Zusammenfassung des Urteils PS180220: Obergericht des Kantons Zürich
Das Obergericht des Kantons Zürich hat in einem Fall zur einvernehmlichen privaten Schuldenbereinigung entschieden. Die Gesuchstellerin hatte eine Stundung beantragt, die jedoch vorzeitig widerrufen wurde, da die Gläubigerin nicht bereit war, Vergleichsgespräche zu führen. Die Gesuchstellerin erhob Beschwerde gegen diesen Entscheid, argumentierte jedoch erfolglos, da das Gericht die Weigerung der Gläubigerin als ausreichenden Grund für den Widerruf ansah. Die Gerichtskosten wurden auf CHF 300 festgesetzt, und die Gesuchstellerin wurde zur Zahlung verpflichtet.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | PS180220 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 22.11.2018 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Aufhebung der Stundung, Informationen durch Dritte. |
Schlagwörter : | Gläubiger; Schuldenbereinigung; SchKG; Verfahren; Vorinstanz; Stundung; Lassgericht; Gläubigerin; Schuldner; Entscheid; Vergleich; Sachwalter; Widerruf; Sachverhalt; Gericht; Weigerung; Konkurs; Obergericht; Eingabe; Antrag; Schuldnerin; Hauptgläubiger; Bundesgericht; Oberrichter; Urteil; Arrestgläubigerin |
Rechtsnorm: | Art. 251 ZPO ;Art. 255 ZPO ;Art. 295c KG ;Art. 320 ZPO ;Art. 321 ZPO ;Art. 326 ZPO ;Art. 333 KG ;Art. 334 KG ;Art. 90 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: PS180220-O/U
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. P. Diggelmann, Vorsitzender, Oberrichterin
lic. iur. A. Katzenstein und Oberrichterin lic. iur. M. Stammbach sowie Gerichtsschreiberin MLaw N. Menghini-Griessen
in Sachen
A. ,
Gesuchstellerin und Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X. ,
betreffend
Einvernehmliche private Schuldenbereinigung
Beschwerde gegen einen Entscheid des Bezirksgerichtes Zürich (Nachlassgericht) vom 23. Oktober 2018 (EC180011)
1.
Das Nachlassgericht des Bezirksgerichtes Zürich (fortan Vorinstanz) gewährte der Gesuchstellerin und Beschwerdeführerin (fortan Gesuchstellerin) am
August 2018 eine Stundung von drei Monaten zur Durchführung einer einvernehmlichen privaten Schuldenbereinigung (Art. 333 ff. SchKG). Gleichzeitig bestellte die Vorinstanz einen Sachwalter (act. 12 und 13). Nachdem diese Entscheidung der Arrestgläubigerin B. N.V. (fortan Gläubigerin) mitgeteilt worden war, beantragte diese der Vorinstanz mit Eingabe vom 18. September 2018 den vorzeitigen Widerruf der Stundung (act. 20).
Die Vorinstanz hörte sowohl die Gesuchstellerin als auch den Sachwalter an, welche beide beantragten, an der gewährten Stundung zwecks Schuldenbereinigung festzuhalten (act. 27 und act. 29). Sie widerrief anschliessend mit Urteil vom 23. Oktober 2018 die gewährte Stundung mit sofortiger Wirkung vorzeitig und erklärte die einvernehmliche private Schuldenbereinigung für beendet (act. 31
= act. 40 = act. 42).
Dagegen erhob die Gesuchstellerin mit Eingabe vom 5. November 2018 (Datum Poststempel) rechtzeitig (act. 32) Beschwerde und stellte folgende Anträge (act. 41):
1. Der Widerruf der einvernehmlichen privaten Schuldenbereinigung sei aufzuheben.
Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Kostenund Entschädigungsfolgen zulasten Staat.
Die vorinstanzlichen Akten wurden beigezogen (act. 1-38). Das Verfahren ist spruchreif.
2.
Gestützt auf Art. 334 Abs. 4 SchKG i.V.m. Art. 295c Abs. 1 SchKG kann der Schuldner den Entscheid des Nachlassgerichts mit Beschwerde nach ZPO
anfechten. Das Beschwerdeverfahren richtet sich nach Art. 319 ff. ZPO. Mit der Beschwerde kann die unrichtige Rechtsanwendung und die offensichtlich unrichtige, d.h. willkürliche, Feststellung des Sachverhaltes geltend gemacht werden (Art. 320 ZPO). Neue Anträge, neue Tatsachen und neue Beweismittel sind im Beschwerdeverfahren ausgeschlossen (Art. 326 ZPO).
Die Beschwerde ist gemäss Art. 321 Abs. 1 ZPO zu begründen (Begrün- dungslast). Die Beschwerde führende Partei hat daher im Einzelnen darzulegen, an welchen Mängeln der angefochtene Entscheid ihrer Ansicht nach konkret leidet und in welchem Sinne er abgeändert werden soll.
3.
Die Gesuchstellerin macht im Wesentlichen geltend, die Vorinstanz habe nicht gestützt auf den Antrag der Gläubigerin auf die bis am 30. November 2018 gewährte Stundung zurück kommen dürfen. Die Vorinstanz habe verkannt, dass einem Gläubiger im Verfahren um einvernehmliche private Schuldenbereinigung keine Parteistellung und damit kein Antragsrecht zukomme. Die Anhandnahme von Eingaben nicht aktivlegitimierter Personen stelle eine unrichtige Rechtsanwendung dar. Ferner lasse sich der Widerruf auch nicht gestützt auf die Untersuchungsmaxime rechtfertigen. Die Vorinstanz sei von der strikten Weigerung der Gläubigerin ausgegangen, mit der Gesuchstellerin Vergleichsgespräche zu führen. Dies obwohl die Gesuchstellerin dargelegt habe, die Gläubigerin werde bei Fortdauer der Nachlassstundung letztlich auf das Verhandlungsangebot der Gesuchstellerin eingehen, weil ein anderes Verhalten unvernünftig wäre. Indem die Vorinstanz die Weigerung der Gläubigerin für glaubhaft erachtet habe, obwohl sie gemäss Darlegung der Schuldnerin unvernünftig sei, habe sie den Sachverhalt falsch ermittelt. Die Vorinstanz gestehe der Gläubigerin die Freiheit zu, auch unvernünftig zu handeln, was einen Missbrauch der Gläubigerrechte darstelle (vgl. act. 41).
Gemäss Art. 333 Abs. 1 SchKG kann ein Schuldner, der nicht der Konkursbetreibung unterliegt, die Durchführung einer einvernehmlichen privaten Schuldenbereinigung beantragen. Erscheint eine Schuldenbereinigung mit den
Gläubigern nicht von vornherein als ausgeschlossen, und sind die Kosten des Verfahrens sichergestellt, so gewährt das Nachlassgericht dem Schuldner eine Stundung von höchstens drei Monaten und ernennt einen Sachwalter. Auf Antrag des Sachwalters kann die Stundung auf höchstens sechs Monate verlängert werden.
Bei der einvernehmlichen privaten Schuldenbereinigung handelt es sich um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Es kommt das summarische Verfahren zur Anwendung (Art. 251 ZPO), und das Nachlassgericht stellt den Sachverhalt von Amtes wegen fest (Art. 255 ZPO). Das Verfahren hat zum Ziel, mit den Gläubigern einen Vergleich über die Schuldentilgung zu finden. Der Abschluss dieses Vertrages erfordert faktisch die Einstimmigkeit sämtlicher Gläubiger, da in der Regel kein Gläubiger auf Rechte verzichten wird, die sich ein anderer herausnehmen will (vgl. BSK SchKG-B RUNNER/BOLLER, 2. Aufl. 2010, Art. 335
N. 7 mit Hinweisen). Verweigert ein Gläubiger von vornherein strikte die Vergleichsverhandlungen, kann die einvernehmliche Schuldenbereinigung offensichtlich nicht herbeigeführt und die Stundung vorzeitig widerrufen werden (vgl. BSK SchKG-BRUNNER/BOLLER, 2. Aufl. 2010, Art. 334 N. 9).
Ob ein Gläubiger im erstinstanzlichen Verfahren um Gewährung Nichtgewährung der Stundung zwecks Durchführung einer einvernehmlichen privaten Schuldenbereinigung antragsberechtigt ist, ist in der Lehre umstritten, wird aber überwiegend verneint (verneinend z.B. V OCK/GANZONI, in: KOSTKIEWICZ/VOCK [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs SchKG, 4. Aufl. 2017, Art. 334 N. 12; KUKO SchKG-MARIO RONCORONI, Art. 334
N. 9; BSK SchKG-BRUNNER/BOLLER, Art. 334 N. 15 sowie LGVE 2004 I Nr. 55
S. 128 = BlSchKG 2006, S. 155 f.; bejahend PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Commen-
taire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, 2003, Art. 334 N. 9). Die Schuldbetreibungsund Konkurskommission des Obergerichts Luzern erwog, da es sich beim Verfahren nach Art. 333 ff. SchKG um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit handle, könne ein Gläubiger vor erster Instanz keine Parteistellung haben und bleibe auch kein Raum für die Berücksichtigung einer
Eingabe der Hauptgläubigerin (vgl. LGVE 2004 I Nr. 55 S. 128 = BlSchKG 2006, S. 155 f.).
Hat ein Nachlassgericht Kenntnis von der strikten Weigerung des Hauptgläubigers, einem Schuldenbereinigungsvertrag mit dem Schuldner zuzustimmen überhaupt mit diesem in Vergleichsverhandlungen zu treten, ist eine Schuldenbereinigung aber ausgeschlossen und das Verfahren damit zwecklos. Zwar darf ein Nachlassgericht nicht leichthin von der Aussichtslosigkeit des Verfahrens ausgehen und darf dieses nicht schon deshalb für gescheitert erklären, wenn ein einziger Gläubiger auf der Schuldenliste für einen Sanierungsvorschlag als unempfänglich gilt. Zum einen bestimmt sich das Kräfteverhältnis auch mit Bezug auf das im Hintergrund bereitstehende Verfahren der Nachlassstundung, bei welchem eine Minderheit nicht kooperierender Gläubiger in die Sanierungslösung eingebunden werden könnte. Zum anderen ist es nicht ausgeschlossen, dass die anderen Gläubiger einer Sanierungslösung zustimmen werden, bei welcher der renitente Gläubiger ausgeschlossen wird (M ARIO RONCORONI, a.a.O., Art. 334 N. 2). Unter der Voraussetzung, dass die anderen Gläubiger informiert sind und dem Vorgehen zustimmen, kann ein einzelner Kleingläubiger, welcher sich der Kooperation verweigert, auch zu 100 % befriedigt werden (vgl. die Anwendungsfälle in MARIO RONCORONI, a.a.O., Art. 335 N. 11). Kommt das Nachlassgericht hingegen zum Schluss, das Schuldenbereinigungsverfahren sei tatsächlich aussichtslos, so kann es die Stundung gestützt auf Art. 334 Abs. 2 SchKG widerrufen. Ausgehend von der Kompetenz des Nachlassgerichts zur Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen und der gesetzlichen Ermächtigung zum vorzeitigen Widerruf, kann und hat das Nachlassgericht genau dies zu tun, wenn es zur Überzeugung kommt, das Sanierungsverfahren sei aussichtslos. Erfährt also ein Nachlassgericht nach der Bewilligung der Stundung davon, dass der Hauptgläubiger sich strikte weigert, einem Vergleich mit dem Schuldner zuzustimmen, darf es diese Information auch verwerten. Es ist daher nicht relevant, von welcher Seite das Gericht von diesem Umstand Kenntnis hat und ob dem Gläubiger ein Antragsrecht zusteht. Wesentlich für den vorzeitigen Widerruf ist einzig, dass das Gericht nach sorgfältiger Prüfung der ihm vorliegenden Informationen und nach Anhörung des Schuldners zur
Überzeugung gelangt, die Voraussetzungen für eine einvernehmliche private Schuldenbereinigung seien nicht (länger) erfüllt.
Ging das Nachlassgericht wie im vorliegenden Fall gestützt auf die Angaben der Schuldnerin davon aus, das Verfahren um einvernehmliche private Schuldenbereinigung diene insbesondere wenn nicht ausschliesslich dazu, mit der Arrestgläubigerin eine einvernehmliche Lösung zu finden, und kam es nach Bewilligung der Stundung zum Schluss, die Schuldenbereinigung könne aufgrund der strikten Weigerung eben dieser Gläubigerin nicht herbeigeführt werden, so konnte es die Stundung gestützt auf Art. 334 Abs. 2 SchKG nach Anhörung der Schuldnerin und des Sachwalters vorzeitig widerrufen.
Soweit die Gesuchstellerin weiter eine offensichtlich falsche Sachverhaltsfeststellung durch die Vorinstanz rügt, ist auch diese Rüge unbegründet: Die Gesuchstellerin behauptet nicht, es habe keine strikte Weigerung der Gläubigerin zur Führung von Vergleichsgesprächen vorgelegen. Sie bringt einzig vor, das Verhalten der Gläubigerin sei unvernünftig, weil das dem Anspruch der Gläubigerin zugrundeliegende Urteil Mitte 2019 seine Durchsetzbarkeit verlieren werde. Eine fehlende Vergleichsbereitschaft ist aber nicht schon deshalb nicht glaubhaft, weil sie unvernünftig ist. Weigerte sich die Hauptgläubigerin, mit der Schuldnerin in Vergleichsverhandlungen zu treten, und stellte die Vorinstanz dies entsprechend fest, lag darin weder eine offensichtlich falsche Feststellung des Sachverhaltes, noch kann der Vorinstanz gestützt auf den darauf erfolgten Widerruf eine falsche Rechtsanwendung vorgeworfen werden. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
Mit der Ausfällung des Entscheides in der Sache wird das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos.
4.
Ausgangsgemäss wird die Gesuchstellerin kostenpflichtig (106 Abs. 1 ZPO). Die Gebühr ist gestützt auf Art. 61 Abs. 1 i.V.m. Art. 56 Abs. 1 GebV SchKG auf
Fr. 300.festzusetzen.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Das Gesuch um Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird als gegenstandslos abgeschrieben.
Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 300.festgesetzt.
Die Kosten für das zweitinstanzliche Verfahren werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
Schriftliche Mitteilung an die Beschwerdeführerin, den Sachwalter, das Betreibungsamt Zürich 9 und die Arrestgläubigerin, B. N.V., [Adresse], Niederlande, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Y. , [Adresse], sowie an das Bezirksgericht Zürich und an die Obergerichtskasse, je gegen Empfangsschein.
Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist an die Vorinstanz zurück.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.
Es handelt sich um einen Entscheid des Konkursoder Nachlassrichters der Konkursoder Nachlassrichterin im Sinne von Art. 74 Abs. 2 lit. d BGG.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Die Gerichtsschreiberin:
MLaw N. Menghini-Griessen versandt am:
22. November 2018
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