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Urteil Appellationsgericht (BS - VD.2020.209 (AG.2021.335))

Zusammenfassung des Urteils VD.2020.209 (AG.2021.335): Appellationsgericht

Die algerische Staatsangehörige A____ hat erfolgreich gegen die Nichtverlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung aus der Schweiz geklagt. Sie wurde von ihrem deutsch-algerischen Ehemann misshandelt und hat glaubhaft gemacht, dass sie physische und psychische Gewalt erlitten hat. Das Gericht hat entschieden, dass sie ein Recht auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung hat. Das Justiz- und Sicherheitsdepartement muss dem zustimmen. Es werden keine Verfahrenskosten erhoben, und die Rekurrentin erhält eine Parteientschädigung. Der Entscheid kann ans Bundesgericht weitergezogen werden.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VD.2020.209 (AG.2021.335)

Kanton:BS
Fallnummer:VD.2020.209 (AG.2021.335)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid VD.2020.209 (AG.2021.335) vom 27.05.2021 (BS)
Datum:27.05.2021
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung
Schlagwörter: Rekurrentin; Gewalt; Ehemann; Recht; Aufenthalt; Rekurs; Entscheid; Aufenthalts; Basel; Staats; Aufenthaltsbewilligung; Schweiz; Basel-Stadt; Verfahren; Polizei; Einvernahme; Staatsanwaltschaft; Vorinstanz; Beilage; Verfahren; Opfer; Bericht; Migration; Familie; Ehemannes; Verfahrens; Frauenhaus; Bewilligung
Rechtsnorm: Art. 113 BGG ;Art. 42 BGG ;Art. 99 AIG ;
Referenz BGE:131 I 166; 136 II 187; 137 I 247; 138 II 229; 144 II 1;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VD.2020.209 (AG.2021.335)

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

als Verwaltungsgericht

Dreiergericht


VD.2020.209


URTEIL


vom 27. Mai 2021



Mitwirkende


Dr. Stephan Wullschleger, lic. iur. André Equey, Dr. Andreas Traub

und Gerichtsschreiberin MLaw Sabrina Gubler




Beteiligte


A____ Rekurrentin

[...]

vertreten durch [...], Advokatin,

[...]


gegen


Migrationsamt Basel-Stadt

Spiegelgasse 12, 4051 Basel



Gegenstand


Rekurs gegen einen Entscheid des Justiz- und Sicherheitsdepartements

vom 26. August 2020


betreffend Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung



Sachverhalt


Die algerische Staatsangehörige A____ (Rekurrentin), geboren am [...], heiratete am [...] in Algerien den über eine Aufenthaltsbewilligung verfügenden deutsch-algerischen Staatsangehörigen B____, geboren am [...]. Sie reiste darauf am 30. Januar 2015 in die Schweiz ein und erhielt am 3. Februar 2015 eine Aufenthaltsbewilligung im Kanton Basel-Stadt zum Verbleib bei ihrem Ehemann.


Am 9. März 2017 erstattete die Rekurrentin bei der Kantonspolizei Basel-Stadt Anzeige gegen ihren Ehemann wegen häuslicher Gewalt, Tätlichkeit, Körperverletzung, Drohung und Beschimpfung. Mit E-Mail vom 1. Mai 2017 teilte die Schweizer Botschaft in Algerien dem Migrationsamt Basel-Stadt mit, die Rekurrentin habe auch dort von der häuslichen Gewalt ihres Ehemannes berichtet und ihrem Wunsch Ausdruck gegeben, nach Algerien zurückreisen zu wollen, hierfür aber über kein Geld zu verfügen. Mit Entscheid des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 9. Mai 2017 wurde festgestellt, dass die Eheleute seit dem 10.März 2017 das Getrenntleben aufgenommen haben. Ausserdem wurde der Ehemann auf seiner Anerkennung des Annäherungs- und Kontaktverbots behaftet. Mit Entscheid des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 29. Januar2020 [...] wurde die Ehe der Rekurrentin und B____ geschieden. Vom 1. April 2017 bis zum 31. Juli2020 wurde die Rekurrentin von der Sozialhilfe mit Unterstützungsleistungen von CHF87'859.25 unterstützt. Bei ihrer Einvernahme am 24. Oktober 2017 durch die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt beantragte A____ die provisorische Einstellung des Verfahrens mit der Begründung, dass sie in ihrem Leben nach vorne und nicht mehr zurückschauen möchte. Nach weiteren Abklärungen, der Einholung von Berichten des Frauenhauses, der Opferhilfe und der Fachstelle Häusliche Gewalt sowie der Gewährung des rechtlichen Gehörs verlängerte der Bereich Bevölkerungsdienste und Migration (nachfolgend: Bereich BdM) die Aufenthaltsbewilligung der Rekurrentin mit Verfügung vom 18. März 2019 nicht und wies sie aus der Schweiz und dem Schengenraum weg. Den dagegen erhobenen Rekurs wies das Justiz- und Sicherheitsdepartement (JSD) mit Entscheid vom 26.August 2020 ab.


Gegen diesen Entscheid richtet sich der mit Eingaben vom 7. und 28. September2020 erhobene und begründete Rekurs an den Regierungsrat, den das Präsidialdepartement mit Schreiben vom 14. Oktober 2020 dem Verwaltungsgericht zum Entscheid überwies. Mit ihrem Rekurs beantragt die Rekurrentin die kosten- und entschädigungsfällige Aufhebung des angefochtenen Entscheids, die Bewilligung ihres weiteren Aufenthalts und den Verzicht auf ihre Wegweisung. In verfahrensrechtlicher Hinsicht beantragt sie die Erteilung der aufschiebenden Wirkung und die Gewährung des Aufenthalts und Verbleibs im Kanton Basel-Stadt während der Dauer des Rekursverfahrens. Zudem beantragt sie die Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung. Diese Verfahrensanträge wurden vom Instruktionsrichter mit Verfügung vom 16. Oktober 2020 bewilligt. Mit Schreiben vom 19. Oktober 2020 edierte das Präsidialdepartement dem Verwaltungsgericht eine Eingabe der Rekurrentin vom 14. Oktober 2020, mit welcher diese weitere Unterlagen eingereicht hat. Das JSD beantragt mit Vernehmlassung vom 10. November 2020 die kostenfällige Abweisung des Rekurses. In der Folge beantragte die Rekurrentin mit Eingabe vom 27.November 2020 die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, was vom Instruktionsrichter mit Verfügung vom 30. November 2020 abgelehnt worden ist. Die Rekurrentin nahm darauf mit Eingabe vom 14. Dezember 2020 zur Vernehmlassung der Vorinstanz replicando Stellung und liess mit Eingabe vom 21. Dezember 2020 die Honorarnote ihrer Vertreterin einreichen. Die weiteren Tatsachen und die Einzelheiten der Parteistandpunkte ergeben sich, soweit sie für das vorliegende Urteil von Bedeutung sind, aus dem angefochtenen Entscheid sowie den nachfolgenden Erwägungen. Das vorliegende Urteil erging auf dem Zirkulationsweg unter Beizug der Vorakten.



Erwägungen


1.

1.1 Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts zur Beurteilung des vorliegenden Rekurses folgt aus dem Überweisungsbeschluss des Präsidialdepartements vom 14.Oktober 2020 sowie § 42 des Organisationsgesetzes (OG, SG 153.100) in Verbindung mit § 12 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRPG, SG 270.100). Zuständig ist gemäss § 92 Abs. 1 Ziff. 11 des Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG, SG154.100) das Dreiergericht. Die Rekurrentin ist als Adressatin des angefochtenen Entscheids von diesem unmittelbar berührt und hat demnach ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung Abänderung. Sie ist deshalb gemäss § 13 Abs. 1 VRPG zum Rekurs legitimiert. Auf ihren den Voraussetzungen von § 46 Abs. 1 und 2 OG bzw. § 16 Abs. 1 und Abs. 2 VRPG entsprechend frist- und formgerecht erhobenen Rekurs ist somit einzutreten.


1.2 Die Kognition des Verwaltungsgerichts richtet sich nach der allgemeinen Vorschrift von § 8 VRPG. Demnach hat es zu prüfen, ob die Vorinstanz den Sachverhalt unrichtig festgestellt, wesentliche Form- Verfahrensvorschriften verletzt, öffentliches Recht nicht nicht richtig angewendet von dem ihr zustehenden Ermessen unzulässigen Gebrauch gemacht hat. Darüber hinaus ist das Verwaltungsgericht mangels einer entsprechenden gesetzlichen Vorschrift im Ausländerrecht nicht befugt, über die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung zu entscheiden und damit im Ergebnis sein eigenes Ermessen an Stelle desjenigen der zuständigen Verwaltungsbehörde zu setzen (VGE VD.2016.207 vom 21. Juni 2017 E. 1.2, VD.2015.135 vom 8. Juni 2016 E. 1.2, VD.2012.243 vom 21. Mai 2013 E.1.2). Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und in Anwendung von Art. 110 des Bundesgerichtsgesetzes (BGG, SR173.110) sind bei der Prüfung der materiellen Rechtmässigkeit eines ausländerrechtlichen Entscheids durch das kantonale Gericht die tatsächlichen Verhältnisse massgebend, wie sie im Zeitpunkt des Gerichtsentscheids herrschen (vgl. BGE127 II 60 E. 1b S. 63; BGer 2C_42/2011 vom 23. August 2012 E. 5.3; VGEVD.2017.183 vom 17. Oktober 2017 E. 1.2, VD.2015.240 vom 19. September2016 E. 1.2, VD.2015.151 vom 24. Februar 2016 E. 1, VD.2013.85 vom 16. Oktober 2013 E. 1).


Dabei gilt im verwaltungsgerichtlichen Rekursverfahren das Rügeprinzip. Das Gericht prüft einen angefochtenen Entscheid gestützt auf die Begründungsobliegenheit gemäss § 16 Abs. 2 Satz 1 VRPG nicht von sich aus unter allen in Frage kommenden Aspekten, sondern untersucht nur die rechtzeitig vorgebrachten konkreten Beanstandungen. Die rekurrierende Partei hat ihren Standpunkt substantiiert vorzutragen und sich mit den Erwägungen im angefochtenen Entscheid auseinanderzusetzen (Wullschleger/Schröder, Praktische Fragen des Verwaltungsprozesses im Kanton Basel-Stadt, in: BJM 2005 S. 277 ff., 305; Stamm, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Buser [Hrsg.], Neues Handbuch des Staats- und Verwaltungsrechts des Kantons Basel-Stadt, Basel 2008, S. 477 ff., 504; VGE VD.2016.66 vom 20. Juni 2016 E. 1.3).


1.3 Das Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG, SR 142.20) wurde am 16. Dezember 2016 revidiert. Dabei wurde es in Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz [AIG], SR 142.20) umbenannt. Nachdem einige geänderte Bestimmungen bereits am 1. Januar und am 1. Juli 2018 in Kraft getreten waren, traten die übrigen geänderten Bestimmungen einschliesslich des geänderten Titels am 1. Januar 2019 in Kraft.

Das intertemporal anwendbare materielle Recht bestimmt sich nach Art. 126 Abs. 1 AuG bzw. AIG. Nach der Rechtsprechung ist das bisherige materielle Recht gemäss Art. 126 Abs. 1 AuG über den zu engen Wortlaut dieser Bestimmung hinaus auf alle Verfahren anwendbar, die erstinstanzlich vor Inkrafttreten des neuen Rechts eingeleitet worden sind. Massgebend ist dabei der Zeitpunkt, in dem die betroffene Person von der Eröffnung des Verfahrens in Kenntnis gesetzt worden ist (vgl. statt vieler VGE VD.2020.76 vom 16. September 2020 E. 1.4 und VD.2020.101 vom 10. August 2020 E. 1.4.1 mit Nachweisen) und entgegen der Auffassung der Vorinstanz im angefochtenen Entscheid nicht der Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verfügung. Der Rekurrentin wurde das rechtliche Gehör zu dem in Aussicht gestellten Widerruf ihrer Aufenthaltsbewilligung mit Schreiben vom 4. Juli 2018 gewährt. Damit ist das Verfahren nach dem 1.Juli 2018 und vor dem 1. Januar 2019 eröffnet worden. Folglich sind im vorliegenden Fall die am 1. Januar und 1. Juli 2018 in Kraft getretenen materiellen Bestimmungen des AuG anwendbar, während die am 1. Januar 2019 in Kraft getretenen materiellen Bestimmungen des AIG einschliesslich des geänderten Titels entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht zur Anwendung kommen. Bei der materiellen Beurteilung des vorliegenden Rekurses wird deshalb die Bezeichnung AuG verwendet.


Demgegenüber bestimmt sich das Verfahrensrecht gemäss Art. 126 Abs. 2 AuG bzw. AIG nach dem neuen Recht (vgl. statt vieler VGE VD.2020.76 vom 16. September 2020 E. 1.4, VD.2019.18 vom 22. Juli 2019 E. 2.1 und VD.2019.75 vom 26. Juni2019 E. 1.4). Dies entspricht dem allgemeinen intertemporalrechtlichen Grundsatz, wonach neue Verfahrensbestimmungen ab ihrem Inkrafttreten grundsätzlich von allen Instanzen sofort anzuwenden sind, sofern nicht eine grundlegend neue Verfahrensordnung geschaffen worden ist, so dass keine Kontinuität zwischen bisherigem und neuem Recht besteht (VGE VD.2020.242 vom 3. März 2021 E. 1.1, VD.2019.64 vom 19. August 2019 E. 1.4, VD.2019.18 vom 22. Juli 2019 E. 2.1 und VD.2019.75 vom 26. Juni 2019 E. 1.4; vgl. BGE 136 II 187 E. 3.1 S. 189; Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N296, mit Hinweisen; Tschannen/Zimmerli/Müller, a.a.O., § 24 N20).


2.

2.1 Wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat, gilt das AuG für den Aufenthalt der mit einem deutschen Staatsangehörigen verheirateten Rekurrentin nur soweit, als das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft sowie ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen, [FZA, SR0.142.112.681]) keine abweichende Bestimmung enthält. Das AuG kommt nur zur Anwendung, wenn es eine vorteilhaftere Regelung für die Rechtsstellung der Rekurrentin enthält. Die bisher mit einem Angehörigen eines Mitgliedsstaates der Europäischen Gemeinschaft, der in der Schweiz über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt, verheiratete Rekurrentin konnte sich auch als Drittstaatsangehörige grundsätzlich auf Art. 7 lit. d FZA und Art. 3 Abs. 1 und 2 Anhang I FZA berufen, um aus dem Anwesenheitsrecht ihres Ehemannes ein eigenes Recht auf Aufenthalt abzuleiten. Wie von der Vorinstanz weiter aber ebenfalls richtig erwogen wurde, steht dieser Aufenthaltsanspruch nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BGE 139II393 E. 2.1 S. 395 f., mit weiteren Hinweisen; BGer 2C_1171/2013 vom 7. Januar 2014 E. 3.1) allerdings unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs. Fehlt der Wille zur Gemeinschaft und dient das formelle Eheband ausschliesslich (noch) der Umgehung ausländerrechtlicher Zulassungsvorschriften, so fällt der Anspruch dahin (vgl. auch Art.35 der Richtlinie 2004/38/EG [Unionsbürgerrichtlinie], ABl. L 229 vom 29. Juni2004 S. 35 ff.). Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass Art. 3 Anhang I FZA explizit davon spricht, die Familienangehörigen einer Person mit Staatsangehörigkeit einer Vertragspartei hätten das Recht, "bei ihr Wohnung zu nehmen". Damit wird ein minimales Zusammenleben bzw. eine minimale eheliche Verbundenheit vor­ausgesetzt (VGE VD.2017.100 vom 27. September 2017 E. 3, VD.2013.206 vom 26.Mai 2014 E. 2.2, VD.2013.67 vom 25.Oktober 2013 E. 2.4 mit Hinweis auf BGer2C_494/2013 vom 2. Juni 2013 E. 3.1). Die vom originär anwesenheitsberechtigten EU-Bürger abgeleitete Bewilligung des Drittstaatsangehörigen kann in diesem Fall mangels Fortdauerns der Bewilligungsvoraussetzungen gestützt auf Art. 23 Abs.1 der Verordnung über die Einführung des freien Personenverkehrs (VEP, SR142.203) in Verbindung mit Art. 62 lit. d AuG widerrufen nicht (mehr) verlängert werden, da das Freizügigkeitsabkommen diesbezüglich keine eigenen abweichenden Bestimmungen enthält (vgl. auch VGE VD.2013.206 vom 26. Mai 2014 E.2.2, VD.2012.39 vom 25. Januar 2013 E. 2.2).


2.2 Zur Bestreitung eines Rechtsmissbrauchs macht die Rekurrentin geltend, es werde ihr zu Recht nicht vorgeworfen, die Behörden getäuscht zu haben. Rechtsmissbrauch sei aber auch im ausländerrechtlichen Kontext auf seinen Kernbereich und damit auf eigentliche Machenschaften, um die Behörden zu täuschen sich eine Bewilligung zu erschleichen, begrenzt (Spescha/Bolzli/de Weck/Priuli, Handbuch zum Migrationsrecht, 4. Auflage, Ort 2020, 253 mit Hinweis. auf BGE 137 I 247 E. 5.1.1 S. 252). Indem sich die Vorinstanz auf eine ältere Praxis beziehe, lasse sie die aktuelle Rechtsprechung ausser Acht.


2.3 Darin kann der Rekurrentin nicht gefolgt werden. Wie das Bundesgericht im Zusammenhang mit dem Familiennachzug erwogen hat, setzt das Verbot des Rechtsmissbrauchs der Ausübung eines Anspruchs, der formal im Einklang mit der Rechtsordnung steht, jedoch treuwidrig und damit unredlich geltend gemacht wird, eine ethisch-materielle Schranke. Es steht der Inanspruchnahme eines Rechtsinstituts zu Zwecken entgegen, welche dieses nicht schützen will (BGE 137 I 247 E. 5.1.1 S. 252 mit Hinweis auf BGE 131 I 166 E. 6.1 S. 177, 128 II 145 E. 2.2 S. 151). Dabei erscheint nur stossendes, zweckwidriges Verhalten rechtsmissbräuchlich und soll über das Rechtsmissbrauchsverbot sanktioniert werden (BGE 137 I 247 E. 5.1.1 S.252). Entgegen der Auffassung der Rekurrentin hat das Bundesgericht insofern gar keine Änderung seiner Rechtsprechung vorgenommen.


Art. 3 Abs. 1 Anhang I FZA schützt das Recht von Familienangehörigen, bei aufenthaltsberechtigten Staatsangehörigen «Wohnung zu nehmen». Dieses Recht möchte die Rekurrentin nach der vor rund vier Jahren erfolgten Trennung von ihrem Ehemann und der von ihr erlebten häuslichen Gewalt gar nicht in Anspruch nehmen. Der Rekurrentin fehlt somit der Ehewille, der von ihr nicht einmal behauptet wird (BGer 2C_580/2019 vom 9. März 2020 E. 2.2.2). Die Berufung auf die auch nach der vom Ehemann in Algerien angestrengten, in der Schweiz aber nicht anerkannten Scheidung formell weiterbestehende Ehe erfolgte daher zweckwidrig und ist mithin in diesem Sinne rechtsmissbräuchlich. Weitergehender Machenschaften bedarf es hierfür nicht.


2.4 Im Übrigen konnte sie sich zwischenzeitlich sowieso nicht mehr auf Art. 3 Abs.1 Anhang I FZA berufen, nachdem ihre Ehe mit Entscheid des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 29.Januar 2020 [ ] geschieden worden ist (vgl. act. 4/3). Damit ist sie nicht mehr eine Familienangehörige ihres hier aufenthaltsberechtigten geschiedenen Ehemannes.


2.5 Zu prüfen ist daher, ob der Rekurrentin nach der Beendigung des Familienlebens mit ihrem Ehemann ein Verbleibeanspruch zukommt.


3.

3.1 Die Aufenthaltsbewilligung der Rekurrentin wurde ihr zum Verbleib bei ihrem deutsch-algerischen Ehemann erteilt, welcher über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt. Mittlerweile wurde die Ehe mit Entscheid des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 29.Januar 2020 [...] geschieden (vgl. act. 4/3).


Nach der Auflösung der Ehe der Familiengemeinschaft bestehen aber die aus Art. 42 und 43 AuG fliessenden Ansprüche des nachgezogenen Ehegatten auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung weiter, wenn die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre bestanden hat und eine erfolgreiche Integration besteht (Art.50 Abs. 1 lit. a AuG) wenn wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen (Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG). Das FZA bzw. dessen Anhang I enthalten keine Regelung zum Verbleiberecht von Familienangehörigen im Falle einer Scheidung, Aufhebung der Ehe Beendigung der Partnerschaft. In diesen Fällen sind daher die Regelungen von Art. 50 AuG anwendbar (Caroni, in: Caroni et al. [Hrsg.], Handkommentar zum AuG, Bern 2010, Vorbemerkungen zu Art. 42 - 52 N 38 und Art. 50 N 6). Allerdings knüpfen die Aufenthaltsansprüche nach Art. 50 AuG gemäss dem Wortlaut des Gesetzes an diejenigen von Art. 42 und 43 AuG an, setzen somit voraus, dass der Ehegatte, von dem die Bewilligung abgeleitet wurde, das Schweizer Bürgerrecht eine Niederlassungsbewilligung in der Schweiz besitzt (BGE 144 1 E. 4.3 S. 8). Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist Art. 50 AuG jedoch auch dann anzuwenden, wenn der ExEhegatte nur eine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA und nicht eine Niederlassungsbewilligung besitzt, sofern er sich weiter in der Schweiz aufhält (BGE 144 II 1 E. 4.7 S. 10 f.).


3.2 Die Ehe wurde bereits vor vier Jahren ohne Aussicht auf eine Wiederaufnahme aufgegeben. Aufgrund der vom 30. Januar 2015 bis zum 10.März 2017 in der Schweiz gelebten Familiengemeinschaft erfüllt die Rekurrentin die Voraussetzungen von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG nicht. Zu prüfen ist daher, ob ein nachehelicher Härtefall im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AuG vorliegt.


3.3 Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat (angefochtener Entscheid, E.7ff.), setzt ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung aus wichtigen Gründen gemäss Art. 50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AuG eine schwerwiegende nacheheliche Härtefallsituation voraus. Ein Härtefall kann gemäss Art. 50 Abs. 2 AuG namentlich vorliegen, wenn die Ehegattin der Ehegatte Opfer ehelicher Gewalt geworden ist die soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland stark gefährdet erscheint.


3.3.1 Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist bei der Beurteilung von Art. 50 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. 50 Abs. 2 AuG jede Form ehelicher bzw. häuslicher Gewalt, sei sie körperlicher psychischer Natur, ernst zu nehmen (BGE 138 II 229 E. 3.2.1 S.232 f., mit Hinweis auf BGer 2C_155/2011 vom 7. Juli 2011 E. 4.3). Häusliche Gewalt im Sinne dieser Bestimmungen setzt eine systematische Misshandlung physischer psychischer Natur durch den anderen Ehegatten voraus, mit dem Ziel, Macht und Kontrolle auszuüben (vgl. BGE 138 II 229 E. 3.2.1 S. 233; BGer 2C_428/2012 vom 18.Mai 2012 E. 2.2.3). Auch wenn jede Form häuslicher Gewalt ernst zu nehmen ist, folgt ein Anspruch nach Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG nicht bereits aus einer Ohrfeige einer verbalen Beschimpfung im Verlauf eines eskalierenden Streits. Auch eine einmalige tätliche Auseinandersetzung, in deren Folge der Ausländer bzw. die Ausländerin in psychischem Ausnahmezustand und mit mehreren Kratzspuren im Gesicht einen Arzt aufsucht, eine Ausweisung eines Ausländers aus der ehelichen Wohnung nach einem Streit reichen dazu nicht aus. Die physische psychische Zwangsausübung und deren Auswirkungen müssen vielmehr von einer gewissen Konstanz bzw. Intensität sein (BGE 138 II 229 E. 3.2.1 S. 233; BGer 2C_241/2018 vom 20.November 2018 E. 4.1).


3.3.2 Auch psychische bzw. sozio-ökonomische Druckausübung wie dauerndes Beschimpfen, Erniedrigen, Drohen und Einsperren kann einen für die Annahme eines nachehelichen Härtefalls relevanten Grad an unzulässiger Oppression erreichen. Dies ist praxisgemäss der Fall, wenn die psychische Integrität des Opfers bei einer Aufrechterhaltung der ehelichen Gemeinschaft schwer beeinträchtigt würde (BGE138 II 229 E. 3.2.2 mit Hinweis auf BGer 2C_221/2011 vom 30. Juli 2011 E. 2). Nicht jede unglückliche, belastende und nicht den eigenen Vorstellungen entsprechende Entwicklung einer Beziehung begründet indessen bereits einen nachehelichen Härtefall und ein weiteres Anwesenheitsrecht in der Schweiz. Die anhaltende, erniedrigende Behandlung muss derart schwer wiegen, dass von der betroffenen Person bei Berücksichtigung sämtlicher Umstände vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, dass sie einzig aus bewilligungsrechtlichen Gründen die Ehe aufrechterhält und in einer ihre Menschenwürde und Persönlichkeit verneinenden Beziehung verharrt (BGer 2C_241/2018 vom 20. November 2018 E.4.1, mit Hinweis auf BGE 138 II 229 E. 3.2.1 S. 233). Eine glaubhaft gemachte oppressionsbedingte Aufhebung der Hausgemeinschaft soll für die betroffene Person keine ausländerrechtlichen Nachteile zur Folge haben, wenn sie durch das Zusammenleben in ihrer Persönlichkeit ernsthaft gefährdet wäre und ihr eine Fortführung der ehelichen Gemeinschaft bei objektiver Betrachtungsweise nicht mehr zugemutet werden kann. Es handelt sich hierbei um einen Ausfluss der sich aus dem Verfassungs- und Konventionsrecht ergebenden staatlichen Schutzpflichten. Die Abhängigkeit des Opfers häuslicher Gewalt bzw. psychischer Oppression vom Täter soll durch die Bewilligungsfrage nicht verstärkt und die gewaltbetroffene nachgezogene Person nicht vor das Dilemma gestellt werden, in der Zwangssituation verbleiben den Verlust des Aufenthaltsrechts hinnehmen zu müssen. Dabei ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen (BGE 138 II 229 E. 3.2.2 S. 234 f., mit weiteren Hinweisen).


3.3.3 Die betroffene ausländische Person trifft dabei eine weitreichende Mitwirkungspflicht zur Feststellung des entsprechenden Sachverhalts. Sie muss die eheliche Gewalt in geeigneter Weise glaubhaft machen. Zu denken ist hierbei insbesondere an Arztberichte psychiatrische Gutachten, Polizeirapporte, Berichte Einschätzungen von Fachstellen (Frauenhäuser, Opferhilfe usw.) und glaubwürdige Zeugenaussagen von weiteren Angehörigen Nachbarn. Allgemein gehaltene Behauptungen genügen nicht. Vielmehr muss die Systematik der Misshandlung bzw. deren zeitliches Andauern und die daraus entstehende subjektive Belastung objektiv nachvollziehbar konkretisiert und beweismässig unterlegt werden (BGE 138 II 229 E.3.2.3 S. 235).


3.4 Die Vorinstanz erwog, gemäss einem Polizeirapport vom 9. März 2017 habe die Rekurrentin bei der Polizei Anzeige gegen ihren Ehemann erstattet. Bei der Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft vom 10. März 2017 habe sie angegeben, dass sie immer wieder von ihrem Ehemann geschlagen worden sei. Sie sei durch seine Stösse und anschliessende Stürze insgesamt dreimal verletzt worden: einmal habe er sie an die Kommode gestossen, einmal an der Augenbraue verletzt und einmal habe er ihr ein Büschel Haare ausgerissen. Zum Arzt sei sie nicht gegangen, weil sie ohne die Erlaubnis ihres Mannes nicht zum Arzt habe gehen dürfen. Ausserdem habe ihr Ehemann sie einmal gewürgt; sie sei dabei nicht bewusstlos gewesen und Spuren am Hals habe man nicht gesehen. Sie habe auch keine Fotos mit ihrem Handy von ihren Verletzungen gemacht, weil ihr Ehemann gesagt habe, dass er es nicht so gemeint habe. Seit sechs Monaten würde ihr Mann sie schlagen, seit 20 Tagen sei es noch schlimmer geworden. Mehrmals habe sie deswegen mit der Polizei telefoniert. Erst nach einem Jahr in der Schweiz habe sie einen Deutschkurs besuchen dürfen, ihr Ehemann habe sie am Einkaufen, Deutsch Lernen und an medizinischen Behandlungen gehindert. Ihr Ehemann habe stets sparen wollen und habe deshalb einmal darauf bestanden, dass sie nach der Erstversorgung im Krankenhaus in Lörrach wieder entlassen werde. Ausserdem habe ihr Ehemann Drohungen gegen sie ausgestossen: um sie und ihre Ambitionen zu unterdrücken, habe er gesagt, sie werde langsam sterben. Demgegenüber habe der Ehemann der Rekurrentin bei seiner Einvernahme am 11. März 2017 jegliche Gewaltanwendung bestritten. Er sei mit der Rekurrentin im Februar in der Türkei gewesen, wo sie sich allerdings nur gestritten hätten, weil die Rekurrentin Luxusartikel für ihre Familie habe kaufen wollen. Nach Lörrach ins Krankenhaus seien sie gefahren, weil er die Versicherung nicht unnütz habe belasten wollen. Er habe der Rekurrentin neben den Deutschkursen auch eine teure Zahnbehandlung in der Türkei bezahlt.


Die Vorinstanz erwog diesbezüglich, für die von der Rekurrentin geltend gemachte physische Gewalt fehlten ein konkreter Arztbericht, Zeugenaussagen Polizeirapporte, die die Verletzungen dokumentieren würden. Auch die Betreuerinnen im Frauenhaus hätten keine äusserlich sichtbaren Verletzungen bei ihrer Aufnahme am 9./10. März 2017 feststellen können. Die Rekurrentin mache physische Gewalt nur mit allgemeinen Aussagen geltend und vermöge nicht, einen intensiven Gewaltvorfall konkret zu schildern. Gemäss dem Bericht des Frauenhauses vom 20. September2017 sei die Rekurrentin notfallmässig am 22. März 2017 ins Frauenhaus aufgenommen worden, nachdem sie während zwei Jahren massive psychische sowie physische häusliche Gewalt erlebt habe. Das Frauenhaus habe aufgrund der Schilderungen der Ehefrau eine massive Betroffenheit von häuslicher Gewalt sowie ein hohes Gefährdungspotential aufgrund der weiterhin hohen Gewaltbereitschaft des Ehemanns und seiner Familie für Leib und Leben der Rekurrentin bei einer Rückkehr nach Algerien festgestellt. Weiter liege ein Bericht der Opferhilfe vom 14. November2017 mit den Schilderungen der ehelichen Situation durch die Rekurrentin vor. Im Bericht der Fachstelle Häusliche Gewalt vom 31. Januar 2018 werde ein typisches Bild einer destruktiven Paarbeziehung mit häuslicher Gewalt beschrieben. Aus Sicht der Fachstelle seien die Ausführungen glaubwürdig. Eine abschliessende Beurteilung habe aber ein Gericht vorzunehmen (angefochtener Entscheid, E.10).


In Würdigung dieser Berichte kommt die Vorinstanz aber zum Schluss, dass sich diese ausschliesslich auf die allgemein gehaltenen Aussagen der Rekurrentin stützten. Diese enthielten zudem gewisse Ungereimtheiten, welche sie relativierten. Dem behaupteten Geiz des Ehemannes stehe die Bezahlung der vielen Deutschkurse, einer teuren Zahnbehandlung wie auch ihrer ärztlichen Behandlung in Lörrach entgegen, welche dann am Universitätsspital in Basel fortgeführt worden sei. Es sei nicht klar, warum der Ehemann der Rekurrentin eine teure Zahnbehandlung bezahlt hätte, wenn er sie eigentlich nicht gut behandelte. Schliesslich gelinge es der Rekurrentin wegen fehlender Arztberichte, Gutachten Polizeirapporte auch nicht, die geltend gemachte physische Gewalt glaubhaft zu machen. Die psychische Gewalt werde in der Einvernahme vom 10. März 2017 wie auch den anderen Berichten nur in allgemeinen Ausführungen geltend gemacht und nicht weiter substantiiert. Da die Rekurrentin in Algerien studiert habe, sei sie nicht so unbeholfen gewesen, als dass sie sich nicht etwa über das Internet über ihre Situation und Aufenthaltsbedingungen hätte informieren können. Ungünstig erscheine auch die provisorische Einstellung des Strafverfahrens gegen ihren Ehemann durch die Rekurrentin, habe die Fachstelle Häusliche Gewalt doch eine gerichtliche Beurteilung als begrüssenswert beurteilt (angefochtener Entscheid, E.11).


3.5 Demgegenüber stellt sich die Rekurrentin auf den Standpunkt, mit der Anzeige gegen den Ehemann, der Unterstützung der Opferhilfe und den Berichten des Frauenhauses wie ihrer behandelnden Ärztin sei erwiesen, dass sie insbesondere psychische Gewalt in der Ehe erlitten habe, weshalb von einem nachehelichen Härtefall auszugehen sei (Rekursbegründung, Rz. 5).


3.5.1 Zutreffend an den Feststellungen der Vorinstanz erscheint zwar, dass die Rekurrentin keine physischen Verletzungen durch ihren Ehemann nachgewiesen hat. So wird auch im Rapport der Kantonspolizei vom 9. März 2017 festgestellt, dass keine sichtbaren Verletzungen bestünden. Den in ihrer Stossrichtung zwar deutlich divergierenden Aussagen der Ehegatten bei der Staatsanwaltschaft kann übereinstimmend entnommen werden, dass die Ehe tief zerrüttet war und die Ehegatten insbesondere aufgrund ihrer gegenseitigen Ansprüche stark zerstritten waren.


Entgegen der Auffassung der Vorinstanz hat die Rekurrentin aber insbesondere bei ihrer Einvernahme vom 10. März 2017 zeitnah konkrete Aussagen zu der von ihr erlittenen ehelichen Gewalt gemacht. Dies gilt sowohl für die physische wie auch die psychische Gewaltausübung. Die Rekurrentin berichtet von wiederholten Gewaltausbrüchen des Ehemannes: einmal sei sie dabei kurz ohnmächtig geworden, nachdem sie wegen eines Schlages mit dem Kopf auf der Kommode aufgeschlagen sei. Der Ehemann habe ihr Haare ausgerissen, so dass sie kahle Stellen am Kopf gehabt habe. Im Gesicht habe sie blaue Stellen davongetragen (Einvernahmeprotokoll der Rekurrentin durch die Staatsanwaltschaft vom 10. März 2017, S. 5). Sie sei nicht zum Arzt gegangen, da sie dafür die Erlaubnis ihres Ehemannes benötigt hätte (Einvernahmeprotokoll der Rekurrentin durch die Staatsanwaltschaft vom 10. März 2017, S.6). Der Ehemann habe ihr gesagt, sie werde langsam sterben. Auf die Frage, was sie darunter verstehe, antwortete die Rekurrentin, sie sterbe zur Zeit langsam. Manchmal könne sie deswegen nichts essen, habe Haarausfall und vaginale Blutungen gehabt. Dies sei alles, weil sie so unter Stress stehe. Er habe ihr auch verboten mit irgendjemandem darüber zu reden (Einvernahmeprotokoll der Rekurrentin durch die Staatsanwaltschaft vom 10. März 2017, S. 8). Dabei fehlen Anhaltspunkte einer überschiessenden Belastung, hat die Rekurrentin doch etwa eine konkrete Morddrohung Ohnmacht resp. Urin- Stuhlabgang nach dem erlebten Würgen auf Frage verneint (Einvernahmeprotokoll der Rekurrentin durch die Staatsanwaltschaft vom 10. März 2017, S. 9 f.). Belegt ist jedoch die Requisition der Polizei am 9. März 2017 (Polizeirapport vom 9. März 2017), der unbestrittenermassen eine weitere Requisition am 1.März 2017 vorangegangen ist (Polizeirapport vom 9. März 2017; Einvernahmeprotokoll der Rekurrentin durch die Staatsanwaltschaft vom 10.März 2017, S. 8 f., Einvernahmeprotokoll des Ehemanns vom 11. März 2017 S.2). Auch gegenüber der Polizei berichtete die Rekurrentin von Drohungen des Ehemannes und wie er begonnen habe, sie zu stossen und zu schubsen. Danach habe er sich jeweils bei ihr entschuldigt. Die körperlichen Übergriffe seien nicht nur zu Hause, sondern auch auf der Strasse passiert, wobei sie sich deshalb schon oft weh getan habe. In den 20Tagen vor der Requisition der Polizei am 9. März 2017 seien die Drohungen sowie die verbalen und körperlichen Übergriffe schlimmer geworden (Polizeirapport vom 9. März 2017).


3.5.2 Die Rekurrentin hat weiter auch gegenüber den Behörden weitere Auskunftspersonen zum Beweis von Vorfällen häuslicher Gewalt genannt. So hat sie erklärt, dass am 1. März 2017 Nachbarn und der Abwart gekommen seien (Einvernahmeprotokoll vom 10. März 2017, S. 9). Wie den diesbezüglichen Aussagen des Ehemanns entnommen werden kann, müssen diese auch die Polizei requiriert haben (Einvernahmeprotokoll vom 11. März 2017, S.4).


3.5.3 Die Einvernahmen bei der Staatsanwaltschaft und weitere Unterlagen wurden durch die Fachstelle Häusliche Gewalt mit Bericht vom 31. Januar 2018 eingeschätzt. Die Fachstelle führt aus, dass häusliche Gewalt dann vorliege, wenn die Integrität einer Person psychisch, physisch und/oder sexuell beeinträchtigt werde, wobei die betroffene Person (im vorliegenden Verfahren die Rekurrentin) hauptsächlich psychische Gewalt geltend mache. Es liege auch körperliche Gewalt vor; zudem gebe es Hinweise auf ökonomische Gewalt. Auf der Grundlage der Einvernahmen bei der Staatsanwaltschaft kam die Fachstelle Häusliche Gewalt des Justiz- und Sicherheitsdepartements mit Bericht vom 31. Januar 2018 zum Schluss, die Aussagen der Rekurrentin wirkten «äusserst glaubwürdig». Sie ging von einer glaubwürdigen und realitätsnahen Schilderung verschiedener Vorfälle häuslicher Gewalt aus.


3.5.4 Soweit die Vorinstanz Unstimmigkeiten in den Aussagen der Rekurrentin erblickt, müssen solche auch in jenen ihres Ehemanns erkannt werden. So ist unverständlich, weshalb er mit seiner Ehefrau ein Spital in Deutschland hat aufsuchen wollen, «um die Versicherung nicht unnötig zu belasten», und ist dies vor dem Hintergrund seiner ansonsten selber zum Ausdruck gebrachten Bemühungen, bei Gesundheitskosten etwa durch den Bezug entsprechender Dienstleistungen im Ausland zu sparen, nicht verständlich. Die Fachstelle Häusliche Gewalt wertet denn auch das Vorgehen des Ehemannes hinsichtlich der ärztlichen Versorgung der Rekurrentin als «Machtspiel [ ], was als psychische Gewalt gedeutet werden» könne (Bericht Fachstelle Häusliche Gewalt vom 31. Januar 2018).

3.5.5 Die Situation der Rekurrentin kann weiteren Unterlagen in den Akten entnommen werden.


Dem Bericht des Frauenhauses vom 20. September 2017 zu Handen des Bereichs BdM kann entnommen werden, dass die Rekurrentin während zwei Jahren «massiver psychischer und physischer häuslicher Gewalt» durch ihren Ehemann ausgesetzt war. Seitens des Ehemannes bestehe eine weiterhin hohe Gewaltbereitschaft und folglich liege aus Sicht des Frauenhauses ein hohes Gefährdungspotential für Leib und Leben der Rekurrentin vor.


Die Opferhilfe berichtet mit Schreiben vom 14. November 2017 von regelmässigen Gewalttätigkeiten des Ehemannes gegenüber der Rekurrentin. Er habe sie geschlagen, gestossen, an den Haaren gezogen und so durch die Wohnung geschleift. Er drohte ihr mit dem Tod, sollte sie sich an die Polizei wenden. Am 9. März 2017 sei es wieder zu Gewalt gekommen. Sie habe so geschrien und geweint, dass die Nachbarn die Polizei informiert hätten. Die Polizei sei nicht zum ersten Mal bei ihnen zu Hause gewesen, doch habe sie vorher nicht gewagt, über die Gewalt zu sprechen. Nach dem Vorfall vom 9. März 2017 sei die Rekurrentin bei der Opferhilfe durch die Kantonspolizei Basel-Stadt als Opfer von häuslicher Gewalt gemeldet worden und am 14. März 2017 zum ersten Mal in die Beratung gekommen. Da die Rekurrentin grosse Angst vor ihrem Ehemann gehabt habe, weil sie diesen bei der Polizei angezeigt habe, sei sie aus Sicherheitsgründen erst bei der Heilsarmee und später im Frauenhaus untergebracht worden. Trotz der nun sicheren Umgebung habe die Rekurrentin weiterhin unter den Folgen der häuslichen Gewalt gelitten. So hätte sie grosse Angst gehabt, sich auf der Strasse zu bewegen, habe sich schnell überfordert gefühlt, habe geweint und kaum mehr aufhören können. Sie habe den Überblick verloren und sich nur noch erschlagen und hilflos gefühlt.


Ein Arztzeugnis vom 26. April 2019 attestiert der Rekurrentin eine mittelschwere Depression bzw. eine posttraumatische Belastungsstörung unter anderem aufgrund der Traumatisierung durch den Ehemann sowie der Belastung durch die Trennung vom Ehemann. Nach der schwierigen Zeit mit häuslicher Gewalt habe die Rekurrentin im Juni 2017 einen Unfall erlitten; sie sei von einem Velofahrer angefahren worden. Durch die «multiplen gesundheitlichen und psychosozialen Belastungen [fühle] sich die Patientin zunehmend hoffnungslos, traurig, freudlos, ängstlich [ ], sodass [ein] Vollbild einer mittelschweren bis schweren Depression» vorliege (Beilage 15 zum Rekurs beim JSD, eingereicht mit Eingabe vom 3. Mai 2019).


Belegt sind weiter Weinanfälle der Rekurrentin auch im Kontakt mit Dritten. So weint die Rekurrentin bei ihrer Einvernahme bei der Staatsanwaltschaft, als sie über das Erlebnis berichtet, bei dem ihr Ehemann sie trotz tagelanger Schmerzen und hohem Fieber nicht zum Arzt gehen lassen wollte und erst nach drei Tagen mit ihr in ein Spital nach Lörrach fuhr (Einvernahmeprotokoll der Rekurrentin durch die Staatsanwaltschaft vom 10. März 2017, S. 4). Die Opferhilfe berichtet darüber, dass sich die Rekurrentin als Folge der häuslichen Gewalt in Angst befunden habe, was sich unter anderem gezeigt habe, dass sie weinen musste und nicht mehr aufhören konnte (Bericht der Opferhilfe vom 14. November 2017). Auch dem E-Mail der Schweizer Botschaft an das Migrationsamt ist zu entnehmen, dass die Rekurrentin weinend angerufen habe und von der ehelichen Gewalt berichtet habe (E-Mail Schweizer Botschaft an das Migrationsamt vom 1. Mai 2017). Die Botschaft schreibt, die Rekurrentin habe geäussert, sie möchte nach Algerien zurückkehren. Diese Aussage wird von der Rekurrentin relativiert. Sie möchte nicht nach Algerien zurück; im Gegenteil, sie habe grosse Angst nach Algerien zurückzukehren, da sie dann der Familie ihres Ehemannes schutzlos ausgeliefert sei (Schreiben der Rekurrentin an das Migrationsamt vom 28.September 2017).


Den Akten liegt ein algerisches Scheidungsurteil vom 12. Juni 2017 bei, das der Ehemann dem Bereich BdM eingereicht hat. Das Zivilgericht Basel-Stadt hielt mit Entscheid vom 18. Dezember 2017 fest, dass das algerische Scheidungsverfahren offensichtlich ohne Mitwirkung der Ehefrau durchgeführt worden sei, dem «ordre public» widerspreche und deshalb in der Schweiz nicht anerkannt werden könne. Mit Entscheid des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 29. Januar 2020 wurde die Ehe der Rekurrentin und B____ geschieden.


3.6 Die Vorinstanz erwog, es sei «ungünstig», dass die Rekurrentin die provisorische Einstellung des Strafverfahrens gegen ihren Ehemann beantragt habe (angefochtener Entscheid, E. 11). Die Rekurrentin ersuchte bei der Staatsanwaltschaft am 24. Oktober 2017 um provisorische Einstellung des Verfahrens mit der Begründung, dass sie «in ihrem Leben nach vorne und nicht mehr zurück schauen möchte» (Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 25. Oktober 2017). Die Staatsanwaltschaft sistierte die Strafuntersuchung gegen B____ am 25. Oktober2017 in Anwendung von Art. 55a des Strafgesetzbuches (StGB, SR 311.0). Dem Bericht des Frauenhauses vom 20.September 2017 lässt sich entnehmen, dass die algerische Familie des Ehemannes von der Rekurrentin gefordert habe, die Anzeige in der Schweiz zurückzuziehen. Daraus kann zumindest auf eine beträchtliche Wahrscheinlichkeit geschlossen werden, dass die Rekurrentin die provisorische Einstellung des Strafverfahrens nicht hauptsächlich aus eigener Initiative, sondern auf Druck der verschwägerten Familie beantragt haben könnte. Dass die Rekurrentin das Strafverfahren einstellen lassen wollte, kann und darf bei der Beurteilung der ausländerrechtlichen Bewilligung nicht zu ihren Lasten ausgelegt werden, setzt doch Art. 50 AuG kein hängiges Strafverfahren gar eine Verurteilung wegen Delikten voraus, die im Rahmen der häuslichen Gewalt begangen worden sind.


3.7 Daraus folgt, dass die Rekurrentin insgesamt eine Misshandlung physischer psychischer Natur von einer gewissen Konstanz und Intensität durch den anderen Ehegatten mit dem Ziel, Macht und Kontrolle über sie auszuüben, hat glaubhaft machen können. Diese glaubhafte Gewaltausübung geht über einzelne Vorfälle im Verlauf eines eskalierenden Streits hinaus. Sie zeigt eine eskalierende Unterdrucksetzung der Rekurrentin durch ihren Gatten, aufgrund der von ihr vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, dass sie einzig aus bewilligungsrechtlichen Gründen in ihrer Beziehung verharrt. Auch wenn konkrete Belege körperlicher Übergriffe fehlen, wurde die physische und psychische Belastung der Rekurrentin objektiv nachvollziehbar konkretisiert und genügen die vorliegenden Berichte im Rahmen einer Gesamtbetrachtung für die Glaubhaftmachung der geltend gemachten häuslichen Gewalt, zumal Art. 50 Abs. 2 AuG über die Glaubhaftmachung hinaus keinen eigentlichen Beweis einer Gewaltausübung verlangt.


3.8 Daraus folgt, dass die Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäss Art. 50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AuG aufgrund der glaubhaft gemachten häuslichen Gewalt vorliegen. Es braucht daher nicht weiter geprüft zu werden, ob diese Voraussetzungen auch aufgrund der Unzumutbarkeit ihrer Rückkehr nach Algerien nach ihrer gescheiterten Ehe erfüllt wären.


Schliesslich stehen der Bewilligungserteilung auch keine Widerrufsgründe gemäss Art. 62 AuG entgegen, welche die Bewilligung gemäss Art. 51 AuG zum Erlöschen brächte, zumal sich die Rekurrentin von der Sozialhilfe per Ende Juli 2020 hat ablösen können und ihren Bedarf mit eigenem Erwerbseinkommen zu bestreiten vermag (vgl. Lohnabrechnungen Juni bis August 2020, act. 4/2, sowie das Schreiben [...] vom 29. September 2020).


3.9 Bei der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AuG bildet die erfolgreiche Integration (vgl. Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG) des betroffenen Ehegatten keine Voraussetzung und muss somit nicht geprüft werden. Es darf jedoch festgehalten werden, dass sich aus zahlreichen Unterlagen in den Akten ergibt, dass die Rekurrentin aus eigenem Antrieb beachtliche Anstrengungen unternommen hat, um in der Schweiz ein selbständiges Leben ohne Sozialhilfe-abhängigkeit führen zu können (vgl. bereits AGE ZB.2018.1 vom 29. August 2018 E.6.2). Beispielhaft sei Folgendes erwähnt: Die Rekurrentin hat unzählige Deutschkurse besucht und so vergleichsweise schnell gute Sprachkenntnisse erworben (vgl.unter anderem Aktionsplan RAV vom 24. Oktober 2018, Beilage 2 zum Rekurs an das JSD vom 19. April 2019). Während ihres Aufenthalts im Frauenhaus orientierte sie sich beruflich neu und hat trotz ihrer akademischen Ausbildung eine Stelle in der Reinigungsbranche angenommen, wo sie innert kürzester Zeit eine höhere Position einnehmen konnte (Bericht Frauenhaus vom 20.September 2017). Diese Angaben werden auch von der Opferhilfe gestützt (Bericht der Opferhilfe vom 14. November2017) und ergeben sich sodann aus dem Zwischenzeugnis des Arbeitgebers vom 1. Februar 2018 (Beilage 11 zur Eingabe der Rekurrentin an Bereich BdM vom 6. August 2018). Im Herbstsemester 2017 besuchte die Rekurrentin im Rahmen des «Offenen Hörsaals» drei Kurse an der Universität Basel (Beilage 7 zur Eingabe der Rekurrentin an Bereich BdM vom 6. August 2018). Seit dem 1. Dezember 2017 hat die Rekurrentin eine eigene Wohnung (Beilage 4 zur Rekursbegründung vom 28.September 2020). Nachdem sie im Jahre 2019 in der Buchhaltungsabteilung bei [...] tätig war (vgl. Zwischenzeugnis vom 18. September 2019, Beilage 23 zur Replik an das JSD vom 27. September 2019), arbeitet die Rekurrentin seit Mitte Juni 2020 [...] als Praktikantin mit Aussicht auf eine Festanstellung (Beilage1 zur Rekursbegründung vom 28. September2020; Arbeitsvertrag vom 1.Juni 2020, eingereicht beim JSD mit Eingabe vom 17. Juli2020). Sowohl ihr Job Coach als auch ihr bisheriger sowie aktueller Vorgesetzter finden nur lobende Worte zur Arbeitsweise und Persönlichkeit der Rekurrentin, ihrer Motivation und ihrem Ehrgeiz (Beilagen 1 zur Rekursbegründung vom 28. September 2020; Beilage 9 eingereicht mit Schreiben vom 14. Oktober 2020; Beilage 11 zur Eingabe der Rekurrentin an Bereich BdM vom 6. August 2018). Die Rekurrentin besuchte einen Vorkurs in Finanzbuchhaltung sowie einen Lehrgang zur Sachbearbeiterin Rechnungswesen an der Handelsschule KV Basel (Beilagen 6 und 7 zur Rekursbegründung an das JSD vom 17. April 2019; Beilage 21 zur Replik an das JSD vom 27. September 2019). Die Rekurrentin absolvierte im Herbst 2020 eine Diplomprüfung zur «Sachbearbeiter/-in Rechnungswesen» (Beilage 7 zur Rekursbegründung vom 28. September 2020). Schliesslich ist die Rekurrentin mindestens seit Frühlingssemester 2019 bei [...] der Universität Basel immatrikuliert (Studierendenausweis Frühlingssemester 2019 und Immatrikulationsbestätigung Herbstsemester 2019, beides bei den Akten des Migrations-amtes; Beilagen 9 und 10 zur Rekursbegründung an das JSD vom 17. April 2019; Beilage 8 zur Rekursbegründung vom 28. September 2020 [Immatrikulationsbestätigung Herbstsemester 2020]). Die Rekurrentin ist folglich in beruflicher und privater Hinsicht sehr bemüht, sich durch Erwerb von Sprachkompetenzen und Bildung und durch ihre Teilnahme am Wirtschaftsleben in der Schweiz zu integrieren.

4.

Gemäss Art. 99 Abs. 1 AuG legt der Bundesrat fest, in welchen Fällen dem SEM Aufenthaltsbewilligungen zur Zustimmung zu unterbreiten sind. Gemäss Art. 85 Abs.2 der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE, SR142.201) legt das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) in einer Verordnung fest, in welchen Fällen die Aufenthaltsbewilligung dem Zustimmungsverfahren unterliegt. Gemäss Art. 4 lit. d der Verordnung des EJPD über die dem Zustimmungsverfahren unterliegenden ausländerrechtlichen Bewilligungen und Vorentscheide (SR 142.201.1) ist die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft dem SEM zur Zustimmung zu unterbreiten. Gemäss Art. 99 Abs. 2 AIG kann das SEM die Zustimmung zum Entscheid einer kantonalen Verwaltungsbehörde einer kantonalen Beschwerdeinstanz verweigern diesen Entscheid befristen an Bedingungen und Auflagen knüpfen. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung in einem dem Zustimmungsverfahren unterliegenden Fall auch dann dem SEM zur Zustimmung zu unterbreiten ist, wenn sie von einem kantonalen Gericht angeordnet worden ist (vgl. Botschaft zur Revision des Ausländergesetzes [AuG] [Verfahrensnormen und Informationssysteme] vom 2. März 2018, in: BBl 2018 S. 1685 ff., 1703 und 1739). Im vorliegenden Fall geht es um die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung der Rekurrentin nach der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft. Das Migrationsamt hat die Verlängerung deshalb dem SEM zur Zustimmung zu unterbreiten. Der Ausweis darf erst ausgestellt werden, wenn die Zustimmung des SEM vorliegt (Art. 86 Abs. 5 VZAE).


5.

5.1 Aus diesen Erwägungen folgt, dass der Rekurs gutzuheissen ist und der angefochtene Entscheid des Justiz- und Sicherheitsdepartements vom 26. August 2020 sowie die Verfügung des Bereichs Bevölkerungsdienste und Migration vom 18. März 2019 aufgehoben werden.


5.2 Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind in Anwendung von § 6 und §7 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsgebühren (VGG, SG 153.800) sowie §30 Abs. 1 VRPG für das verwaltungsinterne und das verwaltungsgerichtliche Rekursverfahren keine Verfahrenskosten zu erheben und hat das JSD der Rekurrentin für das verwaltungsgerichtliche Rekursverfahren eine Parteientschädigung zu bezahlen. Für das verwaltungsinterne Verfahren wird nach erfolgter Entschädigung der Vertreterin der unentgeltlich prozessierenden Rekurrentin kein entsprechender Antrag gestellt, weshalb darauf nicht näher einzugehen ist. Aufgrund der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im vorliegenden Verfahren steht die Forderung auf die Parteientschädigung der unentgeltlichen Rechtsvertreterin zu. Das JSD hat die Parteientschädigung deshalb direkt dem unentgeltlichen Rechtsbeistand zu zahlen (vgl. BGer 5A_754/2013 vom 4. Februar 2014 E. 5; VGE VD.2018.158 vom 30. Juni 2020 E. 2.5; AGE ZB.2018.20 vom 14. September 2018 E. 4.2 und ZB.2016.39 vom 20. Juli 2017 E. 9.3.2). Mit Eingabe vom 21. Dezember 2020 machte die Rekurrentin einen Aufwand ihrer Vertreterin von 16 Stunden und 35 Minuten geltend. Dieser Aufwand erscheint zwar vor dem Hintergrund der bereits im vorinstanzlichen Verfahren übernommenen Vertretung eher hoch, kann aber noch als angemessen bezeichnet werden. Daraus ergibt sich zum Überwälzungstarif ein Honorar von CHF4'145.85. Mit den geltend gemachten Auslagen von CHF 91.15 resultiert eine Parteientschädigung von CHF 4'237.- zuzüglich Mehrwertsteuer.



Demgemäss erkennt das Verwaltungsgericht (Dreiergericht):


://: Der Rekurs wird gutgeheissen und der Entscheid des Justiz- und Sicherheitsdepartements vom 26. August 2020 sowie die Verfügung des Bereichs Bevölkerungsdienste und Migration vom 18. März 2019 werden aufgehoben. Der Bereich Bevölkerungsdienste wird angewiesen, die Sache dem Staatssekretariat für Migration zum Entscheid über die Zustimmung zur Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung der Rekurrentin zu unterbreiten.


Für das verwaltungsinterne und das verwaltungsgerichtliche Rekursverfahren werden keine Verfahrenskosten erhoben.


Das Justiz- und Sicherheitsdepartement hat der Rekurrentin für das verwaltungsgerichtliche Rekursverfahren eine Parteientschädigung von CHF 4'237.-, zuzüglich 7,7 % MWST von CHF 326.25, zu bezahlen.


Mitteilung an:

- Rekurrentin

- Justiz- und Sicherheitsdepartement Basel-Stadt

- Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt

- Staatssekretariat für Migration (SEM)


APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT


Die Gerichtsschreiberin

MLaw Sabrina Gubler


Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 82 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben werden. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht (1000 Lausanne 14) einzureichen. Für die Anforderungen an deren Inhalt wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.


Ob an Stelle der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ein anderes Rechtsmittel in Frage kommt (z.B. die subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 113 BGG), ergibt sich aus den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen. Wird sowohl Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten als auch Verfassungsbeschwerde erhoben, sind beide Rechtsmittel in der gleichen Rechtsschrift einzureichen.



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