Zusammenfassung des Urteils HE230075: Handelsgericht des Kantons Zürich
Das Handelsgericht des Kantons Zürich hat am 11. Oktober 2023 in einem Fall vorsorglicher Massnahmen entschieden. Die Gesuchstellerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X1, beantragte die Rückgängigmachung von Handelsregistereinträgen bezüglich der Gesuchsgegnerin AG. Die Einzelrichterin, Oberrichterin Nicole Klausner, stellte fest, dass die Generalversammlungsbeschlüsse der Gesuchsgegnerin vom 23. Mai 2023 aufgrund fehlender Teilnahme der Alleinaktionärin nichtig sind. Daher ordnete das Gericht an, dass bestimmte Einträge im Handelsregister rückgängig gemacht werden. Die Gerichtskosten wurden auf CHF 4'300 festgesetzt. Die Gesuchstellerin hat eine Frist bis zum 13. Dezember 2023, um den Prozess in der Hauptsache anzuhängig zu machen.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | HE230075 |
Instanz: | Handelsgericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | - |
Datum: | 11.10.2023 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Vorsorgliche Massnahmen |
Schlagwörter : | Gesuch; Gesuchsgegnerin; Verwaltungsrat; Aktien; Recht; Generalversammlung; Handelsregister; Massnahme; Gericht; Verwaltungsrats; Bundesgericht; Urteil; Vertretung; Bundesgerichts; Beschlüsse; Hauptsache; Aktionär; Kantons; Verfügung; Frist; Gesellschaft; Organ; Einträge; Anordnung; Nichtigkeit; Vertretungs; Massnahmen; Mitglied; Rechtsbegehren; ührt |
Rechtsnorm: | Art. 104 ZPO ;Art. 261 ZPO ;Art. 3 ZGB ;Art. 718a OR ;Art. 96 ZPO ; |
Referenz BGE: | 115 II 468; 120 II 393; 126 III 361; 130 III 321; 137 III 460; 139 III 86; 141 III 426; |
Kommentar: | Spühler, Schweizer, Basler Kommentar Schweizerische Zivilprozessordnung, Art. 261 ZPO, 2017 |
Handelsgericht des Kantons Zürich
Einzelgericht
Geschäfts-Nr.: HE230075-O U/pz
Mitwirkend: Oberrichterin Nicole Klausner sowie der Gerichtsschreiber Dr. Severin Harisberger
in Sachen
Gesuchstellerin
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X1. vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X2. ,
gegen
Gesuchsgegnerin
vertreten durch Rechtsanwalt M.A. HSG in Law, LL.M. Y1. vertreten durch Rechtsanwältin MLaw Y2.
betreffend vorsorgliche Massnahmen
(act. 1 S. 2)
1. Es sei im Sinne einer vorsorglichen Massnahme superprovisorisch mit sofortiger Wirkung das Handelsregisteramt des Kantons
Zürich anzuweisen, (a) die am tt.mm.2023 im Tagesregister des Handelsregisters des Kantons Zürich vorgenommenen EintRüge betreffend die Beklagte (Ref ...), namentlich der Eintrag von
C. und die Löschung von D. (recte: D. ), je als Mitglied des Verwaltungsrats, Rückgängig zu machen und die entsprechenden EintRüge im Handelsregister zu läschen und (b) kei- ne EintRüge im Handelsregister vorzunehmen, soweit die Anmel- dung nicht durch D. (recte: D. ) mitunterzeichnet ist.
2. Eventualiter seien die superprovisorisch beantragten Massnahmen gemäss Rechtsbegehren Ziff. 1 unmittelbar nach Anhürung der Gegenparteien zu erlassen.
Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zzgl. MWST) zulasten der Beklagten.
Ausgangslage und Prozessverlauf
Bei der Gesuchsgegnerin, B. AG, handelt es sich um eine Aktiengesellschaft, welche im Wesentlichen das Halten von Beteiligungen an Unternehmen bezweckt, die v.a. im Bereich Blockchain, Artificial Intelligence und Finanz- dienstleistungen tätig sind. Sie existiert in dieser Form offenkundig seit 2018. Damals wurden die Firma, der Zweck und der Sitz geändert (act. 3/2). Gehalten wurde sie urspränglich zu hundert Prozent von der B'. AG. Verwaltungsrat der Gesuchsgegnerin war ab April 2018 zunächst C. . Dieser schied im März 2023 aus, und gleichzeitig wurde neu D. als Verwaltungsrat mit Einzelunterschrift eingetragen (act. 3/2).
Gemäss einem bei den Akten liegenden Protokoll (act. 3/11) wurde am
23. Mai 2023 eine ausserordentliche Generalversammlung der Gesuchsgegnerin durchgefährt, bei welcher D. als Verwaltungsrat der Gesuchsgegnerin abgewöhlt und C. (wieder) als einziger Verwaltungsrat gewöhlt wurde. In der Folge wurden die entsprechenden Mutationen im Handelsregister vorgenommen (Tagesregister vom tt.mm.2023). während die Gesuchstellerin, A. SA, behauptet, aufgrund eines mit der B'. AG abgeschlossenen und vollzogenen Aktienkaufvertrages seit Januar 2023 alleinige Aktionürin der Gesuchsgegnerin zu sein, weshalb die Generalversammlungsbeschlüsse vom 23. Mai 2023 nichtig seien, stellt sich die Gesuchsgegnerin auf den Standpunkt, der Aktienverkauf, auf
welchen sich die Gesuchstellerin berufe, sei mangels des hierfür erforderlichen Verwaltungsratsbeschlusses der VerKäuferin B'. AG nicht wirksam zustan- de gekommen.
Mit Eingabe vom 29. Juni 2023 ersuchte die Gesuchstellerin mit obigem Rechtsbegehren darum, die auf den ihres Erachtens nichtigen Generalversammlungsbeschlüssen vom 23. Mai 2023 beruhenden HandelsregistereintRüge Rückgängig zu machen. Der Antrag um eine entsprechende superprovisorische Anordnung wurde mangels besonderer Dringlichkeit abgewiesen, die Gesuchstellerin wurde mit Verfügung vom 30. Juni 2023 verpflichtet, einen Kostenvorschuss zu leisten und ein sie betreffendes aktuelles amtliches Dokument analog eines Handelsregisterauszugs einzureichen (act. 4). Der Kostenvorschuss ging fristgerecht, das amtliche Dokument innert angesetzter Nachfrist ein (act. 7; act. 12/A+B).
Ebenfalls mit Verfügung vom 30. Juni 2023 war der Gesuchsgegnerin eine Frist für eine Stellungnahme zum Massnahmegesuch angesetzt worden. Am
13. Juli 2023 teilte D. mit, die Gesuchsgegnerin verzichte zum jetzigen Zeitpunkt auf eine Stellungnahme (act. 6). Nachdem angenommen werden musste, dass bis dahin sämtliche an die Gesuchsgegnerin erfolgten Zustellungen von der Rechtsvertretung der Gesuchstellerin in Empfang genommen worden waren, erfolgte mit Verfügung vom 9. August 2023 eine erneute Fristansetzung an die Gesuchsgegnerin unter Zustellung an C. (act. 15). Innert angesetzter bzw. erstreckter Frist gingen sodann zwei Eingaben der von C. für die Gesuchsgegnerin mandatierten Rechtsvertretung ein (act. 17; act. 22). Zu diesen beiden Eingaben der Gesuchsgegnerin äusserte sich die Gesuchstellerin wiederum mit Eingabe vom 2. Oktober 2023 (act. 25). Da diese keine für die materielle Entscheidfindung wesentlichen Aspekte enthält, ist sie der Gesuchsgegnerin mit dem vorliegenden Urteil zuzustellen.
Vollmacht der Gesuchsgegnerin
Trotz des Konflikts um die Position von C. ist von einer rechtsgültigen Vertretung der Gesuchsgegnerin auszugehen und sind deren Eingaben zu beachten
(vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_561/2022 vom 23. Februar 2023 unter Sachverhalt B.b.). Auch der Umstand, dass die eingereichte Vollmacht den Betreff Registersperre trägt vermag entgegen der Auffassung der Gesuchstellerin (act. 25 S. 2) nichts daran zu ändern, denn ihr Rechtsbegehren umfasst durchaus auch eine Art Registersperre, sollen doch gemäss diesem könftige EintRüge ins Handelsregister nur im Fall einer von D. unterzeichneten Anmeldung vorgenommen werden.
Darstellung der Parteien
Die Gesuchstellerin macht zusammengefasst geltend, mit Kaufvertrag bzw. AbtretungsErklärung vom 27. bzw. 30. Januar 2023 sämtliche Aktien der Gesuchsgegnerin von der urspränglichen Eigentümerin B'. AG, vertreten durch deren VerwaltungsratsPräsidenten E. , gekauft und abgetreten erhalten zu haben. Diese übertragung der Aktien der Gesuchsgegnerin an sie sei zudem von deren einzigem Verwaltungsrat D. genehmigt worden. Trotz ihrer Stellung als Alleineigentümerin aller Aktien der Gesuchsgegnerin sei am 23. Mai 2023 eine mangels Teilnahme ihrerseits (der Gesuchstellerin) unautorisierte Universalversammlung durchgefährt worden, anlässlich welcher D. , bisher einziges Mitglied des Verwaltungsrats der Gesuchsgegnerin, abberufen und C. neu als Mitglied des Verwaltungsrats der Gesuchsgegnerin gewöhlt worden sei. Entsprechende Eintragungen ins Handelsregister seien am tt.mm.2023 vorgenommen worden. Die erwähnte Versammlung und alle bei diesem Anlass gefassten Beschlüsse seien indessen nichtig und unbeachtlich. Die entsprechenden für sie (die Gesuchstellerin) nachteiligen EintRüge ins Handelsregister seien dringend sofort Rückgängig zu machen, um zu verhindern, dass C. widerrechtlich für die Gesuchsgegnerin handle (act. 1 Rz. 13 ff.).
Die Gesuchsgegnerin wies in einer ersten Eingabe darauf hin, dass die Frist für die Anfechtung des Generalversammlungsbeschlusses vom 23. Mai 2023 bereits abgelaufen sei, weshalb das Rechtsschutzinteresse der Gesuchstellerin entfallen sei. Zudem habe das Bezirksgericht Höfe mit Verfügung vom 28. Juli 2023 festgestellt, dass die Abberufung des bisherigen Verwaltungsrats der
B'. AG, E. , und die alleinige Berechtigung von C. , diese Gesellschaft zu vertreten, rechtmässig sei (act. 17). In einer zweiten Stellungnahme erürterte die Gesuchsgegnerin, dass der Verkauf ihrer Aktien durch die B'. AG an die Gesuchstellerin mangels des gemäss dem Organisationsreglement der B'. AG erforderlichen Verwaltungsratsbeschlusses nicht wirksam zustande gekommen sei. Insbesondere habe C. nie einen solchen Beschluss unterzeichnet, obwohl man ihn habe dazu bringen wollen. Schliesslich sei gemäss Kenntnisstand von C. der Kaufpreis für die Aktien nie bei der B'. AG eingegangen (act. 22).
Voraussetzungen für die Anordnung vorsorglicher Massnahmen
Die örtliche und sachliche zuständigkeit des hiesigen Gerichts ist gegeben und gibt zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass.
Wie schon in der Verfügung vom 30. Juni 2023 festgehalten, trifft das Gericht die notwendigen vorsorglichen Massnahmen, wenn die gesuchstellende Partei glaubhaft macht, dass ein ihr zustehender Anspruch verletzt ist eine Verletzung zu befürchten ist und dass ihr aus der Verletzung ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht (Art. 261 Abs. 1 ZPO). Weiter erforderlich ist eine Dringlichkeit in dem Sinne, dass der Rechtsschutz in einem ordentlichen Verfahren zu spät käme.
Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache nach der Rechtsprechung des Bun- desgerichts schon dann, wenn für ihr Vorhandensein gewisse Elemente sprechen, selbst wenn das Gericht noch mit der Möglichkeit rechnet, dass sie sich nicht verwirklicht haben könnte (BGE 130 III 321 E. 3.3; BGE 120 II 393 E. 4c). Das Gericht darf daher weder blosse Behauptungen genügen lassen noch einen stringenten Beweis verlangen. Die Last des Glaubhaftmachens entspricht der Beweislast im ordentlichen Prozess. Die gesuchstellende Partei hat sowohl das Bestehen eines materiellen Anspruchs zivilrechtlicher Natur, dessen gefährdung Verletzung als auch den drohenden, nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteil und die zeitliche Dringlichkeit glaubhaft zu machen. Schliesslich wird das Rechtliche vom Glaubhaftmachen erfasst, womit es das Gericht bei einer summarischen Prüfung der Rechtsfragen bewenden lassen kann (Z ürCHER, in: Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], DIKE Kommentar zur ZPO, 2. Aufl., 2016, Art. 261 N 5 ff.; HUBER, in: Sutter-Somm/Hasenbühler/Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO), 3. Aufl., 2016, Art. 261 N 25; TREIS, in: Baker & McKenzie [Hrsg.], Stämpflis Handkommentar zur ZPO, 2010, Art. 261 N 14 ff.).
Hauptsachenprognose
Die Gesuchstellerin macht geltend, Alleinaktionürin der Gesuchsgegnerin zu sein, weshalb anlässlich der am 23. Mai 2023 in Zürich abgehaltenen ausserordentlichen Generalversammlung der Gesuchsgegnerin, in welche sie nicht einbezogen gewesen sei, keine gültigen Beschlüsse namentlich keine rechtsgenügende Ab- und Neuwahl des Verwaltungsrats hätten gefasst werden können. Entsprechend macht die Gesuchstellerin Nichtigkeit der Generalversammlungsbeschlüsse betreffend Abwahl von D. und Wahl von C. geltend.
Art. 706b Ziff. 13 OR sieht ausDrücklich bestimmte Tatbestände vor, bei deren Vorliegen Beschlüsse einer Generalversammlung nichtig sind. Es sind dies im Einzelnen der Entzug die Beschränkung von gesetzlich zwingend gewährten Aktionürsrechten (Ziff. 1), die unzulässige Beschränkung der gesetzlichen Kontrollrechte (Ziff. 2), die Missachtung der Grundstrukturen der Aktiengesellschaft und die Verletzung der Bestimmungen zum Kapitalschutz (Ziff. 3). Mit anderen Worten sind Beschlüsse der Generalversammlung nichtig, die einen qualifizierten Verstoss gegen die aktienrechtliche Fundamentalordnung beinhalten (M EIER-HAYOZ/FORSTMOSER/SETHE, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 12. Aufl., 2018, 16 Rz. 304). Neben diesen TatBeständen, die das Gesetz explizit vorsieht, können auch schwerwiegende formelle Mängel namentlich Mängel im Zustandekommen zur Nichtigkeit des Beschlusses der Generalversammlung führen (DUBS/TRUFFER, in: Honsell/Vogt/Watter [Hrsg.], Basler Kommentar zum Obligationenrecht II, 5. Aufl., 2016, Art. 706b N 17 m.w.H.).
Einen besonderen Anwendungsfall der Nichtigkeit stellt der sogenannte Scheinoder Nichtbeschluss dar. Hier hat wie die Bezeichnung bereits suggeriert gar kein Akt der gesellschaftlichen Willensbildung stattgefunden, weil es an einer als
Generalversammlung zu qualifizierenden Zusammenkunft fehlt (siehe BGE 137 III 460 E. 3.3.2; siehe ferner DUBS/TRUFFER, a.a.O., Art. 706b N 17). In der Lehre werden diese Scheinoder Nichtbeschlüsse teilweise von den übrigen aus formellen Gründen nichtigen Beschlüssen abgegrenzt. Die Rechtsfolgen unterscheiden sich jedoch nicht (BGE 137 III 460 E. 3.3.2 m.w.H.). Namentlich ist also auch ein Beschluss nichtig, wenn gar kein Aktionür an der Generalversammlung anwesend (oder vertreten) war (Urteil des Bundesgerichts 4A_93/2015 vom 22. September 2015 E. 1.2.4, nicht publ. in: BGE 141 III 426; vgl. auch BGE 137 III 460 E. 3.3.2;
siehe zum Ganzen auch DUBS/TRUFFER, a.a.O., Art. 706b N 18; VISCHER/GALLI, Nicht-Aktionüre an der Generalversammlung, SJZ 2019, S. 14).
Nichtige Beschlüsse der Generalversammlung sind von Anfang an (ex tunc) unwirksam; das Recht erachtet sie als überhaupt nicht zustande gekommen (D UBS/ TRUFFER, a.a.O., Art. 706b N 4 m.w.H.; siehe ferner B?-CKLI, Schweizer Aktienrecht, 5. Aufl., 2022, 14 Rz. 209). Die Nichtigkeit wirkt erga omnes (B?-CKLI, a.a.O., 14 Rz. 204).
Nach den vorgenannten Grundsätzen können Beschlüsse der Generalversammlung selbst nach Jahren für anfänglich unwirksam erklärt werden. Dies ist mit ei- ner grossen Rechtsunsicherheit verbunden. Gemäss Lehre und Praxis des Bun- desgerichts sind Beschlüsse der Generalversammlung daher nur zurückhaltend für nichtig zu erklären (BGE 137 III 460 E. 3.3.2; BGE 115 II 468 E. 3b; B ?-CKLI, a.a.O., 14 Rz. 204 f.; DUBS/TRUFFER, a.a.O., Art. 706b N 7 m.w.H.).
Die Rechts- und Sachlage hinsichtlich der Aktien der Gesuchsgegnerin präsentiert sich verworren und die Darstellungen der Parteien wirken unvollst?n- dig und selektiv. Für den Standpunkt der Gesuchstellerin spricht zunächst die Kopie des Auszugs aus dem Aktienbuch, welcher vom 16. März 2023 datiert und von D. damals erwiesenermassen Verwaltungsrat der Gesuchsgegnerin mit Einzelunterschrift unterzeichnet ist (act. 3/3). Darin wird die Gesuchstellerin als Alleinaktionürin der Gesuchsgegnerin aufgefährt, was im Einklang mit ihrer Behauptung steht, alle Aktien der Gesuchsgegnerin mit Aktienkaufvertrag vom
27. Januar 2023, welchen sie überdies vorlegt (act. 3/5), von der B'. AG erworben zu haben (act. 1 Rz. 14 ff.).
Die Gesuchsgegnerin wendet ein, für den Verkauf der Aktien wäre auf Seiten der VerKäuferin B'. AG ein Verwaltungsratsbeschluss erforderlich gewesen; in einer Klammer verweist sie sodann auf den entsprechenden Artikel des Organisationsreglements der B'. AG, welches sie einreicht (act. 22 S. 1; act. 23/1). Gemäss dessen Art. 3.6.2 Abs. 1 Ziff. 10 obliegt dem Verwaltungsrat die Ge- nehmigung von VerÄnderungen im Konsolidierungskreis der B'. AG sowie von Transaktionen betreffend Beteiligungen an anderen Unternehmen. Dass eine solche Genehmigung durch den Verwaltungsrat naturgemäss nicht anders als durch eine Beschlussfassung erreicht werden kann, mag sich von selbst verstehen; eine solche erfordert gemäss Art. 3.5.2 des Organisationsreglements die physische mittels Telekommunikation sichergestellte Anwesenheit der Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungsrates, wobei der Beschluss mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu fassen ist, wobei dem Präsidenten der Stichentscheid zukommt. Aus der Sicht der die Aktien erwerbenden Gesuchstellerin ist je- doch Art. 718a Abs. 1 OR massgebend, wonach die zur Vertretung befugten Personen im Namen der Gesellschaft alle Rechtshandlungen vornehmen können, die der Zweck der Gesellschaft mit sich bringen kann (sog. Vertretungsmacht, siehe Urteil des Bundesgerichts 4A_357/2007 vom 8. April 2008 E. 4.2). Praxisgemäss ist der Begriff des Gesellschaftszweckes weit auszulegen und sind Rechtshandlungen nur mit grösster zurückhaltung als zweckfremd zu qualifizieren (z.B. Urteil des Bundesgerichts 4A_55/2017 vom 16. Juni 2017 E. 5.2.1). Vom Gesellschaftszweck abgedeckt sind sämtliche Handlungen, die aus objektiver Sicht dazu beitragen können, den Gesellschaftszweck zu erreichen, auch wenn dies im konkreten Fall tatsächlich nicht so sein sollte (Urteil des Bundesgerichts 4A_46/2016 vom 20. Juni 2012 E. 5.2). Es ist nur im Extremfall vom Fehlen einer solchen Vertretungsmacht eines Verwaltungsrates auszugehen (Urteil des Bundesgerichts 4A_147/2014 vom 19. November 2014 E. 3.1.1). Zwar kann die interne Vertretungsbefugnis weitergehend beschränkt sein, allerdings hat eine solche Beschränkung gegenüber gutgläubigen Dritten keine Wirkung (Art. 718a Abs. 2 OR). Ist also die Vertretungsbefugnis eines Verwaltungsrates beispielsweise aufgrund interner Vorgaben in einem Organisationsreglement beschränkt und umfasst sie den Abschluss eines konkreten RechtsGeschäfts nicht, führt dies nur
dann zum Nichtzustandekommen des RechtsGeschäfts, wenn der Vertragspartner der Gesellschaft um diese fehlende Vertretungsbefugnis wusste darum wissen musste, wenn er also bösgläubig war (BGE 126 III 361 E. 3a).
E. , der den Aktienkaufvertrag vom 27. Januar 2023 seitens der VerKäuferin unterzeichnet hatte, war im damaligen Zeitpunkt VerwaltungsratsPräsident der B'. AG mit Einzelzeichnungsberechtigung, womit ihm die umfassende Vertretungsmacht nach Art. 718a Abs. 1 OR zukam. Daran vermag im übrigen auch die Verfügung des Bezirksgerichts Höfe vom 28. Juli 2023, welche sich zu einem Sachverhalt äussert, der sich am 23. Mai 2023 und damit mehrere Monate nach Abschluss des Aktienkaufvertrags abgespielt hat (act. 19/B), nichts zu ändern.
Beim von der Gesuchsgegnerin nun angerufenen Organisationsreglement handelt es sich um ein gesellschaftsinternes Dokument, dessen Inhalt bestenfalls geeig- net war, die Vertretungsbefugnis von E. zu beschränken. Konkrete Behauptungen und Hinweise, dass die Gesuchstellerin als Käuferin der Aktien von Einschränkungen der Befugnisse von E. gewusst hätte und daher entgegen der gesetzlichen Vermutung gemäss Art. 3 Abs. 1 ZGB bösgläubig gewesen wäre, macht die Gesuchsgegnerin jedoch nicht; der Verweis auf das Organisationsreglement der B'. AG reicht hierfür nicht aus. Mithin ist glaubhaft, dass der Aktienkaufvertrag zwischen der B'. AG und der Gesuchstellerin bzw. das entsprechende VerpflichtungsGeschäft gültig abgeschlossen wurde.
Weiter führt die Gesuchstellerin aus, dass die VerKäuferin B'. AG ihr mit AbtretungsErklärung vom 30. Januar 2023 mithin drei Tage nach dem Datum des Abschlusses des Aktienkaufvertrages sämtliche Aktien der Gesuchsgegnerin abgetreten habe (act. 1 Rz. 17). Die Behauptungen der Gesuchstellerin betreffend Abtretung, insbesondere auch die genannte Datierung, werden von der Gesuchsgegnerin nicht konkret bestritten, weshalb darauf abzustellen ist. Die AbtretungsErklärung wird von der Gesuchstellerin überdies eingereicht (act. 3/8). Insofern ist auch glaubhaft, dass das VerfügungsGeschäft gültig erfolgt ist. Damit ist vom Vorliegen der Alleinaktionürseigenschaft der Gesuchstellerin jedenfalls ab
30. Januar 2023 auszugehen.
Dass die Gesuchstellerin als Alleinaktionürin an der Generalversammlung der Gesuchsgegnerin vom 23. Mai 2023 weder durch eigene Organe noch andere Vertreter vertreten war, ist unbestritten. Die Gesuchsgegnerin äussert sich im übrigen mit keinem Wort dazu, wer diese Generalversammlung einberief und wer von Seiten der Aktionüre daran teilnahm sich vertreten liess. In dem von der Gesuchstellerin erhältlich gemachten und eingereichten Protokollauszug wird unter Anwesend lediglich F. als Vertreter von [...] (sic!) aufgefährt, wobei ersichtlich ist, dass dieser F. für [...] die Stimmrechte aller 100 Namenaktien wahrnahm (act. 3/11). Somit ist auch aus dem Protokoll nicht ersichtlich, wer in der damaligen Versammlung als Aktionür/in der Gesuchsgegnerin betrachtet wurde. Die Gesuchstellerin, die ihre Aktionürstellung glaubhaft gemacht hat, war es jedenfalls nicht.
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Gesuchstellerin glaubhaft zu machen vermag, dass die an der Generalversammlung vom 23. Mai 2023 gefassten Beschlüsse zufolge fehlender Teilnahme und Vertretung von ihr als Alleinaktionürin der Gesuchsgegnerin nichtig sind. Nichtigkeit kann auch ausserhalb der gesetzlichen Frist für die Anfechtung eines Generalversammlungsbeschlusses geltend gemacht werden. Daher geht der Hinweis der Gesuchsgegnerin auf die verstrichene Frist zur Anfechtung der Generalversammlungsbeschlüsse ins Leere.
Der Gesuchstellerin ist eine positive Hauptsachenprognose zu stellen.
Nachteilsprognose
Ein drohender Nachteil im Sinne von Art. 261 Abs. 1 lit. b ZPO gilt u.a. dann als nicht leicht wieder gutzumachen, wenn ein materieller Anspruch durch eine bestehende Verletzung eine gefährdung vor Durchführung bzw. Abschluss eines Hauptsacheverfahrens vereitelt würde seine Gehörige Befrie- digung wesentlich erschwert wäre (S PRECHER, in: Späher/Tenchio/Infanger [Hrsg.], Basler Kommentar Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. Aufl., 2017, Art. 261 N 16 ff., insb. N 34).
Mit C. ist derzeit ein Verwaltungsrat im Handelsregister eingetragen, der nicht von der (einzigen) Aktionürin der Gesuchsgegnerin gewöhlt wurde. Wegen der mit dem Eintrag im Handelsregister verbundenen Publizitätswirkung kön- nen sich Dritte auf ihren guten Glauben berufen, wenn sie mit der Gesuchsgegnerin rechtsGeschäftliche Verpflichtungen eingehen. Es ist daher glaubhaft, dass es zu möglicherweise unerwünschten vertraglichen Verpflichtungen der Gesuchsgegnerin durch einen nicht vom entsprechenden Organ gewöhlten Vertreter und damit letztlich zu einer Verschlechterung der Position der glaubhaften Aktionürin, der Gesuchstellerin, kommen könnte, worin ein nicht leicht wiedergutzumachen- der Nachteil zu sehen ist.
Verhältnismässigkeit
Der Gesuchstellerin ist darin beizupflichten (vgl. act. 1 Rz. 39 f.), dass die von ihr beantragte Wiederherstellung des vor den Beschlüssen vom 23. Mai 2023 bestehenden Zustandes Nämlich eine Anweisung an das Handelsregister,
C. aus dem Register zu läschen und D. wieder einzutragen eine verhältnismässige und geeignete Massnahme darstellt, um den drohenden Nachteil abzuwenden.
Die Gesuchstellerin verlangt in ihrem Rechtsbegehren ferner, das Handelsregisteramt sei anzuweisen, (könftig) keine EintRüge im Handelsregister vorzu- nehmen, soweit die Anmeldung nicht durch D. mitunterzeichnet sei. Dieses Begehren blieb jedoch unbegründet, weshalb keine Grundlage besteht, um sich damit auseinanderzusetzen, geschweige denn diesem stattzugeben.
Der vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass gemäss neuester bundesgerichtlicher Rechtsprechung bei Vorliegen der Voraussetzungen für vorsorgliche Massnahmen keine Interessenabwägung vorzunehmen ist (BGE 139 III 86 E. 5; Urteil des Bundesgerichts 4A_427/2021 vom 20. Dezember 2021 E. 5.1; Urteil des Bundesgerichts 4A_49/2020 vom 3. Juni 2020 E. 4.1).
Dringlichkeit
Ohne eine vorsorgliche Massnahme bliebe es bis zum Entscheid eines or- dentlichen Gericht mithin über viele Monate beim glaubhaft falschen Handelsregistereintrag mit seinen gerade erwähnten Wirkungen. In diesem Sinn ist die für die Anordnung von Massnahmen erforderliche Dringlichkeit gegeben.
Fazit
Angesichts der erfällten Voraussetzungen ist eine vorsorgliche Massnahme im Sinne von Ziffer 1.a des Rechtsbegehrens der Gesuchstellerin anzuordnen. Die Anordnung ist bis zum Entscheid eines ordentlichen Gerichts in der Hauptsache zu befristen. Im übrigen ist das Gesuch abzuweisen.
Gleichzeitig ist der Gesuchstellerin Frist anzusetzen, um den Prozess in der Hauptsache beim zuständigen ordentlichen Gericht, dem namentlich eine Klage auf Feststellung der Eigentumsverhältnisse an den Aktien der Gesuchsgegnerin eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Generalversammlungsbeschlüsse vom 23. Mai 2023 zu unterbreiten ist, anhängig zu machen.
Kosten- und Entschädigungsfolgen
Gerichtsgebühr
Die Höhe der Gerichtsgebühr wird nach der gebührenverordnung des Obergerichts bestimmt (Art. 96 ZPO i.V.m. 199 Abs. 1 GOG) und richtet sich in erster Linie nach dem Streitwert bzw. nach dem tatsächlichen Streitinteresse ( 2 Abs. 1 lit. a GebV OG). Wie in der Verfügung vom 30. Juni 2023 dargelegt, ist von einem Streitwert von CHF 100'000.00 auszugehen, womit die Gerichtskosten auf CHF 4'300 festzusetzen sind.
Kostenverteilung
Die definitive Regelung der Kostenauflage ist gestützt auf Art. 104 Abs. 3 ZPO dem Entscheid des Hauptsachengerichts vorzubehalten. Nur für den Fall, dass die Anordnung wegen unterbliebener (rechtzeitiger) Einleitung des Prozesses in
der Hauptsache dahinfällt, ist heute eine definitive (wenn auch bedingte) Anord- nung zu treffen. Gemäss Praxis des Einzelgerichts des Handelsgerichts des Kantons Zürich sind die Gerichtskosten im vorsorglichen Massnahmeverfahren von der Gesuchstellerin zu beziehen, wobei wie gesagt der endgültige Entscheid des Gerichts im ordentlichen Verfahren vorbehalten bleibt.
1.1. Parteientschädigung
Die definitive Regelung der Entschädigungsfolgen ist ebenfalls dem ordentlichen Verfahren vorzubehalten. Für den Fall, dass die Gesuchstellerin ihren Anspruch jedoch nicht prosequieren sollte, hätte sie ihre Anwaltskosten selbst zu tragen und Müsste sie der anwaltlich vertretenen Gesuchsgegnerin in Anwendung von 4 Abs. 1 und 2 sowie 9 AnwGebV eine Parteientschädigung von CHF 5'000.00 bezahlen.
Das Handelsregisteramt des Kantons Zürich, Schönthalstrasse 5, 8022 Zürich wird angewiesen, die am tt.mm.2023 im Tagesregister des Handelsregisters des Kantons Zürich vorgenommenen EintRüge betreffend die Gesuchsgeg- nerin B. AG (Ref ...), namentlich die Eintragung von C. als Mitglied des Verwaltungsrats mit Einzelunterschrift sowie die Löschung von
D. als Mitglied des Verwaltungsrats mit Einzelunterschrift Rückgängig zu machen.
Im übrigen wird das Gesuch abgewiesen.
Der Gesuchstellerin wird eine einmalige Frist bis 13. Dezember 2023 angesetzt, um den Prozess in der Hauptsache (insbesondere eine Klage auf Feststellung der Eigentumsverhältnisse an den Aktien der Gesuchsgegnerin eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Generalversammlungsbeschlüsse vom 23. Mai 2023) anhängig zu machen.
Bei Säumnis würde die Anordnung gemäss Dispositiv-Ziffer 1 ohne Weiteres dahinfallen.
Die Gerichtsgebühr beträgt CHF 4'300.
Die Gerichtskosten gemäss Dispositiv-Ziffer 4 werden aus dem von der Gesuchstellerin geleisteten Vorschuss gedeckt. fällt die vorsorgliche Mass- nahme wegen Säumnis dahin (vgl. Dispositiv-Ziffer 3), so wird dieser Kostenbezug definitiv. Kommt es zum Prozess in der Hauptsache, so bleibt die definitive Regelung der Kostenfolgen im dortigen Verfahren vorbehalten.
Die Regelung der Parteientschädigung wird dem Prozess in der Hauptsache vorbehalten. fällt die vorsorgliche Massnahme wegen Säumnis dahin (vgl. Dispositiv-Ziffer 3) ist die Gesuchstellerin verpflichtet, der Gesuchsgegnerin eine Parteientschädigung von CHF 5'000 zu bezahlen.
Schriftliche Mitteilung an
die Gesuchstellerin,
die Gesuchsgegnerin unter Beilage eines Doppels von act. 25,
das Handelsregisteramt des Kantons Zürich, Schönthalstrasse 5, Postfach, 8022 Zürich, sowie
die Obergerichtskasse.
Eine bundesrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innerhalb von 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG). Der Streitwert beträgt CHF 100'000.00.
Zürich, 11. Oktober 2023
Handelsgericht des Kantons Zürich Einzelgericht
Der Gerichtsschreiber:
Dr. Severin Harisberger
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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