Zusammenfassung des Urteils RV200014: Obergericht des Kantons Zürich
In dem Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 2. Oktober 2020 ging es um eine Beschwerde gegen die Anordnung einer Kindesvertretung in einem Vollstreckungsverfahren. Die Gesuchsgegnerin und Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X, erhob Beschwerde gegen die Anordnung und beantragte die Aufhebung der Verfügung. Das Obergericht entschied, dass die Beschwerde nicht zulässig sei, da kein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil drohte. Die Gerichtskosten in Höhe von CHF 600 wurden der Gesuchsgegnerin auferlegt. Die Entscheidung wurde von Oberrichterin Dr. D. Scherrer gefällt.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | RV200014 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | I. Zivilkammer |
Datum: | 02.10.2020 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Vollstreckung |
Schlagwörter : | Gesuch; Verfügung; Gesuchsgegnerin; Beschwerde; Vorinstanz; Frist; Einwendung; Beschwerdeverfahren; Verfahren; Kindesvertretung; Einwendungen; Gericht; Partei; Gesuchsteller; Kindesvertreterin; Parteien; Rechtspflege; Sinne; Entscheid; Rechtsmittel; Entschädigung; Bundesgericht; Obergericht; Kantons; Zivilkammer; Oberrichter; Rechtsanwalt; Zustellung; Doppel |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ;Art. 117 ZPO ;Art. 145 ZPO ;Art. 93 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | Schweizer, Basler Kommentar Schweizerische Strafprozessordnung, Art. 268 StPO, 2011 |
Obergericht des Kantons Zürich
I. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: RV200014-O/U
Mitwirkend: Oberrichterin Dr. D. Scherrer, Vorsitzende, Oberrichter Dr. M. Kriech und Oberrichter lic. iur. A. Huizinga sowie Gerichtsschreiber
lic. iur. A. Baumgartner
Beschluss vom 2. Oktober 2020
in Sachen
,
Gesuchsgegnerin und Beschwerdeführerin vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X.
gegen
,
Gesuchsteller und Beschwerdegegner vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y.
betreffend Vollstreckung
Erwägungen:
a) Mit Verfügung vom 9. April 2020 entschied die Vorinstanz das Folgende (Urk. 2 S. 3 f.):
1. Für die Tochter C. wird für das vorliegende Verfahren eine Kindesvertretung angeordnet.
Als Kindesvertreterin wird ernannt:
D. , lic. iur. LL.M., Mediatorin SAV,
[Adresse]
sofern nicht von einer der Parteien innert 7 Tagen ab Zustellung dieser Verfügung schriftlich im Doppel begründete Einwendungen gegen sie erhoben werden.
Die gesetzlichen Fristenstillstände gelten in diesem Verfahren nicht (Art. 145 Abs. 2 ZPO).
(Schriftliche Mitteilung.)
Mit Eingabe vom 27. April 2020 erhob Rechtsanwalt lic. iur. X. namens der Gesuchsgegnerin und Beschwerdeführerin (fortan Gesuchsgegnerin) innert Frist Beschwerde gegen die vorgenannte Verfügung mit folgenden Anträgen (Urk. 1 S. 2):
1. Die Verfügung vom 9. April 2020 sei vollumfänglich aufzuheben;
Es sei keine Kindesvertretung anzuordnen;
Lic.iur D. sei mangels Eignung nicht als Kindesvertretung zu bestellen;
Es sei festzustellen, dass das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin verletzt wurde;
Eventualiter sei die Angelegenheit zur Gewährung des rechtlichen Gehörs an die Vorinstanz zurückzuweisen,
Es sei der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren und in der Person des Unterzeichnenden ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen;
Unter Kostenund Entschädigungsfolge (zuzüglich MWST).
Am 24. April 2020 verfügte die Vorinstanz auf die Einwendung der Gesuchsgegnerin, ihr rechtliches Gehör sei verletzt worden, hin folgendermassen (Urk. 7 S. 3):
1. Das Gesuch der Gesuchsgegnerin um Aufhebung der Verfügung vom 9. April 2020 wird abgewiesen.
Den Parteien wird eine letzte, nicht erstreckbare Frist von 10 Ta- gen ab Zustellung dieser Verfügung angesetzt, um schriftlich im Doppel begründete Einwendungen im Sinne der Erwägungen gegen die in der Verfügung vom 9. April 2020 vorgeschlagene Kindesvertreterin zu erheben.
Bei Säumnis wird Verzicht auf Stellungnahme angenommen.
Die gesetzlichen Fristenstillstände gelten in diesem Verfahren nicht (Art. 145 Abs. 2 ZPO).
(Schriftliche Mitteilung.)
Mit Eingabe vom 28. April 2020 machte die Gesuchsgegnerin geltend, in der Verfügung vom 24. April 2020 habe die Vorinstanz zwar an der angefochtenen Verfügung vom 9. April 2020 festgehalten, diese jedoch erläutert. Materiell gesehen stelle diese Erläuterung eine Abänderung der Verfügung vom 9. April 2020 dar. Mit der Abänderung der Verfügung vom 9. April 2020 werde die Beschwerde vom 27. April 2020 zwar gegenstandslos. Die Beschwerde sei aber nicht aussichtslos gewesen, was in den Kostenund Entschädigungsfolgen zu berücksichtigen sei (Urk. 6 S. 1).
Aufgrund der nachfolgenden Erwägungen kann offengelassen werden, ob die Beschwerde der Gesuchsgegnerin aufgrund der vorinstanzlichen Verfügung vom 24. April 2020 tatsächlich gegenstandslos geworden ist.
a) Die angefochtene Verfügung ist prozessleitender Natur. Gegen prozessleitende Verfügungen ist die Beschwerde von den hier nicht einschlägigen, im Gesetz explizit vorgesehenen Fällen (Art. 319 lit. b Ziff. 1 ZPO) abgesehen - nur zulässig, wenn durch sie der Beschwerde führenden Partei ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht (Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO). Ein drohender, nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil ist ohne Weiteres anzunehmen, wenn er auch durch einen für den Ansprecher günstigen Endentscheid nicht mehr beseitigt werden kann. Indes ist bei der Annahme eines solchen Nachteils grundsätzlich Zurückhaltung angebracht. Der Gesetzgeber hat die selbstständige Anfechtung gewöhnlicher Inzidenzentscheide absichtlich erschwert, denn der Gang
des Prozesses sollte nicht unnötig verzögert werden (Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung vom 28. Juni 2006, BBl 2006, S. 7377).
Das Vorliegen der Rechtsmittelvoraussetzungen (Zulässigkeitsvoraussetzungen des Rechtsmittels) ist von Amtes wegen zu prüfen, doch, wie allgemein bei der Prüfung von Prozessvoraussetzungen, nur auf Basis des dem Gericht vorgelegten Tatsachenmaterials (Müller, DIKE-Komm-ZPO, Art. 60 N 1). Entsprechend muss die betroffene Partei den nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteil dartun, d.h. sie ist beweispflichtig, sofern die Gefahr nicht von vornherein offenkundig ist (BK ZPO-Sterchi, Art. 319 N 15 m.w.H.). Zudem muss sie darlegen, warum sich der von ihr geltend gemachte Nachteil später nicht mehr leicht wiedergutmachen lassen soll. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, von Amtes wegen darüber Nachforschungen anzustellen. Fehlt die Rechtsmittelvoraussetzung des drohenden, nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteils, so ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Die entsprechende prozessleitende Verfügung kann in diesem Fall erst zusammen mit dem Endentscheid angefochten werden.
Die Gesuchsgegnerin führt in ihrer Beschwerdeschrift zum nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteil aus, dass gemäss konstanter Praxis die Beschwerde gegen Verfügungen, welche die Person der Kindesvertretung beträfen, zulässig seien (unter Hinweis auf OGer ZH PC140013-O vom 28.11.2020 [recte: 27.06.2014]). Gegen einen Entscheid über die Einsetzung einer Kindesvertretung an sich sei die Beschwerde hingegen nicht zulässig (unter Hinweis auf OGer ZH PQ180039-O vom 24.07.2018). Da die Beschwerde vorliegend in einem Punkt zulässig sei, sei die Verfügung vom 9. April 2020 gesamthaft zu prüfen (Urk. 1 S. 3 Ziff. I.4).
Die Vorinstanz ernannte in der angefochtenen Verfügung lic. iur. D. als Kindesvertreterin. Dies jedoch nur, sofern nicht von einer Partei innert sieben Tagen begründete Einwendungen gegen sie erhoben würden (Urk. 2 S. 3 f. Dispositivziffer 2). Der Gesuchsgegnerin stand es somit offen, bei der Vorinstanz fristgerecht schriftlich ihre Einwendungen gegen lic. iur. D. vorzubringen. Die Vorinstanz hätte in der Folge über die Einwendungen formell entscheiden müssen. Erst in Bezug auf diesen Entscheid hätte der Gesuchsgegnerin ein nicht
leicht wiedergutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO gedroht. Dieser wäre dannzumal in der Verletzung des Kindeswohls zu sehen, welche dann entstehen würde, wenn die geltend gemachten Beanstandungen gegen die Einsetzung der Kindesvertreterin erst im Rahmen der Anfechtung des Endentscheids überprüft werden könnten und bei Bejahung eines Ablehnungsgrundes das erstinstanzliche Verfahren wiederholt werden müsste, was für ein Kind wohl eine erhebliche Belastung darstellen würde (vgl. OGer ZH PC140013-O vom 27.06.2014, E. 3c). In Bezug auf Dispositivziffer 2 der angefochtenen Verfügung ist hingegen aufgrund der darin enthaltenen Fristansetzung kein drohender, nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil ersichtlich, weshalb auf die Beschwerde der Gesuchsgegnerin diesbezüglich nicht einzutreten ist.
Zu Dispositivziffer 1 führt die Gesuchsgegnerin unter Bezug auf den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 24. Juli 2018 (PQ180039-O/U) selber aus, dass kein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO drohe. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Auf die Beschwerde der Gesuchsgegnerin vom 27. April 2020 ist somit gesamthaft nicht einzutreten.
Gemäss Art. 117 ZPO hat eine Person Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Die Beschwerde war aus den vorstehend dargelegten Gründen von vornherein aussichtslos, weshalb der Gesuchsgegnerin für das Beschwerdeverfahren die von ihr beantragte unentgeltliche Rechtspflege nicht gewährt werden kann.
Die Prozesskosten werden der unterliegenden Partei auferlegt. Bei Nichteintreten gilt die klagende Partei bzw. die Partei, welche das Rechtsmittel erhoben hat, als unterliegend (vgl. Art. 106 Abs. 1 ZPO), weshalb der Gesuchsgegnerin die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen sind. Diese sind gestützt auf § 9 Abs. 1 sowie § 12 Abs. 1 und 2 GebV OG auf Fr. 600.festzusetzen. Mangels wesentlicher Umtriebe ist dem Gesuchsteller und Beschwerdegegner (fortan Gesuchsteller) für das Beschwerdeverfahren keine Entschädigung zu-
zusprechen. Die Gesuchsgegnerin ihrerseits hat als unterliegende Partei keinen Anspruch auf Entschädigung (vgl. Art. 106 Abs. 1 ZPO).
Es wird beschlossen:
Auf die Beschwerde der Gesuchsgegnerin wird nicht eingetreten.
Das Gesuch der Gesuchsgegnerin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren wird abgewiesen.
Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 600.festgesetzt.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden der Gesuchsgegnerin auferlegt.
Für das Beschwerdeverfahren werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien und an Rechtsanwältin lic. iur.
D. , an letztere und an den Gesuchsteller je unter Beilage von Doppeln bzw. Kopien der Urk. 1, 4, 5/3-5, 6 und 7, sowie an die Vorinstanz, je gegen Empfangsschein.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG.
Es handelt sich um eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung. Hinsichtlich des Fristenlaufs gelten die Art. 44 ff. BGG.
Zürich, 2. Oktober 2020
Obergericht des Kantons Zürich
Zivilkammer
Der Gerichtsschreiber:
lic. iur. A. Baumgartner
versandt am: lb
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