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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils PS220184: Obergericht des Kantons Zürich

Die 1. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern hat in einer Sitzung vom 4. Oktober 2007 in der Strafsache gegen K. entschieden, dass die Mischrechnungspraxis auch nach Einführung des neuen AT StGB berücksichtigt werden muss. Es wurde festgehalten, dass bei einem Widerruf entweder eine unbedingte Geldstrafe für die neuen Delikte ausgesprochen werden soll oder eine teilbedingte Gesamtstrafe. Die Kammer widerrief den bedingt gewährten Vollzug einer Gefängnisstrafe und sprach eine teilbedingte Geldstrafe aus. Die Vorinstanz hatte K. schuldig gesprochen und eine unbedingte Gesamtstrafe von 180 Tagessätzen Geldstrafe verhängt. Die Kammer entschied jedoch anders und sprach eine Geldstrafe von 169 Tagessätzen à Fr. 90.00 aus. Es wurde auch diskutiert, ob eine teilbedingte Gesamtstrafe angemessen sei.

Urteilsdetails des Kantongerichts PS220184

Kanton:ZH
Fallnummer:PS220184
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid PS220184 vom 25.01.2023 (ZH)
Datum:25.01.2023
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 5A_161/2023
Leitsatz/Stichwort:Insolvenzerklärung / Konkurseröffnung
Schlagwörter : Konkurs; SchKG; Recht; Gläubiger; Betreibung; Vermögens; Konkurseröffnung; Einkommen; Schulden; Höhe; Schuldner; Urteil; Insolvenzerklärung; Vorinstanz; Entscheid; Steuer; Einkommens; Konkursbegehren; Verfahren; Über; Konkursgericht; Sinne; Forderung; Dividende; Gericht; Bundesgericht
Rechtsnorm:Art. 106 ZPO ;Art. 174 KG ;Art. 191 KG ;Art. 194 KG ;Art. 2 ZGB ;Art. 265a KG ;Art. 265b KG ;Art. 326 ZPO ;Art. 90 BGG ;Art. 93 KG ;
Referenz BGE:133 III 614;
Kommentar:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts PS220184

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: PS220184-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichter Dr. M. Sarbach und Oberrichterin lic. iur. A. Strähl

sowie Gerichtsschreiberin MLaw D. Fabio

Urteil vom 25. Januar 2023

in Sachen

  1. ,

    Gesuchstellerin und Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X.

    betreffend Insolvenzerklärung / Konkurseröffnung

    Beschwerde gegen ein Urteil des Konkursgerichtes des Bezirksgerichtes Horgen vom 12. Oktober 2022 (EK220266)

    Erwägungen:

    1. Prozessgeschichte

      1. Mit Eingabe vom 2. September 2022 erklärte sich die Gesuchstellerin und Beschwerdeführerin (nachfolgend Beschwerdeführerin) beim Konkursgericht des Bezirksgerichtes Horgen (nachfolgend Vorinstanz) als zahlungsunfähig und beantragte die Insolvenzerklärung im Sinne von Art. 191 SchKG (act. 5/1 und 5/3/2). Nachdem die Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 15. September 2022 aufgefordert worden war, zur Frage der allfälligen Rechtsmissbräuchlichkeit der Insolvenzerklärung Stellung zu nehmen (act. 5/8), reichte sie ihre Stellungnahme mit Eingabe vom 28. September 2022 fristgerecht ein (act. 5/13). Mit Urteil vom

      12. Oktober 2022 wies die Vorinstanz das Konkursbegehren der Beschwerdeführerin ab (act. 5/16 = act. 3 = act. 4 [Aktenexemplar], nachfolgend zitiert als act. 4).

      2. Gegen diesen Entscheid erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom

      27. Oktober 2022 hierorts Beschwerde und beantragte, es sei das angefochtene Urteil aufzuheben und das Gesuch um Konkurseröffnung gutzuheissen, eventualiter sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen, jeweils unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zzgl. MwSt) zu Gunsten der Beschwerdeführerin (act. 2 S. 1 f.).

      3. Der mit Verfügung vom 5. Dezember 2022 (act. 7) einverlangte Kostenvorschuss ging mit Valuta vom 6. Januar 2023 fristgereicht ein (act. 9 und 11). Die vorinstanzlichen Akten wurden beizogen (act. 5/1-22). Das Verfahren erweist sich als spruchreif.

    2. Prozessuales

      1. Die Beschwerde richtet sich gegen ein Urteil eines Konkursgerichtes. Solche Entscheide können innert zehn Tagen mit Beschwerde angefochten werden

        (Art. 191 i.V.m. Art. 194 Abs. 1 i.V.m. Art. 174 Abs. 1 SchKG i.V.m. Art. 319 ff. ZPO). Nach Art. 326 Abs. 1 ZPO sind im Beschwerdeverfahren neue Anträge, neue Tatsachenbehauptungen und neue Beweismittel ausgeschlossen. In

        Art. 326 Abs. 2 ZPO werden indes besondere gesetzliche Bestimmungen vorbehalten. Als solche besondere Bestimmungen, welche eine Ausnahme erlauben, gelten Art. 174 Abs. 1 und 2 SchKG betreffend die Beschwerde gegen eine Konkurseröffnung. Art. 174 Abs. 1 SchKG, wonach in der Beschwerde unechte Noven

        – d.h. Tatsachen, die vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind – vorgebracht werden können, gilt auch bei der Konkurseröffnung ohne vorgängige Betreibung nach Art. 191 SchKG (vgl. Art. 194 Abs. 1 SchKG). Art. 174 Abs. 2 SchKG, welcher abschliessend zulässige echte Noven – d.h. Tatsachen, die erst nach dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind – auflistet, ist dagegen nicht auf eine Konkurseröffnung ohne vorgängige Betreibung zugeschnitten (vgl. dazu die Ausführungen der Kammer in OGer ZH PS190234 vom 20. Dezember 2019 E. 2.2 mit Hinweis auf OGer ZH PS190214 vom 26. November 2019 E. 2 mit weiteren Hinweisen). Im Beschwerdeverfahren betreffend eine Konkurseröffnung ohne vorgängige Betreibung im Sinne von Art. 191 SchKG sind daher lediglich unechte Noven zulässig.

      2. Das angefochtene Urteil wurde der Beschwerdeführerin am 17. Oktober 2022 zugestellt (act. 5/17). Die dagegen erhobene Beschwerde vom 27. Oktober 2022 (Datum Poststempel) erfolgte damit rechtzeitig (act. 2).

    3. Ausgangslage

      Die Beschwerdeführerin ist geschieden und lebt mit ihrer 17-jährigen Tochter

      B. in C. (vgl. act. 5/3/2 S. 1 und 5/3/17). Über die Beschwerdeführerin wurde bereits im Jahr 2019 mit Urteil vom 25. November 2019 durch die Vorinstanz der Konkurs eröffnet (act. 5/3/23). Nachdem die Beschwerdeführerin im Jahr 2020 ihre Stelle bei der D. GmbH verloren hatte, wurde sie ab dem

      5. Mai 2020 von der Sozialbehörde C. wirtschaftlich durch Sozialhilfe unterstützt (vgl. act. 5/3/17). Gemäss ihren eigenen Angaben hat die Beschwerdeführerin wieder eine neue Anstellung gefunden. Sie erziele zurzeit einen monatlichen Nettolohn von Fr. 6'500.– und erhalte zusätzlich monatliche Kinderunterhaltsbeiträge in Höhe von Fr. 700.– von ihrem Ex-Mann für die gemeinsame Tochter

      1. (act. 5/3/2 S. 2 und act. 2 Rz. 3.3). Gemäss Zahlungsbefehl vom

        1. Oktober 2021 leitete die Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, Ausgleichskasse (nachfolgend SVA), gegen die Beschwerdeführerin eine Betreibung für eine Schadenersatzforderung in Höhe von Fr. 141'321.75 für nicht bezahlte Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge ein (act. 5/3/3 und 5/3/22). Für diesen Betrag erteilte das Einzelgericht des Bezirksgerichtes Horgen mit Urteil vom 27. Juli 2022 die definitive Rechtsöffnung (act. 5/14/2). Anschliessend erliess das Betreibungsamt Horgen am 22. August 2022 die Pfändungsankündigung (act. 5/3/4). Darüber hinaus teilte das Kantonale Steueramt der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 10. November 2021 mit, dass gestützt auf den Bericht des steueramtlichen Bücherrevisors vom 24. April 2015 betreffend die Revision der Geschäftsjahre 2011 und 2012 der E. GmbH ein Nachsteuer- und Bussenverfahren eröffnet werde (act. 5/3/18). Mit Schreiben vom 10. Juni 2022 stellte das Kantonale Steueramt der Beschwerdeführerin die Zahlungserinnerungen für die Nachsteuern der Staats- und Gemeindesteuern sowie der Direkten Bundessteuer der Steuerperiode 2011 in Höhe von Fr. 28'831.55 bzw. Fr. 15'410.15 zu

      (act. 5/3/5 und 5/3/6). Im Übrigen erhob die Beschwerdeführerin in der gegen sie durch den Staat Zürich und Gemeinde C. erhobenen Betreibung Nr. 1 für eine Forderung von Fr. 2'145.50 zuzüglich Zinsen von Fr. 36.65 sowie Betreibungskosten von Fr. 73.30 Rechtsvorschlag mangels neuen Vermögens. Diesen zog sie anlässlich der Hauptverhandlung vom 4. April 2022 vor dem Einzelgericht im summarischen Verfahren des Bezirks C. wieder zurück, weshalb das Verfahren als gegenstandlos geworden abgeschrieben wurde (vgl. act. 5/3/15 und 5/3/16).

    4. Zur Beschwerde im Einzelnen

      1.

        1. Die Vorinstanz kam zum Schluss, der Antrag der Beschwerdeführerin sei wegen Rechtsmissbrauchs abzuweisen. Sie erwog zusammengefasst, dass die Beschwerdeführerin per 30. August 2022 gemäss eigenen Angaben über ein Vermögen von insgesamt Fr. 2'096.07 verfüge. Dass die Beschwerdeführerin über weiteres Vermögen verfüge, sei nicht ersichtlich. Obschon die Beschwerde-

          führerin keine Unterlagen zum Nachweis ihrer heutigen finanziellen Verhältnisse ins Recht lege, erscheine es in Anbetracht des Umstands, dass über sie mit Urteil vom 25. November 2019 der Konkurs eröffnet worden sei und sie gegen einen Zahlungsbefehl vom 16. Februar 2022 mit der Begründung fehlenden neuen Vermögens Rechtsvorschlag erhoben habe, als glaubhaft, dass sie keine sonstigen Vermögenswerte besitze. Aufgrund dessen sei betreffend ihre Vermögensverhältnisse auf die Angaben der Beschwerdeführerin abzustellen und von einem Guthaben in Höhe von Fr. 2'096.07 auszugehen. Diesem Vermögen würde eine Schuldenlast von mindestens Fr. 185'563.45 gegenüberstehen, welche aus einer Forderung der SVA von Fr. 141'231.75 und Nachsteuerforderungen betreffend Staats- und Gemeindesteuern sowie Direkte Bundessteuern für die Steuerperiode 2011 in Höhe von insgesamt Fr. 44'241.70 resultieren würden. Dadurch, dass die Vermögenswerte nicht einmal für die Durchführung eines Konkursverfahrens ausreichen würden, dürfte den Gläubigern keine nennenswerte Dividende verbleiben. Damit könne der Zweck des Konkursverfahrens nicht ansatzweise erreicht wer- den, womit die Insolvenzerklärung rechtsmissbräuchlich sei (act. 4 E. 3).

          Die Vorinstanz erwog weiter, dass selbst wenn das Gesuch der Beschwer- deführerin nicht bereits mangels verwertbaren Vermögens abzuweisen wäre, so wäre dieses auch aufgrund des Umstands, dass der Zweck des Gesuchs vorwiegend darin bestehe, eine kurz bevorstehende Einkommenspfändung zugunsten einzelner Gläubiger mittels Konkurseröffnung abzuwenden, als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren und dementsprechend abzuweisen. Zulässig sei die Annahme der rechtsmissbräuchlichen Insolvenzerklärung, wenn der Schuldner damit offensichtlich nicht einen wirtschaftlichen Neubeginn auf solider Grundlage anstrebe, sondern seine Belangbarkeit für bestehende Zahlungsverpflichtungen einschränken wolle (act. 4 E. 4). Bei einem [monatlichen] Nettoeinkommen von Fr. 6'500.– sei davon auszugehen, dass – trotz allfälliger Unterstützungspflichten gegenüber ihren Kindern – eine signifikante pfändbare Quote des monatlichen Einkommens verbleibe. In Anbetracht dieser Ausgangslage sei es äusserst wahrscheinlich, dass die Beschwerdeführerin mit der Insolvenzerklärung versuche, einer bevorstehenden Einkommenspfändung zuvorzukommen und diese mittels Konkurs abzuwehren. Die pauschale Begründung der Beschwerdeführerin, dass das vorlie-

          gende (zweite) Insolvenzverfahren durchzuführen sei, damit die von ihrem geschiedenen und nach Serbien verzogenen Ehemann heraufbeschworenen Altlasten endlich mit einem umfassenden Konkurs bereinigt werden könnten, sei vorliegend nicht von Relevanz, da es nicht Aufgabe des Konkursgerichts sei, die Hintergründe von in Betreibung und Pfändung gesetzten Forderungen zu überprüfen. Die relativ kurze Zeitspanne von ungefähr drei Jahren seit der letzten Konkurser- öffnung am 25. November 2019, ohne dass sich die finanzielle Situation der Beschwerdeführerin zwischenzeitlich im Sinne eines wirtschaftlichen Neuanfangs nachhaltig stabilisiert habe, lasse indessen ebenfalls auf Rechtsmissbrauch im Sinne von Art. 191 SchKG schliessen (act. 4 E. 5).

        2. Dem hält die Beschwerdeführerin in der Beschwerde entgegen, dass der Umstand, dass die Passiva die Aktiva deutlich übersteigen würden und wohl kei- ne erhebliche Konkursdividende zu erwarten sei, mitnichten ein Grund dafür sei, rechtsmissbräuchliches Vorgehen zu unterstellen. Vielmehr werde ja nach

      Art. 191 SchKG gerade vorausgesetzt, dass eine Schuldenbereinigung nicht mehr möglich sei, mit Ratenzahlungen in absehbarer Zeit eine Sanierung herbeizuführen. Zum einen sei es nicht so, dass sie gar kein Vermögen aufweise. Sie sei in der Lage, aus ihrem laufenden Einkommen sowohl die konkursrichterlichen als auch die konkursamtlichen Kosten zu decken. Auch wenn nach der Deckung der Verfahrenskosten wohl keine beträchtliche Konkursdividende zu Gunsten der Gläubiger resultieren werde, könne daraus kein offenbar rechtsmissbräuchliches Vorgehen abgeleitet werden. Zum anderen werde wohl nach Abrechnung der Verfahrenskosten noch ein, wenn auch nicht beträchtliches, Restvermögen verbleiben, welches unter den Konkursgläubigern verteilt werden könne, sodass noch eine, wenn auch geringe, Dividende an alle Gläubiger bezüglich der Altlasten werde ausbezahlt werden können. Sie werde nämlich bemüht sein, und es werde ihr aufgrund ihres Einkommens auch möglich sein, die Konkurskosten aus dem laufenden Einkommen zurückzustellen (act. 2 Rz. 3.1 und Rz. 4). Zudem sei es ziemlich unverfroren, wenn die Vorinstanz einer alleinerziehenden Mutter, die mit all ihren Kräften eine Anstellung erlangt habe, um den laufenden Verpflichtungen für sich und ihre Kinder nachkommen zu können und nicht auf Sozialhilfe angewiesen zu sein, unterstelle, sie handle rechtsmissbräuchlich, wenn sie verhindern

      wolle, für die nächsten zig Jahre einer Einkommenspfändung zu unterliegen. Es sei gerade ein gesetzgeberisch gewünschter Zweck des Privatkonkurses, dass einem Schuldner ein Neuanfang ermöglicht werden solle. Mithin sei angesichts des aktuellen Alters der Beschwerdeführerin von 39 Jahren davon auszugehen, dass sie die nächsten rund 25 Jahre auf dem Existenzminimum verbleiben müsste (act. 2 Rz. 3.2 und Rz. 4).

      Die Beschwerdeführerin bringt sodann vor, dass bei der Prüfung der Frage, ob ein offenbarer Rechtsmissbrauch vorliege, sämtliche Umstände zu berücksichtigen seien. Dies habe die Vorinstanz unterlassen. Sie begnüge sich damit, dass angesichts des monatlichen Nettoeinkommens und der Unterhaltszahlungen von monatlich Fr. 700.– von einer signifikanten pfändbaren Quote des monatlichen Einkommens auszugehen sei. Gerade dies spreche ja dafür, dass eben die Konkurskosten bestritten werden könnten. Entgegen der vorinstanzlichen Vorbringen komme es sehr wohl darauf an, dass auch die Gründe der Überschuldung geprüft würden. Wolle das Konkursgericht Rechtsmissbrauch unterstellen, so müsse sehr wohl beleuchtet werden, was zur Überschuldung geführt habe. Verfehlt sei auch die Unterstellung, dass sich nach der letzten Konkurseröffnung ihre finanzielle Situation nicht nachhaltig stabilisiert habe. Auch nach der Trennung und Scheidung von ihrem Ex-Mann habe sie alle Rechnungen inklusive laufende Steuern bezahlt. Lediglich aus dem Grund, dass nun aufgrund der Altlasten neue Schadenersatzverpflichtungen auf sie zugekommen und in Betreibung gesetzt worden seien, habe sie sich veranlasst gesehen, eine Entlastung anzustreben (act. 2 Rz. 3.3).

      2.

        1. Gemäss Art. 191 SchKG kann der Schuldner die Konkurseröffnung selber beantragen, indem er sich beim Gericht für zahlungsunfähig erklärt. Der Richter eröffnet den Konkurs, wenn keine Aussicht auf eine Schuldenbereinigung nach Art. 333 ff. SchKG besteht. Überdies hat das Gericht – auch wenn nicht explizit in Art. 191 SchKG erwähnt – ein offensichtlich rechtsmissbräuchliches Konkursbegehren (vgl. Art. 2 ZGB) abzuweisen. Das wäre der Fall, wenn der Schuldner kein schutzwürdiges Interesse an der Konkurseröffnung hat und es ihm nur darum geht, seine Gläubiger zu prellen, und wieder in den Genuss seines vollen Lohnes

          zu kommen (Amonn/Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9. Aufl. 2013, § 37 N 25). Die Rechtsmissbräuchlichkeit wird dabei von Amtes wegen geprüft (vgl. Kren Kostkiewicz, OFK, SchKG Kommentar, 20. Aufl. 2020, Art. 191 N 2; BSK SchKG II-Brunner/Boller/Fritschi, 3. Aufl. 2021, Art. 191

          N 15).

        2. Ziel des Insolvenzverfahrens ist es, den Erlös aus den schuldnerischen Vermögenswerten in gerechter Weise auf alle Gläubiger aufzuteilen. Wer freiwillig seinen eigenen Konkurs begehrt, muss deshalb nach konstanter Praxis des Bun- desgerichtes über ein gewisses Vermögen verfügen, dessen Erlös den Gläubigern übertragen werden kann. Der Schuldner erfährt dann insofern einen gewissen Schutz, als er für die bisherigen Schulden erst wieder belangt werden kann, wenn er über neues Vermögen verfügt (Art. 265 Abs. 2 und Art. 265a SchKG; vgl. BGer 5A_433/2019 vom 26. September 2019 E. 4.1). Das Bundesgericht hat je- doch bislang offen gelassen, wie gross die Dividende für die Gläubiger sein muss, damit die Insolvenzerklärung nicht als rechtsmissbräuchlich erscheint (vgl. BGer 5A_433/2019 vom 26. September 2019 E. 4.1 und 4.2; BGer 5A_819/2018 vom

          4. März 2019 E. 2.1 und 2.4.2). Der Gesetzgeber hat durch Art. 191 SchKG keine private Schuldensanierung eingeführt einführen wollen, um das Problem der Überschuldung derjenigen zu lösen, welche über keine Aktiven verfügen (BGE 133 III 614 E. 6.1.2). Strebt ein Schuldner somit im Wissen darum, dass die Konkursmasse keine Aktiven aufweisen würde, einen Konkurs an möchte er auf diesem Weg zum Nachteil der Gläubiger eine Lohnpfändung abschütteln, verhält er sich rechtsmissbräuchlich und die Konkurseröffnung ist zu verweigern. Würde der Richter jedem Schuldner den Konkurs bewilligen, so würde die in Art. 93 SchKG vorgesehene Lohnpfändung jede Bedeutung verlieren und die Interessen der Gläubiger wären nicht mehr gewahrt (BGer 5A_819/2018 vom 4. März 2019 E. 2.1).

          Wie bereits von der Vorinstanz festgehalten, hat es die Beschwerdeführerin unterlassen, Unterlagen zu ihren finanziellen Verhältnissen einzureichen. Auch mit der Beschwerde hat die Beschwerdeführerin diesbezüglich nichts nachgereicht; entsprechende neue Vorbringen wären wie eingangs erwähnt von der

          Kammer entgegenzunehmen gewesen. Ferner stellt die Beschwerdeführerin die von der Vor-instanz ihrem Entscheid zugrunde gelegten Zahlen nicht in Abrede. In Bezug auf ihre Einkommens- und Vermögenslage ist daher auf die von ihr in ihrem Gesuch um Insolvenzerklärung vom 30. August 2022 (act. 5/3/2 S. 2 und 3) gemachten Angaben abzustellen. Folglich ist von einem monatlichen Einkommen in Höhe von Fr. 6'500.– netto zuzüglich Fr. 700.– monatliche Unterhaltsbeiträge sowie von einem Gesamtvermögen in Höhe von Fr. 2'096.07 auszugehen. Im Vergleich dazu bestehen Schulden in Höhe von mindestens Fr. 187'818.90 (For- derung der SVA in Höhe von Fr. 141'321.75, Forderung des Kantonalen Steueramtes in Höhe von gesamthaft Fr. 44'241.70 und Forderung des Gemeindesteueramtes C. in Höhe von Fr. 2'255.45 [vgl. E. III hiervor]). Die Aktiven von

          Fr. 2'096.07 fallen somit im Verhältnis zu den Schulden kaum ins Gewicht. Sie betragen gerade einmal 1.1 %. Hinzu kommt, dass die vorhandenen Aktiven ohnehin für die Durchführung des Konkursverfahrens nicht ausreichen würden, sodass im Ergebnis wohl gar keine Dividende für die Gläubiger verbleiben würde. Das pauschale Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass sie die Konkurskosten gestützt auf ihr Einkommen rückstellen könne, vermag nicht zu überzeugen. Die Beschwerdeführerin hat in keiner Weise glaubhaft dargelegt, dass sie die Konkurskosten in Höhe von Fr. 4'000.– bis Fr. 5'000.– innert derart kurzer Zeit rückstellen könne. Ferner hat sie weder einen konkreten Betrag genannt, den sie monatlich rückstellen würde, noch Belege für bereits getätigte Rückstellungen bzw. noch vorhandenes Restvermögen eingereicht. Selbst wenn – was nach dem soeben Gesagten nicht plausibel erscheint – es der Beschwerdeführerin möglich wäre, die Kosten des Konkursverfahrens (ausschliesslich) mittels ihres Einkommens zu decken, bliebe für die Gläubiger trotzdem nur eine Dividende von 1.1 %. Ausser- dem ist unklar, ob die Beschwerdeführerin zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes auf das Guthaben auf dem F. Privatkonto, welches per 31. August 2022 einen Saldo von Fr. 1'089.27 aufgewiesen haben soll (vgl. act. 5/3/2 S. 3), zurückgreifen muss.

        3. Nach dem Gesagten ist ihr Konkursbegehren als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren (vgl. BGer 5A_819/2018 vom 4. März 2019 E. 2.4.2, in welchem das Bundesgericht festhielt, dass ein abgewiesenes Konkursbegehren bei einer mög-

          lichen Dividende von lediglich ca. 1 % keine Verletzung von Bundesrecht darstelle).

        4. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der verbleibende monatliche Überschuss – welchen die Beschwerdeführerin nicht bestreitet (act. 2 Rz. 3.3) – der Beschwerdeführerin erlauben würde, wenigstens einen Teil der Schulden abzubauen. In Bezug auf ihren Bedarf gibt die Beschwerdeführerin in ihren Konkursbegehren an, dass sie einen monatlichen Bedarf von insgesamt Fr. 5'028.– aufweise (Mietzins von Fr. 2'030.–, Krankenkasse von Fr. 428.–, Mobiliar- und Haftpflichtversicherung von Fr. 245.– [wobei es sich beim angegeben Betrag wohl um die Jahresprämie handelt, weshalb der monatliche Anteil von umgerechnet

          Fr. 20.– zu berücksichtigen ist] sowie Grundbeträge [von ihr und B. ] von Fr. 2'550.–). Stellt man diesem Bedarf das Nettoeinkommen von Fr. 6'500.– gegenüber, ergibt sich ein monatlicher Überschuss von Fr. 1'472.–. Es bestehen je-

          doch keinerlei Indizien, dass die Beschwerdeführerin bemüht wäre, ihre Schulden abzubauen. Abzahlungsvereinbarungen hat sie bisher mit den Gläubigern nicht getroffen (act. 5/3/2 S. 5). Sie führt auch nicht aus, dass sie mit den Gläubigern Kontakt aufgenommen habe, um allfällige Abzahlungsmodalitäten zu besprechen bzw. vorhabe, dies in naher Zukunft zu tun. Vielmehr scheint es so, als würde die Beschwerdeführerin die Zugriffsrechte ihrer Gläubiger zunichtemachen wollen. Darüber hinaus überzeugt das Argument der Beschwerdeführerin, die Schulden seien einzig durch ihren Ex-Mann verursacht worden, nicht. Die Beschwerdeführerin war während mehreren Jahren als einzige Gesellschafterin und Geschäftsführerin der E. GmbH im Handelsregister eingetragen, weshalb sie für die auferlegten Schadenersatzforderungen gemäss dem Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 4. Oktober 2017 aufzukommen hat (vgl. act. 5/3/11). Das Gleiche gilt für die Nachsteuerforderungen des Kantonalen Steueramtes. Weshalb die Schulden entstanden sind bzw. wer für die Altlasten verantwortlich ist, ist entgegen der Vorbringen der Beschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren nicht von Relevanz.

        5. Einen (weiteren) Anwendungsfall einer rechtsmissbräuchlichen Insolvenzerklärung hat der Gesetzgeber sodann in Art. 265b SchKG ausdrücklich ge-

          setzlich geregelt: Während der Dauer einer Betreibung, der sich der Schuldner mit der Bestreitung neuen Vermögens widersetzt, darf keine Insolvenzerklärung abgegeben werden. Mit dieser Bestimmung wird bezweckt, dass der Schuldner eine gegen ihn angehobene Betreibung eines Verlustscheingläubigers nicht unterlaufen kann, indem er sich selbst für zahlungsunfähig erklärt und so die neuerliche Konkurseröffnung auslöst (Schober in: Kren Kostkiewicz/Vock [Hrsg.], Schulthess Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG),

          4. Aufl. 2017, Art. 265b N 3). Art. 265b SchKG gilt für den Schuldner, bis die betreffende Betreibung zu Ende geführt worden ist (KUKO SchKG-Stöckli/Possa,

          2. Aufl. 2014, Art. 265b N 3). In der Lehre unterschiedlich beantwortet wird, ob die Bestimmung von Art. 265b SchKG über ihren Wortlaut hinaus auch auf den Fall anzuwenden ist, dass der Schuldner die Einrede fehlenden neuen Vermögens nicht erhebt zurückzieht (befürwortend Vock/Meister-Müller, SchKG-Klagen nach der Schweizerischen ZPO, 2. Aufl. 2018, S. 108; Amonn/Walther, a.a.O.,

          § 48 N 38; ablehnend KUKO SchKG-Stöckli/Possa, a.a.O., Art. 265b N 1).

          In einem früheren Entscheid ist die Kammer den befürwortenden Autoren gefolgt und hat den vorinstanzlichen Entscheid geschützt, in dem das Gericht auf eine Insolvenzerklärung des Schuldners nicht eingetreten war, nachdem er die Einrede fehlenden neuen Vermögens zurückgezogen hatte (vgl. OGer ZH PS160116 vom 20. Juli 2017 E. 6.1 ff.). Vorliegend hat die Beschwerdeführerin in der Betreibung Nr. 1 Rechtsvorschlag mangels neuen Vermögens erhoben, ihn jedoch anlässlich der Hauptverhandlung wieder zurückgezogen (vgl. act. 5/3/15 und 5/3/16). Entsprechend wurde das Verfahren betreffend Rechtsvorschlag mangels neuen Vermögens durch das Gericht mit Verfügung vom 8. April 2022 als gegenstandslos geworden abgeschrieben (act. 5/3/15). Ob die Betreibung bereits zu Ende geführt wurde, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Sollte dies jedoch nicht der Fall sein, so wäre die Beschwerde auch vor diesem Hintergrund abzuweisen. Da die Konkurseröffnung jedoch ohnehin – insbesondere infolge fehlen- der Vermögenswerte – zu verweigern ist, braucht nicht weiter erörtert zu werden, ob die Voraussetzungen von Art. 265b SchKG in tatsächlicher Hinsicht erfüllt sind.

        6. In einer Gesamtwürdigung der Situation ist das Konkursbegehren der Beschwerdeführerin als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren. Es gelingt ihr nicht nachzuweisen, sie verfüge über (ausreichend) verwertbares Vermögen. Ebenso wenig hat sie glaubhaft dargelegt, dass sie tatsächlich um eine Schuldenbereinigung bemüht sei, weshalb davon auszugehen ist, dass sie mit dem Konkursbegehren lediglich der Einkommenspfändung entgehen möchte, was nicht zu schützen ist. Entsprechend bejahte die Vorinstanz zu Recht, dass das Konkursbegehren der Beschwerdeführerin rechtsmissbräuchlich erfolgte.

        7. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Die Frage, ob Aussicht auf eine Schuldenbereinigung nach Art. 333 ff. SchKG besteht, braucht bei diesem Ergebnis nicht geprüft zu werden.

    5. Kosten- und Entschädigungsfolgen

Die Beschwerdeführerin unterliegt im vorliegenden Beschwerdeverfahren vollumfänglich. Ausgangsgemäss sind ihr deshalb die Prozesskosten aufzuerlegen

(Art. 106 Abs. 1 ZPO). In Anwendung von Art. 52 lit. a GebV SchKG i.V.m. Art. 61 Abs. 1 GebV SchKG ist die Entscheidgebühr für das Beschwerdeverfahren auf Fr. 750.– festzusetzen. Eine Parteientschädigung ist der unterliegenden Beschwerdeführerin nicht zuzusprechen.

Es wird erkannt:

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

  2. Die Entscheidgebühr wird auf Fr. 750.– festgesetzt, der Beschwerdeführerin auferlegt und mit dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

  3. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

  4. Schriftliche Mitteilung an die Beschwerdeführerin sowie an das Konkursgericht des Bezirksgerichtes Horgen, je gegen Empfangsschein, und an die Obergerichtskasse.

    Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist an die Vorinstanz zurück.

  5. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-

richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

Es handelt sich um einen Entscheid des Konkursoder Nachlassrichters der Konkursoder Nachlassrichterin im Sinne von Art. 74 Abs. 2 lit. d BGG.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw D. Fabio versandt am:

26. Januar 2023

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