Zusammenfassung des Urteils VD.2015.114 (AG.2015.733): Appellationsgericht
Die Beschwerdeführerin hat gegen einen Entscheid der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Basel-Stadt vom 8. Mai 2015 Rekurs eingelegt, der die Erweiterung der Aufgabenbereiche der Beistandsperson sowie weitere Massnahmen des Erwachsenenschutzes betrifft. Die Beschwerdeführerin fühlt sich belästigt und verfolgt und beantragt die Erweiterung der Beistandschaft aufgrund von Schwierigkeiten. Das Gericht entscheidet, dass die negativen Folgen des Schwächezustands der Beschwerdeführerin anders begegnet werden können und weist die Beschwerde ab. Es wird auf die Erhebung einer Gebühr verzichtet.
Kanton: | BS |
Fallnummer: | VD.2015.114 (AG.2015.733) |
Instanz: | Appellationsgericht |
Abteilung: |
Datum: | 02.10.2015 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Dahinstellung des Verfahrens auf Erweiterung der Aufgabenbereiche der Beistandsperson sowie auf Prüfung von weiteren Massnahmen des Erwachsenenschutzes |
Schlagwörter: | Erwachsenenschutz; Massnahme; Massnahmen; Beistand; Entscheid; Person; Erweiterung; Verwaltung; Beistands; Behandlung; Erwachsenenschutzbehörde; Basel; Aufgabe; Wohnung; Rechtsmittel; Kantons; Verwaltungsgericht; Kindes; Erwachsenenschutzes; Bundesgericht; Basel-Stadt; Prüfung; Beistandschaft; Ersatzbeiständin; Kantonspolizei; Verfahren; Erhebung; Akten |
Rechtsnorm: | Art. 113 BGG ;Art. 389 ZGB ;Art. 394 ZGB ;Art. 403 ZGB ;Art. 42 BGG ;Art. 450 ZGB ;Art. 450f ZGB ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht |
VD.2015.114
URTEIL
vom 2.Oktober2015
Mitwirkende
Dr. Stephan Wullschleger (Vorsitz), lic. iur. Christian Hoenen,
lic. iur. Bettina Waldmann, Dr. Caroline Cron, Dr. Annatina Wirz
und Gerichtsschreiber Dr. Urs Thönen
Beteiligte
A____ Beschwerdeführerin
[ ]
gegen
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Beschwerdegegnerin
Rheinsprung 16/18, Postfach 1532, 4001 Basel
Gegenstand
Rekurs gegen einen Entscheid der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde vom 8. Mai 2015
betreffend Dahinstellung des Verfahrens auf Erweiterung der Aufgabenbereiche der Beistandsperson sowie auf Prüfung von weiteren Massnahmen des Erwachsenenschutzes
Sachverhalt
Mit Entscheid der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Basel-Stadt (KESB) vom 25. Juli2013 wurde für A____ (Beschwerdeführerin) eine Beistandschaft gemäss Art. 394 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 395 des Zivilgesetzbuchs (ZGB) angeordnet. Dem Beistand wurde die Aufgabe übertragen, das Guthaben auf dem Anlagesparkonto der Beschwerdeführerin sorgfältig zu verwalten. Mit Entscheid der KESB vom 10. Oktober 2014 wurde infolge längerer Abwesenheit des Beistandes eine Ersatzbeiständin gemäss Art. 403 ZGB eingesetzt.
Mit Schreiben der Psycho-Sozialen Dienste der Kantonspolizei Basel-Stadt vom 4.Juni 2014 wurde die KESB um Prüfung ersucht, ob weitergehende Massnahmen des Erwachsenenschutzes für die Beschwerdeführerin anzuordnen sind. Nachdem die KESB die notwendigen Abklärungen durchgeführt hatte, wurde das Verfahren auf Erweiterung der Aufgabenbereiche der Beistandsperson sowie auf Prüfung von weiteren Massnahmen des Erwachsenenschutzes mit Entscheid der KESB vom 8.Mai2015 dahingestellt. Auf die Erhebung einer Gebühr wurde verzichtet.
Gegen diesen Entscheid der KESB erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 8. Juni 2015 Einspruch und stellte Antrag auf einen Rechtsbeistand. Die KESB schliesst mit Vernehmlassung vom 18. Juni 2015 auf Abweisung der Beschwerde. Mit Eingabe vom 2. Juli 2015 teilte die Beschwerdeführerin ihren Wunsch mit, eine Parteiverhandlung durchzuführen. Anlässlich der heutigen Verhandlung kamen die Beschwerdeführerin, die Ersatzbeiständin und der Vertreter der KESB zu Wort.
Erwägungen
1.
Gegen Entscheide der Kinder- und Erwachsenenschutzbehörden kann gemäss Art.450 Abs. 1 ZGB sowie § 17 Abs. 1 des Kindes- und Erwachsenenschutzgesetzes (KESG) Beschwerde an das Verwaltungsgericht geführt werden. Für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht gelten in Erwachsenenschutzsachen in erster Linie die Bestimmungen von Art. 450 ff. ZGB, subsidiär diejenigen des KESG sowie des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRPG) und schliesslich jene der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) in sinngemässer Ergänzung dieser beiden kantonalen Erlasse (§ 19 Abs. 1 KESG in Verbindung mit Art. 450f ZGB). Als von den Massnahmen des Erwachsenenschutzes direkt betroffene Person ist die Beschwerdeführerin zur Erhebung des Rechtsmittels legitimiert (Art. 450 Abs. 2 Ziff. 1 und 3 ZGB). Auf ihre Beschwerde ist demnach einzutreten.
2.
Die Beschwerdeführerin beantragt die Erweiterung der Beistandschaft aufgrund einer Liste von Schwierigkeiten (Beschattung, Beschimpfung, körperliche Attacken, Fotografiert- und Überwachtwerden etc.). Sie fühlt sich seit mehreren Jahren belästigt und verfolgt, was zu zahlreichen Kontakten mit der Polizei führte, die in den Akten belegt sind. Aufgrund der Befürchtung der Beschwerdeführerin, es gebe unerlaubte Zugriffe auf ihr Bankkonto, wurde die bestehende Beistandschaft zur Verwaltung dieses Bankkontos errichtet.
Nach Ansicht der KESB würde sich die Situation der Beschwerdeführerin durch die Erweiterung der Aufgaben des Beistands nicht verbessern, allenfalls sogar verschlechtern. Auch würden sich keine weiteren Massnahmen wie etwa eine fürsorgerische Unterbringung aufdrängen. Zwar gehe aus den Akten deutlich hervor, dass die Beschwerdeführerin behandlungsbedürftig sei und sie von einer Behandlung voraussichtlich auch profitieren könnte. Es liege aber keine konkrete, unmittelbare und erhebliche Selbstgefährdung vor, welche die Anordnung einer fürsorgerischen Unterbringung zu rechtfertigen vermöchte.
In der heutigen Verhandlung führt die Beschwerdeführerin aus, sie sei bei Dr. B____ in Behandlung, nehme aber keine Medikamente, damit sie nüchtern und wach bleibe. Es sei ihr wichtig, dass sie ihre Wohnung behalten könne. Die Ersatzbeiständin sagte, ihre Aufgabe sei eigentlich reine Vermögensverwaltung, wobei sie auch schon persönliche Gespräche geführt und die Beschwerdeführerin zu einem Termin begleitet habe. Der Vertreter der KESB führte aus, der behandelnde Arzt, Dr. B____, habe erklärt, dass eine Erweiterung der Massnahme keinen Erfolg erzielen würde, dass die Beschwerdeführerin aber eine Ansprechperson brauche. Zu den befürchteten Problemen mit der Wohnung sagte er, dass man die Beschwerdeführerin bei Bedarf unterstützen werde. Beide Behördenvertreter sind sich einig, dass eine Erweiterung der Massnahme nicht zweckdienlich wäre.
3.
Im Sinne der Subsidiarität dürfen Massnahmen des Erwachsenenschutzrechts nur angeordnet erweitert werden, wenn den negativen Folgen eines Schwächezustands der betroffenen Person nicht anders begegnet werden kann. Die mit der Anordnung einer Vertretungsbeistandschaft verbundene Einmischung in die Privatsphäre einer Person fällt ausser Betracht, wenn die betroffene Person für ihre Vertretung auf geeignete Hilfe durch die Familie, andere nahestehende Personen private öffentliche Dienste zählen kann (Art. 389 Abs. 1 ZGB; Henkel, in: Basler Kommentar Erwachsenenschutz, Basel 2012, Art.389 ZGB N 2, 5 f.; Meier, in: Büchler et al. [Hrsg.], FamKomm Erwachsenenschutz, Bern 2013, Art. 394 ZGB N1). Ausserdem muss die Anordnung jeder vormundschaftlichen Massnahme gemäss Art.389 Abs. 2 ZGB verhältnismässig, das heisst erforderlich und geeignet sein. Erforderlich bedeutet, dass die Massnahme das mildeste zielführende Mittel zum Schutz der betroffenen Person darstellen muss. Geeignet ist die Massnahme, wenn sie nicht am Ziel vorbeischiesst. Eine Massnahme, die im Hinblick auf den angestrebten Zweck wirkungslos ist die Erreichung dieses Zwecks erschwert, ist nicht geeignet. Insgesamt muss die Massnahme bestmöglich auf die konkreten Verhältnisse ausgerichtet sein (Henkel, a.a.O., Art. 389 ZGB N 11; Häfeli, in: FamKomm Erwachsenenschutz, a.a.O., Art. 389 ZGB N12).
4.
Es ist offensichtlich, dass die Beschwerdeführerin unter den geschilderten Bedrohungen leidet. Fraglich ist jedoch, worauf diese Bedrohungen zurückzuführen sind. Das Gericht teilt den Eindruck der KESB und der Kantonspolizei, dass sich diese Bedrohungen im Wesentlichen nicht in der äusseren Welt, sondern in der Vorstellung der Beschwerdeführerin abspielen. Ein Hinweis dafür ist etwa der Umstand, dass während rund 10 Jahren und trotz vieler Meldungen bei der Kantonspolizei keine objektiven Gründe für Verfolgungen und Belästigungen gefunden werden konnten. Es ist daher nicht der richtige Ansatz, diesbezüglich Massnahmen des Erwachsenenschutzrechts anzuordnen.
Soweit reale Vorfälle in den Akten dokumentiert sind, entsteht der Eindruck, dass andere Menschen sich durch das Verhalten der Beschwerdeführerin bedroht fühlen. So lassen sich etwa der Ausschluss der Beschwerdeführerin aus dem Fitnesscenter Konflikte mit Handynutzern dadurch erklären, dass die betroffenen Personen vom Verhalten der Beschwerdeführerin überrascht, überrumpelt beleidigt wurden und es deshalb zum Konflikt gekommen ist. Besorgnis erweckt auch die Meldung, dass die Beschwerdeführerin einen 11-jährigen Jungen, der wegen einer entlaufenen Katze an ihrer Türe läutete, an den Haaren in ihre Wohnung gezerrt, in den Bauch gestossen und eingesperrt haben soll. Dieses Verhalten ist für Aussenstehende schwer erklärbar und es ist wohl ratsam, zur Vermeidung ähnlicher Vorfälle Unterstützung zu beanspruchen. In diesem Sinne ist die Ansicht der Vorinstanz zu bestätigen, dass die Beschwerdeführerin von einer medizinischen Behandlung profitieren könnte.
Die Beschwerdeführerin ist nach eigener Angabe bei Dr. B____ in ärztlicher Behandlung. Darüber hinaus sind keine Massnahmen des Erwachsenenschutzrechts ersichtlich, die zum Abbau der Schwierigkeiten beitragen könnten. Weder kann die Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführerin über ihre Bedrohungslage verändern, noch kann sie die Beschwerdeführerin ständig begleiten um zu verhindern, dass sie Drittpersonen anspricht, von denen sie sich bedroht fühlt, und diesen Vorwürfe macht. Indessen ist die Beschwerdeführerin zu ermutigen, die ärztliche Behandlung fortzusetzen und mit dem Arzt auch das Gespräch über mögliche und zumutbare Formen der medikamentösen Behandlung zu suchen. Weiter ist die Erwachsenenschutzbehörde bei ihrer Aussage zu behaften, wonach sie die Beschwerdeführerin unterstützen werde, wenn Probleme mit ihrer Wohnung auftreten sollten. Mögliche Probleme wie eine befürchtete, aber glücklicherweise nicht eingetretene Wohnungsnot rechtfertigen jedoch keine Massnahme auf Vorrat.
5.
Daraus folgt, dass die Beschwerde abzuweisen ist. Umständehalber wird auf die Erhebung einer Gebühr verzichtet.
Demgemäss erkennt das Verwaltungsgericht:
://: Die Beschwerde wird abgewiesen.
Für das Beschwerdeverfahren werden umständehalber keine Kosten erhoben.
Mitteilung an:
- Beschwerdeführerin
- KESB
APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT
Der Gerichtsschreiber
Dr. Urs Thönen
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 82 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben werden. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht (1000 Lausanne 14) einzureichen. Für die Anforderungen an deren Inhalt wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.
Ob an Stelle der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ein anderes Rechtsmittel in Frage kommt (z.B. die subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 113 BGG), ergibt sich aus den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen. Wird sowohl Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten als auch Verfassungsbeschwerde erhoben, sind beide Rechtsmittel in der gleichen Rechtsschrift einzureichen.
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