Stimmzetteln sei ein Fehler begangen worden (BGE 105 Ia 239), der Stimmzettel enthalte irrtümliche Angaben (ZBl 63 [1962] 478), die amtliche Botschaft zu einer Abstimmungsvorlage beeinflusse in unzulässiger Weise den Willen der Stimmbürger (BGE 106 Ia 198, 105 Ia 151ff., 101 Ia 240ff.) (Christoph Hiller, Die Stimmrechtsbeschwerde, Zürich 1990, S. 322ff.). Das Bundesgericht hat wiederholt festgehalten, dass mit einer Beschwerde gegen Vorbereitungshandlungen nicht bis zur Volksabstimmung zugewartet werden dürfe, sondern die Vorbereitungshandlung sofort angefochten werden müsse, damit der Mangel womöglich noch vor der Abstimmung behoben werden könne und diese nicht wiederholt zu werden brauche. Unterlässt dies der Stimmberechtigte, obwohl nach den Verhältnissen ein sofortiges Handeln geboten und zumutbar war, so verwirkt er das Recht zur Anfechtung des Abstimmungsergebnisses (BGE 113 Ia 50, 110 Ia 176, 106 Ia 198, 105 Ia 150).
Gemäss § 161 Absatz 1 in Verbindung mit § 160 Absatz 2 StRG ist die Einsprache innert drei Tagen seit der Entdeckung des Beschwerdegrundes beim Regierungsrat einzureichen. Diese Bestimmung des kantonalen Stimmrechtsgesetzes entspricht der Formulierung im Bundesgesetz über die politischen Rechte (BPR) vom 17. Dezember 1976 (vgl. Art. 77 Abs. 2 BPR). Im Unterschied zum Stimmrechtsgesetz sieht das Bundesgesetz über die politischen Rechte vor, dass das Rechtsmittel nicht nur innert drei Tagen seit der Entdeckung des Grundes, sondern auch spätestens am dritten Tag nach der Veröffentlichung der Ergebnisse des Urnengangs im kantonalen Amtsblatt eingereicht werden muss (Art. 77 Absatz 2, Halbsatz 2 BPR). Dadurch wird eine unwiderlegbare gesetzliche Vermutung geschaffen, dass der Rechtsmittelgrund entdeckt sei (vgl. ZBl 87 [1986] 277). Der Beginn der Rechtsmittelfrist ist dagegen auf Bundesebene nicht ausdrücklich bestimmt. Praxisgemäss beginnt der Fristenlauf individuell mit der tatsächlichen Kenntnisnahme des Beschwerdegrundes durch den Beschwerdeführer, spätestens aber mit dem Zeitpunkt, an dem die Kenntnisnahme möglich ist, d.h. also mit der Zustellung der Verfügung oder mit der gesetzlich vorgesehenen Publikation der behördlichen Bekanntmachung (ZBl 89 1988, 233, ZBl 87 1986 277; Imboden/Rhinow, Bd. I, Nr. 84 B Ia; Christoph Hiller, a.a.O., S. 27). Das luzernische Stimmrechtsgesetz hat den Beginn der Rechtsmittelfrist entsprechend dieser Praxis in § 163 StRG geregelt. Danach beginnt sie für Empfänger von Entscheiden oder Anordnungen mit der Zustellung, bei öffentlich bekanntgemachten Entscheiden oder Anordnungen in jedem Fall mit der öffentlichen Bekanntmachung (§ 163 Abs. 1 lit. a und b StRG).
b. Im vorliegenden Fall richtet sich die Einsprache gegen die Abstimmungsbotschaft des Regierungsrates und die Gestaltung des Stimmzettels. Sowohl die Abstimmungsbotschaft als auch die Stimmzettel (für die briefliche Stimmabgabe) werden den Stimmberechtigten zugestellt, nicht aber im Kantonsblatt veröffentlicht. Für den Beginn des Fristenlaufs kann deshalb nicht auf einen festen Termin (Publikation) abgestellt werden. Es ist vom Zeitpunkt auszugehen, in welchem der Stimmbürger vom Mangel Kenntnis erhielt oder erhalten konnte (BGE 113 Ia 388 ff., 99 Ia 219ff.). Daraus ergibt sich, dass die Frist für eine Einsprache gegen eine Abstimmungsbotschaft mit der Zustellung derselben oder genauer mit dem Eintreffen beim Einsprecher beginnt (BGE 110 Ia 178, 106 Ia 198 ff., 101 Ia 241, ZBl 66 [1965] 280; Christoph Hiller, a.a.O., S. 329).
Gemäss § 37 Absatz 1 StRG erhalten die Stimmberechtigten bei kantonalen Abstimmungen spätestens drei Wochen vor dem Abstimmungstag die Abstimmungsvorlage und einen erläuternden Bericht des Regierungsrates. Die Einsprecherin behauptet nicht, die Abstimmungsbotschaft sei nicht rechtzeitig zugestellt worden. Sie führt vielmehr selbst aus, die Stimmberechtigten des Kantons Luzern hätten den Bericht des Regierungsrates vom 5. Juli 1994 zusammen mit den Abstimmungsunterlagen am 2./3. September 1994 erhalten. Damit steht fest, dass die Einsprecherin bzw. ihre Organe ab diesem Zeitpunkt die von ihr gerügten Mängel entdecken konnte. Das gleiche gilt für die Gestaltung der Stimmzettel. Die Einsprecherin macht geltend, sie habe erst anlässlich eines Treffens vom 14. September 1994 von den gerügten Mängeln Kenntnis erhalten. Sie führt dies jedoch in keiner Weise näher aus. Immerhin hat sie bereits an ihrer Delegiertenversammlung vom 7. September 1994 eine Stimmrechtsbeschwerde gegen die Abstimmung über die Einführung der delegierten Herzchirurgie am Kantonsspital Luzern in Aussicht gestellt (LNN vom 9. September 1994, LNN vom 20. September 1994, LZ vom 20. September 1994). Sie hat diese jedoch erst am 16. September 1994 erhoben.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Einsprache nicht innert drei Tagen seit der Entdeckung des Beschwerdegrundes eingereicht worden ist. Die Einsprache erweist sich deshalb als verspätet, weshalb nicht darauf einzutreten ist.
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