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Urteil Verwaltungsgericht (AG - AGVE 2019 37)

Zusammenfassung des Urteils AGVE 2019 37: Verwaltungsgericht

Der Text handelt von einem Gerichtsentscheid bezüglich der Beschwerdelegitimation einer nahestehenden Person in einem erwachsenenschutzrechtlichen Verfahren. Es wird diskutiert, ob Meldeerstatter, die nahestehende Personen sind, zur Erhebung einer Rechtsverzögerungsbeschwerde legitimiert sind. Es wird festgestellt, dass eine enge Beziehung zur betroffenen Person erforderlich ist, um als nahestehende Person qualifiziert zu werden. Im konkreten Fall wurden die Beschwerdeführenden aufgrund fehlender vertrauensvoller Beziehung zur betroffenen Person nicht als nahestehende Personen anerkannt. Die ablehnende Haltung der betroffenen Person gegenüber ihren Angehörigen wurde berücksichtigt, da sie als urteilsfähig angesehen wurde. Somit wurden die Beschwerdeführenden nicht als nahestehende Personen qualifiziert und konnten sich auch nicht auf ein rechtlich geschütztes Interesse berufen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AGVE 2019 37

Kanton:AG
Fallnummer:AGVE 2019 37
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid AGVE 2019 37 vom 24.05.2019 (AG)
Datum:24.05.2019
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:37 Art. 450 Abs. 2 Ziff. 2 und 3 ZGB
Schlagwörter: Person; Interesse; Personen; Interessen; Verfahren; Beziehung; Urteil; Beschwerdeführenden; Basler; Kommentar; Zivilgesetzbuch; Auflage; LORENZ; DROESE/DANIEL; STECK; Ablehnung; Familie; Massnahme; Drittperson; Zivilrecht; Mitwirkung; Verhältnis; Entscheid; ütztes
Rechtsnorm: Art. 16 ZGB ;Art. 450 ZGB ;
Referenz BGE:137 III 67;
Kommentar:
-, Basler Zivilgesetzbuch I, Art. 16 ZGB, 2018

Entscheid des Verwaltungsgerichts AGVE 2019 37

2019 Zivilrecht 239

37 Art. 450 Abs. 2 Ziff. 2 und 3 ZGB
Keine Beschwerdelegitimation einer nahestehenden Person bei Ableh-
nung der Mitwirkung durch die urteilsfähige betroffene Person trotz
verwandtschaftlichem Verhältnis

Aus dem Entscheid des Obergerichts, Kammer für Kindes- und Erwachse-
nenschutz, vom 24. Mai 2019, i.S. M.K. (XBE.2019.8)



2.2
Fraglich und nachfolgend zu prüfen ist, ob die Beschwerde-
führenden zur Erhebung einer Rechtsverzögerungsbeschwerde
legitimiert sind. Da die Erstattung einer Gefährdungsmeldung keine
Beteiligung am Verfahren begründet (LUCA MARANTA, in: Basler
Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 6. Auflage 2018, N. 14 zu Vorbemer-
kungen zu Art. 443-450g ZGB), können die Meldeerstatter nur
verfahrenslegitimiert sein, wenn sie nahestehende Personen sind
(Art. 450 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB) ein (eigenes) rechtlich
geschütztes Interesse haben (Art. 450 Abs. 2 Ziff. 3 ZGB).
2.2.1.
2.2.1.1.
Zur Beschwerde zugelassen sind nach Art. 450 Abs. 2 Ziff. 2
ZGB die der betroffenen Person nahestehenden Personen, sofern
diese Drittbeschwerdeführer die Wahrung von Interessen des Schutz-
bedürftigen geltend machen (vgl. BGE 137 III 67 E. 3.4.1). Es
handelt sich dabei nach Lehre und Rechtsprechung um Personen,
welche die betroffene Person zufolge Verwandtschaft Freund-
schaft wegen ihrer Funktion beruflichen Tätigkeit (Arzt,
Sozialhelfer, Priester Pfarrer etc.) gut kennen und kraft ihrer
Eigenschaften sowie kraft ihrer Beziehungen zu dieser als geeignet
erscheinen, deren Interessen zu wahren. Eine Rechtsbeziehung ist
2019 Obergericht, Abteilung Zivilgericht 240
nicht erforderlich. Entscheidend ist vielmehr die faktische
Verbundenheit. Das Wort Nahestehen meint eine auf unmittelbarer
Kenntnis der Persönlichkeit des Betroffenen, von diesem bejahte und
von Verantwortung für dessen Ergehen geprägte Beziehung, die den
Dritten geeignet erscheinen lässt, Interessen des Betroffenen wahr-
zunehmen (LORENZ DROESE/DANIEL STECK, in: Basler Kommentar,
Zivilgesetzbuch I, 6. Auflage 2018, N. 32 ff. zu Art. 450 ZGB; Urteil
des Bundesgerichts [BGer] 5A_112/2015 vom 7. Dezember 2015 E.
2.5.1.2; BGE 137 III 67 E. 3.4.1). Mit dem Erfordernis der Verfol-
gung der Interessen der betroffenen Person wird die Beschwer-
delegitimation der nahestehenden Person eingeschränkt.
Im vorliegenden Fall pflegt die betroffene Person mit den
Beschwerdeführenden keine vertrauensvolle Beziehung. Der Be-
troffene lehnt eine Einmischung seiner Geschwister und seiner
Mutter in das erwachsenenschutzrechtliche Verfahren ausdrücklich
ab. Mangels einer von der betroffenen Person bejahten engen
Beziehung zu dieser, sind die Beschwerdeführenden trotz ihres
verwandtschaftlichen Verhältnisses nicht geeignet, die Interessen
ihres Bruders bzw. ihres Sohnes wahrzunehmen. Daher sind sie im
konkreten Fall nicht als nahestehende Personen im Sinne von
Art. 450 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB qualifiziert.
2.2.1.2.
Die Ablehnung der Angehörigen durch die betroffene Person
könnte nur dann allenfalls unberücksichtigt bleiben für die Frage der
Zulassung als nahestehende Personen, wenn der betroffenen Person
die Urteilsfähigkeit fehlen würde, um diese Bejahung oder
Ablehnung - wie hier - vornehmen zu können. Es gilt diesbezüglich
der allgemein gültige Grundsatz, dass eine urteilsfähige Person
unabhängig davon, ob sie handlungsfähig handlungsunfähig ist,
selbständig Rechte ausüben kann, die ihr um ihrer Persönlichkeit
Willen zustehen (LORENZ DROESE/DANIEL STECK, a.a.o., N. 27 zur
Art. 450 ZGB). Aus dem mit Eingabe der Familie X. vom 31. De-
zember 2018 eingereichten Verlaufsbericht der Psychiatrischen
Dienste Aargau AG (PDAG) zuhanden der SUVA vom 16. Novem-
ber 2017 ergibt sich, dass nur eine leichte kognitive Störung vorliegt
(vgl. act. 369). Damit ist der Betroffene durchaus in der Lage, zu
2019 Zivilrecht 241
erkennen, um was es im erwachsenenschutzrechtlichen Verfahren
geht und was er mit der Ablehnung der Einmischung der Familien-
angehörigen in das erwachsenenschutzrechtliche Verfahren bewirkt.
In derartigen persönlichen Angelegenheiten werden an die Urteils-
fähigkeit keine hohen Anforderungen gestellt (vgl. ROLAND
FANKHAUSER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 6. Auflage
2018, N. 34 zu Art. 16 ZGB). Somit bestehen vorliegend keine
Anzeichen dafür, dass die betroffene Person nicht urteilsfähig wäre
und daher die Mitwirkung ihrer Angehörigen nicht rechtswirksam
ablehnen könnte.
2.2.2.
Nehmen nahestehende Personen eigene Interessen wahr, werden
sie wie gewöhnliche Drittpersonen behandelt. Drittpersonen sind zur
Beschwerde befugt, wenn sie ein rechtlich geschütztes Interesse an
der Aufhebung Änderung des angefochtenen Entscheids haben
(Art. 450 Abs. 2 Ziff. 3 ZGB). Ein bloss tatsächliches Interesse
genügt nicht. Die Geltendmachung dieses eigenen (wirtschaftlichen
oder ideellen) rechtlich geschützten Interesses ist nur zulässig, wenn
es mit der fraglichen Massnahme direkt zusammenhängt bzw. mit der
Massnahme geschützt werden soll und deshalb von der Erwach-
senenschutzbehörde hätte berücksichtigt werden müssen (Urteil
BGer 5A_979/2013 vom 28. März 2014 E. 4.2; LORENZ
DROESE/DANIEL STECK, a.a.O., N. 37 ff. zu Art. 450 ZGB).
Neben der geltend gemachten Sorge um die betroffene Person
sind die Beschwerdeführenden an der Reputation und dem wirt-
schaftlichen Fortkommen der X.-Gruppe interessiert. Damit ist das
von der Familie X. verfolgte eigene Interesse sachlicher und finan-
zieller Natur, also kein schützenswertes im Sinne des Erwachsenen-
schutzes. Mangels eigenem rechtlich geschütztem Interesse, welches
mit einer Massnahme geschützt werden soll, können die
Beschwerdeführenden sich nicht auf die Legitimation als Drittperson
gemäss Art. 450 Abs. 2 Ziff. 3 ZGB berufen.

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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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