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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils PC210044: Obergericht des Kantons Zürich

Die Beklagte und Beschwerdeführerin sowie der Kläger und Beschwerdegegner sind verheiratet und Eltern eines Sohnes. Es gab Streitigkeiten bezüglich des Besuchsrechts und der Sicherheit des Kindes. Die Beklagte reichte ein Ausstandsgesuch gegen den Einzelrichter ein, das abgelehnt wurde. Die Beklagte legte Beschwerde ein, um den Richter wegen Befangenheit abzulehnen, was jedoch abgewiesen wurde. Die Beschwerde wurde insgesamt als unbegründet abgewiesen. Der Betrag der Gerichtskosten beträgt 800 CHF.

Urteilsdetails des Kantongerichts PC210044

Kanton:ZH
Fallnummer:PC210044
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid PC210044 vom 15.12.2021 (ZH)
Datum:15.12.2021
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Ehescheidung (Ausstand)
Schlagwörter : Einzelrichter; Akten; Entscheid; E-Mail; Mails; Beklagten; E-Mails; Vorinstanz; Ausstand; Verfahren; Aktennotiz; Aktennotizen; Recht; Verfahrens; Sachverhalt; Ausstandsgesuch; Entscheidgebühr; Klägers; Sachverhalts; Gericht; Befangenheit; Einzelrichters; Urteil; Gehör; Parteien
Rechtsnorm:Art. 106 ZPO ;Art. 30 BV ;Art. 308 ZGB ;Art. 320 ZPO ;Art. 322 ZPO ;Art. 326 ZPO ;Art. 47 ZPO ;Art. 50 ZPO ;Art. 92 BGG ;Art. 95 ZPO ;
Referenz BGE:134 I 83;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts PC210044

Obergericht des Kantons Zürich

I. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: PC210044-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin Dr. D. Scherrer, Vorsitzende, Oberrichter lic. iur. M. Spahn und Oberrichter lic. iur. A. Huizinga sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. C. Faoro

Beschluss und Urteil vom 15. Dezember 2021

in Sachen

  1. ,

    Beklagte und Beschwerdeführerin

    vertreten durch Rechtsanwältin Dr. iur. X. ,

    gegen

  2. ,

    Kläger und Beschwerdegegner

    vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. Y. ,

    sowie

  3. ,

Verfahrensbeteiligter

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Z. , betreffend Ehescheidung (Ausstand)

Beschwerde gegen ein Urteil des Bezirksgerichts Dietikon vom 14. Oktober 2021 (BV210029-M)

Erwägungen:

  1. Prozessgeschichte

    1. Die Beklagte und Beschwerdeführerin (fortan Beklagte) sowie der Kläger und Beschwerdegegner (fortan Kläger) sind miteinander verheiratet und Eltern

      des gemeinsamen Sohnes C.

      (Verfahrensbeteiligter). Sie stehen sich seit

      dem 9. Oktober 2020 vor dem Bezirksgericht Dietikon in einem Scheidungsverfahren (Geschäfts Nr. FE200163-M) gegenüber. Sowohl der Kläger als auch die Beklagte ersuchten im Scheidungsverfahren um Erlass vorsorglicher Massnahmen. Die Vorinstanz wies das Gesuch der Beklagten, das bestehende Besuchs- und Ferienrecht des Klägers sei zu sistieren und nach fachmännischer Abklärung des Sachverhalts mit flankierenden Massnahmen zum Schutz des Kindes neu festzulegen, mit Verfügung vom 22. Dezember 2020 im Wesentlichen ab (Urk. 10/48 Disp. Ziff. 1 und 2). Gegen diesen abweisenden Entscheid erhob die Beklagte in der Folge Berufung (Geschäfts-Nr. LY210001-O, derzeit am Obergericht des Kantons Zürich pendent). Am 10. September 2021 entschied die Vorinstanz erneut im Rahmen von vorsorglichen Massnahmen über das Besuchsrecht, wobei sie für C. eine Beistandschaft nach Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB errichtete sowie dem Kläger für die weitere Dauer des Verfahrens ein zunächst begleitetes Besuchsrecht und hernach soweit die Besuche nach Einschätzung der Beistandsperson gut funktionieren würden ein Besuchsrecht mit begleiteten Übergaben einräumte. Das von der Beklagten gestellte Gesuch, der Kläger sei zur Absolvierung eines Lernprogramms gegen Gewalt sowie ein Achtsamkeitstraining zu verpflichten sowie zur Verlegung seines Wohnsitzes in die Schweiz aufzufordern, wies die Vorinstanz ab (Urk. 10/158). Auch gegen diesen Entscheid erhob die Beklagte Berufung (Geschäfts-Nr. LY210042-O, derzeit am Obergericht des Kantons Zürich pendent). Am 4. Oktober 2021 reichte die Beklagte vor Vorinstanz ein Ausstandsgesuch gegen den zuständigen Einzelrichter lic. iur.

      H. Kistler ein (Urk. 1). Betreffend das Ausstandsgesuch wurde bei der Vorinstanz unter der Geschäfts-Nr. BV210029-M ein Verfahren angelegt. In seiner Stellung- nahme vom 6. Oktober 2021 hielt Einzelrichter lic. iur. H. Kistler fest, nicht befangen zu sein, und lehnte das Ausstandsgesuch ab (Urk. 2). Mit Urteil vom

      14. Oktober 2021 wies die Vorinstanz das Ausstandsgesuch ab und auferlegte die

      Entscheidgebühr von Fr. 750.- der Beklagten. Parteientschädigungen wurden keine zugesprochen (Urk. 3 S. 8 = Urk. 6 S. 8).

    2. Am 11. November 2021 (Datum Poststempel) erhob die Beklagte gegen das vorinstanzliche Urteil rechtzeitig (vgl. Urk. 4/2) Beschwerde und stellte dabei die folgenden Anträge (Urk. 5 S. 2):

      1. Es sei das Urteil des Bezirksgerichts Dietikon vom 14. Oktober 2021 aufzuheben und es sei in Gutheissung des Ausstandsgesuchs der Beschwerdeführerin vom 4. Oktober 2021 der Schei- dungsrichter Bezirksrichter lic. iur. H. Kistler anzuweisen, wegen des Anscheins der Befangenheit in den Ausstand zu treten.

  2. Eventualiter sei Dispositiv Ziff. 2 und 3 des Urteils des Bezirksgerichts Dietikon vom 14. Oktober 2021 aufzuheben und es sei die Entscheidgebühr von Fr. 750.auf Fr. 300.herabzusetzen und im Umfang von Fr. 100.bzw. bei unveränderter Entscheidgebühr im Umfang von Fr. 300.- der Beschwerdeführerin aufzuerlegen.

Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zuzüglich Mehrwertsteuer) zu Lasten des Beschwerdegegners bzw. des Staates.

Zudem stellte die Beklagte die folgenden prozessualen Anträge (Urk. 5 S. 2 f.):

1. Es sei der Beschwerdegegner zur Leistung eines angemessenen Prozesskostenvorschusses an die Beschwerdeführerin von Fr. 4'000.zu verpflichten.

2. Eventualiter sei der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Prozessführung zu bewilligen und in der Person der Unterzeichnen- den eine unentgeltliche Rechtsbeiständin zu bestellen.

1.3. Die vorinstanzlichen Akten (Urk. 1-4) sowie die Akten des Scheidungsverfahrens (Urk. 10/1-185) wurden beigezogen. Da sich die Beschwerde als offensichtlich unbegründet erweist, kann auf die Einholung einer Beschwerdeantwort verzichtet werden (Art. 322 Abs. 1 ZPO). Auf die Vorbringen der Beklagten ist im Folgenden nur insoweit einzugehen, als dies für die Entscheidfindung erforderlich ist (vgl. BGE 134 I 83 E. 4.1 mit weiteren Hinweisen).

  1. Prozessuales

    1. Mit der Beschwerde können unrichtige Rechtsanwendung und offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht werden (Art. 320 ZPO). Dabei gilt das Rügeprinzip (ZK ZPO - Freiburghaus/Afheldt, Art. 321 N 15), d.h.

      die beschwerdeführende Partei hat im Einzelnen darzulegen, an welchen Mängeln (unrichtige Rechtsanwendung, offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts) der angefochtene Entscheid ihrer Ansicht nach leidet. Was nicht beanstandet wird, braucht von der Rechtsmittelinstanz grundsätzlich nicht geprüft zu werden.

    2. Neue Anträge, neue Tatsachenbehauptungen und neue Beweismittel (zum Nachweis des gerügten Mangels) sind im Beschwerdeverfahren grundsätzlich ausgeschlossen (Art. 326 Abs. 1 ZPO). Entsprechend hat die von der Beklagten in ihrer Beschwerdeschrift (erstmals) aufgestellte Behauptung, der Einzelrichter habe am 18. Oktober 2021 erneut eine Aktennotiz verfasst und darin auf eine vom Kläger an ihn gesandte E-Mail vom 8. Oktober 2021 verwiesen (siehe Urk. 5 Rz. 15), im vorliegenden Rechtsmittelverfahren unberücksichtigt zu bleiben.

  2. Materielle Beurteilung

    1. Ausstandsgesuch

      1. Die Beklagte begründete vor Vorinstanz ihr Ausstandsgesuch gegen Einzelrichter lic. iur. H. Kistler zusammengefasst wie folgt:

        Der Beklagten seien am 27. September 2021 zwei Aktennotizen vom

        18. Juni 2021 und 6. September 2021 (Urk. 10/134 und Urk. 10/153) zugestellt worden. In diesen Aktennotizen habe der Einzelrichter festgehalten, dass der Kläger ihm am 12. Juni 2021 sowie in der Nacht vom 2. auf den 3. September 2021 mehrere E-Mails gesendet habe, welche auch Beschimpfungen bzw. Beleidigungen enthalten hätten. Er (der Einzelrichter) werde die E-Mails nicht zu den Akten nehmen. Mit diesem Vorgehen verletze der Einzelrichter allerdings die ihm obliegende Aktenführungspflicht, zumal diese E-Mails Aufschluss über das Gefähr- dungspotential des Klägers gäben und damit im Zusammenhang mit der Festlegung des Besuchsrechts relevant seien. Dadurch, dass der Einzelrichter die E- Mails nicht akturiere, verschleiere er die Ereignisse. Das neuerliche Fehlverhalten des Klägers werde nicht offengelegt und der Kläger dadurch geschützt. Mit dem Vorenthalten der E-Mails werde die Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts verunmöglicht, da die Gefahrenlage, welche vom Kläger ausgehe, nicht eingeschätzt werden könne. Gestützt auf diese E-Mails sei der Einzelrichter im Entscheid vom 10. September 2021 zum Schluss gekommen, dass der Kläger professionelle Hilfe benötige, und habe ihn zu minimalsten, d.h. ungenügenden Kin- desschutzmassnahmen verpflichtet. Diese stünden jedoch in einem offenkundigen Missverhältnis zur erheblichen Gefährdung des Kindswohls. Wie offenkundig, dürfte sich aus den E-Mails ergeben. Auch stelle der Einzelrichter im Entscheid vom 10. September 2021 den Sachverhalt bezüglich der Kindswohlgefährdung offensichtlich willkürlich fest, was auf eine fehlende Neutralität hinweise. Die Beklagte habe von den Aktennotizen zudem erst im Entscheid vom 10. September 2021 erfahren und sich damit nicht zu den wesentlichen Entscheidgrundlagen vor Erlass des Entscheids äussern können. Damit sei ihr rechtliches Gehör verletzt worden. Mit seinem offensichtlich unzulässigen Verhalten begründe der Einzelrichter den Anschein der Parteilichkeit zugunsten des Klägers. Die dargelegten Verhaltensweisen seien Umstände, die einerseits grob fehlerhaft seien und andererseits in ihrer Gesamtheit auf Befangenheit und fehlende Entscheidoffenheit hinweisen würden. Das Vorgehen lasse auf eine fehlende Distanz schliessen und lasse vermuten, dass sich der Einzelrichter bereits eine Meinung zugunsten des Klägers gebildet habe (Urk. 1 Rz. 1-15).

      2. Die Vorinstanz erwog im angefochtenen Entscheid, der Einzelrichter habe die Kontaktaufnahme des Klägers per E-Mail sowie die darin enthaltenen Beschimpfungen gerade nicht verheimlicht, sondern halte lediglich den spezifischen Wortlaut nicht für relevant, und führe überdies aus, dass die Beschimpfungen ihn nicht persönlich betroffen machen würden. An dieser Schlussfolgerung sei grundsätzlich nichts auszusetzen, zumal im Entscheid vom 10. September 2021 auch nicht auf den expliziten Wortlaut eingegangen werde. Inwiefern dieses Vorgehen und die Erstellung von Aktennotizen auf eine objektiv unsachliche Einstellung des Einzelrichters zugunsten des Klägers schliessen lassen solle, erschliesse sich dem Gericht nicht, zumal in beiden Aktennotizen explizit festgehalten werde, dass sich diese E-Mails bei den nicht akturierten Nebenakten befänden, was eine transparente und unbefangene Verfahrensführung zum Ausdruck bringe. Die Beklagte habe es bisher offenbar unterlassen, mittels begründetem Gesuch Einsicht

        in die E-Mails zu verlangen, womit sich ihr Vorbringen, ihr würden diese vorenthalten und verheimlicht, als nicht stichhaltig erweise. Ihre Vorwürfe betreffend willkürliche Würdigung des Sachverhalts sowie Verletzung des rechtlichen Gehörs wären in einem allfälligen Rechtsmittelverfahren gegen den vorsorglichen Mass- nahmeentscheid vorzubringen, vermöchten jedoch keine Anzeichen für eine Befangenheit des Einzelrichters zu begründen glaubhaft zu machen. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass sich nicht jede einer Partei unliebsame Entscheidung des Gerichts, in welcher nicht sämtliche Anträge der Parteien willfährig übernommen und angeordnet würden, automatisch als willkürlich erweise. Die Akten und das sich daraus ergebende Vorgehen des zuständigen Einzelrichters zeugten von Sorgfalt, Engagement und dem Willen, in einem hochstrittigen Scheidungsverfahren den emotionalen Parteien mit gerichtlichen Entscheiden und Erlassen Klarheit zu verschaffen und damit die Situation möglicherweise etwas beruhigen zu können. Dazu sei aufgrund der regelmässigen Eingaben und neuen Anträgen der Parteien eine konzentrierte Verfahrensführung unabdingbar. Die Verfahrensführung des Einzelrichters lasse weder Voreingenommenheit noch Befangenheit erkennen und der von der Beklagten in Randziffer 14 ihrer Eingabe angeführte Verweis auf die Lehre verfange nicht. Die Behauptung, es sei davon auszugehen, der zuständige Einzelrichter habe sich schon eine Meinung zugunsten des Klägers gebildet und er könnte eine fehlende Entscheidoffenheit an den Tag legen, erweise sich als reine Mutmassung der Beklagten ohne Stütze in den Akten. Da sich folglich weder aus den weiteren Vorbringen der Beklagten noch aus den Akten anderweitige konkrete Anhaltspunkte ergäben, die in den Augen eines objektiven und vernünftigen Menschen auf eine unsachliche innere Einstellung des Abgelehnten schliessen lassen würden, sei das Ausstandsbegehren gegen Einzelrichter lic. iur. H. Kistler abzuweisen (Urk. 6 S. 6 f.).

      3. Die Beklagte macht beschwerdeweise im Wesentlichen Folgendes geltend:

        Die dem Einzelrichter im Juni und September 2021 zugesandten und Beschimpfungen enthaltenden E-Mails seien entgegen der Vorinstanz relevant. Davon gehe letztlich auch der Einzelrichter aus, wenn er im Entscheid vom

        10. September 2021 im Zusammenhang mit der Anordnung des begleiteten Besuchsrechts auf diese E-Mails verweise. Dennoch nehme er sie ohne sachlichen Grund nicht zu den Akten. Auch der Wortlaut der E-Mails sei entgegen der Vorinstanz relevant, habe der Einzelrichter doch diese E-Mails als Entscheidungsgrundlage verwendet, womit er sie gelesen und ihren Inhalt bzw. Wortlaut berücksichtigt habe. Der Einzelrichter sei angesichts der ihn treffenden Aktenführungspflicht aber ohnehin verpflichtet, diese E-Mails vollständig zu den Akten zu nehmen. Indem er dies nicht tue, verletze er das rechtliche Gehör der Beklagten. Das Ablegen der E-Mails in den nicht akturierten Nebenakten stelle entgegen der Vorinstanz keine transparente und unbefangene Verfahrensführung dar, zumal solche Akten nicht im Aktenverzeichnis aufgeführt und für die Parteien somit nicht zugänglich seien. Da die vom Kläger ausgehende Kindsgefährdung nicht durch weitere aggressive E-Mails festgestellt werden könne, komme das diesbezügliche Vorgehen des Einzelrichters einzig dem Kläger zugute. Es dränge sich daher insgesamt der Schluss auf, dass der Einzelrichter den Kläger mit der Nichtaufnahme der für den Kläger nachteiligen E-Mails in den Akten schützen wolle.

        Es komme hinzu, dass der Einzelrichter die Beklagte nicht rechtzeitig über die E-Mails des Klägers orientiert habe und die Beklagte sich weder an der Verhandlung vom 18. August 2021 noch vor Erlass des Entscheids vom

        10. September 2021 zu den E-Mails und den Aktennotizen habe äussern können. Auch dadurch habe der Einzelrichter das rechtliche Gehör der Beklagten verletzt. Da die E-Mails von der Beklagten (und dem Kindsvertreter) nicht hätten gewürdigt und auch keine Ergänzungsfragen an den Kläger hätten gerichtet werden können, wirke sich das pflichtwidrige Verhalten zugunsten des Klägers aus. Mit diesen klaren Rechtsfehlern des Einzelrichters und der damit in Kauf genommenen Benachteiligung der Beklagten setze sich die Vorinstanz in ihrem Entscheid nicht ausei- nander.

        Für das mittelbare Einbringen von Tatsachen wie vorliegend durch die Aktennotizen fehle es zudem an einer gesetzlichen Grundlage. Durch sein Verhalten wirke der Einzelrichter vielmehr unzulässig auf die Feststellung des Sachverhalts ein. Der Sachverhalt werde in den Aktennotizen unvollständig und unrichtig festgestellt. Der Einzelrichter wiederhole nicht den Wortlaut, sondern fasse die E-

        Mails zusammen, wobei er sich oberflächlich und sinngemäss äussere und Wertungen vornehme. Das Ausmass und die Schwere der Beschimpfungen lege er nicht offen. Der Einzelrichter hätte allerdings erkennen müssen, dass er mit sei- nem Vorgehen den wahren Sachverhalt verschleiere, zu einer willkürlichen Sachverhaltsfeststellung beitrage und einseitig die Beklagte benachteilige. Mit der bewussten Ungenauigkeit (in den Aktennotizen) schränke der Einzelrichter das rechtliche Gehör der Beklagten unzulässig ein, zumal sie die Wertungen sowie die Vollständigkeit der Aktennotizen nicht überprüfen und sich kein Urteil zum Inhalt bilden könne. Indem der Einzelrichter nur seine Interpretationen und Schlussfolgerungen (Aktennotizen) aktenkundig mache, demonstriere er eine fehlende Entscheidoffenheit.

        Die Beklagte habe umgehend nach Erhalt des Entscheids vom

        10. September 2021 um Akteneinsicht ersucht, jedoch lediglich die Aktennotizen erhalten. Gemäss Vorinstanz sowie dem Einzelrichter werde ihr nur auf begründetes Gesuch hin Einsicht in die E-Mails gewährt. Allerdings werde diese Einschränkung des rechtlichen Gehörs weder begründet noch würden die Voraussetzungen für die Akteneinsicht konkretisiert. Das Vorenthalten der E-Mails ohne erkennbare Gründe sei unzulässig und benachteilige die Beklagte im Prozess.

        Schliesslich habe sich die Vorinstanz auch nicht mit der von der Beklagten im Ausstandsgesuch geltend gemachten Rüge der willkürlichen Sachverhaltsfeststellung auseinandergesetzt. Die Beklagte habe eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung aus nachvollziehbaren Gründen gerügt: Zum einen habe der Einzelrichter Aktennotizen erstellt, anstatt die E-Mails zu den Akten zu nehmen. Zum anderen habe er worauf die Beklagte hingewiesen habe aktenwidrige Annahmen bei der Beurteilung der Frage, ob eine Kindswohlgefährdung vorliege, getroffen. Letzteres habe die Vorinstanz nicht geprüft.

        Zusammengefasst begründe die Verfahrens- und Aktenführung des Einzelrichters bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit und der fehlenden Entscheidoffenheit. Das Urteil der Vorinstanz sei damit aufzuheben und es sei in Gutheissung des Ausstandsgesuchs der Scheidungsrichter anzuweisen, in

        den Ausstand zu treten. Für die Fortsetzung des Verfahrens sei das Gericht mit einer anderen Gerichtsperson zu besetzen (Urk. 5 Rz. 1-14 und Rz. 16 S. 3-9).

      4. Gemäss Art. 47 ZPO tritt eine Gerichtsperson in den Ausstand, wenn sie namentlich in der Sache ein persönliches Interesse hat (Art. 47 Abs. 1 lit. a ZPO) wenn sie aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft Feindschaft mit einer Partei ihrer Vertretung, befangen sein könnte (Art. 47 Abs. 1 lit. f ZPO). Die Regelung von Art. 47 ZPO konkretisiert den in Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK verankerten Grundsatz, wonach jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, Anspruch darauf hat, dass ihre Streitsache von einem unbefangenen, unvoreingenomme- nen und unparteiischen Richter beurteilt wird. Die Garantie des verfassungsmässigen Richters wird bereits verletzt, wenn bei objektiver Betrachtung Gegebenheiten vorliegen, die den Anschein der Befangenheit die Gefahr der Voreinge- nommenheit zu begründen vermögen. Voreingenommenheit und Befangenheit in diesem Sinne werden nach der Rechtsprechung angenommen, wenn im Einzelfall anhand aller tatsächlichen und verfahrensrechtlichen Umstände Gegebenheiten aufscheinen, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu erwecken. Dabei ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen (BGer 5A_461/2016 vom 3. November 2016, E. 7.2. m.w.H.).

        Verfahrensmassnahmen sind grundsätzlich nicht geeignet, den Anschein von Befangenheit zu erwecken (ZK ZPO-Wullschleger, Art. 47 N 35). Entschei- dungs-, Einschätzungs- und Verfahrensfehler, die einem Gericht unterlaufen, begründen nur in ganz besonderen Ausnahmefällen einen Ausstandsgrund. Es müssen objektiv gerechtfertigte Gründe zur Annahme bestehen, dass sich in Rechtsfehlern gleichzeitig eine Haltung manifestiert, die auf fehlender Distanz und Neutralität beruht. Es muss sich um besondere, krasse Fehler wiederholte Irrtümer handeln, die eine schwere Verletzung der Richterpflichten darstellen (vgl. BGer 5A_446/2015 vom 14. August 2015, E. 3.2 mit Hinweis auf BGer 5A_332/2010 vom 16. Juli 2010, E. 2; 4A_220/2009 vom 17. Juni 2009, E. 4.1;

        Diggelmann, DIKE-Komm-ZPO, Art. 47 N 38; ZK ZPO-Wullschleger, Art. 47 N 35).

      5. Vorliegend stellte der Einzelrichter im Entscheid vom 10. September 2021 offenkundig auf die strittigen, von ihm erstellten Aktennotizen ab (vgl. Urk. 10/158

        E. II./6. S. 14). Den Akten kann nicht entnommen werden, dass er diese vorab der Beklagten zugestellt hat und sie sich dazu hat äussern können. Dass dadurch gezielt die Beklagte benachteiligt wurde, ist jedoch nicht ersichtlich, zumal auch der Verfahrensbeteiligte und der Kläger nicht über die Aktennotizen informiert wurden und sie sich ebenfalls nicht zu den Aktennotizen sowie den E-Mails äussern konnten. Insbesondere der Kläger dürfte ein Interesse an einer Stellungnahme gehabt haben, ordnete der Einzelrichter im Entscheid vom 10. September 2021 doch nicht zuletzt aufgrund dieser E-Mails Kindesschutzmassnahmen an (vgl. Urk. 10/158 E. II./6. S. 14). Auch der Umstand, dass der Einzelrichter die vom Kläger an ihn gesandten E-Mails nicht zu den (Haupt-)Akten genommen, sondern lediglich Aktennotizen erstellt hat, vermag keinen Anschein einer Befangenheit zu begründen. Selbst wenn man hierin eine Verletzung der dem Richter obliegenden Aktenführungspflicht als Teilgehalt des rechtlichen Gehörs sehen wollte, wäre zumindest nicht von einem krassen Verfahrensfehler auszugehen, zumal der Einzelrichter den Erhalt der E-Mails sowie deren Inhalt wenngleich nicht den ge- nauen Wortlaut in den Aktennotizen offenlegte. Dass der Einzelrichter in der Folge der Beklagten lediglich die Aktennotizen und nicht die streitigen E-Mails übermittelt hat (Urk. 10/164), ist schliesslich die logische Konsequenz daraus, dass er die E-Mails nicht zu den (Haupt-)Akten genommen hat. Die Rüge, die Vorinstanz habe sich nicht mit dem Vorwurf der willkürlichen Sachverhaltsfeststellung auseinandergesetzt, geht ebenfalls ins Leere, hielt die Vorinstanz doch aus- drücklich fest, dass die Vorbringen der Beklagten hinsichtlich willkürlicher Würdigung der Umstände im Zusammenhang mit dem Entscheid vom 10. September 2021 in einem allfälligen Rechtsmittelverfahren geltend zu machen wären. Abgesehen davon ist auch nicht geradezu offensichtlich, dass der Einzelrichter im Entscheid vom 10. September 2021 mehrere Beizugsakten unrichtig gewürdigt sowie die Aussagen der Beklagten ausser Acht gelassen hat und dadurch den Sachverhalt unrichtig festgestellt hat (vgl. Urk. 5 Rz. 14). Die dem Einzelrichter vorgeworfene willkürliche Sachverhaltsfeststellung in den Aktennotizen beschlägt schliesslich die Frage der Vollständigkeit der Akten und damit der Aktenführungspflicht, sodass diesbezüglich auf das vorstehend Ausgeführte verwiesen werden kann.

      6. Gesamthaft ergeben sich damit aus der Verfahrensführung des Einzelrichters lic. iur. H. Kistler keine besonders krassen wiederholten Fehler, die als schwere Verletzung der Richterpflichten zu werten wären und eine Haltung fehlender Distanz Neutralität manifestieren würden. Die Beschwerde erweist sich insoweit als unbegründet.

    1. Erstinstanzliche Kosten- und Entschädigungsfolgen

      1. Die Beklagte moniert im Zusammenhang mit den erstinstanzlichen Kosten- und Entschädigungsfolgen zunächst, die Vorinstanz habe die Höhe der Entscheidgebühr von Fr. 750.- nicht begründet und damit das rechtliche Gehör der Beklagten verletzt (Urk. 5 Rz. 17).

        Die Entscheidgebühr bemisst sich bei Ausstandsgesuchen alleine nach § 9 Abs. 1 der Gebührenverordnung des Obergerichts (GebV OG) und die Grundlagen, anhand welcher Gerichtskosten festgesetzt werden, müssen einer anwaltlich vertretenen Partei bekannt sein. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Rüge der Beklagten als unbegründet.

      2. Im Weiteren bemängelt die Beklagte, mit Blick auf die materielle Begrün- dung des vorinstanzlichen Entscheids sei von einem geringen Zeitaufwand für dessen Redigieren auszugehen. Entsprechend scheine eine Entscheidgebühr von Fr. 300.als angemessen (Urk. 5 Rz. 18).

        Für Entscheide über Ausstandsgesuche nach Art. 50 ZPO beträgt die Gebühr gemäss § 9 Abs. 1 GebV OG Fr. 100.bis Fr. 7'000.-. Die von der Vorinstanz vorgesehene Entscheidgebühr von Fr. 750.liegt damit bereits im unteren Bereich des massgeblichen Tarifrahmens. Zutreffend mag zwar sein, dass der vorinstanzliche Entscheid inklusive Rubrum und Dispositiv lediglich acht Seiten umfasst und sich die Erwägungen zur Sache über 1.5 Seiten erstrecken. In- des ist auch zu berücksichtigen, dass nicht nur ein Aufwand für das Redigieren

        des Entscheids, sondern auch für die eigentliche Behandlung des Gesuchs wie insbesondere das Studium desselben sowie die entsprechenden tatsächlichen und rechtlichen Abklärungen anfällt und die Beklagte im knapp sechs Seiten umfassenden Ausstandsgesuch dem Einzelrichter mehrere Verfehlungen vorwarf. Unter diesen Umständen ist die vorinstanzlich festgesetzte Entscheidgebühr nicht zu beanstanden.

      3. Schliesslich rügt die Beklagte, die Vorinstanz habe bei der Kostenverlegung das Unterliegerprinzip angewendet. Allerdings könne das Gericht die Prozesskosten nach Ermessen verteilen, wenn eine Partei in guten Treuen zur Prozessführung veranlasst gewesen sei (mit Verweis auf Art. 107 Abs. 1 lit. b ZPO). Vorliegend erweise sich die Verfahrensführung des Scheidungsrichters als offensichtlich fehlerhaft, weshalb die Beklagte in guten Treuen das Ausstandsgesuch gestellt und den Richter abgelehnt habe. Es erscheine daher angemessen, der Beklagten bei einer Entscheidgebühr von Fr. 300.einen Anteil von Fr. 100.bzw. im Falle der unveränderten Entscheidgebühr von Fr. 750.maximal Fr. 300.aufzuerlegen (Urk. 5 Rz. 19).

        Gemäss Art. 106 Abs. 1 ZPO werden die Prozesskosten grundsätzlich der unterliegenden Partei vorliegend damit der Beklagten auferlegt. Zwar kann das Gericht von diesem Grundsatz abweichen und die Prozesskosten nach Ermessen verteilen, namentlich wenn eine Partei in guten Treuen zur Prozessführung veranlasst war (Art. 107 Abs. 1 lit. b ZPO). Der Umstand, dass die Beklagte das prozessuale Vorgehen des Einzelrichters für offensichtlich fehlerhaft und das Ausstandsbegehren daher für begründet erachtet, vermag jedoch kein Abweichen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 lit. b ZPO zu rechtfertigen, ist doch jeder Klage immanent, dass sich der jeweilige Kläger im Recht sieht und deshalb ein Verfahren anstösst. Die diesbezügliche Rüge geht damit ebenfalls ins Leere.

    2. Fazit

Zusammenfassend erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist somit abzuweisen.

  1. Zweitinstanzliche Kosten- und Entschädigungsfolgen

    1. Das Beschwerdeverfahren beschlägt ein Ausstandsgesuch in einer nicht vermögensrechtlichen Streitigkeit (Ehescheidung). Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr ist gestützt auf § 9 Abs. 1 sowie § 12 Abs. 1 und 2 GebV OG auf Fr. 800.festzusetzen und ausgangsgemäss der Beklagten aufzuerlegen (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Für das Beschwerdeverfahren sind keine Parteientschädigungen zuzusprechen, der Beklagten zufolge ihres Unterliegens (Art. 106 Abs. 1 ZPO), dem Kläger mangels relevanter Umtriebe im Beschwerdeverfahren (Art. 95 Abs. 3 ZPO).

    2. Die Beklagte ersucht um Zusprechung eines Prozesskostenvorschusses von Fr. 4'000.- und eventualiter um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren (Urk. 5 S. 2). Indes sind beide Anträge zufolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde (vgl. vorstehende Erwägungen) abzuweisen (Art. 117 lit. b ZPO).

Es wird beschlossen:

  1. Das Gesuch der Beklagten um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren wird abgewiesen.

  2. Schriftliche Mitteilung und Rechtsmittelbelehrung mit nachfolgendem Erkenntnis.

Es wird erkannt:

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

  2. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 800.festgesetzt.

  3. Die Gerichtskosten für das zweitinstanzliche Verfahren werden der Beklagten auferlegt.

  4. Für das zweitinstanzliche Verfahren werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

  5. Das Gesuch der Beklagten auf Verpflichtung des Klägers zur Leistung eines Prozesskostenvorschusses von Fr. 4'000.für das zweitinstanzliche Verfahren wird abgewiesen.

  6. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an den Kläger und den Kindsvertreter unter Beilage der Doppel von Urk. 5, 7 und 8/2-4, sowie an die Vorinstanz, je gegen Empfangsschein.

    Nach unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist gehen die erstinstanzlichen Akten an die Vorinstanz zurück.

  7. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert

30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 92 BGG.

Es handelt sich in der Hauptsache um eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit. Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung. Hinsichtlich des Fristenlaufs gelten die Art. 44 ff. BGG.

Zürich, 15. Dezember 2021

Obergericht des Kantons Zürich

  1. Zivilkammer

Die Vorsitzende:

Dr. D. Scherrer

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. C. Faoro

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