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Urteil Appellationsgericht (BS)

Kopfdaten
Kanton:BS
Fallnummer:BES.2020.222 (AG.2021.219)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid BES.2020.222 (AG.2021.219) vom 15.03.2021 (BS)
Datum:15.03.2021
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Teilnahme- und Informationsrechte und unentgeltliche Verbeiständung
Schlagwörter: Beschwerde; Verfahren; Beschwerdeführer; Verfahrens; Beschwerdegegner; Staatsanwaltschaft; Schuldig; Unentgeltliche; Partei; Mittelbar; Raufhandel; Geschädigte; Person; Rechtspflege; Unmittelbar; Welche; Beschuldigt; Beschuldigte; Andere; Interesse; Privatkläger; Werden; Gefährdung; Raufhandels; Mittelbare; Geschädigten; Gemäss; Privatklägerschaft; Anzeige; Vorliegend
Rechtsnorm: Art. 101 StPO ; Art. 105 StPO ; Art. 107 StPO ; Art. 115 StPO ; Art. 118 StPO ; Art. 136 StPO ; Art. 147 StPO ; Art. 29 StPO ; Art. 301 StPO ; Art. 42 BGG ; Art. 428 StPO ; Art. 48 BGG ; Art. 5 StPO ;
Referenz BGE:133 III 614; 138 IV 214; 138 IV 29; 140 IV 155; 140 IV 172; 141 IV 220; 141 IV 380; 141 IV 454; 145 IV 454; 145 IV 491;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

Einzelgericht



BES.2020.222


ENTSCHEID


vom 15. März 2021



Mitwirkende


lic. iur. Liselotte Henz

und Gerichtsschreiber Dr. Nicola Inglese




Beteiligte


A____, geb. [...] Beschwerdeführer

[...]

vertreten durch [...], Advokat,

[...]

gegen


Staatsanwaltschaft Basel-Stadt Beschwerdegegnerin

Binningerstrasse 21, 4001 Basel


B____ Beschwerdegegner

Adresseunbekannt Beschuldigter


Gegenstand


Beschwerde gegen eine Verfügung der Staatsanwaltschaft

vom 7. Dezember 2020


betreffend unentgeltliche Rechtspflege und Geltendmachung weiterer Verfahrensrechte



Sachverhalt


Am 14. Januar 2017, um 02:44 Uhr, ereignete sich vor der Liegenschaft [...] an der Heuwaage in Basel eine körperliche Auseinandersetzung zwischen mehreren Personen, sodass schlussendlich die Polizei wegen einer am Kopf blutenden Person, welche sich als B____ (Beschwerdegegner) entpuppte, anrücken musste. Gemäss rechtsmedizinischem Gutachten erlitt dieser eine Gehirnerschütterung, eine sechs Zentimeter lange Riss-Quetsch-Wunde an der rechten Schläfe sowie eine Rissverletzung am linken Ohrläppchen. Aufgrund dieses Vorfalls eröffnete die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt ein Verfahren gegen A____ (Beschwerdeführer) und seine beiden Kollegen C____ und D____. Mit Schreiben vom 19. April 2017 erstattete der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, [...], Advokat, Gegenanzeige, mit welcher er die Einleitung eines Verfahrens wegen Raufhandels gegen den Beschwerdegegner beantragte. Zur Begründung verwies er auf die Einvernahme vom 12. April 2017, in welcher D____ ausgesagt habe, der Beschwerdegegner «habe gegen C____ [sic!] getreten und ihn, D____, getroffen». In der Folge eröffnete die Staatsanwaltschaft am 24. April 2017 ein Verfahren gegen den Beschwerdegegner wegen Raufhandels und Körperverletzung. Nachdem die Staatsanwaltschaft gegen den Beschwerdeführer, C____ und D____ wegen versuchter schwerer Körperverletzung, eventualiter Angriff Anklage erhoben hatte (Anklageschrift vom 8.Mai 2017 Ziff. 10), wurden die drei Beschuldigten mit Urteil des Strafgerichts SG.2017.105 vom 6. September 2017 auch in dieser Sache u.a. wegen Raufhandels schuldig gesprochen. Gegen dieses Urteil legte der Beschwerdeführer Berufung (Berufungserklärung vom 8. Januar 2018, Berufungsbegründung vom 26.März 2018) und die Staatsanwaltschaft Anschlussberufung (Eingaben vom 23.Januar 2018 und 16. März 2018) ein. Während der Beschwerdeführer im Wesentlichen einen Freispruch sowie eine Haftentschädigung forderte, beantragte die Staatsanwaltschaft einen Schuldspruch wegen versuchter schwerer Körperverletzung, eventualiter Angriffs, die Verurteilung zu einer entsprechend höheren Strafe sowie die Landesverweisung. Mit Urteil SB.2018.2 vom 26. August 2020 schützte das Appellationsgericht den gegen den Beschwerdeführer ergangenen Schuldspruch des Strafgerichts und wies die Berufung sowie die Anschlussberufung ab.


Mit Schreiben vom 25. September 2020 ersuchte der Beschwerdeführer um unentgeltliche Rechtspflege und um Gewährung der Teilnahmerechte sowie der Informationsrechte am Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner. Mit Verfügung vom 7.Dezember2020 wies die Staatsanwaltschaft dieses Gesuch ab. Dagegen hat der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 18. Dezember 2020 Beschwerde erhoben. Er beantragte, es sei festzustellen, dass dem Beschwerdeführer im Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner die Parteirechte eines Geschädigten und jene eines Mitbeschuldigten in analoger Anwendung zustehen würden, und es sei ihm der Unterzeichnende als unentgeltlicher Beistand beizugeben. Ferner sei dem Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren die unentgeltliche Rechtspflege und die unentgeltliche Verbeiständung zu gewähren, unter o/e-Kostenfolge zu Lasten der Beschwerdegegnerin. Mit Stellungnahme vom 28. Januar 2021 beantragte die Staatsanwaltschaft die kostenfällige Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werde. Zudem seien dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtspflege und die unentgeltliche Verbeiständung durch seinen Rechtsvertreter nicht zu gewähren. Mit Replik vom 26.Februar2021 hielt der Beschwerdeführer an seinen Anträgen fest. Mit unaufgefordertem Schreiben vom 2. März 2021 reichte der Beschwerdeführer seine Honorarnote ein.


Der vorliegende Entscheid ist aufgrund der Akten ergangen. Die Einzelheiten der Parteistandpunkte ergeben sich - soweit für den Entscheid von Bedeutung - aus den nachfolgenden Erwägungen.



Erwägungen

1.

1.1 Gegen Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Staatsanwaltschaft kann innert 10Tagen schriftlich und begründet Beschwerde erhoben werden (Art.20 Abs.1 lit.b in Verbindung mit Art.393 Abs.1 lit.a und Art.396 Abs.1 der Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO, SR312.0]). Zur Beschwerde legitimiert ist jede Partei, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung eines Entscheids hat (Art.382 Abs.1 StPO).


1.2 Der Begriff «Partei» wird umfassend im Sinne von Art.104 und 105 StPO verstanden. Neben der beschuldigten Person, der Staatsanwaltschaft und der Privatklägerschaft kann auch jede andere am Verfahren beteiligte Person, wie namentlich die Anzeige erstattende, zur Beschwerde legitimiert sein, sofern diese Person sich am erstinstanzlichen Verfahren beteiligt hat bzw. von diesem berührt ist und ein rechtlich geschütztes Interesse geltend machen kann (Lieber, in: Donatsch etal. [Hrsg.], Kommentar zur StPO, 3.Auflage, Zürich 2020, Art.382 N2; Schmid/Jositsch, StPO Praxiskommentar, 3.Auflage2018, Art.382 N1 f.; AGE BES.2020.130 vom 27. August 2020 E. 1.2).


Der Beschwerdeführer ist durch die Abweisung seines Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege und der Verweigerung der Gewährung der Teilnahmerechte sowie der Informationsrechte am Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner unmittelbar in eigenen Interessen tangiert und entsprechend zur Beschwerdeerhebung legitimiert (vgl. Lieber, a.a.O., Art.136N13 und 393N16). Die Frage, ob er als Partei die entsprechenden Rechte beanspruchen kann, ist in der vorliegenden Konstellation auf materieller Ebene zu beurteilen.


1.3 Auf die form- und fristgerecht (Art.396 Abs.1 StPO) eingereichte Beschwerde ist einzutreten. Zuständig ist das Appellationsgericht als Einzelgericht (§88 Abs.1 in Verbindung mit §93 Abs.1 Ziff.1 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG, SG154.100]). Die Kognition des Beschwerdegerichts ist frei und nicht auf Willkür beschränkt (Art.393 Abs.2 StPO; AGE BES.2020.130 vom 27. August 2020 E. 1.3).


2.

Materieller Streitgegenstand bildet die Frage, ob und inwiefern dem Beschwerdeführer im Verfahren des Beschwerdegegners in Verneinung einer entsprechenden Parteistellung die unentgeltliche Prozessführung gemäss Art. 136 StPO sowie die Gewährung von Verfahrensrechten von der Staatsanwaltschaft zu Recht verweigert wurden.


2.1

2.1.1 Gemäss Art. 107 StPO haben die Parteien Anspruch auf rechtliches Gehör; sie haben namentlich das Recht Akten einzusehen, an Verfahrenshandlungen teilzunehmen, einen Rechtsbeistand beizuziehen, sich zur Sache und zum Verfahren zu äussern und Beweisanträge zu stellen. Für die Frage der unentgeltlichen Verbeiständung und die Teilnahmerechte ist mithin an den Begriff der Partei anzuknüpfen. Partei sind namentlich die beschuldigte Person (Art. 104 Abs. 1 lit. a StPO) sowie die Privatklägerschaft (Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO). Art. 136 Abs. 1 StPO hält diesbezüglich fest, dass die Verfahrensleitung der Privatklägerschaft für die Durchsetzung ihrer Zivilansprüche ganz oder teilweise die unentgeltliche Rechtspflege gewährt. Als Privatklägerschaft gilt die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin zu beteiligen (Art. 118 Abs. 1 StPO). Es reicht insofern nicht aus, dass der Geschädigte z.B. im Rahmen einer Strafanzeige, die Strafverfolgung und Bestrafung des Angezeigten verlangt, sondern er muss darüber hinaus zum Ausdruck bringen, dass er im Strafverfahren die Parteirechte beanspruchen will (Mazzucchelli/Postizzi, in: Basler Kommentar, 2. Auflage 2014, Art. 115 StPO N 5 ff.). Geschädigte Person ist, wer durch die Straftat in ihren Rechten unmittelbar verletzt worden ist (Art. 115 Abs. 1 StPO). Die Umschreibung der unmittelbaren Verletzung in eigenen Rechten geht vom Begriff des Rechtsgutes aus. Unmittelbar verletzt und geschädigt im Sinne vonArt. 115 StPOist, wer Träger des durch die verletzte Strafnorm geschützten oder zumindest mitgeschützten Rechtsgutes ist. Im Zusammenhang mit Strafnormen, die nicht primär Individualrechtsgüter schützen, gelten praxisgemäss nur diejenigen Personen als Geschädigte, die durch die darin umschriebenen Tatbestände in ihren Rechten beeinträchtigt werden, sofern diese Beeinträchtigung unmittelbare Folge der tatbestandsmässigen Handlung ist (BGE 140 IV 155E.3.2 S. 157 f., 139 IV 78E. 3.3.3 S. 81 f., 138 IV 258E. 2.2 und 2.3 S.262 f.; je mit Hinweisen). Bei Straftaten gegen kollektive Interessen reicht es für die Annahme der Geschädigtenstellung im Allgemeinen aus, dass das von der geschädigten Person angerufene Individualrechtsgut durch den Straftatbestand auch nur nachrangig oder als Nebenzweck geschützt wird (Mazzucchelli/Postizzi, a.a.O., Art.115 StPO N 21, 46 und 68 ff.). Werden durch Delikte, die (nur) öffentliche Interessen verletzen, private Interessen auch, aber bloss mittelbar beeinträchtigt, so ist der Betroffene nicht Geschädigter im Sinne vonArt. 115 Abs. 1 StPO(BGE 141 IV 454 E. 2.3.1 S. 457, 140 IV 155E. 3.2 S. 158,138 IV 258E. 2.3 S. 263; je mit Hinweisen). Beim Tatbestand des Raufhandels gemässArt. 133 Strafgesetzbuch (StGB, SR 311.0) handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, bei welchem es keine Geschädigten im Sinne vonArt. 115 Abs. 1 StPO gibt, es sei denn, jemand werde als Folge der Begehung eines solchen Delikts konkret gefährdet. Er schützt primär das öffentliche Interesse, Schlägereien (unter mindestens drei Beteiligten) zu verhindern und nur in zweiter Linie das Individualinteresse der Opfer von solchen Schlägereien. In Bezug auf die Beschwerdelegitimation wird insofern vorausgesetzt, dass der Beschwerdeführende durch die Auseinandersetzung verletzt respektive zumindest konkret gefährdet worden ist (vgl. BGE 145 IV 491 E. 2.3.2 S. 495 f., 141 IV 454 E.2.3.2 S. 457 f.; jeweils mit Hinweisen).


2.1.2 Parteistellung haben Anzeigestellende demnach grundsätzlich nur, wenn sie durch die beanzeigten Delikte selbst und unmittelbar in ihren Rechten verletzt worden sind und ausdrücklich erklären, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilkläger zu beteiligen (Art. 104 Abs. 1 lit.b StPO in Verbindung mit Art. 115 und 118 StPO; BGE 141 IV 380 E.2.3.1 S. 384 f.; BGer1B_426/2015 vom 17.Mai 2016 E.1.4; AGEBES.2015.77 vom 14.März 2016 E. 1.2). Ist die anzeigestellende nicht gleichzeitig geschädigte Person, ist sie andernfalls «andere Verfahrensbeteiligte» im Sinne von Art. 105 Abs. 1 lit. b StPO, und als solcher stehen ihr nur dann Verfahrensrechte zu, wenn und soweit sie durch das Strafverfahren unmittelbar betroffen wird (vgl. Küffer, in: Basler Kommentar, 2. Auflage 2014, Art.105 StPO N12; Riedo/Boner, in: Basler Kommentar, 2. Auflage 2014, Art. 301 StPO N23; Schmid/Jositsch, a.a.O., Art. 105 N 10). Die unmittelbare Betroffenheit in den Rechten im Sinne von Art. 105 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 StPO ist analog der unmittelbaren Rechtsverletzung im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO auszulegen. Dies bedeutet, dass eine bloss mittelbare bzw. faktische Betroffenheit für die Einräumung von Parteirechten nicht ausreicht (vgl. Schmid/Jositsch, a.a.O., Art. 105 N 10). Voraussetzung ist vielmehr eine - durch strafprozessuale Verfahrenshandlungen - unmittelbare Beeinträchtigung der betroffenen Person in ihren rechtlich geschützten Interessen. Unmittelbare Betroffenheit liegt stets bei Eingriffen in Grundrechte und Grundfreiheiten vor, also bei der Anordnung von Zwangsmassnahmen (Lieber, a.a.O., Art. 105 N 13; Schmid/Jositsch, a.a.O., Art. 105 N 10; BGer 6B_80/2013 vom 4. April 2013 E.1.2). Aus der Anzeigestellung allein kann kein Beschwerderecht abgeleitet werden. Eine Anzeigestellerin oder ein Anzeigesteller haben gemäss Art. 301 Abs. 2 StPO bloss Anspruch darauf, dass ihnen die Strafverfolgungsbehörden auf Anfrage mitteilen, ob ein Strafverfahren eingeleitet und wie es erledigt wird. Weitergehende Verfahrensrechte stehen ihnen, wenn sie weder Geschädigte im Sinne von Art. 115 StPO, Privatkläger im Sinne von Art. 118 StPO oder unmittelbar betroffene andere Verfahrensbeteiligte im Sinne von Art. 105 Abs. 2 StPO sind, gemäss der ausdrücklichen Vorschrift von Art. 301 Abs.3 StPO nicht zu (vgl. AGE BES.2020.159 vom 7.Dezember2020 E. 1.2.1, BES.2014.62 vom 3. November 2014).


2.2

2.2.1

2.2.1.1 Einerseits leitet der Beschwerdeführer seine Parteistellung im Verfahren gegen den Beschwerdegegner aus seiner angeblichen Rolle als Mitbeschuldigten ab. Die Staatsanwaltschaft habe durch die Weigerung, gegen den Beschwerdegegner zu ermitteln und ihn mit den anderen Teilnehmern des Raufhandels anzuklagen, die vom Gesetz vorgesehene gemeinsame Beurteilung vereitelt. Der Beschwerdeführer habe vor dem Strafgericht deshalb die Sistierung des Verfahrens beantragt, was jedoch abgelehnt worden sei. Damit sei dem Beschwerdeführer die Möglichkeit genommen worden, den Beschwerdegegner zu befragen, sich auf diesen zu berufen etc. Diese Nachteile seien nun zu kompensieren. Durch die Trennung der Verfahren dürfe dem Beschwerdeführer kein Nachteil erwachsen.


2.2.1.2 Mit der zutreffenden Feststellung der Staatsanwaltschaft kommt den Beschuldigten in getrennt geführten Verfahren im jeweils anderen Verfahren keine Parteistellung zu (BGE 140 IV 172 E. 1.2 S. 174 ff., bestätigt in BGE 141 IV 220 E.4.5 S. 230). Es besteht daher kein gesetzlicher Anspruch auf Teilnahme an den Beweiserhebungen und an den Einvernahmen der anderen beschuldigten Personen im eigenständigen Untersuchungs- oder Hauptverfahren (Art. 147 Abs. 1 StPO e contrario). Ebenso wenig hat der separat Beschuldigte in den abgetrennten Verfahren einen Anspruch auf Akteneinsicht als Partei (Art. 101 Abs. 1 StPO). Er ist dort nötigenfalls als Auskunftsperson zu befragen bzw. als nicht verfahrensbeteiligter Dritter zu behandeln. Bei getrennt geführten Verfahren ist die Akteneinsicht an (nicht verfahrensbeteiligte) Dritte nur zu gewähren, wenn diese dafür ein wissenschaftliches oder ein anderes schützenswertes Interesse geltend machen und der Einsichtnahme keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen (Art. 101 Abs. 3 StPO). Diese Einschränkung der Teilnahmerechte von Beschuldigten in getrennten Verfahren im Vergleich zu Mitbeschuldigten im gleichen Verfahren ist vom Gesetzgeber implizit vorgesehen und hinzunehmen (BGE 140 IV 172 E. 1.2.3 S.176).


Abgesehen davon war die Trennung des Verfahrens gegen den Beschwerdeführer vom Verfahren gegen den Beschwerdegegner vorliegend sachlich zulässig. Zwar ist es im Lichte des Grundsatzes der Verfahrenseinheit nach Art. 29 StPO oftmals opportun, Verfahren in Bezug auf Sachverhalte, bei welchen Anzeige und Gegenanzeige bestehen und sich Beteiligte gegenseitig Straftaten vorwerfen, die sie im Rahmen der gleichen Auseinandersetzung begangen haben sollen, zusammen zu führen (vgl. BGE 138 IV 29 E. 5.5 S. 34, mit Hinweisen). Belasten sich die Mittäter und Teilnehmer gegenseitig und ist unklar, welcher Beschuldigte welchen Tatbeitrag geleistet hat, besteht bei getrennten Verfahren die Gefahr sich widersprechender Entscheide, sei es in Bezug auf die Sachverhaltsfeststellung, die rechtliche Würdigung oder die Strafzumessung (BGer 6B_135/2018 vom 22. März 2019 E. 1.2). Die Verfahrenstrennung soll vor allem der Verfahrensbeschleunigung dienen bzw. eine unnötige Verzögerung vermeiden helfen (BGE 138 IV 214 E. 3.2 S. 219; BGer 1B_553/2018 vom 20. Februar 2019 E. 2.1; je mit Hinweisen). Als sachlicher Trennungsgrund gilt etwa die bevorstehende Verjährung einzelner Straftaten oder die Unerreichbarkeit einzelner Mitbeschuldigter (AGE BES.2018.227 vom 21. Juni 2019 E. 1.3.2.4). Ein sachlicher Grund für die Verfahrenstrennung besteht etwa auch, wenn die Strafuntersuchung gegen einen inhaftierten Beschuldigten abgeschlossen ist und die Verschiebung der Hauptverhandlung gegen diesen, weil inzwischen ein Mitbeschuldigter verhaftet worden ist, gegen den Grundsatz der besonderen Beschleunigung in Haftsachen nach Art. 5 Abs. 2 StPO verstiesse (BGer 1B_92/2020 vom 4. September 2020 E. 4.2, 1B_684/2011 vom 21. Dezember 2011 E. 3.2). Im Schrifttum wird darauf hingewiesen, dass die Verfahrenstrennung auch unabdingbar sei, wenn in einem Verfahren gegen mehrere beteiligte beschuldigte Personen gegen Einzelne ein Strafbefehl zu ergehen hat, während gegen die anderen ein ordentliches Verfahren fortzusetzen ist (Schmid/Jositsch, StPO Praxiskommentar, 3. Auflage 2018, Art. 30 N 3). Die Staatsanwaltschaft ging demgemäss ursprünglich von einem Angriff des Beschwerdeführers aus und qualifizierte die Tatbeteiligung des Beschwerdegegners am Raufhandel offenbar als marginal. Auch das Strafgericht (StGE SG.2017.105 vom 6. September 2017 E. III.7.a S. 33 f. und IV.2 S. 39) und in der Folge das Appellationsgericht (AGE SB.2018.2 vom 26. August 2020 E. 2.6) qualifizierten die Handlungen des Beschwerdegegners im Zuge des «einseitigen» Raufhandels als blosse Tätlichkeit («Trutzwehr»), womit eine Trennung nicht zuletzt im Interesse des Beschleunigungsgebots sachlich gerechtfertigt war. Hinzu kommt, dass trotz Vorliegen eines Raufhandels die einzelnen Tatbeiträge zeitlich voneinander unterscheidbar sind (vgl. AGE SB.2018.2 vom 26.August 2020 E. 2) und mit der Verfahrenstrennung zumindest hinsichtlich des Beschwerdeführers und des Beschwerdegegners keine Gefahr widersprüchlicher Urteile einherging. Weiter sind die Aussagen des Beschwerdegegners gut dokumentiert und durch eine kontradiktorische Befragung abgesichert. Im Übrigen war der Beschwerdegegner anlässlich des Vorfalls ohnmächtig geworden und kann sich an die massgeblichen Vorgänge nicht erinnern (vgl. AGE SB.2018.2 vom 26. August 2020 E. 1.4), sodass eine nochmalige Befragung des Beschwerdegegners und damit auch eine Teilnahme des Beschwerdeführers daran wahrscheinlich nicht erforderlich sein werden. Ferner war mit Blick auf die nachstehenden Erwägungen der Beschwerdeführer von der Beteiligung des Beschwerdegegners am Raufhandel gar nicht unmittelbar betroffen. Wie die Staatsanwaltschaft mit Stellungnahme vom 28. Januar 2021 zu Recht festhält, bleibt insgesamt nicht nachvollziehbar, inwiefern der Ausgang des Verfahrens gegen den Beschwerdegegner den Fortgang des Verfahrens gegen den Beschwerdeführer, welches dieser vor Bundesgericht weitergezogen hat und dabei auch die Frage der Verfahrenstrennung aufwerfen konnte, beeinflussen sollte. Es ist daher auch in materieller Hinsicht in keiner Weise erkennbar, welcher konkrete Rechtsnachteil dem Beschwerdeführer aus der Verfahrenstrennung und der entsprechenden Nichtgewährung der Verfahrensrechte erwachsen sollte. Im Übrigen hätte der Beschwerdeführer vor dem Hintergrund, dass die Anklageschrift nicht angefochten werden kann und die StPO kein formelles Anklagezulassungsverfahren vorsieht, mit dem Antrag auf Vereinigung der Verfahren viel früher an die hierfür primär zuständige Staatsanwaltschaft gelangen müssen. Er hätte wissen können, dass die Zulässigkeit einer Verfahrenstrennung möglichst rasch und vorweg geklärt werden sollte und hätte die Frage der Verfahrenszusammenlegung nicht - wie von ihm selber vorgebracht - mit einem Sistierungsbegehren erst vor Strafgericht zur Diskussion stellen sollen. Die von ihm geltend gemachten Gründe für eine Zusammenlegung waren ihm seit seiner Strafanzeige vom 19. April 2017 bekannt und wusste er bereits vor Abschluss des Vorverfahrens, dass das Verfahren gegen den Beschwerdegegner unter einem anderen Aktenzeichen getrennt von dem gegen ihn geführten Verfahren durchgeführt wird. Gegen eine Verfügung der Staatsanwaltschaft betreffend Trennung der Verfahren wäre er beschwerdeberechtigt gewesen (vgl. BGer 1B_421/2019 vom 2. Dezember 2019 E.4.3; AGE BES.2018.227 vom 21. Juni 2019 E. 1.3.2.2). Es widerspricht dem Gebot von Treu und Glauben und ist unzulässig, seine aufgrund eigener prozessualer Versäumnisse im ordentlichen Rechtsmittelzug geänderte Rechtsposition quasi über Umwegen korrigieren zu wollen.


2.2.1.3 Im Sinne eines Zwischenfazits ist damit festzuhalten, dass der Beschwerdeführer als angeblicher «Mitbeschuldigter» im Verfahren gegen den Beschwerdegegner keine über seine Rolle als Anzeigesteller hinausgehenden Verfahrensrechte beanspruchen kann.


2.2.2

2.2.2.1 Andererseits macht der Beschwerdeführer geltend, er habe als - im Zuge des streitbetroffenen Raufhandels - Geschädigter Parteistellung. Die Gefährdung ergebe sich aus der Videoaufnahme des Raufhandels. Der Beschwerdeführer sei auf dem Trottoir und in unmittelbarer Nähe zum Raufhandel gestanden, dessen Plötzlichkeit für ihn nicht vorhersehbar gewesen sei. Er habe denn auch den Kämpfenden ausweichen müssen, zuerst in Richtung der Strasse und dann zur Häuserfront hin. Als Zuschauer sei er beispielsweise durch einen taumelnden Täter, unerwartete Handlungen etc. gefährdet gewesen. Da ihn die Staatsanwaltschaft der Teilnahme am Raufhandel beschuldigt habe, habe er ohnehin die Stellung eines Geschädigten.


2.2.2.2 Mit der zutreffenden Stellungnahme der Staatsanwaltschaft kommt dem Beschwerdeführer auch unter diesem Aspekt keine Parteistellung zu. Unzutreffend ist, dass er als der Teilnahme an einem Raufhandel Beschuldigter per se die Stellung eines Geschädigten hat. Weiter ist ihm entgegenzuhalten, dass er selbst weder verletzt noch vom beschuldigten Beschwerdegegner konkret gefährdet wurde: Zum einen kann in diesem Zusammenhang auf die Anzeigeerstattung des anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers vom 29. April 2017 verwiesen werden, in welcher dieser eine konkrete Gefährdung seiner Person nicht einmal behauptet und sich daher zu Recht nicht als Privatkläger konstituiert hat. Zum anderen geht eine konkrete Gefährdung des Beschwerdeführers weder aus den vorliegenden Verfahrensakten noch aus den gerichtlichen Feststellungen im Verfahren gegen den Beschwerdeführer SB.2018.2 hervor. Auch die vom Beschwerdeführer beschriebenen Gefährdungsmomente vermögen eine konkrete Gefährdung nicht zu begründen. Wenn er dabei behauptet, er habe als Zuschauer in unmittelbarer Nähe zum Raufhandel gestanden und den Kämpfenden ausweichen müssen, hat dies höchstens das Ausmass einer «abstrakten» Gefährdung und nicht die Konkretisierung und Unmittelbarkeit, welche nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung betreffend den Tatbestand des Raufhandels für eine Geschädigtenstellung verlangt wird. Dies bringt der Beschwerdeführer, der mit einer «beispielhaften» Aufzählung der Gefährdung «durch einen taumelnden Täter, unerwartete Handlungen etc.» die Gefährdungslage abstrahiert, selber zum Ausdruck. Direkt durch die tätliche Auseinandersetzung gefährdet wäre er etwa dann gewesen, wenn ihm als Zuschauer ein Ausweichen unmöglich gewesen und ein Verletzungserfolg nur durch Glück nicht eingetreten worden wäre. Eine lediglich abstrakte Gefährdung reicht - auch unter Verweis auf den BGE 145 IV 454 - in Bezug auf die Parteistellung nicht aus. Schliesslich ist zumindest vorderhand nicht ersichtlich und wird zu Recht nicht behauptet, weshalb der Beschwerdeführer als andere Verfahrenspartei unmittelbar in seinen Rechten betroffen sein und damit Rechte beanspruchen sollte.


2.2.2.3 Nach dem Gesagten kann sich der Beschwerdeführer hinsichtlich der beanspruchten Verfahrensgarantien auch nicht auf eine Geschädigtenstellung berufen.


2.2.3 Die Verfahrensleitung gewährt der Privatklägerschaft für die Durchsetzung ihrer Zivilansprüche ganz oder teilweise die unentgeltliche Rechtspflege, wenn die Privatklägerschaft nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und die Zivilklage nicht aussichtslos erscheint (Art. 136 Abs. 1 StPO). Der Gesetzgeber hat die unentgeltliche Rechtspflege damit grundsätzlich auf Fälle beschränkt, in denen eine Privatklägerschaft Zivilansprüche geltend macht oder wenn der unentgeltliche Rechtsbeistand auch im Strafpunkt tätig wird, da sich dieser auf die Zivilansprüche auswirken kann (vgl. BGer 6B_1039/2017 vom 13.März 2018 E. 2.3; AGE BES.2015.42 vom 13. Mai 2015 E. 2; Lieber, a.a.O., Art. 136 N 2 StPO; jeweils mit Hinweisen). Mangels Geschädigtenstellung und mangels Konstituierung als Privatklägerschaft erschiene auch eine allfällige Zivilklage des Beschwerdeführers aussichtslos, weshalb die Vorinstanz vorliegend auch die Voraussetzungen zur Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege zu Recht verneint hat.

2.3 Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde vollumfänglich abzuweisen ist.

3.

3.1 Bei diesem Verfahrensausgang sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von CHF 300.- dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 428 Abs. 1 StPO).


3.2 Der Beschwerdeführer beantragt auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren die unentgeltliche Rechtspflege. Indes ersucht er nicht um unentgeltliche Rechtspflege für die Durchsetzung von Zivilansprüchen, sondern für die Durchsetzung eines Anspruchs öffentlich-rechtlicher Natur gegenüber dem Staat. Es kann offenbleiben, ob unter diesen Umständen Art. 136 StPO sinngemäss anwendbar ist oder sich der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege nur auf Art. 29 Abs. 3 Bundesverfassung (BV, SR 101) stützen kann. Die Voraussetzungen der finanziellen Bedürftigkeit, der Nichtaussichtslosigkeit und - hinsichtlich des Anspruchs auf unentgeltlichen Rechtsbeistand - der Notwendigkeit der Beigabe eines Rechtsbeistands müssen unabhängig der Rechtsgrundlage erfüllt sein (vgl. BStGer BB.2018.201 vom 17. Juli 2019 E.6.3, mit Hinweisen; AGE BES.2013.22 vom 16. August 2013 E. 3). Neben der prozessualen Gebotenheit der Beschwerde ist vorliegend insbesondere deren Nichtaussichtslosigkeit fraglich. Diese an den Rechtsbegehren im Beschwerdeverfahren zu messen (vgl. BStGer BB.2018.201 vom 17. Juli 2019 E. 6.3). Als aussichtslos sind Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde (BGE 133 III 614 E. 5 S. 616, mit Hinweisen). Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Der Beschwerdeführer hat sich - trotz anwaltlicher Vertretung - nicht als Privatkläger konstituiert und irgendwelche Zivilforderungen geltend gemacht. Es kommt ihm denn auch keine Geschädigtenstellung zu und hätte er wissen müssen, dass er im gegen den Beschwerdegegner getrennt geführten Verfahren keine Parteirechte gelten machen kann. Seine Beschwerde ist - mit Verweis auf die vorstehenden Erwägungen - damit von vornherein als aussichtslos zu qualifizieren. Die Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege sind damit offensichtlich nicht gegeben, weshalb das entsprechende Gesuch abzuweisen ist.



Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Einzelgericht):


://: Die Beschwerde wird abgewiesen.


Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren wird abgewiesen.


Die Beschwerdeführer trägt die Kosten des Verfahrens mit einer Gebühr von CHF 300.-.


Mitteilung an:

- Beschwerdeführer

- Staatsanwaltschaft Basel-Stadt


APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT


Die Präsidentin Der Gerichtsschreiber

lic. iur. Liselotte Henz Dr. Nicola Inglese

Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.



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