Zusammenfassung des Urteils PS140239: Obergericht des Kantons Zürich
Das Obergericht des Kantons Zürich hat in einem Fall bezüglich eines Arrests entschieden. Der Kläger, das Landratsamt Waldshut-Tiengen, beantragte einen Arrestbefehl gegen den Beklagten, um eine Lohnforderung zu sichern. Das Einzelgericht Audienz des Bezirksgerichtes Zürich wies diesen Antrag ab, was der Kläger anfechtete. Es wurde festgestellt, dass der Kläger den erforderlichen Exequaturantrag nicht gestellt hatte, weshalb der Arrestgrund nicht gegeben war. Die Beschwerde des Klägers wurde abgewiesen, die Gerichtskosten von CHF 450 wurden ihm auferlegt.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | PS140239 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 18.12.2014 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Arrest |
Schlagwörter : | Arrest; LugÜ; SchKG; Entscheid; Arrestgr; Recht; Vorinstanz; Versäumnisbeschluss; Bundesgericht; Vollstreckbarkeit; Exequatur; Lugano; Übereinkommen; Gericht; Arrestbegehren; Lugano-; Urteil; Waldshut-Tiengen; Amtsgerichtes; Gläubiger; Arrestgesuch; Vollstreckung; LugÜ-; Entscheide; Schweiz; Tatsache |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ;Art. 111 ZPO ;Art. 271 KG ;Art. 272 KG ;Art. 278 KG ;Art. 29 BV ;Art. 320 ZPO ;Art. 321 ZPO ;Art. 326 ZPO ;Art. 53 ZPO ;Art. 55 ZPO ;Art. 56 ZPO ;Art. 57 ZPO ;Art. 6 EMRK ;Art. 82 KG ;Art. 98 BGG ; |
Referenz BGE: | 139 III 135; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: PS140239-O/U
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. A. Katzenstein, Vorsitzende, Oberrichterin lic. iur. M. Stammbach und Oberrichter Dr. P. Higi sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. D. Tolic Hamming.
in Sachen
Landratsamt Waldshut-Tiengen, Kläger und Beschwerdeführer,
gegen
,
Beklagter und Beschwerdegegner,
betreffend Arrest
Beschwerde gegen einen Entscheid des Einzelgerichtes Audienz des Bezirksgerichtes Zürich vom 8. September 2014 (EQ140144)
I.
Der Kläger und Beschwerdeführer (nachfolgend Kläger) beantragte mit einem an die Adresse des Bezirksgerichtes Rheinfelden adressiertem und von diesem an das Bezirksgericht Zürich weitergeleitetem Arrestbegehren vom
August 2014 (act. 1), es sei gegen den Beklagten und Beschwerdegegner (nachfolgend Beklagter) ein Arrestbefehl gemäss Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG zu erlassen und auf die Lohnforderung des Beklagten bei der Firma B. AG, [Adresse], für seine Forderung von Fr. 8'588.03 Arrest zu legen, unter Hinweis auf den Versäumnisbeschluss des Amtsgerichtes Waldshut-Tiengen, Familiengericht, vom 24. April 2014 (act. 2 - 4).
Mit Entscheid vom 8. September 2014 wies das Einzelgericht Audienz des Bezirksgerichtes Zürich dieses Begehren ab, forderte den Kläger im Hinblick auf ein allfälliges Rechtsmittelverfahren auf, innert 10-tägiger Frist ein Zustelldomizil in der Schweiz zu bezeichnen, setzte die Spruchgebühr auf Fr. 300.-fest und auferlegte sie dem Kläger (act. 5 = act. 9).
Gegen diesen Entscheid, welcher dem Kläger auf dem Rechtshilfeweg am 19. September 2014 zugestellt wurde (act. 6), erhob er mit Eingabe vom
September 2014 (hierorts eingegangen am 26. September 2014) rechtzeitig Beschwerde. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides, die Bewilligung des vor Vorinstanz gestellten Arrestbegehrens sowie die Aufhebung der Spruchgebühr. Im Weiteren bezeichnete der Kläger ein Zustelldomizil in der Schweiz. Im Wesentlichen rügt er die falsche Anwendung von Art. 271 SchKG bzw. die Nichtanwendung von Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG (act. 10).
Mit Verfügung vom 29. September 2014 wurde dem Kläger eine 10tägige Frist zur Leistung des Prozesskostenvorschusses für das Beschwerdeverfahren in Höhe von Fr. 450.-angesetzt und die weitere
Prozessleitung delegiert (act. 13). Die Zustellung dieser Verfügung erfolgte am 1. Oktober 2014 (act. 14). Nachdem die Zahlung des Kostenvorschusses ausblieb, wurde dem Kläger mit Verfügung vom 20. Oktober 2014 zu dessen Leistung eine einmalige Nachfrist von 5 Tagen angesetzt, mit der Androhung, dass bei Säumnis auf die Beschwerde nicht eingetreten werde (act. 15). Noch vor Zustellung dieser Verfügung (act. 16) wurde der Kostenvorschuss mit Valuta 21. Oktober 2014 bezahlt (act. 17) und gilt in Anbetracht der ohnehin angesetzten Nachfrist als rechtzeitig. Die vorin-stanzlichen Akten wurden beigezogen (act. 1 - 7). Das Verfahren erweist sich als spruchreif.
II.
Gegen erstinstanzliche Endentscheide in Arrestsachen ist infolge des Ausschlusses der Berufung die Beschwerde nach Art. 319 ff. ZPO zulässig
(Art. 319 lit. a ZPO i.V.m. Art. 309 lit. b Ziff. 6 ZPO). Die Beschwerde ist innert der 10-tägigen Rechtsmittelfrist von Art. 321 Abs. 2 ZPO (summarisches Verfahren) schriftlich und begründet (Art. 321 Abs. 1 ZPO) einzureichen. Mit der Beschwerde kann die unrichtige Rechtsanwendung und die offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhaltes geltend gemacht werden (Art. 320 ZPO).
Neue Anträge, neue Tatsachenbehauptungen und neue Beweismittel sind im Beschwerdeverfahren grundsätzlich ausgeschlossen. Zwar bleiben besondere Bestimmungen des Gesetzes vorbehalten (Art. 326 Abs. 2 ZPO). So können in einer Beschwerde gegen den Arresteinspracheentscheid gemäss
Art. 278 Abs. 3 SchKG neue Tatsachen geltend gemacht werden (allerdings grundsätzlich nur echte Noven; vgl. BSK SchKG II-Reiser, 2. Aufl. 2010, Art. 278 N 46 ff.). Für die Beschwerde eines Gläubigers gegen die Nichtgewährung des Arrestes gibt es jedoch keine Ausnahmeregelung (vgl. OGerZH PS110148 vom
Oktober 2011 Erw. II.3). Das erscheint insbesondere deshalb nicht stossend, weil der Gläubiger ein abgewiesenes Arrestbegehren mit ergänzter Sachverhaltsdarstellung jederzeit neu stellen kann (KUKO SchKG-Meier-Dieterle, 2. Aufl. 2014, Art. 272 N 20).
Da das Recht von Amtes wegen anzuwenden ist (Art. 57 ZPO), sind neue rechtliche Argumente indes unbeschränkt zulässig.
2. Der Kläger brachte vor Vorinstanz zur Begründung seines Arrestbegehrens vor, der Beklagte sei gegenüber seinem minderjährigen Kind C. , geb. tt.mm.2012, zum Unterhalt verpflichtet, welcher Verpflichtung er
freiwillig nicht nachgekommen sei, so dass für die Zeit vom 1. November 2012 bis
31. August 2014 der geschuldete Unterhaltsanspruch, welcher gemäss § 33 SGB II auf ihn (den Kläger) übergegangen sei, Fr. 8'588.03 - Wechselkurs vom
August 2014, 1.2080 Sfr. laut Finanzen.net betrage. Der Beklagte erhalte zur Zeit Lohneinkommen von der Firma B. AG in Zürich (act. 2).
Gemäss dem in Formularform eingereichten Arrestbegehren stützt der Kläger seine Forderung von Fr. 8'588.03 auf den Versäumnisbeschluss des Amtsgerichtes Waldshut-Tiengen, Familiengericht, vom 24. April 2014, welchen er zu den Akten reichte (act. 4/1), und machte den Arrestgrund von Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG geltend (act. 3).
Der Arrest wird vom Gericht am Betreibungsort am Ort, wo die Vermögensgegenstände sich befinden, bewilligt, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass seine Forderung besteht, ein Arrestgrund vorliegt und Vermögensgegenstände vorhanden sind, die dem Schuldner gehören (Art. 272 Abs. 1 SchKG). Glaubhaftmachen bedeutet weniger als Beweisen, hingegen mehr als blosses Behaupten. Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn das Gericht sie aufgrund der ihm vorgelegten Elemente für wahrscheinlich hält, d.h. wenn es den Eindruck gewinnt, dass der behauptete Sachverhalt wirklich vorliegt, ohne ausschliessen zu müssen, dass es sich auch anders verhalten könnte. Vorausgesetzt ist damit zum einen ein schlüssiges Vorbringen und zum anderen, dass die Tatsachendarlegungen dem Gericht als wahrscheinlich erscheinen. Die Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsbeweis dürfen nicht zu hoch angesetzt werden, doch eine Beweisführung mindestens in den Grundzügen ist erforderlich. Blosse Behaupt-ungen des Arrestgläubigers genügen also nicht, auch wenn sie schlüssig sind. Vielmehr müssen objektive Anhaltspunkte vorliegen, die auf das Vorhandensein der behaupteten Tatsachen schliessen lassen (BSK SchKG IIStoffel, 2. Aufl. 2010, Art. 272 N 4 ff.; KUKO SchKG-Meier Dieterle, 2. Aufl. 2014,
Art. 272 N 14; BSK ZGB I-Schmid, 4. Aufl. 2010, Art. 8 N 20 f.). Im Grundsatz sind an die Glaubhaftmachung des Arrestgegenstandes dabei weniger strenge Anforderungen als an die Glaubhaftmachung der Arrestforderung und des Arrestgrundes zu stellen. Im Anwendungsbereich des LugÜ genügt es, wenn der Arrestgläubiger im Arrestbegehren die Vermögensgegenstände des Arrestschuldners substantiiert bezeichnet (BBl 2009 S. 1777 ff., Botschaft zum revidierten LugÜ vom 18. Februar 2009 [Botschaft], S. 1822 f.).
Arrestgrund gemäss Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG
Die Vorinstanz führte aus, der Kläger berufe sich zwar auf einen gerichtlichen Beschluss, habe sein Gesuch aber nicht auf Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG gestützt, was gemäss Bundesgerichtsentscheid 139 III 135 vom 21. Dezember 2012 (= Pra 102 (2013) Nr. 69) richtig sei, gehe doch das Bundesgericht davon aus, dass sich im Anwendungsbereich des LugÜ auf diese Bestimmung nur berufen könne, wer zuvor die hauptfrageweise Vollstreckbarerklärung erlangt habe. Der Kläger, welcher weder einen Schweizer Entscheid vorgelegt habe, in dem der ins Recht gelegte Vollstreckungsbeschluss (recte: Versäumnisbeschluss) vom 24. April 2014 vollstreckbar erklärt worden wäre, noch einen Antrag auf dessen Vollstreckbarerklärung gestellt habe, könne sich somit nicht auf Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 berufen (act. 9 S. 2).
Bei der vorliegenden Konstellation könne sich der Kläger gestützt auf die zutreffende Auffassung des Bundesgerichts im genannten Entscheid nicht auf Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG berufen, da diese Bestimmung nur zur Anwendung gelange, wenn kein anderer Arrestgrund gegeben sei. Wer über einen vollstreckbaren LugÜ-Entscheid verfüge, könne sich nur auf Ziff. 6 der Bestimmung stützten. Es sei nicht die Idee des Gesetzes, dass Ziff. 4 dann zur Anwendung komme, wenn es der Kläger unterlassen habe, einen LugÜkonformen Antrag zu stellen mit Hilfe des im LugÜ vorgesehenen Anhangs V die Vollstreckbarkeit nachzuweisen, obwohl dies möglich wäre. Das Arrestgesuch scheitere somit bereits am Arrestgrund (act. 9 S. 2).
Dem hält der Kläger in seiner Beschwerdeschrift entgegen, dass wenn der Arrest nicht auf Ziff. 4 von Art. 271 Abs. 1 SchKG gestützt werden könne, so doch auf Ziff. 6 der genannten Bestimmung und zwar ohne hauptfrageweise erlangte Vollstreckbarerklärung. Es sei mit dem Versäumnisbeschluss des Amtsgerichtes Waldshut-Tiengen vom 24. April 2014 ein definitiver Rechtöffnungstitel vorgelegt worden, auf welchem die erlassende Behörde auch dessen Vollstreckbarkeit gemäss Art. 38 und Art. 58 LugÜ erklärt habe. Eine zusätzliche Vollstreckbarerklärung des ausstellenden Gerichts mit dem vorgeschriebenen Formular im Anhang V des LugÜ wäre reine Formsache und könne daher nicht allein zur Ablehnung des Arrestgesuches führen. Der Wille des Gesetzgebers habe darin bestanden, für alle Gläubiger mit einem vollstreckbaren Urteil einen Arrestgrund vorzusehen, ohne nach der Herkunft des Urteils zu unterscheiden und somit allgemein die Verfügung des Arrest zu begünstigen, weshalb der Gesetzgeber darauf verzichtet habe zu verlangen, dass der Gläubiger, der ein ausländisches Urteil besitze, nur ein Arrestbegehren stellen könne, wenn er einen vorgängigen Exequaturentscheid erlangt habe. Die Vorinstanz hätte selbst vorfrageweise das Vorliegen der Negativvoraussetzungen sowie die weiteren Voraussetzungen zur Vollstreckung prüfen und die Vollstreckbarkeit beurteilen müssen. Hinweise der Vorinstanz zu formellen Erfordernissen des Arrestgesuches wären vor dessen formeller Ablehnung wünschenswert gewesen (act. 10 S. 2 f.).
Auch wenn der Kläger sein Arrestgesuch vorinstanzlich ausdrücklich auf Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 stützte, hat er einen Sachverhalt behauptet, welcher auch dem Arrestgrund von Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG entsprechen könnte.
Art. 271 Abs. 1 SchKG zählt in Ziff. 1 - 6 abschliessend die möglichen Arrestgründe auf. Gemäss Ziff. 6 kann Arrest gelegt werden, wenn ein Gläubiger gegen den Schuldner einen definitiven Rechtsöffnungstitel besitzt. Stützt sich ein Gläubiger hierfür auf einen ausländischen Entscheid, der nach dem revidierten Lugano-Übereinkommen vom 30. Oktober 2007 (LugÜ) zu vollstrecken ist, so hat das Gericht im Arrestverfahren auch über dessen Vollstreckbarkeit zu
entscheiden (Art. 271 Abs. 3 SchKG). Das SchKG setzt somit das Recht auf eine Sicherungsmassnahme gemäss Art. 47 Abs. 2 LugÜ um.
Nach der überwiegenden Meinung verlangt die Sicherung gestützt auf
Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG ein formelles Exequatur des ausländischen LugÜ- Entscheides entsprechend den Art. 38 ff. LugÜ; eine inzidente Überprüfung der Vollstreckbarkeit von LugÜ-Entscheiden gestützt auf Ziffer 6 von Art. 271 Abs. 1 SchKG steht nicht zur Verfügung (vgl. Staehelin, Neues Arrestrecht ab 2011, Jusletter, 11. Oktober 2010, Rz 39 ff.; Rodriguez, Sicherung und Vollstreckung nach revidiertem Lugano Übereinkommen, AJP 2009, S. 1550 ff., 1557; Reiser/Jent-Sørensen, Exequatur und Arrest im Zusammenhang mit dem revidierten Lugano-Übereinkommen, SJZ 107/2011, S. 453 ff., 454; Schwander, Arrestrechtliche Neuerungen im Zuge der Umsetzung des revidierten Lugano- Übereinkommens, ZBJV 146/2010, S. 641 ff., 654 und 656; Roth, Vorläufige Vollstreckbarkeit und Vollstreckung - Ab wann und unter welchen Voraussetzungen sind Vollstreckungsmassnahmen in das Vermögen des Schuldners möglich, AJP 2011 S. 771 ff., 781; BSK Lugü-Hofmann/Kunz, Art. 47 N 62). In diesem Sinne äusserte sich auch das Bundesgericht im Entscheid 139 III 135 vom 21. Dezember 2012 (= Pra 102 (2013) Nr. 69) und hielt fest, dass der Begriff des definitiven Rechtsöffnungstitels gemäss Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG alle vollstreckbaren gerichtlichen Entscheide ob schweizerische ausländische, ob aus einem Vertragsstaat des LugÜ einem Drittstaat, ob staatliches Urteil Schiedsspruch - umfasse, wobei der Arrestrichter bei ausländischen Nicht-LugÜ-Entscheiden anhand des glaubhaft gemachten Sachverhaltes inzident über deren Vollstreckbarkeit entscheide, während für (neurechtliche) LugÜ-Entscheide gemäss Art. 271 Abs. 3 SchKG eine andere Regelung gelte, welche jedoch infolge der erleichterten Voraussetzungen einer Vollstreckbarerklärung gerechtfertigt sei (a.a.O. Erw. 4.2 und 4.5.2; vgl. auch die Kommentierung von Naegeli, Und nochmals zum neuen Arrestgrund des definitiven Rechtsöffnungstitels: Klärende Worte des Bundesgerichtes, Jusletter
22. April 2013, S. 2 und 4).
Die Frage, ob es für die Arrestlegung nach Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG gestützt auf einen Entscheid, der nach LugÜ zu vollstrecken ist, eines ausdrücklichen Exequatur-Antrags bedarf ob von Amtes wegen über das Exequatur zu entscheiden ist, ist umstritten (vgl. die näheren Ausführungen und weiteren Hinweise zum Meinungsstand in OGer ZH PS110169 vom 8. November 2011, Erw. III.3). Der Bundesgerichtsentscheid vom 21. Dezember 2012 (BGE 139 III 135) äussert sich nicht zur dieser Kontroverse. Nach herrschender Ansicht und geltender obergerichtlicher Praxis bedarf es eines solchen Antrags (vgl. Reiser/Jent-Sørensen, Exequatur und Arrest im Zusammenhang mit dem revidierten Lugano-Übereinkommen, SJZ 107/2011 S. 454 f.; OGer PS120140 vom 5. April 2013, Erw. II.2, mit weiteren Hinweisen und Erörterungen; OGerZH PS130058 vom 27. Mai 2013, Erw. 2.4; OGer ZH PS130190 vom 27. November
2013, Erw. 3.2), andernfalls dem Arrestbegehren gestützt auf Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG keine Folge gegeben werden kann.
Der Kläger hat es versäumt, den erforderlichen Exequaturantrag zu stellen, weshalb die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid zutreffend festhielt, dass der Arrestgrund von Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG ausser Betracht falle (act. 9). Obschon sich der Kläger im Beschwerdeverfahren (erstmals) auf diesen Arrestgrund beruft, stellte er keinen Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Versäumnisbeschlusses des Amtsgerichtes Waldshut-Tiengen vom 24. April
2014. Ob ein solcher im Hinblick auf das Novenverbot (vgl. vorstehend Ziff. II.1.2) zulässig wäre, ist fraglich (zugelassen in OGerZH PS120140 vom 5. April 2013, Erw. II.4). Zu vertiefen ist das indessen nicht.
Lediglich der Vollständigkeit halber ist sodann folgendes festzuhalten: Die Vollstreckbarerklärung wird im revLugÜ vereinfacht. Das vorgängige Exequaturverfahren ist in erster Instanz einseitig und die Prüfung der angerufenen Behörde ist auf die Erfüllung der in Art. 53 LugÜ vorgesehenen Förmlichkeiten beschränkt, nämlich der Beibringung des zu vollstreckbar zu erklärende Entscheides und der Bescheinigung gemäss Anhang V zum LugÜ (Art. 41 i.V.m. Art. 53 LugÜ). Diese Bescheinigung ersetzt den unter dem bisherigen Lugano- Übereinkommen nötigen förmlichen Nachweis der Zustellung des
verfahrenseinleitendes Schriftstückes. Das Gericht hat dann erstinstanzlich die Vollstreckbarkeit ohne Anhörung des Schuldners auszusprechen, ohne dass es die Verweigerungsgründe nach Art. 34 und 35 LugÜ (wie z.B. die gehörige Vorladung) überprüfen darf (Art. 41 und Art. 45 LugÜ). Diese können erst vor der oberen Instanz geprüft werden (Staehelin, Neues Arrestrecht ab 2011, Jusletter,
ktober 2010, Rz 5; Rodriguez, Sicherung und Vollstreckung nach revidiertem Lugano Übereinkommen, AJP 2009, S. 1550 ff., 1553 f.; Reiser/JentSørensen, Exequatur und Arrest im Zusammenhang mit dem revidierten Lugano- Übereinkommen, SJZ 107/2011, S. 453 ff., 454; Schwander, Arrestrechtliche Neuerungen im Zuge der Umsetzung des revidierten Lugano-Übereinkommens, ZBJV 146/2010, S. 641 ff., 645.).
Der Umstand allein, dass der Versäumnisbeschluss des Amtsgerichtes Waldshut-Tiengen vom 24. April 2014, d.h. eine in Deutschland ergangene Entscheidung in diesem Vertragsstaat des LugÜ vollstreckbar ist, genügt entgegen der Ansicht des Klägers nicht, um eine Vollstreckung in der Schweiz, einem weiteren Vertragsstaat des LugÜ, zu bewirken. Die Vollstreckbarkeit des ausländischen Urteils ergibt sich ausschliesslich aus der offiziellen Bescheinigung gemäss Art. 53 Abs. 2 und Art. 54 i.V.m. Anhang V LugÜ (Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl. 2011, N 9 zu Art. 38 EuGVO).
Art. 55 LugÜ statuiert zwar eine gerichtliche Fragepflicht, indem das erstinstanzliche Gericht für die Beibringung der Bescheinigung nach Art. 54 LugÜ Frist ansetzen kann, sofern nicht eine gleichwertige Urkunde akzeptiert von der Vorlagepflicht der Bescheinigung abgesehen wird. Die Vorlage des Titels und der Bescheinigung stellen Prozessvoraussetzungen dar. Werden die für die Exequatur erforderlichen Dokumente nicht beigebracht (Art. 53 f. LugÜ), so führt dies zu einem Nichteintretensentscheid ohne Rechtskraftwirkung (Schwander, Arrestrechtliche Neuerungen im Zuge der Umsetzung des revidierten Lugano- Übereinkommens, ZBJV 146/2010, S. 641 ff., 673 f.; Reiser/Jent-Sørensen, Exequatur und Arrest im Zusammenhang mit dem revidierten Lugano- Übereinkommen, SJZ 107/2011, S. 453). Mangels Vorliegens eines Exequaturantrags konnte die Vorinstanz von der Anwendung von Art. 55 LugÜ absehen.
Arrestgrund gemäss Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG
Der Kläger rügt, die Vorinstanz hätte selbst vorfrageweise das Vorliegen der Negativvoraussetzungen sowie die weiteren Voraussetzungen zur Vollstreckung prüfen und die Vollstreckbarkeit beurteilen müssen (act. 10 S. 2), wenn auch er die Rüge der unterlassenen inzidenten Prüfung der Vollstreckbarkeit des Versäumnisbeschlusses vom 24. April 2014 zu Unrecht auf Ziff. 6 von Art. 271 Abs. 1 stützt.
Die Frage, ob bei Vorliegen eines vollstreckbaren LugÜ-Entscheides neben dem Arrestgrund von Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG alternativ ein gewöhnlicher Arrest, insbesondere der Ausländerarrest gemäss Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG mit inzidenter Prüfung der Vollstreckbarkeit gegeben ist, hat das Bundesgericht im Entscheid vom 21. Dezember 2012 entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen nicht klar entschieden. Die Ausführungen deuten aber darauf hin, dass es die Frage eher verneinen würde (vgl. BGE 139 III 135, Erw. 4.3.2 und 4.5.2; vgl. Naegeli, Und nochmals zum neuen Arrestgrund des definitiven Rechtsöffnungstitels: Klärende Worte des Bundesgerichtes, Jusletter
22. April 2013, S. 2). Praxisgemäss ist der Ausländerarrest gestützt auf ein vollstreckbares gerichtliches Urteil zulässig (OGerZH PS110169 vom 8. November 2011, Erw. III.4; OGer ZHPS120035 vom 20. April 2012, Erw. II.4.2; OGer ZH PS120140 vom 5. April 2013, Erw. II.2; OGerZH PS130190 vom 27.
November 2013, Erw. 3.3).
Gemäss Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG kann ein Gläubiger Vermögensgegenstände des Schuldners mit Arrest belegen lassen, wenn dieser nicht in der Schweiz wohnt, kein anderer Arrestgrund gegeben ist und die Forderung einen genügenden Bezug zur Schweiz aufweist auf einer Schuldanerkennung im Sinne von Art. 82 Abs. 1 SchKG beruht. Dabei ist für das ausländische Urteil vorausgesetzt, dass es nach den Bestimmungen des IPRG (Art. 25 ff. IPRG) bzw. des Lugano-Übereinkommens (Art. 32 ff. LugÜ) anerkannt werden kann. Das ist gemäss Art. 34 Ziff. 2 LugÜ nicht der Fall, wenn bei einem Versäumnisbeschluss nicht auch glaubhaft gemacht wird, dass das verfahrenseinleitende Schriftstück dem Beklagten rechtzeitig und in einer Weise
zugestellt worden ist, dass sich dieser verteidigen konnte (BSK LugÜ-Schuler, Art. 34 N 24 und N 28).
Weder dem Versäumnisbeschluss des Amtsgerichtes Waldshut-Tiengen vom 24. April 2014 (act. 4/1) noch einem separaten Dokument lässt sich entnehmen, dass dem Beklagten das verfahrenseinleitende Schriftstück zugegangen ist.
Dem Einwand des Klägers, dass Hinweise der Vorinstanz zu den formellen Erfordernissen vor der Ablehnung des Arrestgesuches wünschenswert gewesen wären (act. 10 S. 3), ist entgegen zu halten, dass keine Pflicht des Gerichts besteht, für die Vorlage des Nachweises der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks eine Frist zu bestimmen. Eine Hinweispflicht lässt sich im Übrigen auch nicht aus der allgemeinen richterlichen Fragepflicht gemäss Art. 56 ZPO
oder dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs gemäss Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 53 Abs. 1 ZPO ableiten. Zwar ist der Verweigerungsgrund von Art. 34 Ziff. 2 LugÜ grundsätzlich von Amtes wegen zu prüfen (BSK LugÜ-Schuler, Art. 34 N 29). Das vorliegende Verfahren der Arrestbewilligung folgt jedoch der Verhandlungsmaxime gemäss Art. 55 Abs. 1 ZPO, und der Kläger hat dem Gericht die Tatsachen, auf die er sein Begehren stützt, namentlich die Anerkennungsfähigkeit des ausländischen Urteils, darzulegen und die Beweismittel anzugeben. Das Gericht hat demnach nicht von sich aus die notwendigen Angaben für die Anerkennung zu erfragen (vgl. OGerZH PS130190 vom 27. November 2013, Erw. 3.6).
Aufgrund der dargelegten Erwägungen erweisen sich die Beanstandungen des Klägers in Bezug auf den Arrestgrund als unbegründet.
Arrestforderung
Die Vorinstanz erachtete die Arrestforderung als nicht genügend substantiiert. Der Kläger habe es unterlassen, die Rechnung darzutun, die zum geltend gemachten Betrag von Fr. 8'588.03 führe. Ebensowenig habe er
dargelegt, welchem Eurobetrag diese Summe entspreche und welchen Umrechnungskurs von welchem Tag er verwendet habe (act. 9 S. 2).
Die im Beschwerdeverfahren neu vorgebrachten Tatsachen zur Zusammensetzung der Arrestforderung, wonach bis einschliesslich August 2014 die Gesamtforderung gemäss Versäumnisbeschluss 11'037.79 Euro betragen habe, auf welchen Unterhaltsrückstand der Beklagte 3'928.50 Euro bezahlt habe und somit die Forderung noch 7'109.29 Euro bzw. Fr. 8'588.03 betrage (act. 10 S. 2), sind unzulässige Noven (vgl. vorstehend Ziff. 1.2) und daher nicht zu berücksichtigen. Es ist auf die Gegebenheiten vor Vorinstanz abzustellen.
Der Kläger hat im Begleitschreiben (act. 2) zum Arrestgesuch vom
August 2014, welches die Überschrift Antrag auf Erlass eines Arrestbefehls
trägt, den angewendeten Wechselkurs vom 26. August 2014 von 1.2080 Sfr. laut Finanzen.net aufgeführt (act. 10 S. 2). Im selben Dokument bezifferte er die Arrestforderung für ausstehende Unterhaltszahlungen für die Zeit vom 1. November 2012 bis 31. August 2014 auf Fr. 8'588.03 und stützt diese wie auch auf dem Formular zum Arrestgesuch aufgeführt, act. 3 auf den Versäumnisbeschluss des Amtsgerichtes Waldshut-Tiengen vom 24. April 2014 (act. 2). Gemäss diesem wurde der Beklagte verpflichtet, dem Kläger 6.144,49 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 01.04.2014 aus dem jeweils fälligen Betrag zu zahlen. Weiter wurde der Beklagte verpflichtet, dem Kläger ab dem 01.04.2014 monatlich im Voraus 978,66 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit dem zweiten eines jeden Monats, beginnend mit dem 02.04.2014 aus dem fälligen Betrag zu zahlen act. 4/1.
Zwar geht aus dem vorerwähnten Versäumnisbeschluss nicht ohne Weiteres hervor, inwiefern daraus der Betrag von Fr. 8'588.03 resultiert, jedoch liegt dieser Betrag weit unter der bis April 2014 zugesprochenen Summe von 6'144.49 EUR zuzüglich des laufenden monatlich zu zahlenden Betrages von
978.66 EUR für die Zeit ab 1. April 2014 bis (wie beantragt) 31. August 2014. Die sich auf den Versäumnisbeschluss des Amtsgerichtes Waldshut-Tiengen vom 24.
April 2014 stützende Arrestforderung von Fr. 8'588.03 erscheint daher als glaubhaft.
Arrestgegenstand
Der Kläger hat entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen (act. 9 S. 3) im Arrestgesuch die Adresse der Arbeitgeberin des Beklagten, Firma B. AG, [Adresse], angegeben (act. 2 und 3). Diese Firmenadresse deckt sich mit den Firmenangaben gemäss Internet-Auszug des Handelsregisteramtes des Kantons Zürich (einsehbar unter http://zefix.admin.ch). Wieso sich gemäss der Vorinstanz gestützt darauf nicht das zuständige Betreibungsamt ermitteln liesse (vorliegend Betreibungsamt Zürich 9), ist unerfindlich.
Indes hat der Kläger keine Belege eingereicht im Arrestbegehren sonstige Anhaltspunkte für das Bestehen der behaupteten Lohnforderung dargetan. Der erst im Rechtmittelverfahren eingereichte Beschäftigungsnachweis des Beklagten bei der B. AG (act. 12/5) hat als unzulässiges Novum unberücksichtigt zu bleiben (vgl. vorstehend Ziff. II.1.2). Der Arrestgegenstand wurde nach dem Gesagten nicht glaubhaft dargetan. Bereits das genügte zur Abweisung des Gesuches durch die Vorinstanz.
Im Ergebnis erweist sich die Beschwerde des Klägers als unbegründet und ist abzuweisen. Es ist indes darauf hinzuweisen, dass der Entscheid des Arrestgerichts nicht in materielle Rechtskraft erwächst (BSK SchKG II-Stoffel,
2. Aufl. 2010, Art. 272 N 62), weshalb ein abgewiesenes Arrestbegehren mit ergänzter Begründung jederzeit erneuert werden kann (KUKO SchKG-MeierDieterle, 2. Aufl. 2014, Art. 272 N 20).
III.
Die Gerichtskosten berechnen sich in betreibungsrechtlichen Summarsachen nach den Bestimmungen der GebV SchKG (BGer 5A_492 und 493/2012 vom 13. März 2013 E. 4.2.2), welche streitwertabhängige Gebühren vorsieht. Die Spruchgebühr für das Beschwerdeverfahren ist in Anwendung von
Art. 48 und Art. 61 Abs. 1 GebV SchKG auf Fr. 450.-festzusetzen und ausgangsgemäss dem Kläger aufzuerlegen (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Sie ist mit dem geleisteten Kostenvorschuss zu verrechnen (Art. 111 Abs. 1 ZPO). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die zweitinstanzliche Spruchgebühr wird auf Fr. 450.-festgesetzt.
Die Kosten für das zweitinstanzliche Verfahren werden dem Kläger auferlegt und mit dem von ihm geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.
Schriftliche Mitteilung an den Kläger und an das Einzelgericht Audienz des Bezirksgerichtes Zürich sowie an die Obergerichtskasse, je gegen Empfangsschein.
Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist an die Vorinstanz zurück.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Entscheid über vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 98 BGG. Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt
Fr. 8'558.03.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. D. Tolic Hamming versandt am:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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