E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:SB190032
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB190032 vom 25.09.2019 (ZH)
Datum:25.09.2019
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Üble Nachrede
Schlagwörter : Beschuldigte; Berufung; Beschuldigten; Urteil; Verfahren; Verteidigung; Staatsanwalt; Amtlich; Recht; Gericht; Staatsanwaltschaft; Amtliche; Berufungsverfahren; Privatklägers; Zürich; Abteilung; Privatklägerschaft; Berufungsverhandlung; Frist; Verteidiger; Vorinstanz; Bezirksgericht; üble; Nachrede; Präsidialverfügung; Verfügung; Eingabe; Angesetzt
Rechtsnorm: Art. 339 StPO ; Art. 379 StPO ; Art. 400 StPO ; Art. 409 StPO ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB190032-O/U/cwo

Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. R. Naef, Präsident, lic. iur. M. Langmeier und Ersatzoberrichterin lic. iur. C. Brenn sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. S. Bussmann

Beschluss vom 25. September 2019

in Sachen

A. ,

Beschuldigter und Berufungskläger

amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X. ,

gegen

Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl,

vertreten durch Leitenden Staatsanwalt lic. iur. D. Kloiber,

Anklägerin und Berufungsbeklagte betreffend üble Nachrede

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Zürich,
2. Abteilung - Einzelgericht, vom 27. November 2018 (GG180093)

Erwägungen:

  1. Prozessgeschichte

    1. Mit Urteil vom 27. November 2018 sprach das Bezirksgericht Zürich,

  2. Abteilung - Einzelgericht, den Beschuldigten der üblen Nachrede im Sinne von Art. 173 Ziff. 1 StGB schuldig, begangen mit Schreiben vom 8. November 2016 an B. . Vom Vorwurf der üblen Nachrede in Bezug auf die ausserordentliche Generalversammlung vom 29. November 2016 wurde der Beschuldigte freigesprochen. Soweit sich das Verfahren auf das Schreiben des Beschuldigten an C. vom 3. November 2016 bezogen hatte, wurde dieses eingestellt (Urk. 47

S. 20 ff.). Die Verfügung und das Urteil wurden dem Beschuldigten am 27. November 2018 mündlich eröffnet und der Privatklägerschaft sowie der Staatsanwaltschaft schriftlich im Dispositiv mitgeteilt (Urk. 47 S. 21, Prot. I S. 29 ff., Urk. 43/1-2). Gegen das Urteil meldete der Beschuldigte mit Eingabe vom 5. Dezember 2018 fristgerecht Berufung an (Urk. 41). Das schriftlich begründete Urteil nahm der Beschuldigte am 21. Januar 2019 entgegen (Urk. 46/2). Am 25. Januar 2019 verfasste der Beschuldigte ein an den Präsidenten der I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich persönlich adressiertes Schreiben mit dem Betreff Urteil und Verfügung GG180093 - Berufung ans Obergericht (Urk. 49A). Mit Datum vom 26. Januar 2019 verfasste der Beschuldigte zudem ein Schreiben mit dem Betreff Begründetes Urteil+Verfügung GG180093 vom 27. November 2018

- Berufung, adressiert an Bezirksrichterin Dr. iur. S. Vogel des Bezirksgerichts Zürich, 2. Abteilung. Eine Kopie dieses Schreibens reichte der Beschuldigte auch der hiesigen Kammer zu den Akten (Urk. 49B). Am 15. Februar 2019 (Datum Poststempel: 14. Februar 2019) ging ein weiteres Schreiben samt Beilagen beim hiesigen Gericht ein (Urk. 49 und Urk. 51/1-7). Mit Präsidialverfügung vom 25. Februar 2019 wurden der Privatklägerschaft sowie der Staatsanwaltschaft in Anwendung von Art. 400 Abs. 2 und 3 StPO Kopien der Eingaben des Beschuldigten (Urk. 49; Urk. 49A und Urk. 49B) zugestellt und gleichzeitig Frist angesetzt, um gegebenenfalls Anschlussberufung zu erheben oder ein Nichteintreten auf die Berufung zu beantragen. Gleichzeitig wurde dem Beschuldigten Frist angesetzt, um zu seinen finanziellen Verhältnissen verschiedene Auskünfte zu erteilen und zu belegen (Urk. 52). Mit Eingabe vom 27. Februar 2019 verzichtete die Staatsanwaltschaft auf eine Anschlussberufung und beantragte die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils (Urk. 54). Ebenfalls am 27. Februar 2019 reichte der Beschuldigte Unterlagen betreffend seine finanziellen Verhältnisse ein (Urk. 55 und Urk. 57/1-8). Mit Eingabe vom 5. März 2019 beantragte die Vertretung der Privatklägerschaft, es sei auf die Berufung nicht einzutreten (Urk. 59). Mit Präsidialverfügung vom 13. März 2019 wurde dem Beschuldigten Frist angesetzt, um die Berufungserklärung zu verdeutlichen und insbesondere anzugeben, ob das erstinstanzliche Urteil ganz oder in welchen Teilen es angefochten wird (Urk. 60). Dieser Aufforderung kam der Beschuldigte mit Eingabe vom 22. März 2019 nach und erklärte, das Urteil als Ganzes anzufechten (Urk. 65). Mit Präsidialverfügung vom 22. März 2019 wurde der Privatklägerschaft sowie der Staatsanwaltschaft je eine Kopie der verbesserten Berufungserklärung des Beschuldigten zugestellt und erneut Frist angesetzt, um gegebenenfalls Anschlussberufung zu erheben oder ein Nichteintreten auf die Berufung zu beantragen (Urk. 66). Am 27. März 2019 teilte die Staatsanwaltschaft mit, auf die Erhebung einer Anschlussberufung zu verzichten und die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils zu beantragen (Urk. 71). Die Privatklägerschaft liess sich nicht mehr verlauten. Am 26. März 2019 und am 8. April 2019 reichte der Beschuldigte weitere Schreiben samt Beilagen ein (Urk. 68, 70/1-7, 72 und 74/1-14).

    1. Die Verfügung der Vorinstanz vom 27. November 2018 mit welcher das Verfahren betreffend üble Nachrede im Sinne von Art. 173 Ziff. 1 StGB - soweit sie sich auf das Schreiben des Beschuldigten an D. vom 3. November 2016 bezieht - eingestellt wurde, wurde von keiner Seite angefochten und ist somit in Rechtskraft erwachsen, wovon Vormerk zu nehmen ist.

    2. In der Folge wurde am 3. Mai 2019 auf den 11. Juli 2019 zur Berufungsverhandlung vorgeladen (Urk. 75). Es folgten diverse weitere Schreiben des Beschuldigten samt Beilagen, in welchen er seine Erwartungen an das Berufungsverfahren und an das Gericht kundtat (Urk. 77, 79/1-2, 80, 82/a-i, 83, 85/1-9). Im Schreiben vom 3. Mai 2019 teilte der Beschuldigte unter anderem seine Erwartung mit, dass ihm das Recht auf einen Pflichtverteidiger zu bestätigen sei (Urk. 77 S. 1). Mit Schreiben vom 3. Juli 2019 wurde dem Beschuldigten seitens

      des Gerichts mitgeteilt, dass seine Schreiben zur Kenntnis genommen worden seien. Ferner wurde ihm dargelegt, inwiefern ihm an der Berufungsverhandlung die Möglichkeit eingeräumt werde, sich zur Berufungsthematik zu äussern (Urk. 86), woraufhin der Beschuldigte ein weiteres Schreiben vom 5. Juli 2019 zu den Akten reichte, in welchem er das aus seiner Sicht Relevante zusammenfassend darlegte (Urk. 87). Am 10. Juli 2019 wurde im Hinblick auf die Berufungsverhandlung ein aktualisierter Strafregisterauszug beigezogen (Urk. 90).

    3. Zur Berufungsverhandlung vom 11. Juli 2019 erschienen ist der Beschuldigte persönlich (Prot. II S. 6). Eigentliche Vorfragen im Sinne von Art. 339 Abs. 2 StPO in Verbindung mit Art. 379 StPO waren anlässlich der Berufungsverhandlung keine zu entscheiden (Prot. II S. 7). Der Beschuldigte hat aber immer wieder dargelegt, welche Erwartungen er an das vorliegende Verfahren hat und was aus seiner Sicht Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist (Prot. II S. 7- 12). Noch vor Durchführung des Beweisverfahrens wurde dem Beschuldigten nach einer Beratungspause mitgeteilt, dass er aus Sicht des Gerichts eine Verteidigung benötige und ohne eine solche die Verhandlung nicht fortgeführt werden könne. Gleichzeitig wurde dem Beschuldigten eine 10-tägige Frist angesetzt, eine Verteidigung zu bezeichnen, ansonsten ihm ein Anwalt vom Gericht bestellt werde (Prot. II S. 13 f.). Daraufhin wurde die Verhandlung als geschlossen erklärt (Prot. II S. 15). Da der Beschuldigte innert Frist keine Person als Verteidiger vorgeschlagen hatte, wurde ihm mit Präsidialverfügung vom 14. August 2019 Rechtsanwalt lic. iur. X. als amtlicher Verteidiger bestellt (Urk. 100).

  1. Rückweisung an die Vorinstanz

    1. Wie bereits mit Präsidialverfügung vom 14. August 2019 erwogen, hat sich an der Berufungsverhandlung vom 11. Juli 2019 klar gezeigt, dass der Beschuldigte im Sinne von Art. 130 lit. c StPO verteidigt sein muss (Prot. II S. 6 ff.), wes-

      halb in der Person von Rechtsanwalt lic. iur. X. bestellt wurde (Urk. 100).

      ein amtlicher Verteidiger

    2. Bei dieser Ausgangslage stellt sich die Frage, ob der Beschuldigte bereits im vorinstanzlichen Verfahren hätte verteidigt sein müssen und, damit in Zusam-

      menhang stehend, ob ein Rückweisungsgrund gemäss Art. 409 Abs. 1 StPO vorliegt (vgl. Urk. 100).

    3. Angesichts des im Verfahrensprotokoll dokumentierten Verlaufes der erstinstanzlichen Hauptverhandlung (Prot. I S. 8 ff.) muss davon ausgegangen werden, dass der Beschuldigte bereits im erstinstanzlichen Verfahren im Sinne von Art. 130 lit. c StPO hätte verteidigt sein müssen. Offensichtlich war der Beschuldigte auch damals sowohl aus persönlichen Gründen und auch aufgrund der Komplexität des Verfahrens nicht in der Lage, seine Verfahrensinteressen ausreichend zu wahren. Seine Verteidigungsfähigkeit war mitunter eingeschränkt. Damit hätte dem Beschuldigten bereits im vorinstanzlichen Verfahren ein amtlicher Verteidiger in der Form eines notwendigen Verteidigers bestellt werden müssen. Davon geht auch die aktuelle Verteidigung des Beschuldigten aus (Urk. 106 S. 2).

    4. Zufolge nicht gehöriger Verteidigung des Beschuldigten weist das erstinstanzliche Verfahren einen Mangel auf, welcher im Berufungsverfahren nicht geheilt werden kann. Zur Wahrung des Instanzenzugs ist das Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 2. Abteilung - Einzelgericht, vom 27. November 2018 (GG180093) in Anwendung von Art. 409 Abs. 1 StPO aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Auch aus Sicht der Verteidigung erweist sich eine Rückweisung angesichts der konkreten Umstände als zwingend (Urk. 106 S. 2). Die Staatsanwaltschaft hat auf eine entsprechende Stellungnahme verzichtet (Urk. 102). Die Vorinstanz wird darüber zu entscheiden haben, ob das Verfahren zur Wiederholung von Untersuchungshandlungen an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen ist.

    5. Damit ist das Berufungsverfahren als durch Rückweisung erledigt abzuschreiben.

  2. Kostenund Entschädigungsfolgen

Ausgangsgemäss sind die Kosten für das Berufungsverfahren, inklusive der Kosten für die amtliche Verteidigung, auf die Gerichtskasse zu nehmen (Art. 428

Abs. 4 StPO). Der amtliche Verteidiger ist für die ausgewiesenen und angemessenen Bemühungen (Urk. 110) im Berufungsverfahren mit Fr. 1'488.20 (inkl. 7.7% MwSt.) aus der Gerichtskasse zu entschädigen.

Es wird beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass die Verfügung des Bezirksgerichts Zürich,

  2. Abteilung - Einzelgericht, vom 27. November 2018 (GG180093) wie folgt in Rechtskraft erwachsen ist:

1. Das Verfahren wird betreffend üble Nachrede im Sinne von Art. 173 Ziff. 1 StGB eingestellt, soweit sie sich auf das Schreiben des Beschuldigten an D. vom 3. November 2016 bezieht.

2. (Mitteilungen und Rechtsmittel)

  1. Das Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 2. Abteilung - Einzelgericht, vom

    27. November 2018 wird aufgehoben und der Prozess Nr. GG180093 im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.

  2. Das Berufungsverfahren (Geschäfts-Nr. SB190032) wird als dadurch erledigt abgeschrieben.

  3. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz. Die weiteren Kosten betragen:

    Fr. 1'488.20 amtliche Verteidigung

  4. Die Kosten für das Berufungsverfahren, einschliesslich der Kosten für die amtliche Verteidigung, werden auf die Gerichtskasse genommen.

  5. Schriftliche Mitteilung an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl

    • die Vertretung der Privatklägerschaft dreifach für sich und zuhanden der Privatklägerin E. und des Privatklägers F.

      sowie nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist resp. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz (unter Rücksendung der Akten).

  6. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer Zürich, 25. September 2019

Der Präsident:

lic. iur. R. Naef

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. S. Bussmann

Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.
www.swissactiv.ch
Menschen zusammenbringen, die gemeinsame Interessen teilen
Die Freude an Bewegung, Natur und gutem Essen fördern
Neue Leute treffen und Unternehmungen machen

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.

SWISSRIGHTS verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf der Website analysieren zu können. Weitere Informationen finden Sie hier: Datenschutz