E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Obergericht (SH)

Zusammenfassung des Urteils Nr. 50/2018/33: Obergericht

Das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich betrifft den Fall einer Anklage gegen eine Person wegen Verletzung der Verkehrsregeln und pflichtwidrigen Verhaltens bei einem Unfall. Der Angeklagte wurde freigesprochen vom Vorwurf der Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit, aber schuldig gesprochen des pflichtwidrigen Verhaltens bei einem Unfall. Er wurde zu einer Geldstrafe von 800 CHF verurteilt, die bei Nichtzahlung eine Ersatzfreiheitsstrafe von 8 Tagen nach sich zieht. Die Gerichtskosten in Höhe von 1.200 CHF wurden dem Angeklagten auferlegt. Die Staatsanwaltschaft unterlag mit ihren Anträgen und muss die Kosten des Berufungsverfahrens tragen. Die Verteidigung erhält eine Prozessentschädigung von 1.314,30 CHF.

Urteilsdetails des Kantongerichts Nr. 50/2018/33

Kanton:SH
Fallnummer:Nr. 50/2018/33
Instanz:Obergericht
Abteilung:-
Obergericht Entscheid Nr. 50/2018/33 vom 09.04.2019 (SH)
Datum:09.04.2019
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort: Obligatorische Landesverweisung; Härtefallprüfung - Art. 66a Abs. 2 StGB. Kriterien und Vorgehensweise bei der Prüfung eines Härtefalls im Rahmen der obligatorischen Landesverweisung (E. 9.4 - 9.7). Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informationssystem (SIS; E. 9.8).
Schlagwörter : Beschuldigte; Landes; Landesverweisung; Beschuldigten; Schweiz; Serbien; Interesse; Freiheitsstrafe; Interessen; Ausschreibung; Härtefall; Mutter; Betäubungsmittel; Sicherheit; Hinweis; Ausländer; Verhältnis; Verordnung; Aufenthalt; Vorfall; Kantons; Schengener; Urteil; Kantonsgericht; Betäubungsmittelgesetz; Beziehung
Rechtsnorm:Art. 122 StGB ;Art. 13 BV ;Art. 66a StGB ;Art. 8 EMRK ;
Referenz BGE:135 I 143; 135 V 465; 137 I 154; 139 I 16; 144 IV 168; 144 IV 332;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts Nr. 50/2018/33

Obligatorische Landesverweisung; Härtefallprüfung - Art. 66a Abs. 2 StGB.

Kriterien und Vorgehensweise bei der Prüfung eines Härtefalls im Rahmen der obligatorischen Landesverweisung (E. 9.4 - 9.7).

Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informationssystem (SIS; E. 9.8).

OGE 50/2018/33 vom 9. April 2019

(Eine Beschwerde in Strafsachen gegen diesen Entscheid wies das Bundesgericht mit Urteil 6B_771/2019 vom 7. November 2019 ab.)

Keine Veröffentlichung im Amtsbericht

Sachverhalt

Der serbische Staatsangehörige X. reiste am 27. März 2017 zusammen mit Y. am Grenzübergang Ramsen in die Schweiz ein. Bei der Kontrolle seines Autos wurden unter anderem 99 g Kokaingemisch (entsprechend 79.8 g reinem Kokain) und 1521 Ecstasy-Pillen gefunden.

Das Kantonsgericht verurteilte X. wegen einfacher und qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, Förderung der rechtswidrigen Einreise und des rechtswidrigen Aufenthalts sowie mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes zu einer Freiheitsstrafe von 26 Monaten und einer Busse von Fr. 300.-, wobei die Strafe als Zusatzstrafe zu einer mit Urteil des Tribunal d'arrondissement de Lausanne verhängten Freiheitsstrafe von 6 Monaten galt. Zudem verwies das Kantonsgericht X. für 5 Jahre des Landes.

Das Obergericht wies die gegen das Urteil des Kantonsgerichts erhobene Berufung von X. ab.

Aus den Erwägungen
  1. Das Gericht verweist den Ausländer, der wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe vom 3. Oktober 1951 [BetmG, Betäubungsmittelgesetz, SR 812.121]) verurteilt wird, unabhängig von der Höhe der Strafe für 5 bis 15 Jahre aus der Schweiz (Art. 66a Abs. 1 lit. o StGB).

    Das Gericht kann ausnahmsweise von einer Landesverweisung absehen, wenn diese für den Ausländer einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Dabei ist

    der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren aufgewachsen sind (Art. 66a Abs. 2 StGB).

    1. Das Kantonsgericht hat den Beschuldigten für fünf Jahre des Landes verwiesen.

    2. Der amtliche Verteidiger macht insbesondere geltend, eine Landesverweisung wäre für den Beschuldigten eine absolute Katastrophe. Er lebe seit seinem sechsten Altersjahr in der französischsprachigen Schweiz und habe ein sehr enges Verhältnis zu seiner Mutter und seinem Stiefvater, zudem habe er eine Freundin. In Serbien sei er wegen eines Vorfalls im Jahr 2016 gefährdet, ausserdem habe er keinen Kontakt mehr zu Serbien und spreche auch kein richtiges Alltagsserbisch mehr. Bei einer zwangsweisen Ausschaffung wäre die Gefahr, dass sich die psychische Suchtabhängigkeit realisieren könnte, grösser als in der Schweiz, wo er ein Umfeld habe, das ihn unterstütze und wo er eine Perspektive habe.

    3. Der Beschuldigte hat eine Katalogtat gemäss Art. 66a Abs. 1 StGB begangen, weshalb grundsätzlich unabhängig von der Strafhöhe eine obligatorische Landesverweisung auszusprechen ist. Diese greift bei sämtlichen Täterschaftsund Teilnahmeformen und auch unabhängig davon, ob es beim Versuch geblieben ist und ob die Strafe bedingt, unbedingt teilbedingt ausfällt (BGE 144 IV 168

      E. 1.4.1 S. 171). Zu prüfen ist im Folgenden, ob gestützt auf die Härtefallklausel gemäss Art. 66a Abs. 2 StGB ausnahmsweise von einer Landesverweisung abzusehen ist.

    4. Um von der Landesverweisung absehen zu können, ist es gemäss Art. 66a Abs. 2 StGB notwendig, dass ein schwerer persönlicher Härtefall bewirkt würde und die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen.

      Das Gesetz enthält weder eine Definition des schweren persönlichen Härtefalls noch Hinweise auf die im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien. Aus der parlamentarischen Debatte geht allerdings hervor, dass der Gesetzgeber Ausnahmen von der obligatorischen Landesverweisung restriktiv regeln wollte. Angesichts des engen Zusammenhangs zwischen der strafrechtlich begründeten Landesverweisung und den migrationsrechtlichen Massnahmen hat sich das Gericht bei der Anwendung von Art. 66a Abs. 2 StGB grundsätzlich an den Kriterien gemäss Art. 31 der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit vom 24. Oktober 2007 (VZAE, SR 142.201) und der dazu entwickelten Rechtsprechung zu orientieren (BGE 144 IV 332 E. 3.3 S. 340 f.).

      Hinsichtlich Ausländern der zweiten Generation besagt die migrationsrechtliche Rechtsprechung, dass der Widerruf einer Niederlassungsbewilligung mit besonde-

      rer Zurückhaltung zu erfolgen hat, aber bei wiederholter bzw. schwerer Straffälligkeit nicht ausgeschlossen ist. Besonders zu berücksichtigen sind dabei die Intensität der Beziehungen des Betroffenen zur Schweiz und die Schwierigkeiten der Wiedereingliederung im Herkunftsland. Diese Kriterien sind auch bei der strafrechtlichen Landesverweisung relevant. Allerdings ist die Verschärfungsabsicht des Gesetzgebers im Auge zu behalten (vgl. zum Ganzen BGE 144 IV 332 E. 3.3.3

      S. 341 f. mit Hinweisen).

      Im Verhältnis zum in Art. 13 BV bzw. Art. 8 EMRK gewährleisteten Anspruch auf Privatund Familienleben ist ab einem Eingriff von einer gewissen Tragweite in diesen Anspruch vom Vorliegen eines Härtefalls auszugehen (BGer 6B_627/2018 vom 22. März 2019 E. 1.3.5 mit Hinweis). Die Auswirkungen einer Landesverweisung auf das Privatund Familienleben sind mithin bereits bei der Prüfung des Härtefalls zu berücksichtigen. Die im Rahmen von Art. 66a Abs. 2 StGB vorzunehmende Interessenabwägung entspricht denn auch dem Vorgehen bei der Verhältnismässigkeitsprüfung einer Wegweisung nach Art. 13 BV bzw. Art. 8 EMRK (vgl. zum Ganzen Fanny de Weck, in: Spescha/Thür/Zünd/Bolzli/Hruschka [Hrsg.], Migrationsrecht, Kommentar, 4. A., Zürich 2015, Art. 66a nStGB N. 24, S. 724; Zurbrügg/Hruschka, in: Niggli/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Strafrecht I, Art. 1 - 136 StGB, 4. A., Basel 2019, Art. 66a N. 98, S. 1751; Busslinger/Uebersax, Härtefallklausel und migrationsrechtliche Auswirkungen der Landesverweisung, plädoyer 5/16, S. 100; Fargahi/Priuli/de Weck, Die ersten Urteile des Bundesgerichts zur Landesverweisung, Jusletter 15. April 2019, Rz. 37 f. und 44; BGer

      6B_659/2018 vom 20. September 2018 E. 3.5).

    5. Bei der Prüfung der privaten Interessen des Betroffenen sind analog Art. 31 Abs. 1 VZAE insbesondere die Integration des Gesuchstellers, die Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die Familienverhältnisse (vgl. Art. 8 EMRK und Art. 13 BV), die finanziellen Verhältnisse, die Dauer der Anwesenheit in der Schweiz, der Gesundheitszustand sowie die Möglichkeiten für eine Wiedereingliederung im Herkunftsstaat zu beachten. Zudem sind auch genuin strafrechtliche Aspekte wie die Resozialisierungschancen des Täters zu berücksichtigen (BGE 144 IV 332 E. 3.3.2 S. 340 f. mit Hinweisen; BGer 6B_1262/2018 vom 29. Januar 2019

E. 2.3.1; Fargahi/Priuli/de Weck, Rz. 32 ff.). Der Fokus bei der Prüfung der privaten Interessen ist einerseits auf die Situation des Betroffenen in der Schweiz und andererseits auf diejenige im Heimatland zu legen (Busslinger/Uebersax, S. 101).

      1. Der Beschuldigte, der zurzeit über eine Niederlassungsbewilligung C verfügt, kam mit sechs Jahren von Serbien in die Schweiz. Damit ist er in der Schweiz aufgewachsen, wo er auch seine gesamte Schulbildung und Ausbildung erfuhr. In der Schweiz leben auch die Mutter, der Stiefvater sowie weitere Verwandte des Beschuldigten. Die Beziehung des Beschuldigten zur Mutter sei früher schwierig

        gewesen, seit der Haft sei sie indes besser bzw. gut. Der Beschuldigte ist ledig und hat keine Kinder. Im Laufe der Untersuchungsbzw. Sicherheitshaft ging er offenbar eine neue Beziehung ein, wobei er seine neue Freundin bereits seit zwölf 13 Jahren kenne. Nach dem Gesagten fallen die privaten Interessen des Beschuldigten an einem Verbleib in der Schweiz erheblich ins Gewicht.

      2. Eine Wegweisung des Beschuldigten wäre sicherlich auch ein Einschnitt für die Mutter des Beschuldigten sowie für dessen Freundin. Die Mutter des Beschuldigten leidet seit rund zehn Jahren an multipler Sklerose und bezieht seit dem

        1. Januar 2017 eine volle IV-Rente. In einem ärztlichen Attest ist erwähnt, dass die Aussicht auf eine Landesverweisung des Beschuldigten das Risiko einer Schwächung ihrer Gesundheit berge. Allerdings muss auch in diesem Kontext der Erfahrungstatsache Rechnung getragen werden, dass Hausärzte mitunter im Hinblick auf ihre auftragsrechtliche Vertrauensstellung im Zweifelsfall eher zu Gunsten ihrer Patienten aussagen (vgl. BGE 135 V 465 E. 4.5 S. 470). Zu relativieren ist weiter das Vorbringen des Beschuldigten, seine Mutter sei auf seine Präsenz und Pflege angewiesen. Dass der Beschuldigte seine Mutter früher gepflegt hätte, wird nicht geltend gemacht. Zudem wurde das zwischenmenschliche Verhältnis vor der Verhaftung als schwierig beschrieben. Die Mutter erhält Beistand von ihrem Ehemann und Unterstützung durch den Sozialstaat. Es liegt kein Anwendungsfall von Art. 8 EMRK vor, da Beziehungen unter Erwachsenen nur unter den Schutz dieser Bestimmung fallen, wenn ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis besteht, welches über die normalen affektiven Bindungen hinausgeht (BGE 137 I 154 E. 3.4.2

        S. 159; BGer 2C_48/2019 vom 16. Januar 2019 E. 2), wobei die Beziehung tatsächlich gelebt werden muss (BGE 135 I 143 E. 3.1 S. 148; BGer 2C_1093/2018 vom 7. Dezember 2018 E. 2.2). Eine bloss allfällige zukünftige Pflegehilfeleistung durch den Beschuldigten kann hierfür nicht ausreichen. Weiter besteht bis zu einem gewissen Ausmass insbesondere mittels Kommunikation über das Internet auch die Möglichkeit des Aufrechterhaltens des Kontakts von Serbien aus. Zudem besteht für die Mutter zumindest in ihrem jetzigen Gesundheitszustand, der auch Reisen von Lausanne nach Schaffhausen und Regensdorf erlaubt, die Möglichkeit, den Beschuldigten in Serbien zu besuchen, besteht doch eine direkte Flugverbindung zwischen Genf und Belgrad. Analoges ist für die Beziehung des Beschuldigten zu dessen Freundin zu sagen, die erst nach Haftantritt begann und damit bislang noch nicht tatsächlich gelebt werden konnte (vgl. auch BGer 6B_344/2019 vom 6. Mai 2019 E. 3.2 [zur Publikation vorgesehen]).

      3. Trotz des langen Aufenthalts des Beschuldigten in der Schweiz kann nicht von einer erfolgreichen Integration gesprochen werden. Der Beschuldigte weist ein nicht unerhebliches Vorstrafenregister aus, verfügte bereits im Zeitpunkt der Verhaftung als 31-Jähriger über einen begrenzten sozialen Empfangsraum und ist in

        keinen Vereinen aktiv. Zwischen 2006 und 2011 soll der Beschuldigte keinen festen Wohnsitz gehabt und sich stattdessen bei Bekannten, Freunden und auf der Strasse aufgehalten haben. In beruflicher Hinsicht hat der Beschuldigte zwar mit 25 Jahren eine Ausbildung als Detailhandelsfachmann EFZ abgeschlossen, wobei er danach einige Zeit beim Lehrbetrieb weiterbeschäftigt blieb, bis er entlassen wurde. Zwischen August 2013 und August 2014 sowie zuletzt seit September 2016 bis zu seiner Verhaftung am 27. März 2017 war er arbeitslos. Der Beschuldigte behauptet zwar, nach einer Entlassung aus dem Strafvollzug wieder bei der A. SA arbeiten zu können, wo er bereits bei seiner rund einmonatigen Ausbildung zum Finanzberater beschäftigt war. Davon kann indes nicht ausgegangen werden, steht doch im entsprechenden Bestätigungsschreiben der A. SA lediglich, dass das Angebot sous certaines conditions gelte. Zufolge dieses Vorbehaltes und weil es sich um eine Tätigkeit in der Finanzbzw. Versicherungsbranche handeln soll, kann aus diesem Schreiben angesichts des Vorstrafenregisters des Beschuldigten und der weiteren genannten Umstände nicht auf gute berufliche Perspektiven geschlossen werden. Schliesslich verfügt der Beschuldigte über schlechte finanzielle Verhältnisse, er weist Betreibungen über Fr. 30'000.auf und hat zumindest kurz vor seiner Verhaftung Sozialhilfe bezogen.

      4. Der Beschuldigte ist zwar in der Schweiz aufgewachsen, jedoch wie dargetan nicht erfolgreich integriert und verfügt nach wie vor über Verbindungen mit seiner staatsbürgerlichen Heimat Serbien. Dort verbrachte der Beschuldigte regelmässig Ferien, um seine Verwandtschaft zu besuchen. Zumindest sein Vater und seine Halbschwestern leben in Serbien. Der Beschuldigte verfügt auch über Freunde in Serbien, darunter insbesondere den Mittäter Y. und weitere Freunde aus seinem ehemaligen Wohnquartier, z.B. Z. Zuletzt war der Beschuldigte im Sommer 2016 in Serbien. Der Beschuldigte spricht gut bzw. fliessend serbisch (mündlich und schriftlich), auch wenn er unterdessen Französisch als seine Muttersprache bezeichnet.

      5. Der Beschuldigte macht geltend, dass er gemäss seinem Vater in dessen Haus bzw. in seiner Heimatstadt, B., nicht mehr willkommen sei und dieser ihm auch den Kontakt zu seinen Halbschwestern verboten habe. Grund dafür sei ein Vorfall aus dem Sommer 2016 in B., bei dem der Beschuldigte verletzt worden sei. Diese Ausführungen sind jedoch jedenfalls in der vorgebrachten Tragweite nicht glaubhaft; es muss von aus prozesstaktischen Gründen übertriebenen Behauptungen ausgegangen werden. Zwar ist aufgrund eines Ambulanzberichts des Gesundheitszentrums in B. tatsächlich davon auszugehen, dass der Beschuldigte am

        26. 27. Juli 2016 einen Faustschlag von einer unbekannten Person erhalten hatte. Wie sich dieser Vorfall genau abspielte, lässt sich jedoch nicht eruieren. Der Beschuldigte erwähnte ein durch seinen Vater ausgesprochenes Rückkehrverbot

        bereits anlässlich der Einvernahme zur Landesverweisung vom 19. September 2017, konkrete Angaben zum Vorfall im Sommer 2016 machte er aber erstmals an der Hauptverhandlung. An der Berufungsverhandlung schilderte er den konkreten Ablauf des Vorfalls aber erheblich anders, wobei er im Vergleich zur Hauptverhandlung insbesondere hinsichtlich der beteiligten Personen abwich und neue Details hinzufügte. Nicht abzustellen ist auf das durch den Beschuldigten eingereichte Schreiben seines Vaters, in dem dieser Bezug auf den Vorfall im Sommer 2016 nimmt. Die darin enthaltenen Aussagen erscheinen stark übertrieben (z.B. wenn ihn das Gericht [ ] nach Serbien abschieben wird, bedeutet das, dass er praktisch zum Tode verurteilt ist). Zudem ist das Schreiben offenbar im Zusammenhang mit einem Haftentlassungsgesuch des Beschuldigten entstanden. Nach dem Gesagten ist aus dem Vorfall von 2016 nicht auf eine aktuelle Gefährdung des Beschuldigten bei einem Aufenthalt in Serbien zu schliessen. Soweit der Beschuldigte sodann unsubstantiiert vorbringt, er fürchte bei einer Wegweisung aufgrund der allgemeinen Bedrohungslage in Serbien um seine Gesundheit, ist darauf hinzuweisen, dass Serbien durch den Bundesrat als verfolgungssicherer Staat (Safe Country) eingestuft wird und die allgemeine Lage in Serbien weder von Krieg, Bürgerkrieg noch von allgemeiner Gewalt gekennzeichnet ist (vgl. BVGer E-1908/2019 vom 30. April 2019 E. 9; D-167/2016 vom 23. November 2018 E. 4.3;

        1. 8/2018 vom 6. Juni 2018 E. 8.3.2).

      6. Mit dem Beschuldigten ist davon auszugehen, dass die wirtschaftliche Situation in Serbien schwierig ist und die staatlichen Sozialleistungen sich auf niedrigem Niveau bewegen, wenn auch ein gewisser Zugang zu Wohlfahrtsleistungen gewährleistet ist (BVGer D-167/2016 vom 23. November 2018 E. 4.4.2 mit Hinweis). Der Beschuldigte wird wohl in einer Anfangsphase in gewissem Ausmass auf die Unterstützung durch seine Familie angewiesen sein. Hingegen wird er auf dem Arbeitsmarkt in Serbien von seinen Sprachkenntnissen profitieren können, verfügt er doch über fundierte Französischkenntnisse sowie gewisse Deutschund Englischkenntnisse. Zwar besteht in Serbien ein anderes Versicherungswesen als in der Schweiz, nichtsdestotrotz wird der Beschuldigte insbesondere auf seine mehrjährigen Erfahrungen als Verkäufer zurückgreifen können. Beim Beschuldigten besteht sodann im jetzigen Zeitpunkt keine aktive Suchtstoffabhängigkeit. Er hat zudem den Willen gezeigt, keine Betäubungsmittel mehr konsumieren zu wollen. Schliesslich ist die medizinische Versorgung in Serbien gewährleistet, wenn sie auch nicht dieselbe Qualität wie in der Schweiz aufweist (vgl. BGer 2C_17/2018 vom 24. August 2018 E. 2.2.3; 2C_103/2014 vom 13. Januar 2015 E. 4.2.2; BVGer

        1. /2012 vom 16. April 2013 E. 6.3.1).

      7. Zusammenfassend hat der Beschuldigte insbesondere angesichts seiner langen Aufenthaltsdauer erhebliche Interessen an einem Verbleib in der Schweiz.

    1. Bei der Landesverweisung handelt es sich nach der Intention des Gesetzgebers primär um eine Sicherungsmassnahme (BGer 6B_627/2018 vom 22. März 2019 E. 1.3.2), womit das zu berücksichtigende öffentliche Interesse insbesondere der Schutz der öffentlichen Ordnung und die Verhinderung weiterer Straftaten ist (vgl. auch Art. 8 Abs. 2 EMRK; BGer 6B_371/2018 vom 21. August 2018 E. 4; 6B_506/2017 vom 14. Februar 2018 E. 2.5). Dabei ist massgebend auf die verschuldensmässige Natur und Schwere der Tatbegehung, die sich darin manifestierende Gefährlichkeit des Täters für die öffentliche Sicherheit und auf die Legalprognose abzustellen (BGer 6B_627/2018 vom 22. März 2019 E. 1.6.2 mit Hinweisen; siehe auch Busslinger/Uebersax, S. 97 f. und 100 ff.; Raselli, Obligatorische Landesverweisung und Härtefallklausel im Ausführungsgesetz zur Ausschaffungsinitiative, Sicherheit & Recht 3/2017, S. 147 ff.).

      1. Mit dem vorliegenden Urteil wurde eine Freiheitsstrafe von 26 Monaten als Zusatzstrafe zu einem früheren Urteil des Tribunal d'arrondissement de Lausanne ausgesprochen. Das Verschulden im Hauptdelikt, die qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, ist zwar im unteren Bereich anzusiedeln. Mit Blick auf den weiten Strafrahmen stellt die Anlasstat gleichwohl ein schweres Delikt dar. Dieses würde auch nach der migrationsrechtlichen Rechtsprechung hinreichend Anlass dazu geben, die Niederlassungsbewilligung des Beschuldigten zu widerrufen, zumal bei Drogendelikten aus rein finanziellen Motiven schon bisher eine strenge Praxis galt (vgl. BGE 139 I 16 E. 2.2.2 S. 20; BGer 6B_680/2018 vom 19. September 2018 E. 1.4; 2C_1037/2017 vom 2. August 2018 E. 6.1; 2C_27/2017 vom 7. September 2017 E. 4.1). Nach der Praxis des EGMR überwiegt bei Betäubungsmitteldelikten sodann regelmässig das öffentliche Interesse an der Beendigung eines Aufenthalts, und der Gesetzgeber hat die strenge Praxis des Bundesgerichts mit Art. 66 Abs. 1 lit. o StGB bestätigt (vgl. BGer 6B_680/2018 vom 19. September 2018 E. 1.4 mit Hinweisen). Der Beschuldigte hat die Tat im Übrigen als Erwachsener im Alter von über 30 Jahren verübt. Es liegt somit nicht etwa ein episodenhaftes Verhalten eines Jugendlichen vor (vgl. BGer 6B_627/2018 vom 22. März 2019 E. 1.7). Vielmehr ist beim Beschuldigten von einer Persönlichkeit mit einer mangelnden Normenorientierung auszugehen (vgl. Gutachten vom 4. März 2019). Zu berücksichtigen ist schliesslich, dass der Beschuldigte aus finanziellen Motiven gehandelt hat und nicht, um eine Drogenabhängigkeit zu finanzieren.

      2. Sodann kann dem Beschuldigten keine günstige Legalprognose gestellt werden, es ist vielmehr von einer beträchtlichen Rückfallgefahr auszugehen. Der Beschuldigte ist mehrfach vorbestraft, wobei insbesondere die am 27. Januar 2010 bedingt ausgesprochene Freiheitsstrafe von zwei Jahren wegen Sachbeschädigung, Hausfriedensbruchs, Diebstahls, einfacher Körperverletzung und besonders

        gefährlichen Raubs schwer wiegt. Diese unter Ansetzung der maximal möglichen Probezeit ausgesprochene Freiheitsstrafe konnte den Beschuldigten nicht davon abhalten, weitere Straftaten zu begehen. Sodann hat er während des laufenden Untersuchungsverfahrens in Lausanne weiter delinquiert, was zum vorliegenden Strafverfahren führte und auf eine besondere Unbelehrbarkeit hinweist. Auch nach Einschätzung des Gutachtens vom 4. März 2019 liegt beim Beschuldigten eine beträchtliche Rückfallgefahr vor, was insbesondere anhand von zwei strukturierten klinischen und einem statistischen Prognoseverfahren eruiert und auf die Persönlichkeit des Beschuldigten mit einer geringen Normenorientierung zurückgeführt wurde. Mit den Gutachtern ist festzuzahlten, dass insbesondere weitere Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz wie auch Gewaltdelikte erwartet werden müssen.

    2. Je stärker der Eingriff bei einem in der Schweiz geborenen aufgewachsenen Ausländer ist, desto gewichtiger muss sich das öffentliche Interesse an seiner Ausweisung nach Massgabe des Verhältnismässigkeitsprinzips erweisen (BGer 6B_627/2018 vom 22. März 2019 E. 1.3.5 mit Hinweis). Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass der 33-jährige Beschuldigte seit seiner Kindheit in der Schweiz lebt, wo er einen Teil seiner Verwandtschaft und seit kurzem eine Freundin hat. Ungeachtet der nicht erfolgreichen Integration und der nach wie vor bestehenden Bindungen zu seiner staatsbürgerlichen Heimat Serbien hat der Beschuldigte ein erhebliches privates Interessen an einem Verbleib in der Schweiz (vgl. vorhergehende E. 9.5). Dennoch überwiegt das öffentliche Interesse an der Landesverweisung (vgl. vorhergehende E. 9.6), zumal der Beschuldigte als Erwachsener wegen einer schweren Straftat zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Besonders ins Gewicht fällt, dass der Beschuldigte ein Wiederholungstäter ist und bereits in der Vergangenheit zu einer - nur knapp noch bedingt ausgesprochenen mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, welche die angestrebte Warnwirkung nicht erzielte (vgl. dazu BGE 144 IV 332 E. 3.4.2 S. 343). Die Unbelehrbarkeit des Beschuldigten akzentuierte sich darin, dass er während eines hängigen Strafverfahrens ein weiteres Drogendelikt beging. Auch deshalb muss ihm für die Zukunft eine ungünstige Legalprognose gestellt werden. Angesichts all dieser Umstände besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Landesverweisung. Es ist somit nicht nach Art. 66a Abs. 2 StGB ausnahmsweise von der Landesverweisung abzusehen. Der Beschuldigte ist für fünf Jahre des Landes zu verweisen.

    3. Zu prüfen bleibt die vom Kantonsgericht angeordnete Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informationssystem (SIS).

      1. Wird gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Landesverweisung ausgesprochen, so ordnet das urteilende Gericht - nach Massgabe der Bedeutung des

        Falls - dessen Ausschreibung zur Einreiseund Aufenthaltsverweigerung im SIS an. Damit werden die Wirkungen der Landesverweisung auf alle Schengen-Staaten ausgedehnt (vgl. Art. 3 Bst. d, Art. 21 und Art. 24 SIS II-Verordnung [Abl. L 381/4 vom 28. Dezember 2006]; Art. 6 Abs. 1 Bst. d sowie Art. 14 Abs. 1 Schengener Grenzkodex [SGK, Abl. L 77/1 vom 23. März 2016]; Art. 20 und Art. 22a Verordnung über den nationalen Teil des Schengener Informationssystems und das SIRENE-Büro vom 8. März 2013 [N-SIS-Verordnung, SR 362.0]; Schneider/Gfeller, Landesverweisung und das Schengener Informationssystem, Sicherheit & Recht 1/2019, S. 3 ff.).

      2. Die SIS-Ausschreibung erfolgt, wenn die nationale Entscheidung mit der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung die nationale Sicherheit begründet wird, die die Anwesenheit der betreffenden Person in einem Mitgliedstaat darstellt. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Person in einem Mitgliedstaat wegen einer Straftat verurteilt wurde, die mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht ist (Art. 24 Ziff. 2 Bst. a SIS-II-Verordnung). Das Bundesverwaltungsgericht versteht diese Bestimmung in steter Praxis so, dass darunter Straftaten fallen, die mit einer Höchststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe mehr bedroht sind (vgl. etwa BVGer F-953/2017 vom 20. Dezember 2018 E. 7; C-7594/2014 vom 12. April 2016 E. 6.3; BVGE 2014/20 E. 5.3 und E. 8.5). Das

        Obergericht des Kantons Zürich geht indes davon aus, massgebend sei, ob der abstrakte Strafrahmen eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe aufweise, wobei die konkrete Strafhöhe aber ein tauglicheres Abgrenzungskriterium darstelle (vgl. OGer ZH SB180218 vom 5. November 2018 E. VII.2 sowie SB170246 vom 6. Dezember 2017 E.III.3; zustimmend Zurbrügg/Hruschka, Vor Art. 66a - 66d N. 95,

        S. 1715, sowie Schneider/Gfeller, S. 8 f.). Diese höchstrichterlich noch nicht geklärte Frage ist hier nicht zu vertiefen, zumal der Beschuldigte wegen einer Straftat verurteilt wird, die mit Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht ist (Art. 19 Abs. 2 BetmG). Anzumerken ist jedoch, dass der Wortlaut des Art. 24 Ziff. 2 Bst. a SIS-II-Verordnung verschiedene Interpretationen zulässt und das Abstellen auf eine abstrakte einjährige Mindeststrafe zur Folge hätte, dass bei diversen Anlassdelikten (inkl. Verbrechen wie z.B. schwere Körperverletzung, vgl. Art. 66a lit. b i.V.m. Art. 122 StGB) keine SIS-Ausschreibung erfolgen könnte. Dies wäre mit der Verpflichtung der Schweiz, im Geltungsbereichs des SchengenRechts die Interessen der Gesamtheit aller Schengen-Staaten zu wahren, kaum zu vereinbaren (vgl. dazu etwa BVGE 2011/48 E. 6.1 sowie weiterführend PaulLukas Good, Die Schengen-Assoziierung der Schweiz, Diss., St. Gallen 2010). Entscheidend ist freilich stets, ob eine SIS-Ausschreibung angesichts der Umstände des Einzelfalls verhältnismässig erscheint. Zu prüfen ist dabei namentlich, ob von der Person eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht, die sich nicht von vornherein auf das Territorium der Schweiz beschränkt (vgl.

        Art. 21 sowie Art. 24 Abs. 1 SIS-Verordnung; Zurbrügg/Hruschka, Vor Art. 66a-66d

        N. 97, S. 1716; Schneider/Gfeller, S. 11; BVGer F-953/2017 vom 20. Dezember 2018 E. 7.3). Im Einzelfall kann es sodann geboten sein, auf eine SIS-Ausschreibung zu verzichten, wenn die mit der SIS-Ausschreibung einhergehende zusätzliche Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit z.B. aus beruflichen familiären Gründen unverhältnismässig wäre. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Ausschreibung nicht zwingend absolut wirkt, zumal die Mitgliedstaaten einer im SIS ausgeschriebenen Person aus wichtigen Gründen dennoch die Einreise gestatten bzw. ihr ein Schengen-Visum mit räumlich beschränkter Gültigkeit ausstellen können (vgl. Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 5 Bst. c SGK; Art. 25 Visakodex [Abl. L 243/1 vom 15. September 2009]; Schneider/Gfeller, S. 9 f.).

      3. Der Beschuldigte ist Drittstaatsangehöriger und wurde unter anderem wegen eines schweren Drogendelikts zu einer längerdauernden Freiheitsstrafe verurteilt. Von ihm geht eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit aus (vgl. vorhergehende E. 9.6). Angesichts der gesamten Umstände liegt die SIS-Ausschreibung der Landesverweisung im gemeinsamen Interesse der Schweiz und der übrigen Schengen-Staaten. Die damit einhergehende Beeinträchtigung seiner Bewegungsfreiheit hat der Beschuldigte hinzunehmen. Gründe, die einen Verzicht rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich und werden auch vom amtlichen Verteidiger nicht geltend gemacht. Die Landesverweisung ist somit in Übereinstimmung mit dem Kantonsgericht im Schengener Informationssystem auszuschreiben.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.