Zusammenfassung des Urteils Nr. 30/2014/8: Obergericht
Das Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, hat in einem Urteil vom 24. Oktober 2011 den Angeklagten A. wegen gewerbsmässigen Betrugs, Veruntreuung, Urkundenfälschung, Sachentziehung, Fahrens ohne Haftpflichtversicherung und Missbrauchs von Ausweisen schuldig gesprochen. Der Angeklagte wurde zu 2 Jahren Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je Fr. 10.- verurteilt. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Angeklagten auferlegt, jedoch definitiv abgeschrieben. Die Vorinstanz hatte den Angeklagten bereits zuvor verurteilt, weshalb ein Teil der Strafe als Zusatzstrafe zur Vorstrafe gilt. Der Angeklagte hat sich während des Verfahrens kooperativ gezeigt, jedoch aufgrund seiner erneuten Straffälligkeit und fehlender Bewährungsaussichten wurde die bedingt aufgeschobene Freiheitsstrafe widerrufen. Der Angeklagte kann gegen das Urteil beim Bundesgericht Beschwerde einreichen.
Kanton: | SH |
Fallnummer: | Nr. 30/2014/8 |
Instanz: | Obergericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 03.07.2014 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Art. 419, Art. 450 Abs. 1 und Art. 450f ZGB; Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO; Art. 46 Abs. 3 EG ZGB. Akteneinsicht in Handakten der Beiständin; Anfechtbarkeit von verfahrensleitenden Entscheiden der KESB |
Schlagwörter : | Akten; Beiständin; Einsicht; Recht; Verfahren; Beistands; Entscheid; Handakten; Beistandschaft; Entscheide; Aufhebung; Akteneinsicht; Rechtsverweigerung; Mandat; Zivilprozessordnung; Verfahrens; Anfechtbarkeit; Schweizerische; Erwachsenenschutz; Person; Interesse; Entscheiden; Bestimmungen; Akteneinsichtsrecht; Notizen |
Rechtsnorm: | Art. 321 ZPO ;Art. 325 ZPO ;Art. 419 ZGB ;Art. 440 ZGB ;Art. 450 ZGB ;Art. 450b ZGB ;Art. 450f ZGB ; |
Referenz BGE: | 125 II 473; |
Kommentar: | - |
Veröffentlichung im Amtsbericht
Die Anfechtbarkeit selbständig eröffneter verfahrensleitender Entscheide der KESB richtet sich nach kantonalem Recht, subsidiär nach den Bestimmungen der Zivilprozessordnung. Sie ist demnach nur unter der Voraussetzung zulässig, dass ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht (E. 1 und 2).
Das Akteneinsichtsrecht umfasst nur amtliche Akten, nicht auch Handakten, die nur zum persönlichen zum behördeninternen Gebrauch bestimmt sind wie Entwürfe, Notizen Hilfsbelege (E. 4).
Bei der Scheidung von X. und Y. wurde die elterliche Sorge über den Sohn Z. der Mutter zugeteilt und angeordnet, die bestehende Beistandschaft werde aufrechterhalten. Die Beiständin von Z. beantragte in der Folge, die Beistandschaft aufzuheben. Die KESB gab hierauf den Eltern Gelegenheit, sich zur beantragten Aufhebung der Beistandschaft zu äussern. X. forderte die KESB auf, ihm zur Wahrung seines Gehörsanspruchs Einsicht in die persönlichen Handakten der Beiständin zu gewähren. Die KESB teilte X. mit, sämtliche Akten, die relevant seien zur Beurteilung der Aufhebung der Beistandschaft, seien in dem durch die KESB geführten Dossier seines Sohns enthalten, in welches er habe Einsicht nehmen können; in darüber hinaus bestehende, weder verfahrensnoch entscheidrelevante Handakten der Beiständin bestehe kein Akteneinsichtsrecht. X. erhob hierauf beim Obergericht Rechtsverweigerungsbeschwerde; er machte geltend, die KESB habe ihm zur Wahrung seines Gehörsanspruchs Einsicht in die persönlichen Handakten der Beiständin zu gewähren. Das Obergericht wies die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten war.
Aus den Erwägungen:
.- Gegen Entscheide der Kindesund Erwachsenenschutzbehörde kann Beschwerde beim Obergericht erhoben werden (Art. 450 Abs. 1 i.V.m. mit
Art. 314 Abs. 1 und Art. 440 Abs. 3 ZGB1 sowie Art. 41 Abs. 1 JG2). Gemäss Art. 450b ZGB beträgt die Beschwerdefrist vorbehältlich abweichender Regelungen - dreissig Tage seit Mitteilung des Entscheids (Abs. 1 Satz 1). Wegen Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung kann jederzeit Beschwerde geführt werden (Abs. 3).
Selbständig eröffnete verfahrensleitende Entscheide sind grundsätzlich keine anfechtbaren Entscheide im Sinn von Art. 450 Abs. 1 ZGB. Ihre Anfechtbarkeit richtet sich nach herrschender Auffassung nach kantonalem Recht. Subsidiär - d.h. soweit die Kantone nichts anderes vorsehen sind die Bestimmungen der Zivilprozessordnung3 sinngemäss anwendbar (Art. 450f ZGB). Im Kanton Schaffhausen ist nichts anderes vorgesehen; vielmehr werden ergänzend ebenfalls die Bestimmungen der Zivilprozessordnung als sinngemäss anwendbar erklärt (Art. 46 Abs. 3 EG ZGB4). Prozessleitende Verfügungen sind demnach wenn sie nicht ausdrücklich als beschwerdefähig erklärt werden - nur anfechtbar, wenn durch sie ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht (Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO analog). Die Beschwerdefrist beträgt gegebenenfalls zehn Tage (Art. 321 Abs. 2 ZPO analog). Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung (Art. 325 Abs. 1 ZPO analog).5
Eine Rechtsverweigerung liegt vor, wenn die Behörde trotz rechtlicher Verpflichtung keinen Entscheid erlässt, eine Rechtsverzögerung (als besondere Form der formellen Rechtsverweigerung), wenn die Behörde das Verfahren in ungerechtfertigter Weise nicht innert angemessener Frist erledigt.6
.- Direkter Hintergrund der Beschwerde ist die Ansetzung einer Frist zur Stellungnahme im Zusammenhang mit der beantragten Aufhebung der Beistandschaft für den Sohn des Beschwerdeführers.
Soweit mit der Beschwerde gewisse Verfahrenshandlungen der KESB im Verfahren betreffend Aufhebung der Beistandschaft als solche angefochten werden sollten, wäre dies soweit diese Handlungen überhaupt als formelle prozessleitende Verfügungen zu betrachten wären - nur unter der Vor-
Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 (ZGB, SR 210).
Justizgesetz vom 9. November 2009 (JG, SHR 173.200).
Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO,
SR 272).
Gesetz über die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 27. Juni 1911 (EG ZGB, SHR 210.100).
Vgl. zur Anfechtbarkeit von verfahrensleitenden Entscheiden Daniel Steck, Basler Kommentar, Erwachsenenschutz, Basel 2012, Art. 450 N. 22-24, S. 638 f., mit Hinweisen; vgl. auch Ruth E. Reusser im selben Kommentar, Art. 450b N. 8, S. 649.
6 Steck, Art. 450a N. 21, S. 646.
aussetzung zulässig, dass ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil drohe.7 Dass aufgrund der Verfahrensleitung der KESB ein solcher Nachteil drohen könnte, ist weder dargetan noch ersichtlich. Allfällige Mängel der Verfahrensleitung könnten wie generell allfällige materielle prozessuale Mängel des Verfahrens und des Entscheids grundsätzlich mit dem ordentlichen Rechtsmittel gegen den Endentscheid der KESB gerügt und von der Rechtsmittelinstanz geprüft werden.
Die Beschwerde ist demnach nicht zulässig, soweit sie sich gegen die Verfahrensleitung der KESB im Verfahren betreffend Aufhebung der Beistandschaft richtet; es kann insoweit nicht darauf eingetreten werden.
.-
.- Im Zusammenhang mit der verlangten Einsicht in die persönlichen Handakten der Beiständin verweist der Beschwerdeführer auf Art. 419 ZGB. Nach dieser Bestimmung kann die betroffene eine ihr nahestehende Person und jede Person, die ein rechtlich geschütztes Interesse hat, gegen Handlungen Unterlassungen unter anderem des Beistands der Beiständin die Kindesund Erwachsenenschutzbehörde anrufen. Der Entscheid der KESB bzw. deren allfällige Rechtsverweigerung ist nach Art. 450 ff. ZGB mit Beschwerde anfechtbar.
Angesprochen ist in Art. 419 ZGB jegliches Verhalten des Mandatsträgers der Mandatsträgerin, das im Zusammenhang mit dem übertragenen Mandat steht. Die Beschwerde dient der Interessenwahrung der betreuten Person und bezweckt die Wahrung Wiederherstellung richtiger Massnahmenführung. Sie muss aber noch einen Einfluss auf das Verhalten des Mandatsträgers der Mandatsträgerin haben können, d.h. es muss ein aktuelles Interesse vorhanden sein. Sobald das Rechtsmittel keinen Sinn mehr macht, weil die Handlung nicht mehr zu korrigieren ist die Unterlassung nicht mehr gutgemacht werden kann, besteht grundsätzlich keine Beschwerdemöglichkeit mehr.8
Der Beschwerdeführer machte geltend - nachdem ihm im Verfahren betreffend Aufhebung der Beistandschaft für seinen Sohn Frist zur Stellungnahme angesetzt worden war -, ihm fehlten insbesondere Aktennotizen über verschiedene Gespräche in den Jahren 20102012. Er forderte die KESB auf, ihm Einsicht in die persönlichen Handakten der Beiständin zu gewähren Stellung zu nehmen, welche überwiegenden Interessen seinem Einsichtsrecht
Vgl. oben, E. 1.
Christoph Häfeli in: Büchler/Häfeli/Leuba/Stettler (Hrsg.), FamKomm Erwachsenenschutz, Bern 2013, Art. 419 N. 2 f., S. 644 f.; Hermann Schmid, Basler Kommentar (Fn. 5), Art. 419
N. 11, 16, S. 414 f.
entgegenstünden. Die Präsidentin der KESB teilte ihm in der Folge mit, wie bereits mehrere Male festgehalten, seien alle verfahrensrelevanten Akten im Dossier der KESB enthalten, in welches er habe Einsicht nehmen können. In darüber hinaus bestehende, weder verfahrensnoch entscheidrelevante Handakten der Beiständin bestehe kein Akteneinsichtsrecht.
Wie sich aus den Akten der KESB über den Sohn des Beschwerdeführers ergibt, war die Frage der Akteneinsicht bzw. angeblich fehlender Unterlagen seit längerem Gegenstand eines umfangreichen Mailund Schriftverkehrs zwischen dem Beschwerdeführer und Mitarbeitenden zunächst der Vormundschaftsbehörde bzw. des Vormundschaftsamts der Stadt Schaffhausen und hierauf der KESB. Dem Beschwerdeführer wurde schon mehrmals Einsicht nicht nur in die Akten der KESB, sondern auch in die Unterlagen der heutigen Beiständin und des früheren Beistands seines Sohns gewährt. Dabei konnte er selbstverständlich nur effektiv bestehende Unterlagen einsehen. Wenn bei den Einsichtnahmen keine Notizen über gewisse an sich aktenkundige Kontakte zwischen verschiedenen Personen bzw. Behörden vorhanden gewesen sein mögen, heisst das nicht, dass sie dem Beschwerdeführer unter Verletzung des Einsichtsrechts vorenthalten worden wären. Oft werden über Telefongespräche etc. keine eigentlichen Aktennotizen gar Protokolle erstellt, sondern deren Inhalt und Ergebnis falls für das Verfahren bzw. die Mandatsführung überhaupt erheblich in Briefen, Berichten Entscheiden lediglich zusammengefasst als blosser Hinweis wiedergegeben. Das Einsichtsrecht umfasst sodann worauf der Beschwerdeführer mehrmals hingewiesen wurde
- nur amtliche Akten, nicht auch Akten, die nur zum persönlichen zum behördeninternen Gebrauch bestimmt sind wie Entwürfe, Notizen Hilfsbelege.9 Zu letzteren gehören beispielsweise auch allfällige Telefonnotizen, die nur hilfsweise, als Gedankenstütze für die allfällige spätere Verwendung im Verfahren erstellt werden. Der vom Beschwerdeführer verwendete Begriff persönliche Handakten bezeichnet nach landläufiger Auffassung solche nicht der Einsicht unterstehende interne Akten.10 Die KESB hätte daher nur dann allenfalls Anlass, gegenüber der Beiständin im gewünschten Sinn einzugreifen, wenn dargetan wäre, dass die vom Beschwerdeführer erwähnten, angeblich fehlenden Aktennotizen tatsächlich als eigentliche, einsichtsfähige Amtsakten erstellt worden seien. Das tut der Beschwerdeführer jedoch nicht dar.
Vgl. Hinweis insbesondere auf BGE 125 II 473 E. 4a.
Vgl. etwa Jean-Pierre Greter, Die Akteneinsicht im Schweizerischen Strafverfahren, Diss.
Zürich 2012, S. 92.
In dieser Situation, nach den schon mehrfach gewährten Einsichtnahmen in die Beistandschaftsakten, insbesondere auch in diejenige der Beiständin, und ohne konkrete Anhaltspunkte, dass sich bei der Beiständin zusätzliche, nicht auch an den Akten der KESB befindliche einsichtsfähige amtliche Akten befinden könnten, kann der KESB keine Rechtsverweigerung vorgeworfen werden, wenn sie auf das erneute, auf die Gehörswahrung im Verfahren betreffend Aufhebung der Beistandschaft gerichtete Gesuch des Beschwerdeführers um Einsicht in die persönlichen Handakten der Beiständin nicht eingegangen und nicht im Sinn von Art. 419 ZGB eingeschritten ist.
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