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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:PS190050
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid PS190050 vom 05.04.2019 (ZH)
Datum:05.04.2019
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 5A_358/2019
Leitsatz/Stichwort:Nichtigkeit der Betreibung (Beschwerde über ein Betreibungsamt)
Schlagwörter : Beschwerde; Betreibung; Beschwerdeführer; Nichtigkeit; Recht; SchKG; Verfahren; Vorinstanz; Urteil; Aufsichtsbehörde; Interesse; Betreibungen; Feststellung; Konkurs; Schuldbetreibung; Entscheid; Begehren; Beschwerdeführers; Urteils; Verfahrens; Konkurssachen; Schuldbetreibungs; Rechtsschutzinteresse; Bestimmungen; Kanton; Bundesgericht; Fehlende; Aufhebung; Obergericht
Rechtsnorm: Art. 149a KG ; Art. 17 KG ; Art. 20a KG ; Art. 22 KG ; Art. 320 ZPO ; Art. 326 ZPO ; Art. 8a KG ; Art. 90 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs

Geschäfts-Nr.: PS190050-O/U

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. P. Diggelmann, Vorsitzender, Oberrichter lic. iur. et phil. D. Glur und Oberrichter Dr. S. Mazan sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. K. Houweling-Wili

Urteil vom 5. April 2019

in Sachen

A. ,

Beschwerdeführer,

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X. ,

betreffend

Nichtigkeit der Betreibung

(Beschwerde über das Betreibungsamt Embrachertal)

Beschwerde gegen einen Beschluss der II. Abteilung des Bezirksgerichtes Bülach vom 25. Februar 2019 (CB190010)

Erwägungen:

1.

    1. Der Beschwerdeführer gelangte am 1. Februar 2019 an das Bezirksgericht Bülach als untere kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungsund Konkurssachen und verlangte die Aufhebung von vier Betreibungen (Betreibungen Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 4 des Betreibungsamtes Embrachertal) zufolge Nichtigkeit sowie die Löschung von deren Einträgen in den Registern (act. 1 und

      act. 4/1). Mit Beschluss vom 25. Februar 2019 wies das Bezirksgericht Bülach das Begehren ab, soweit es darauf eintrat (act. 7 = act. 17).

    2. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 18. März 2019 Beschwerde bei der II. Zivilkammer des Obergerichts Zürich als obere kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungsund Konkurssachen (act. 18). Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides, die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz mit der Anweisung, auf die Beschwerde einzutreten und dem Beschwerdeführer Gelegenheit einzuräumen, die Nichtigkeit der Betreibungen zufolge Urteilsunfähigkeit zu begründen und die nötigen Beweismittel vorzulegen, unter Kostenund Entschädigungsfolgen zu Lasten der Staatskasse. Die vorinstanzlichen Akten wurden beigezogen (act. 1-15). Das Verfahren erweist sich als spruchreif.

2.

    1. Das Verfahren der Aufsichtsbeschwerde in Schuldbetreibungsund Konkurssachen richtet sich nach den Bestimmungen von Art. 20a Abs. 2 SchKG. Soweit Art. 20a Abs. 2 SchKG keine Bestimmungen enthält, regeln die Kantone das Verfahren (Art. 20a Abs. 3 SchKG; COMETTA/MÖCKLI, BSK SchKG-I, 2. Aufl. 2010, Art. 20a N 38). Im Kanton Zürich richtet sich das Beschwerdeverfahren gemäss

      § 18 EG SchKG nach § 83 f. GOG. Dabei ist der Sachverhalt von Amtes wegen zu untersuchen und es sind die Bestimmungen der ZPO sinngemäss anwendbar (§ 83 Abs. 3 GOG). Für den Weiterzug an das Obergericht gelten insbesondere die Bestimmungen über die Beschwerde gemäss Art. 319 ff. ZPO (§ 84 GOG).

    2. Die Beschwerde ist bei der Rechtsmittelinstanz innert der Rechtsmittelfrist schriftlich, mit Anträgen versehen und begründet einzureichen (Art. 321

      Abs. 1 ZPO). Mit der Beschwerde kann die unrichtige Rechtsanwendung und die offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhaltes geltend gemacht werden (Art. 320 ZPO). Neue Tatsachen und Beweismittel sind im Beschwerdeverfahren ausgeschlossen (Art. 326 ZPO, vgl. OGer ZH PS110019, Urteil vom 21. Februar 2011, E. 3.4).

    3. Die vorliegende Beschwerde vom 18. März 2019 (Datum Poststempel) wurde innert der Rechtsmittelfrist schriftlich, mit Anträgen versehen und begründet bei der Kammer als der zuständigen Rechtsmittelinstanz eingereicht. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und zur Beschwerde legitimiert. Es ist daher auf die Beschwerde einzutreten.

3.

    1. Die Vorinstanz trat einerseits auf das Begehren des Beschwerdeführers nicht ein, weil sie das erforderliche Rechtsschutzinteresse als nicht gegeben erachtete. Sie erwog hierzu im Wesentlichen, die Einträge im Betreibungsregister bzw. Verlustscheinregister würden auch bei Aufhebung der Betreibung zufolge Nichtigkeit bis zur Archivierung oder Vernichtung in den Registern bestehen bleiben und könnten von Gerichten, Verwaltungsbehörden und dem Schuldner selbst eingesehen werden. Bei Nichtigkeit würde nur die Einsichtnahme Dritter ausgeschlossen. Allerdings seien die Verlustscheine in den Jahren 2007 und 2008 ausgestellt worden, weshalb seit Abschluss des Verfahrens bereits fünf Jahre vorüber seien und das Einsichtsrecht Dritter bereits erloschen sei. Der Eintrag würde nur durch Tilgung der Forderungen gelöscht. Weder das Betreibungsamt noch die Aufsichtsbehörde könnten aber über den Bestand der den Verlustscheinen zugrunde liegenden Forderungen entscheiden; diese Kompetenz stünde allein den Zivilgerichten zu. Anderweitige rechtliche oder schützenswerte Interessen an einer Feststellung der Nichtigkeit der Betreibungen seien sodann nicht erkennbar und würden auch nicht vorgebracht (act. 17 S. 3 f.).

      Andererseits stellte die Vorinstanz in materieller Hinsicht fest, dass die behauptete Nichtigkeit zufolge fehlender Urteilsfähigkeit bzw. fehlender Betreibungsfähigkeit durch die eingereichten Belege nicht dargetan sei. Zum einen stehe nicht fest, ob der Beschwerdeführer seinerzeit rechtsgültig vertreten gewesen sei und ob der Vertretung die Zahlungsbefehle (gültig) zugestellt worden seien. Zum anderen werde dem Beschwerdeführer im nicht unterzeichneten Bericht über die Rentenrevision wohl eine chronisch paranoide Schizophrenie attestiert, doch bedeute dies nicht zwingend, dass er bei Anhebung der Betreibung oder in deren Verlauf absolut urteilsbzw. handlungsunfähig gewesen sei. Der entsprechende Einwand habe im seinerzeitigen Rechtsöffnungsverfahren lediglich glaubhaft gemacht und nicht nachgewiesen werden müssen und dem fraglichen Entscheid komme auch keine präjudizierende Wirkung für andere Betreibungen zu. Gerade der Umstand, dass der (nicht vertretene) Beschwerdeführer im Rechtsöffnungsverfahren in der Lage gewesen sei, diesbezüglich Einwendungen vorzubringen und zu belegen, und dass er auch heute trotz fortbestehender psychischer Erkrankung in der Lage sei, sein Begehren klar zum Ausdruck zu bringen, belege ein Mindestmass an Urteilsund Handlungsfähigkeit bzw. stehe der Annahme einer gänzlichen Urteilsund Handlungsunfähigkeit entgegen (act. 17 S. 2 f.).

    2. Der Beschwerdeführer rügt zunächst eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes sowie der richterlichen Fragepflicht durch die Vorinstanz, indem diese das Begehren des nicht rechtlich vertretenen Beschwerdeführers trotz Hinweisen auf eine fehlende Urteilsfähigkeit abgewiesen, den Sachverhalt nicht näher erforscht und dem Beschwerdeführer keine Gelegenheit gegeben habe, sein Begehren näher zu begründen und zu belegen (act. 18 S. 4 f.). Des Weiteren bringt der Beschwerdeführer vor, ein Rechtsschutzinteresse sei durchaus gegeben, weil einem Selbstauszug im gesellschaftlichen Leben wesentliche Bedeutung zukomme. Ebenso könne sich ein falscher Eintrag bei einem behördlich einverlangten Auszug nachteilig auswirken. Schliesslich falle durch die Feststellung der Nichtigkeit einer Betreibung deren verjährungsunterbrechende Wirkung dahin (act. 18

S. 5 f.).

4.

    1. Verstossen Verfügungen gegen Vorschriften, die im öffentlichen Interesse oder im Interesse eines unbestimmten Kreises von am Verfahren nicht beteiligten Dritten erlassen worden sind, so sind sie nichtig. Unabhängig davon, ob Beschwerde geführt worden ist, stellen die Aufsichtsbehörden von Amtes wegen die Nichtigkeit einer Verfügung fest (Art. 22 Abs. 1 SchKG). Meist werden Nichtigkeitsgründe im Rahmen einer aufsichtsrechtlichen Beschwerde i.S.v.

      Art. 17 SchKG geltend gemacht. Gleich wie die Aufhebung einer fehlerhaften Verfügung durch Beschwerde ist auch die Feststellung der Nichtigkeit aber nicht Selbstzweck. Sie muss einen aktuellen, praktischen Verfahrenszweck erfüllen. Ein solcher fehlt, wenn etwas Unwiderrufliches eingetreten ist und der Mangel nicht mehr behoben werden kann, insbesondere wenn eine Betreibung abgeschlossen und der Verwertungserlös verteilt worden ist (LORANDI, Betreibungsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeit, Basel/Genf/München 2000, Art. 17 N 5 ff. und N 174 sowie Art. 22 N 172 f.; ENGLER, Die nichtige Betreibung, ZZZ 37/2016,

      S. 45 f., der darauf hinweist, dass auch in diesen Fällen das Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit nicht ohne Weiteres verneint werden kann, aber das Interesse am Bestand der abgeschlossenen Betreibung dann in der Regel überwiegt).

    2. Wie bereits die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, führt die Nichtigkeit einer Betreibung nicht zur Löschung des betreffenden Eintrages, sondern zur Verweigerung der Kenntnisgabe an Dritte nach Art. 8a Abs. 3 lit. a SchKG (BGer 4A.440/2014 vom 27.11.2014 E. 2 mit Verweisen). Da das Einsichtsrecht Dritter auch fünf Jahre nach Abschluss des Verfahrens erlischt (Art. 8a Abs. 4 SchKG), ist danach in der Regel von einem fehlenden praktischen Verfahrenszweck bzw. Rechtsschutzinteresse an einem Gesuch um Nichtbekanntgabe auszugehen (ZBJV 155/2019 S. 12, 24). Das hat auch für die Feststellung der Nichtigkeit einer Betreibung zu gelten. Nachdem die Verlustscheine in den Jahren 2007 und 2008 ausgestellt worden waren und daher heute kein Einsichtsrecht Dritter mehr besteht, mithin die Rechtslage derjenigen entspricht, wie wenn die Nichtigkeit festgestellt worden wäre, verneinte die Vorinstanz insoweit zu Recht ein Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers.

    3. Der Beschwerdeführer weist im Zusammenhang mit der Feststellung der Nichtigkeit der Betreibungen zwar zu Recht auf die Möglichkeit eines praktischen Interesses im Hinblick auf die verjährungsunterbrechende Wirkung der Betreibung hin (Art. 135 Ziff. 2 OR; vgl. OGer ZH PS170265 vom 5.4.2018, E. III.1.6.2), zu-

mal vorliegend das Verfahren mit Ausstellung eines Verlustscheins abgeschlossen wurde und die darin verurkundete Forderung erst nach 20 Jahren verjährt (Art. 149a SchKG). Allerdings führt der Beschwerdeführer in der Begründung dazu lediglich allgemein aus, dass er im Falle der Nichtigkeit der Betreibungen die Einrede der Verjährung erheben könnte, wenn er von den Gläubigern belangt würde (act. 18 S. 6). Damit zeigt er bloss einen theoretischen Verfahrenszweck auf. Dass es sich um ein aktuelles praktisches Interesse handelt, wird nicht behauptet und ist aus den Akten auch nicht ersichtlich. Demnach ist mit der Vorinstanz das erforderliche Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers am vorliegenden Verfahren zu verneinen. Der angefochtene Nichteintretensentscheid ist daher nicht zu beanstanden.

4.3. Vor diesem Hintergrund erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen der Vorinstanz zur materiellen Rechtslage sowie den diesbezüglichen Rügen des Beschwerdeführers.

5. Das Verfahren vor den kantonalen Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungsund Konkurssachen ist grundsätzlich kostenlos (Art. 20a Abs. 2 Ziff. 5 SchKG und Art. 61 Abs. 2 GebV SchKG). Eine Parteienschädigung ist nicht zuzusprechen (vgl. Art. 62 Abs. 2 GebV SchKG).

Es wird erkannt:
  1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

  2. Es werden keine Kosten erhoben.

  3. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

  4. Schriftliche Mitteilung an den Beschwerdeführer, unter Rücksendung der erstinstanzlichen Akten an die Vorinstanz sowie an das Betreibungsamt Embrachertal, je gegen Empfangsschein.

  5. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 10 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

Es handelt sich um einen Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungsund Konkurssachen im Sinne von Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. K. Houweling-Wili versandt am:

5. April 2019

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