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Urteil Verwaltungsgericht (AG)

Kopfdaten
Kanton:AG
Fallnummer:AGVE 2012 68
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsbehörden
Verwaltungsgericht Entscheid AGVE 2012 68 vom 07.03.2012 (AG)
Datum:07.03.2012
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:AGVE - Archiv 2012 Verwaltungsrechtspflege 373 IV. Verwaltungsrechtspflege 68 Ausstand Einfluss von medialem und politischem...
Schlagwörter: Suchsteller; Gesuchsteller; Leiter; Verwaltung; Abteilungsleiter; Behörde; Befangenheit; Spektion; Behörden; Inspektion; Stellers; Behördenmitglieder; Medien; Achtung; Gutachter; Suchstellers; Person; Gesuchstellers; Leiters; Objektiv; Subjektive; Ausstand; Inspektionen; Verfahren; Hinweise; Behörden; Objektive; Sprechung; Person; Verwaltungsrechtspflege
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
2012 Verwaltungsrechtspflege 373

IV. Verwaltungsrechtspflege



68 Ausstand - Einfluss von medialem und politischem Druck auf die Unvoreinge- nommenheit von Behördenmitgliedern im Rahmen eines Diszipli- narverfahrens betreffend Entzug der Berufsausübungsbewilligung als Medizinalperson
Aus dem Entscheid des Regierungsrats vom 7. März 2012 i.S. X. (RRB Nr. 2012-000280)

Aus den Erwägungen
4.
Gemäss § 16 Abs. 1 lit. e VRPG darf am Erlass von Entschei-
den nicht mitwirken, wer aus anderen als den in lit. a-d aufgezählten
Gründen in der Sache befangen sein könnte. Diese Bestimmung lau-
tet grundsätzlich gleich wie die entsprechenden bundesrechtlichen
Regelungen (vgl. Art. 10 Abs. 1 lit. d VwVG und Art. 34 Abs. 1 lit. e
BGG). In Lehre und Rechtsprechung wird zwischen subjektiver und
objektiver Befangenheit unterschieden. Die subjektive Befangenheit
betrifft Gegebenheiten, die in der Person und im Verhalten des
Richters oder der Richterin bzw. des den Entscheid fällenden Behör-
denmitglieds ihre Ursachen haben. Darunter fallen etwa ein spezifi-
sches Verhalten, Äusserungen, abschätzige Bemerkungen oder äusse-
rer Druck beispielsweise durch Medienkampagnen. Voreingenom-
menheit und Befangenheit in diesem Sinn werden nach der Recht-
sprechung angenommen, wenn sich im Einzelfall anhand aller tat-
sächlichen und verfahrensrechtlichen Gegebenheiten Umstände
ergeben, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Misstrauen in
die Unparteilichkeit der untersuchenden Person zu erwecken (Urteil
des Bundesgerichts vom 23. Mai 2008 (5a_206/2008) Erw. 2.1). Die
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objektive Befangenheit beruht auf strukturellen Gründen, die nicht
direkt mit der Partei, sondern mit organisatorisch-institutionellen
Gegebenheiten zu tun haben. Hierzu zählt die Mehrbefassung einer
urteilenden Person mit der gleichen Streitsache, sog. Vorbefassung
(vgl. Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, Heinrich Koller,
Art. 2, N 43 ff).
Im Hinblick auf Medienäusserungen durch Amtspersonen trägt
das Bundesgericht stets dem Umstand Rechnung, dass Verwaltungs-
behörden - anders als Gerichte - nicht allein zur Rechtsanwendung
und Streitentscheidung berufen sind, sondern auch einen Informa-
tionsauftrag erfüllen. Die für richterliche Behörden geltenden Grund-
sätze können deshalb nicht mit gleicher Strenge auf öffentliche
Äusserungen von Verwaltungsbehörden übertragen werden (Kom-
mentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Auer/
Müller/Schindler, Art. 10, N 28). Ausnahmsweise können auch Ver-
fahrensfehler die Unbefangenheit einer urteilenden Person in Frage
stellen. Dazu müssen Gründe zur Annahme bestehen, dass sich in
Rechtsfehlern gleichzeitig eine Haltung manifestiert, die auf fehlen-
der Distanz und Neutralität beruht. Es muss sich um besonders
krasse Fehler oder wiederholte Irrtümer handeln, die eine schwere
Verletzung der Amtspflichten darstellen (Urteil des Bundesgerichts
vom 23. Mai 2008 (5a_206/ 2008) Erw. 2.2).
5.
5.1
Der Gesuchsteller macht geltend, die Vorgehensweise der bei-
den Behördenmitglieder bei den Praxisinspektionen und in diesem
Zusammenhang die geheime und ohne rechtliche Grundlage durch-
geführte Inspektion des vermeintlichen "Betäubungsmittellagers" in
A. verdeutlichten, dass sie sich ihre Meinung noch vor Einleitung des
Disziplinarverfahrens bereits gebildet hätten. Ziel sei nie eine
objektive Sachverhaltsabklärung, sondern die Suche nach Beweisen
für die von den Medien und allen voran dem B. behaupteten Ver-
fehlungen des Gesuchstellers.
Das DGS beaufsichtigt gestützt auf Art. 41 Abs. 1 MedBG
i.V.m. § 2 GesG und § 2 VBOB Personen, die im Kanton Aargau
einen universitären Medizinalberuf selbständig ausüben. Gemäss
2012 Verwaltungsrechtspflege 375

Art. 41 Abs. 2 MedBG trifft die Aufsichtsbehörde die für die Ein-
haltung der Berufspflichten nötigen Massnahmen. In diesem Zu-
sammenhang ist das DGS verpflichtet, Anhaltspunkten über die
allfällige Missachtung der Berufspflichten nachzugehen. Im Rahmen
ihrer Aufsichtstätigkeit sind die zuständigen Behörden gemäss § 48
GesG insbesondere befugt, Auskünfte sowie die Herausgabe von
Unterlagen zu verlangen (lit. a), Räumlichkeiten zu betreten und
Einsicht in Unterlagen zu nehmen (lit. b) sowie Proben zu erheben
und Gegenstände zu Abklärungszwecken zu beschlagnahmen (lit. c).
Ganz generell hat das DGS den Sachverhalt von Amtes wegen zu
ermitteln und die notwendigen Untersuchungen anzustellen (§ 17
VRPG).
Das DGS sah sich nach eigenen Angaben aufgrund von exter-
nen Hinweisen auf die Praxisführung sowie aktueller konkreter Hin-
weise zu möglichen Unregelmässigkeiten in Bezug auf die Lagerung
von Betäubungsmitteln veranlasst, am 28. Oktober 2011 eine unan-
gekündigte Inspektion der Praxis des Gesuchstellers in C. und eines
Lagers in A. durchzuführen. Für die Besichtigung des in A. abge-
stellten Anhängers erwirkte das DGS die Zustimmung und Mitwir-
kung der Kantonspolizei. Warum das DGS diesen ebenfalls Raum
umschliessenden Anhänger nicht hätte durchsuchen dürfen, wie der
Gesuchsteller geltend macht, ist nicht erfindlich. Es hätte den An-
hänger zu Abklärungszwecken sogar beschlagnahmen dürfen (§ 48
lit. c GesG). Da sich anlässlich dieser Inspektion Hinweise auf die
Missachtung des Selbstdispensations- bzw. Erstabgabeverbotes so-
wie der Buchführungspflicht von Betäubungsmitteln durch den Ge-
suchsteller ergaben, erfolgte am 8. November 2011 eine zweite In-
spektion in der Praxis in C.
Als Aufsichtsbehörde war das DGS verpflichtet, den ihm zur
Kenntnis gelangten Anhaltspunkten einer angeblichen Berufspflicht-
verletzung durch den Gesuchsteller nachzugehen. Dabei spielt es
keine Rolle, aus welcher Quelle die Hinweise einer allfälligen Miss-
achtung der Berufspflicht stammen. Die Behörde hat auch Anzeichen
auf einen Verstoss gesetzlicher Bestimmungen zu überprüfen, von
denen sie erstmals aus den Medien erfährt. Insofern ist der Vorhalt
des Gesuchstellers, das DGS habe nur wegen der Berichterstattung
2012 Verwaltungsbehörden 376

im B. ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet, nicht relevant.
Die Vorgehensweise des DGS bzw. des Abteilungsleiters und der
juristischen Fachperson bei diesen Inspektionen, insbesondere auch
jener in A., stützt sich auf gesetzliche Grundlagen und verlief absolut
gesetzeskonform. Den die Inspektionen betreffenden Akten, insbe-
sondere den Protokollen der Inspektionen vom 28. Oktober und
8. November 2011, sind keinerlei Hinweise zu entnehmen, die in ir-
gendwelcher Art auf eine Befangenheit des Abteilungsleiters und der
juristischen Fachperson schliessen lassen würden. Die im Rahmen
der Inspektionen gemachten Äusserungen und Fragen erscheinen
angemessen und neutral.
Mittels der durchgeführten Inspektionen klärt das DGS den
Sachverhalt von Amtes wegen ab. Insoweit geht der Gesuchsteller
fehl, wenn er dem DGS vorwirft, die im B. gemachten Vorwürfe
seien ohne eigene Abklärungen übernommen und bestätigt worden,
anstatt diese auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Gerade dies hat
das DGS getan. Zur Sachverhaltsabklärung gehörten ausserdem die
Anfragen bei den beim Gesuchsteller angestellten Ärzten. Auch darin
kann keine Befangenheit der beiden Behördenmitglieder erblickt
werden.
5.2
Der Gesuchsteller beanstandet ausserdem, die Medien seien in
rechtswidriger Weise über das laufende Disziplinarverfahren und die
gegen ihn eingeleiteten Schritte informiert worden. Auch dieses Vor-
gehen unterstreiche die bestehende Befangenheit im vorliegenden
Fall.
Dies trifft nicht zu. Aus den Verfahrensakten ergeben sich kei-
nerlei Anhaltspunkte, wonach der Abteilungsleiter oder die juristi-
sche Fachperson der Redaktion des B. oder anderen Medien in un-
rechtmässiger Weise Informationen über das Verfahren gegen den
Gesuchsteller weitergegeben hätten. Zudem vereinbarten der Ge-
suchsteller und das DGS anlässlich einer Besprechung am
18. November 2011 in Aarau eine gemeinsame Sprachregelung ge-
gen aussen während des hängigen Verfahrens. An diese Regelung
haben sich das DGS, insbesondere auch der Abteilungsleiter und die
juristische Fachperson, stets gehalten. Mit dieser Sprachregelung
2012 Verwaltungsrechtspflege 377

wurde im laufenden Verfahren ein gerechter Ausgleich gefunden
zwischen den berechtigten Geheimhaltungsinteressen des Gesuch-
stellers und der allgemeinen gesetzlichen Verpflichtung des DGS, als
öffentliches Organ die Bevölkerung über Tätigkeiten und Angele-
genheiten von allgemeinem Interesse von Amtes wegen zu informie-
ren (§ 4 Abs. 1 IDAG). Wie hierin eine subjektive Befangenheit der
betroffenen Behördenmitglieder begründet werden könnte, ist nicht
ersichtlich.
5.3
Im Weiteren macht der Gesuchsteller geltend, der Abteilungs-
leiter habe im Vorfeld der psychiatrischen Begutachtung dem Gut-
achter eine umfangreiche, sehr einseitig zu Lasten des Gesuchstellers
formulierte Anamnese mit einer Vielzahl von falschen Behauptungen
zugestellt. Der Gesuchsteller sieht darin eine versuchte Beeinflus-
sung des Gutachters. Die Feststellungen des Abteilungsleiters seien
unsachlich und weitgehend tatsachenwidrig gewesen und zeigten
dessen vorgefasste Meinung.
Anlässlich der Besprechung vom 18. November 2011 erklärte
sich der Gesuchsteller bereit, sich einer fachärztlichen Untersuchung
zu unterziehen. Das Vorgehen und die getroffenen Abmachungen
wurden in einem Schreiben des DGS festgehalten, zu dem der Ge-
suchsteller mit Unterzeichnung am 24. November 2011 sein Einver-
ständnis erklärte. In Ziffer 5 des Schreibens wurde vereinbart, dass
der Abteilungsleiter dem Gutachter auf dessen Verlangen hin im
Vorfeld der Begutachtung eine Dokumentation mit den massgeben-
den Hinweisen zur gesundheitlichen Problematik des Gesuchstellers
zustellt. Dies tat der Abteilungsleiter mit seinem Schreiben an den
Gutachter vom 23. November 2011, welches gleichentags dem Ge-
suchsteller zugestellt wurde.
Der Abteilungsleiter teilte dem Gesuchsteller anlässlich der Be-
sprechung am 18. November 2011 mit, dass er auch aufgrund eigener
Beobachtungen Zweifel an dessen psychischer Gesundheit habe. Die
Vorgehensweise bzw. die umfassende Information des Abteilungs-
leiters an den Gutachter ist in derartigen Fällen üblich, soll dieser
doch in die Lage versetzt werden, eine ganzheitliche Beurteilung
abzugeben. Der Gesuchsteller war über die Informationen im Bild
2012 Verwaltungsbehörden 378

und konnte dem Gutachter seine Bemerkungen dazu darlegen. Es
liegt in der Natur der Sache, dass die an den Gutachter abgegebenen
Informationen des Abteilungsleiters seine subjektiven Beobachtun-
gen wiedergeben und auch kritische Verdachtsmomente enthalten
können. Ansonsten hätte er eine medizinische Untersuchung wohl
nicht als notwendig erachtet. Entgegen den Darstellungen des Ge-
suchstellers ist auch festzuhalten, dass der Bericht des Abteilungs-
leiters vom 23. November 2011 an den Gutachter sachlich formuliert
ist, sich ausschliesslich auf die Art und Weise der Berufsausübung
durch den Gesuchsteller bezieht und in keiner Weise den Anschein
einer bereits gemachten Meinung erweckt.
5.4
Im Schreiben vom 13. Februar 2012 führte der Gesuchsteller
ergänzend aus, der Abteilungsleiter und das DGS seien in der Fern-
sehsendung B. massiv kritisiert worden. Der dadurch erzeugte me-
diale Druck laste vor allem auf den Schultern der beiden vom vorlie-
genden Ausstandsbegehren betroffenen Behördenmitglieder und
führe dazu, dass bei ihnen zumindest objektiv der Anschein bestehe,
sie könnten in dieser Sache keine unabhängige Entscheidung mehr
treffen.
Aus der subjektiven Sicht des Gesuchstellers mag der erstande-
ne mediale und politische Druck aussergewöhnlich sein, aus Sicht
der vollziehenden Verwaltung gehört er zu einem Teil der funktionel-
len bzw. beruflichen Anforderungen. Von ihren Funktionen her sind
es sich sowohl der Abteilungsleiter als auch die juristische Fach-
person des DGS gewohnt und sie sind zweifelsfrei auch in der Lage,
punktuell stattfindendem medialem oder politischem Druck pro-
fessionell zu begegnen. Insoweit bestehen weder aufgrund der Be-
richterstattung in der Sendung B. und in anderen Medien noch wegen
der erfolgten politischen Vorstösse im Grossen Rat Zweifel an der
unvoreingenommenen und rechtmässigen Bearbeitung des Diszipli-
narverfahrens gegen den Gesuchsteller. Von einer regelrechten Me-
dienkampagne gegen die beiden Behördenmitglieder kann denn auch
nicht die Rede sein.


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6.
Zusammenfassend ergibt sich, dass das Ausstandsbegehren un-
begründet ist. Der Tatbestand der subjektiven Befangenheit lässt sich
bei beiden betroffenen Behördenmitgliedern nicht feststellen. Krasse
bzw. wiederholte Verfahrensfehler sind keine ersichtlich. Auch eine
objektive Befangenheit aufgrund von Vorbefassung mit der gleichen
Streitsache fällt ausser Betracht. Weitere Ausstandsgründe nach § 16
Abs. 1 lit. a-d VRPG hat der Gesuchsteller weder geltend gemacht,
noch gibt es dafür Anhaltspunkte. Das Ausstandsbegehren ist daher
abzuweisen.
(...)
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